T 1786/14 (Wertdokument/Giesecke & Devrient) of 28.6.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T178614.20170628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2017
Aktenzeichen: T 1786/14
Anmeldenummer: 99932413.0
IPC-Klasse: D21H 21/48
B42D 15/00
G06K 19/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WERTDOKUMENT
Name des Anmelders: Giesecke & Devrient GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 99932413.0 zurückgewiesen worden ist.

II. In der angefochtenen Entscheidung fand die Prüfungsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem mit Schreiben vom 12. Juni 2008 eingereichten Hilfsantrag, den die Anmelderin mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 zu ihrer Hauptantrag gemacht hatte, ausgehend von D2 oder D3 als nächstliegendem Stand der Technik, nahe lag.

Anspruch 1 gemäß diesem Hauptantrag hat den folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung des Anspruchs 1 sind von der Kammer hervorgehoben):

"1. Bedrucktes Wertdokument mit zumindest einem Echtheitsmerkmal in Form einer lumineszierenden Substanz auf der Basis eines von mit wenigstens zwei Seltenerdmetallen dotierten Wirtsgitters, das im Wesentlichen im sichtbaren Spektralbereich absorbiert und anregbar ist und zumindest in Teilbereichen des IR-Spektralbereichs transparent ist, wobei die Seltenerdmetalle Thulium und Holmium sind, und der Lumineszenzstoff im Volumen des Wertdokuments in einer so hohen Konzentration vorliegt, dass die gewünschten Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt werden, wobei das Wertdokument aus Papier besteht und die lumineszierende Substanz im Papier in einer Konzentration von 0,05 bis 1 Gew.% vorliegt."

III. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Anmelderin eine reinschriftliche Kopie der Ansprüche gemäß dem in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten Hauptantrag.

IV. In einer am 24. März 2017 in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung hat die Kammer ihre vorläufige Meinung zu bestimmten Punkten dargelegt, insbesondere zu Klarheit, Stützung durch die Beschreibung und erfinderische Tätigkeit.

V. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 hat die Beschwerdeführerin, auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssatzes geänderte Ansprüchen 1 bis 19 eingereicht. Sie hat zudem diesbezüglich vorgetragen, dass die vorgenommenen Änderungen zulässig und die von der Kammer erhobenen Klarheits/Stützungseinwände dadurch beseitigt seien.

VI. In einer Mitteilung vom 12. Juni 2017 hat die Kammer unter anderem auf noch ausstehende Mängel bezüglich Klarheit (potentiell auch Ausführbarkeit) und Stützung durch die Beschreibung hingewiesen.

VII. Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 legte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche 1 bis 12 und eine entsprechend angepasste Beschreibung als Hauptantrag vor. Sie kündigte auch an, gegebenenfalls nur die Ansprüche 1 bis 7 als Hilfsantrag verfolgen zu wollen. Zusätzlich wurde eine angepasste Beschreibung für diesen (nur angekündigten) Hilfsantrag eingereicht.

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten Anspruch 1 des damaligen Hauptantrags hervorgehoben):

"1. Bedrucktes Wertdokument mit zumindest einem Echtheitsmerkmal in Form einer lumineszierenden Substanz auf der Basis eines von mit wenigstens zwei Seltenerdmetallen dotierten Wirtsgitters, das im Wesentlichen im sichtbaren Spektralbereich absorbiert und anregbar ist und zumindest in Teilbereichen des IR-Spektralbereichs transparent ist, wobei die Seltenerdmetalle Thulium und Holmium sind, und [deleted: der Lumineszenzstoff] die lumineszierende Substanz in Volumen des Wertdokuments in einer so hohen Konzentration vorliegt dass die gewünschten Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt werden, wobei das Wertdokument aus Papier besteht und die lumineszierende Substanz im Papier in einer Konzentration von 0,05 bis 1 Gew.%

vorliegt und wobei sich die lumineszierende Substanz durch die allgemeine Formel

Y3-z-yTmzHoy,Fe5-xAlxO12

beschreiben lässt, worin der Index z die Bedingung 0,01<z<2, vorzugsweise 0,1<z<1 und der Index y die Bedingung 0,01<y<2, vorzugsweise 0,1<y<1 erfüllt, sowie der Index x die Bedingung 0<x<4,99, vorzugsweise 0<x<2, oder durch die allgemeine Formel

Y1-z-yTmzHoyFeO3

beschreiben lässt, worin der Index z die Bedingung 0,01<z<0,8, vorzugsweise 0,1<z<0,5, und der Index y die Bedingung 0,01<y<0,8, vorzugsweise 0,1<y<0,5 erfüllt."

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 28. Juni 2017 statt. Die Klarheit des Anspruchs 1 im Hinblick auf Bedeutung und Reichweite des Merkmals "die lumineszierende Substanz in Volumen des Wertdokuments in einer so hohen Konzentration vorliegt dass die gewünschten Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt werden" wurde erörtert. Der (nur schriftlich angekündigte) Hilfsantrag wurde nicht weiter verfolgt, also nicht aufrechterhalten.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines europäischen Patents auf Basis der Ansprüche 1 bis 12 gemäß dem mit Schreiben vom 21. Juni 2017 eingereichten Hauptantrag.

XI. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin betreffend die beanstandete mangelnde Klarheit waren wie folgt:

Im Gegensatz zu D2 (US 4 452 843) (nach dem möglichst geringe Mengen der lumineszierenden Substanz verwendet werden sollten) sehe die Erfindung laut Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (zur Verbesserung der Überprüfbarkeit der lumineszierenden Eigenschaften des Wertdokuments) vor, innerhalb des vorgeschriebenen Mengenbereichs, soviel wie möglich, also eine höchstmögliche Konzentration, von der lumineszierenden Substanz zu verwenden.

Die Erfindung betreffe somit Wertdokumente, die mit effizienten lumineszierenden Substanzen abgesichert worden seien, wobei die Substanzen eine eigene Farbe aufweisen könnten. Die Absicherung erfolge, in dem eine höchstmögliche Konzentration (so viel wie möglich) an lumineszierenden Substanzen verwendet werde, um höhere Signale der Absicherung zu erhalten, ohne dass das Wertdokument sich in ihren vorgegebenen - gewünschten - Eigenschaften verändere.

Unter den gewünschten Eigenschaften im Sinne der vorliegenden Erfindung werden die Eigenschaften des zu markierenden Wertdokuments verstanden, beispielweise dessen Farbe oder dergleichen, die durch die Markierung nicht verändert werden sollten. Die erfindungsgemäß zulässige maximale Konzentration der lumineszierenden Substanz ergibt sich somit dann, wenn das Wertdokument eine so hohe wie möglich Konzentration der lumineszierenden Substanz enthält, dass beispielweise den für das Wertdokument vorgegebene - also gewünschte - Farbeindruck gerade nicht beeinträchtigt wird.

Die Anmeldung veranschauliche Beispiele der - trotz der verwendeten möglichst hohen Konzentration an lumineszierenden Substanzen - einzuhaltenden - gewünschten - Eigenschaften des Wertdokuments (die ursprünglich eingereichten Unterlagen, insbesondere Seite 4, Zeilen 15 bis 20, sind diesbezüglich erwähnt worden).

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Zulässigkeit des Hauptantrags

1.1 Der vorliegende Hauptantrag wurde mit Schreiben vom 21. Juni 2017 eingereicht, in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 12. Juni 2017, in welcher unter anderem weitere Einwände unter Artikel 84 EPÜ erhoben wurden.

1.2 Der Hauptantrag ist zweifelsohne ein bona fide Versuch, die von der Kammer erhobenen Einwände zu begegnen. In der Tat sind dadurch eine Reihe von Einwänden überwunden worden (Synonyme; Stützung durch die Beschreibung).

1.3 Daher entschied die Kammer, den mit Schreiben vom 21. Juni 2017 eingereichten Hauptantrag, trotz verspäteter Einreichung, ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK).

2. Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Die Kammer ist überzeugt, dass die vorliegenden Ansprüche des Hauptantrags, verglichen mit den Ansprüchen der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung, im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ stehen.

2.2 Zum Beispiel ergibt sich Anspruch 1 laut Hauptantrag aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3, 12, 14, 15 und 16. Die zwei weiteren Änderungen des Anspruchs 1 finden ihre Stütze in der allgemeinen ursprünglich eingereichten Beschreibung, nämlich:

- das Ersetzen von "Lumineszenzstoff" durch "lumineszierende Substanz", weil diese Begriffe in der ursprünglich eingereichten allgemeinen Beschreibung (z.B. Seite 3, Zeilen 11 und 12, sowie Seite 7, Zeilen 6-11 und 13-14) synonymisch verwendet wurden, sowie

- die Hinzufügung von "gewünschten", welches in der ursprünglich allgemeinen Beschreibung (Seite 4, Zeile 19) seine Stütze findet.

2.3 Da die Beschwerde auf Grund mangelnder Klarheit des Anspruchs 1 zurückgewiesen wird, erübrigt sich eine detaillierte Entscheidung über die Zulässigkeit der Änderungen in den weiteren Ansprüchen.

3. Klarheit - Artikel 84 EPÜ

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung (der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, siehe II.A.3.1) sind die Patentansprüche nicht deutlich gefasst, wenn sie den Schutzbereich nicht genau erkennen lassen, und wenn der Fachmann zu denen Auslegung den Inhalt der Beschreibung hinzuziehen muss.

3.2 Anspruch 1 (siehe Punkt VIII, supra) betrifft ein Wertdokument und enthält unter anderem die folgenden Merkmale:

- "die lumineszierende Substanz im Volumen des Wertdokuments in einer so hohen Konzentration vorliegt, dass die gewünschten Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt werden", und

- "wobei das Wertdokument aus Papier besteht und die lumineszierende Substanz im Papier in einer Konzentration von 0,05 bis 1 Gew.% vorliegt".

3.3 Auf Anfragung der Kammer in ihrer zweiten Mitteilung vom 12. Juni 2017, nämlich ob und wie das (erste) Merkmal ("so hohen Konzentration vorliegt .. die gewünschten Eigenschaften gerade nicht beeinträchtigt werden") das zweite Merkmal, d.h. den angegebenen Konzentrationsbereich ("in einer Konzentration von 0,05 bis 1 Gew.% vorliegt") beeinflusse, zumal Anspruch 1 die "gewünschten Eigenschaften" nicht spezifiziert, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Juni 2017 (erster voller Absatz der Seite 2) Folgendes erwidert:

"Unter den gewünschten Eigenschaften im Sinne der vorliegenden Erfindung werden die Eigenschaften des zu markierenden Wertdokuments verstanden, beispielweise dessen Farbe oder dergleichen, die durch die Markierung nicht verändert werden sollen. Die erfindungsgemäß zulässige maximale Konzentration der lumineszierenden Substanz ergibt sich somit dann, wenn das Wertdokument eine so hohe Konzentration der lumineszierenden Substanz enthält, dass beispielweise der für das Wertdokument vorgegebene - also der gewünschte - Farbeindruck gerade nicht beeinträchtigt wird."

Die Anmelderin hat sich insbesondere auf Seite 4, Zeilen 15-20 bezogen, wonach aber die maximale Konzentration nicht nur von den gewünschten Eigenschaften abhängt, sondern auch von der Art der Einbringung.

3.4 Es ist daher klar, dass das Merkmal "die lumineszierende Substanz im Volumen des Wertdokuments in einer so hohen Konzentration vorliegt, dass die Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt werden" nicht überflüssig ist (Artikel 84 EPÜ), sonst es einschränkend auf den definierten Bereich von 0,05 bis 1 Gew.% wirkt.

3.5 Somit ist von der Beschwerdeführerin bestätigt worden, dass nicht alle im definierten Bereich von 0,05 bis 1 Gew.% vorliegenden Konzentrationen geeignet sind, die (alle) nicht spezifizierten - gewünschten - Eigenschaften des Papiers des Wertdokuments gerade nicht zu beeinträchtigen.

In der Tat, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft bestätigt wurde, falls in einem Wertdokument solche eine noch zulässige maximale Konzentration an lumineszierenden Substanzen an der obersten Grenze des Anspruchs 1 (1 Gew.-%) liegt, ist dann das gleiche Wertdokument mit einer Konzentration an lumineszierenden Substanzen nahe an der untersten Grenze des Anspruchs 1 (0,05 Gew.%) sicherlich nicht als Teil der beanspruchten Erfindung anzusehen. Die untere Grenze einer "noch zulässig maximalen Konzentration" ist somit nicht ersichtlich.

3.6 Folglich sind nicht alle mögliche Kombinationen von Substanzkonzentrationen und Papiersubstraten ohne weiteres anwendbar, also geschützt, zumal sich der definierte Bereich gegebenenfalls einschränkt, und zwar in Abhängigkeit von der (von Anspruch 1 verlangten) maximalen/höchsten, gerade noch zulässigen, die gewünschten Eigenschaften des Wertdokuments nicht verändernden, Konzentration, und die Eingrenzung nicht ersichtlich ist.

3.7 Da weder Anspruch 1, noch die Beschreibung der Anmeldung, definiert bzw. veranschaulicht die von Anspruch 1 verlangte maximale/höchste, gerade noch zulässige Konzentrationsbereich in Abhängigkeit der Erhaltung von gewünschten Merkmalen, kann es für den Fachmann nicht ersichtlich sein, wie die ersuchten möglichst höchsten Konzentrationen in Abhängigkeit aller nicht spezifizierten Eigenschaften des nicht näher spezifizierten Papiers im definierten Bereich des Anspruchs 1 gegebenenfalls zu bestimmen ist.

3.8 Somit kann der Fachmann, oder ein dritter, der den Anspruch 1 liest und/oder auslegt, nicht herausfinden, ob ein bekanntes abgesichertes Wertdokument, das eine Konzentration an lumineszierenden Stoffen wie im definierten Bereich des Anspruchs 1 aufweist, unter dem Wortlaut von Anspruch 1 fällt oder nicht, also geschützt ist, weil die von Anspruch 1 verlangte "so hohen Konzentration .., dass die Eigenschaften des Wertdokuments gerade nicht beeinträchtigt" nicht eindeutig (zu bestimmen) ist.

3.9 Folglich ist der von Anspruch 1 zu schützende Gegenstand nicht klar definiert, und kann auch nicht durch Heranziehung der Beschreibung ausgelegt werden, so dass der beanspruchte Gegenstand sich mit bekannten Gegenständen nicht eindeutig vergleichen lässt.

3.10 Anspruch 1 erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ (Klarheit).

3.10.1 Der Hauptantrag (einziger Antrag) ist daher nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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