T 1912/14 () of 19.8.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T191214.20190819
Datum der Entscheidung: 19 August 2019
Aktenzeichen: T 1912/14
Anmeldenummer: 05729749.1
IPC-Klasse: G01F 1/00
H01L 41/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR BESTIMMUNG UND/ODER ÜBERWACHUNG EINER PROZESSGRÖSSE
Name des Anmelders: Endress+Hauser SE+Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 05 729 749.1 zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte die Zurückweisung insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des mit Schreiben vom 14. Februar 2014 eingereichten Anspruchssatzes im Hinblick auf das Dokument

D2: US 5 844 491 A

nicht neu sei.

II. Die Beschwerdeführerin brachte in der Beschwerdebegründung Argumente vor, warum der Gegenstand des Anspruchs 1 des mit Schreiben vom 14. Februar 2014 eingereichten Anspruchssatzes gegenüber Dokument D2 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. In einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 des mit Schreiben vom 14. Februar 2014 eingereichten Anspruchssatzes nicht den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen sei, weil dort nicht offenbart sei, dass die beiden Segmente des piezoelektrischen Elements als Folge eines angelegten Wechselspannungssignals elektrisch in Reihe geschaltet seien und weil ursprünglich "genau zwei entgegengesetzt polarisierte Elektroden" nur in Kombination mit "nur zwei Segmente"(n) offenbart seien. Ferner scheine der Gegenstand des Anspruchs 1 neu zu sein und auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen. Jedoch sei die Beschreibung noch an die geänderten Ansprüche anzupassen und die Zeichnungen gemäß Regel 32 (2) a) in Verbindung mit Regel 35 (4) EPÜ 1973 auszuführen.

IV. Mit Schreiben vom 15. März 2019 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 - 6 sowie die Beschreibungsseiten 1 - 7 ein und beantragte "die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung zurückzuweisen und ein Patent auf Basis der mit gleichem Schreiben eingereichten Patentansprüche zu erteilen". Die Beschwerdeführerin machte dabei keine Angaben, welche anderen Unterlagen (Beschreibung, Zeichnungen) der Erteilung zugrunde liegen sollten.

V. In einer weiteren Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ mit Datum vom 17. April 2019 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. März 2019 nicht hinreichend spezifiziere, welche Unterlagen einer Erteilung zugrunde liegen sollen und dass sich die Kammer unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage sehe, die Erteilung eines Patents anzuordnen. Die Kammer forderte die Beschwerdeführerin deshalb erneut auf, geänderte Zeichnungsblätter einzureichen und vollständig anzugeben, welche Unterlagen gemäß ihrem Hauptantrag einer Erteilung eines Patents zugrunde liegen sollten.

VI. Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Zeichnungen auf den Blättern 1/2 und 2/2 ein und beantragte, die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis der mit dem Schreiben vom 15. März 2019 eingereichten Patentansprüche und Beschreibungsseiten 1 - 7, sowie auf der Basis der mit gleichem Schreiben eingereichten geänderten Zeichnungen zu erteilen.

VII. Folgende weiteren Dokumente wurden im Verfahren zitiert:

D1: US 3 745 384 A,

D3: US 4 193 010 A,

D4: JP 60 223300 A, und

D5: PATENT ABSTRACTS OF JAPAN, Bd. 010, Nr. 075 (E-390), 25. März 1986 (1986-03-25)& JP 60 223300 A.

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß einzigem Antrag, eingereicht mit Schreiben vom 15. März 2019 lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Bestimmung und/oder Überwachung eines vorgegebenen Füllstands, der Dichte oder der Viskosität eines Mediums in einem Behälter,

mit zumindest einem an einer Membran (5) befestigten Schwingstab (1),

mit einer Sende-/Empfangseinheit (6), die die Membran (5) und den zumindest einen Schwingstab (1) zu Schwingungen anregt und die die Schwingungen der Membran (5) und des zumindest einen Schwingstabs (1) empfängt,

wobei es sich bei der Sende-/Empfangseinheit (6) um ein scheibenförmiges piezoelektrisches Element (15) handelt,

und

mit einer Regel-/Auswerteeinheit (10), die anhand der Schwingungen von Membran (5) und Schwingstab (1) den vorgegebenen Füllstand, die Dichte oder die Viskosität überwacht oder bestimmt,

dadurch gekennzeichnet,

dass das scheibenförmige piezoelektrische Element (15) genau zwei Segmente (18) aufweist, die gegensinnig zueinander polarisiert sind,

dass auf der Seite (16) des scheibenförmigen piezoelektrischen Elements (15), welche von der Membran (5) abgewandt ist, genau zwei entgegengesetzt polarisierte Elektroden (20) aufgebracht sind,

dass an die Elektroden ein Wechselspannungssignal angelegt ist, und

dass die beiden Segmente (18) elektrisch in Reihe geschaltet sind."

Entscheidungsgründe

1. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

1.1 Der geänderte Anspruch 1 beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 2 und auf den folgenden Merkmalen aus der Beschreibung:

Die Überwachung einer Prozessgröße ist ersetzt durch die Überwachung "eines vorgegebenen Füllstands, der Dichte oder der Viskosität" (vgl. Absatz [001], letzter Satz),

die an einer Membran (5) befestigte schwingfähige Einheit (1) ist ersetzt durch "mit zumindest einem an einer Membran (5) befestigten Schwingstab (1)" (vgl. Absatz [002], 2. Satz),

die Regel-/Auswerteeinheit (10) überwacht oder bestimmt anhand der Schwingungen von Membran (5) und Schwingstab (1) den vorgegebenen Füllstand, die Dichte oder die Viskosität (vgl. s.o.),

die genau zwei Segmente des piezoelektrischen Elements sind gegensinnig zueinander polarisiert (vgl. Absatz [009], Satz 3), ohne die Relativierung "im Wesentlichen" (vgl. Absatz [008], Satz 2), und

es wurde hinzugefügt, "dass an die Elektroden ein Wechselspannungssignal angelegt ist (vgl. Absatz [008], Satz 5), und dass die beiden Segmente (18) elektrisch in Reihe geschaltet sind" (vgl. Absatz [008], Satz 6).

1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

2.1 Das Dokument D2 offenbart nach Ansicht der Prüfungsabteilung alle Merkmale des damaligen Anspruchs 1 (vgl. Entscheidungsgründe, Absatz auf den Seiten 2 und 3).

2.2 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Merkmale des kennzeichnenden Teils des damaligen Anspruchs 1 nicht aus Dokument D2 bekannt seien (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 2, 1. Absatz bis Seite 3, 3. Absatz).

2.3 Nach Meinung der Kammer offenbart Dokument D2 eine Vorrichtung zur Bestimmung und/oder Überwachung eines vorgegebenen Füllstands, der Dichte oder der Viskosität eines Mediums in einem Behälter (vgl. Spalte 2, Zeilen 41 - 44; die Überwachung eines Füllstands ist explizit angesprochen, die Vorrichtung ist aber prinzipiell auch dafür geeignet die Dichte und Viskosität eines Mediums zu Überwachen), mit zumindest einem an einer Membran 12 befestigten Schwingstab 14 (vgl. Figur 1; Spalte 3, Zeilen 56 - 58), mit einer Sende-/Empfangseinheit 2, die die Membran 12 und den zumindest einen Schwingstab 14 zu Schwingungen anregt und die die Schwingungen der Membran 12 und des zumindest einen Schwingstabs 14 empfängt (vgl. Spalte 3, Zeilen 58 - 61; Spalte 4, Zeilen 25 - 29),

wobei es sich bei der Sende-/Empfangseinheit 2 um ein scheibenförmiges piezoelektrisches Element handelt (vgl. Spalte 3, Zeilen 58 - 61), und

mit einer Regel-/Auswerteeinheit 9, die anhand der Schwingungen von Membran und Schwingstab den vorgegebenen Füllstand überwacht oder bestimmt (vgl. Spalte 9, Zeilen 1 - 17),

wobei das scheibenförmige piezoelektrische Element 2 zwei Segmente (II, III) aufweist, die gegensinnig zueinander polarisiert sind (vgl. Spalte 7, Zeilen 42 - 49; Figur 2),

wobei auf der Seite des scheibenförmigen piezoelektrischen Elements, welche von der Membran abgewandt ist, zwei entgegengesetzt polarisierte Elektroden 22, 23 aufgebracht sind, und

wobei an die Elektroden ein Wechselspannungssignal angelegt ist (vgl. Spalte 4, Zeilen 27 - 33), und die beiden Segmente (II, III) elektrisch in Reihe geschaltet sind (vgl. Spalte 4, Zeilen 12 - 21; beide Segmente sind über die Referenzelektrode 20 miteinander verbunden).

2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung des Dokuments D2 im Wesentlichen dadurch, dass das piezoelektrischen Element genau zwei Segmente aufweist und das auf dem piezoelektrischen Element genau zwei Elektroden aufgebracht sind. In der Vorrichtung gemäß Dokument D2 sind es hingegen drei Segmente mit insgesamt drei Elektroden, zwei Sendeelektroden und eine Empfangselektrode.

2.5 Da auch keines der anderen im Prüfungsverfahren zitierten Dokumente alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist.

3. Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.1 Die oben festgestellten Unterscheidungsmerkmale bezüglich Dokument D2 bewirken einen geringeren Konstruktions- und Kostenaufwand (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung, Absatz [009], 2. Satz).

3.2 Ausgehend von Dokument D2 stellt sich dem Fachmann somit die objektive technische Aufgabe, den Sensoraufbau zu vereinfachen (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 3, letzter Absatz).

3.3 Die Beschwerdeführerin führt aus, dass das Dokument D2 die beanspruchte Lösung nicht nahe lege (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 3, letzter Absatz). Die Kammer schließt sich der Beschwerdeführerin an. Dokument D2 legt es nicht nahe, auf die separate Empfangselektrode zu verzichten.

3.4 Auch keines der anderen zitierten Dokumente des Stands der Technik legt es nahe, genau zwei in Reihe geschaltete Segmente eines scheibenförmigen piezoelektrischen Elements mit einem Wechselspannungssignal über genau zwei entgegengesetzt polarisierten Elektroden zu kontaktieren.

Dokument D1 offenbart einen Drucksensor mit zwei piezoelektrischen Elementen auf einer Membran. Durch die zwei piezoelektrische Elemente kann die Membran zu einer gegenphasigen Schwingung angeregt werden (vgl. Figur 1, f11; Spalte 3, Zeile 43 bis Spalte 4, Zeile 11). Der Drucksensor hat somit 2 separate piezoelektrische Signalwandler, aber keine genau zwei entgegengesetzt polarisierten Elektroden (vgl. Spalte 5, Zeilen 60 - 67; Spalte 9, Zeilen 6 - 25; Figur 11).

Dokument D3 offenbart einen Füllstandssensor mit einem piezoelektrischen Element 18 mit einer Sende-Elektrode 20 und einer Empfangs-Elektrode 22 (vgl. Spalte 3, Zeilen 29 - 40). Segmente des piezoelektrischen Elements, die gegensinnig zueinander polarisiert sind, sind nicht offenbart.

Die Dokumente D4 und D5 offenbaren die Verbesserung der Klangqualität eines piezoelektrischen Summers durch Verbinden eines piezoelektrischen Elements, das verschiedene Elektroden enthält, mit einer gemeinsamen Membran und Ansteuern dieser verschiedenen Elektroden mit unterschiedlichen Frequenzen (vgl. Figur 1, Zusammenfassung). Zwei Segmente, die gegensinnig zueinander polarisiert sind, sind nicht offenbart.

3.5 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Die Ansprüche 2 - 6 sind von Anspruch 1 abhängig und erfüllen daher ebenso die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten 1 - 7 eingereicht mit Schreiben vom 15. März 2019.

Ansprüche:

Nr. 1 - 6 eingereicht mit Schreiben vom 15. März 2019.

Zeichnungen:

Blatt 1/2 - 2/2 eingereicht mit Schreiben vom 14. Juni 2019.

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