European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T174814.20180322 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 März 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1748/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05807819.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 22/34 C23C 22/36 C09D 5/12 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR BESCHICHTUNG VON METALLISCHEN OBERFLÄCHEN MIT EINER WÄSSRIGEN SILAN/SILANOL/SILOXAN/POLYSILOXAN ENTHALTENDEN ZUSAMMENSETZUNG UND DIESE ZUSAMMENSETZUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Chemetall GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (ja) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-1 812 620 betrifft ein Beschichtungsverfahren für metallische Oberflächen und entsprechende wässrige Zusammensetzungen.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
III. Gegen diese Zwischenentscheidung hat die Einsprechende (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts mit.
V. Eine mündliche Verhandlung fand am 22. März 2018 statt, in deren Rahmen die Beschwerdegegnerin von den zunächst gestellten Hilfsanträgen 1 bis 7 die Hilfsanträge 2 bis 7 nach Erörterung zurücknahm und darauf den neu eingereichten Hilfsantrag 8 zum Hilfsantrag 2 umbenannte, so dass am Ende der mündlichen Verhandlung noch folgende Anträge weiter verfolgt wurden:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1, eingereicht mit dem Schriftsatz vom 22. Januar 2018, oder des Hilfsantrags 2, eingereicht als Hilfsantrag 8 während der mündlichen Verhandlung am 22. März 2018, aufrechtzuerhalten.
VI. Ansprüche
a) Hauptantrag
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entspricht dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen zweiten Hilfsantrag und wurde im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 folgendermaßen geändert:
"Verfahren zur Beschichtung von metallischen Oberflächen mit einer Silan/Silanol/Siloxan/Polysiloxan enthaltenden wässerigen Zusammensetzung, wobei die Zusammensetzung, die einen pH-Wert im Bereich von 3 bis 6 aufweist, im wesentlichen besteht aus
a) mindestens einer Verbindung a) ausgewählt aus Silanen, Silanolen, Siloxanen und Polysiloxanen, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Silan/Silanol/Siloxan/Polysiloxan im Bereich von 0,02 bis 1 g/L enthält, berechnet auf der Basis der entsprechenden Silanole, und
b) mindestens zwei Verbindungen b) ausgewählt aus Titan-, Hafnium-, Zirkonium-, Aluminium- oder/und Bor-haltigen Verbindungen, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Verbindungen b) im Bereich von 0,1 bis 15 g/L aufweist, berechnet als Summe der entsprechenden Metalle, wobei die Zusammensetzung mindestens zwei Komplexfluoride ausgewählt aus Komplexfluoriden von Aluminium, Bor, Titan, Hafnium und Zirkonium enthält, [deleted: sowie gegebenenfalls]
c) aus mindestens einer Art Kationen ausgewählt aus Kationen [deleted: von Metallen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe einschließlich Lanthaniden sowie der 2. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente ] von Cer, Chrom, Eisen, Kalzium, Kobalt, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Tantal, Yttrium, Zinn und weiteren Lanthaniden oder/und aus mindestens einer entsprechenden Verbindung, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Kationen oder/und entsprechenden Verbindungen c) im Bereich von 0,01 bis 6 g/L aufweist,
f) aus Wasser sowie gegebenfalls
d) aus mindestens einer organischen Verbindung ausgewählt aus Monomeren, Oligomeren, Polymeren, Copolymeren und Blockcopolymeren, wobei das gewichtsbezogene Verhältnis von Verbindungen a) auf Basis von Silan/Silanol/ Siloxan/Polysiloxan berechnet auf Basis der entsprechenden Silanole zu organischen Verbindungen d) berechnet als Feststoffzusatz in der Zusammensetzung im Bereich von 1 : 0,05 bis 1 : 12 liegt, soweit organische Verbindungen d) zugesetzt sind, oder/und
e) aus mindestens einer den pH-Wert beeinflussenden Substanz [deleted: sowie außerdem aus][deleted: ][deleted: f) Wasser ] oder/und
g) [deleted: gegebenenfalls ]aus mindestens einem organischen Lösemittel."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.
Der unabhängige Anspruch 14 ist auf die gemäß Anspruch 1 einzusetzende Zusammensetzung selbst gerichtet.
Der unabhängige Anspruch 15 ist auf mögliche Verwendungen der gemäß Anspruch 1 beschichteten metallischen Substrate in verschiedensten Industriezweigen gerichtet.
b) Hilfsantrag 1
Hilfsantrag 1 basiert auf dem Wortlaut gemäß Hauptantrag, wobei im einleitenden Teil der Ansprüche 1 und 14 jeweils konkretisiert wird, dass die Zusammensetzung nur aus den angegebenen Komponenten a) bis h) besteht, und jeweils am Ende der Definition der Komponente g) mittels einer "und/oder" Verknüpfung definiert wird, dass die Zusammensetzung enthalten kann:
"h) bis zu 15 Gew.-% des Gehalts an Feststoffen und Wirkstoffen der Substanzen a) bis d) und f) aus weiteren Substanzen, bei denen es sich nicht um Verbindungen ausgewählt aus Silanen, Silanolen, Siloxanen und Polysiloxanen, nicht um Verbindungen ausgewählt aus Titan-, Hafnium-, Zirkonium-, Aluminium- oder/und Bor-haltigen Verbindungen, nicht um Kationen ausgewählt aus Kationen von Metallen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe einschließlich Lanthaniden sowie der 2. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente oder/und entsprechende Verbindungen, nicht um Wasser, nicht um organische Verbindungen ausgewählt aus Monomeren, Oligomeren, Polymeren, Copolymeren und Blockcopolymeren, nicht um pH-Wert beeinflussende Substanzen und nicht um organische Lösemittel handelt."
c) Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 2 basiert auf dem Wortlaut gemäß Hilfsantrag 1 wobei Anspruch 1 ferner das folgende Merkmal aufweist:
"und wobei im gleichen Bad ein Mix aus verschiedenen metallischen Werkstoffen beschichtet wird."
Die Ansprüche 14 und 15 wurden im Vergleich zu Hilfsantrag 1 gestrichen.
VII. Stand der Technik
Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D3: WO-A-2004/1011693
D6: EP-A-1 433 878
VIII. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Artikel 123(3) EPÜ
Durch den Ersatz der allgemeinen Klassen an Metallen durch ausgewählte Vertreter der Metalle im Wortlaut der Ansprüche 1 und 14 sei die technische Lehre der Anmeldung geändert worden. Die durch die Änderung nicht mehr als Komponente c) eingesetzten Metallkationen und -verbindungen könnten unter Berücksichtigung der Definition in Absatz [0017] des Streitpatents nun in einer Menge von bis zu 15 Gew.-% enthalten sein. Derartige Ausführungs-formen seien vom Schutzbereich gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht umfasst.
b) Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von D3 als nächstliegendem Stand der Technik dadurch, dass die wässrige Zusammensetzung Metallkationen ausgewählt von Cer, Chrom, Eisen, Kalzium, Kobalt, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Tantal, Yttrium, Zinn und weiteren Lanthaniden in einer Menge von 0,01 bis 6 g/L enthalte.
Das Streitpatent mache nicht glaubhaft, dass durch den Einsatz dieser unterschiedlichen Metalle gleichermaßen ein Effekt erzielt werde.
Die objektive technische Aufgabe sei daher die Bereitstellung einer Alternative.
Der Einsatz von Metallionen gemäß Komponente c) in wässrigen Korrosionsschutzmitteln sei dem Fachmann aus D6 bekannt.
Daher sei es naheliegend, derartige Metallionen auch für ihren bekannten Zweck in den Mitteln der D3 in den üblichen Einsatzmengen einzusetzen.
c) Hilfsantrag 2 - Zulässigkeit
Hilfsantrag 2 sei im Rahmen der mündlichen Verhandlung verspätet eingereicht worden und sollte daher nicht ins Verfahren zugelassen werden.
d) Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
D6 beschreibe eine Multimetallanwendung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 stelle eine willkürliche Abänderung des in D6 beschriebenen Verfahrens dar.
IX. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Artikel 123(3) EPÜ)
Die Beschränkung auf bestimmte Vertreter der Metalle gemäß Komponente c) aus der ursprünglich in Anspruch 9 offenbarten Liste von Metallen sei eine einfache Einschränkung, die unter Berücksichtigung der in Absatz [0017] des Streitpatents angegebenen Definition des Begriff "im wesentlichen bestehend aus" nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führe.
b) Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ
Die Beispiele des Streitpatents demonstrierten, dass durch den Zusatz von Metallionen gemäß Komponente c) der Korrosionsschutz verbessert werde. Die in den Beispielen für Kupfer und Mangan gezeigten Effekte seien ebenfalls mit den übrigen in Anspruch 1 genannten Metallen erzielbar.
Keines der zitierten Dokumente offenbare, dass durch den Zusatz von Metallkationen gemäß Komponente c) der Korrosionsschutz der in D3 beschriebenen Mittel verbessert werde.
c) Hilfsantrag 2 - Zulässigkeit
Hilfsantrag 2 stelle eine Reaktion auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals erhobenen Einwände dar und räume diese aus. Daher gebe es keine Veranlassung, diesen Antrag nicht zuzulassen.
d) Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
Ausgehend von D6 sei es nicht naheliegend, dass sich durch den Einsatz von mindestens zwei Komplexfluoriden gemäß Merkmal b) des Anspruchs 1 eine Verbesserung des Beschichtungsverfahrens bei Multimetallanwendungen erzielen lasse.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Artikel 123(3) EPÜ
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 unter anderem folgendermaßen geändert:
"c) aus mindestens einer Art Kationen ausgewählt aus Kationen [deleted: von Metallen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe einschließlich Lanthaniden sowie der 2. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente ] von Cer, Chrom, Eisen, Kalzium, Kobalt, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Tantal, Yttrium, Zinn und weiteren Lanthaniden oder/und aus mindestens einer entsprechenden Verbindung, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Kationen oder/und entsprechenden Verbindungen c) im Bereich von 0,01 bis 6 g/L aufweist".
Die Lehre der erteilten Fassung ist darauf beschränkt, dass der Gesamtgehalt an Kationen von Metallen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe einschließlich Lanthaniden sowie der 2. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente und entsprechender Verbindungen (Komponente c) der einzusetzenden Zusammensetzung), falls vorhanden, im Bereich von 0,01 bis 6 g/L liegt (erteilter Anspruch 1).
Mit der Einschränkung der Liste von Kationen der Komponente c) in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist das Erfordernis, dass ein bestimmter Mengenbereich für die Komponente c) einzuhalten ist, nunmehr ausschließlich für die explizit im Anspruch aufgeführten Metallkationen und -verbindungen obligatorisch.
Gemäß Absatz [0017] des Streitpatents bedeutet der Begriff "im wesentlichen aus ... besteht" in
Anspruch 1, dass die wässrige Zusammensetzung gegebenenfalls bis zu 15 Gew.-% des Gehalts an Feststoffen und Wirkstoffen der Substanzen a) bis d) und f) weitere Substanzen umfassen kann, die die verschiedensten Eigenschaften der wässrigen Zusammensetzung oder/und der Beschichtung verbessern oder/und an Anforderungen anzupassen helfen können.
Daraus folgt, dass diejenigen Kationen, für die in der erteilten Fassung des Streitpatents die spezifische Mengeneinschränkung der Komponente c) galt, die aber in der beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchsfassung nicht mehr zu den explizit genannten Kationen gemäß Komponente c) gehören, nunmehr im Rahmen der Bedeutung des Begriffs "im wesentlichen aus ... besteht" in beliebiger Menge enthalten sein dürfen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, 2016, Kapitel II.E.2.4.13, Seite 534).
Auf eine imaginäre Beispielzusammensetzung übertragen bedeutet dies folgendes:
Eine Zusammensetzung enthaltend zusätzlich 10 g/L Zinkionen oder 10 g/L Bariumionen fällt nicht in den Schutzbereich der erteilten Ansprüche 1 und 16, da gemäß diesen die Zusammensetzungen Metallkationen c) - falls vorhanden - nur in einer Menge von bis zu 6 g/L enthalten dürfen.
Derartige Zusammensetzungen erfüllen allerdings die Bedingungen der Ansprüche 1 und 14 gemäß Hauptantrag, da Zink und Barium nicht in der Liste der Metalle gemäß Komponente c) der Ansprüche 1 und 14 genannt werden. Zudem erfüllen sie - unter Berücksichtigung der in Absatz [0017] des Streitpatents angegebenen Definition- die Einschränkung des Begriffs "im wesentlichen aus ... besteht", da sie in einer geringeren Menge als 15 Gew.-% eingesetzt werden.
Dieses Beispiel verdeutlicht daher anschaulich, dass durch die vorgenommenen Änderungen der Schutzumfang des Streitpatents geändert wurde. Jedoch darf ein europäisches Patent gemäß Art. 123 (3) EPÜ nicht in der Weise geändert werden, dass sein Schutzbereich erweitert wird.
Die Ansprüche 1 und 14 erfüllen daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ, da es gemäß Hauptantrag entgegen der Lehre des Streitpatents möglich ist, dass zusätzlich zu 0,01 bis 6 g/L (0.001 bis 0.6 Gew.-% bei Dichte 1 kg/L) an Metallen der Komponente c) bis zu 15 Gew.-% an Be, Mg, Sr, Ba (Elemente der 2. Hauptgruppen) oder weiteren Elementen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe (z.B. Zn, Cd, Ag, Pd, Pt, Sc, ...) enthalten sind.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Artikel 123(2) EPÜ
Die Änderungen im Wortlaut der Ansprüche 1 und 14 beruhen auf der technischen Lehre der ursprünglichen Ansprüche in Kombination mit Seite 7, Zeilen 7 bis 10 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Die Lehre der Ansprüche des ersten Hilfsantrag geht daher nicht über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hilfsantrag geht mithin nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
2.2 Artikel 123(3) EPÜ
Hilfsantrag 1 basiert auf dem Wortlaut gemäß Hauptantrag, wobei im einleitenden Teil der Ansprüche 1 und 14 jeweils konkretisiert wird, dass die Zusammensetzung nur aus den angegebenen Komponenten a) bis h) besteht. Durch den Begriff "besteht" und die zusätzliche Angabe in Punkt h) der Ansprüche wird jeweils ausgeschlossen, dass die Zusammensetzung weitere Kationen von Metallen der 1. bis 3. und 5. bis 8. Nebengruppe einschließlich Lanthaniden sowie der 2. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente von Cer, Chrom, Eisen, Kalzium, Kobalt, Molybdän, Nickel, Niob, Tantal, Yttrium und Zinn enthalten kann.
Der Schutzumfang der erteilten Ansprüche wird daher durch die Einschränkung der Liste der möglichen Metallkationen in Punkt c) der erteilten Ansprüche 1 und 16 nicht erweitert, sondern vielmehr eingeschränkt.
Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 erfüllt daher die Erfordernisse gemäß Artikel 123(3) EPÜ.
2.3 Artikel 56 EPÜ
2.3.1 Das Streitpatent (siehe Absatz [0001]) ist auf ein Beschichtungsverfahren für metallische Oberflächen gerichtet.
D3 offenbart ein Verfahren zu Erzielung chromfreier korrosionsschützender Konversionsschichten auf Metalloberflächen (Anspruch 1, Seite 1, zweiter Absatz), die auch gemäß Streitpatent erzielt werden sollen (siehe Absatz [0009]).
Daher betrifft D3 allgemein die gleiche Aufgabe wie das Streitpatent und stellt einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
Die Beschwerdegegnerin gibt diesbezüglich zu bedenken, dass das Streitpatent insbesondere darauf abziele, Zusammensetzungen und Beschichtungsverfahren bereitzustellen, mit denen Multimetallanwendungen ermöglicht werden (siehe Absatz [0009]).
Die Ansprüche 1 und 14 enthalten allerdings keine Merkmale, die erkennen lassen, dass das Verfahren und die wässrige Zusammensetzung für eine Multimetallanwendung eingesetzt werden sollen.
2.3.2 D3 offenbart wässrige Konzentrate, die verdünnt als Anwendungslösung dienen. Ein gemäß D3 bevorzugtes Konzentrat enthält ein organisches Bindemittelsystem, y-Aminopropyltrimethoxysilan und die Fluorosäuren der Elemente Zirconium und Titan (D3: Seite 6, letzte Zeile bis Seite 7, Zeile 17). Gemäß der D3 werden für die Anwendungslösungen 3-100%ige Lösungen des Konzentrats hergestellt (D3: Seite 7, Zeilen 19 bis 21).
Damit offenbart D3 unmittelbar solche Anwendungslösungen, die zumindest 0,03 Gew-% des speziellen Aminosilans (= 0,023 Gew.-% Silanol), 0,051 Gew.-% an H2ZrF6 (= 0,022 Gew. % Zr) und 0,068 Gew.-% an H2TiF6 (= 0,020 Gew. % Ti) enthalten.
2.3.3 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 gemäß Hilfs-antrag 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D3 jeweils dadurch, dass die wässrige Zusammensetzung gemäß Komponente c) Metallkationen ausgewählt von Cer, Chrom, Eisen, Kalzium, Kobalt, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Tantal, Yttrium, Zinn und weiteren Lanthaniden in einer Menge von 0,01 bis 6 g/L enthält.
2.3.4 In den Absätzen [0038] bis [0044] des Streitpatents wird beschrieben, dass der Zusatz der Kationen und Verbindungen gemäß Komponente c) bevorzugt ist. Ein gemeinsamer Beitrag zur Erzielung eines bestimmten Effekts wird für den Zusatz dieser Metalle oder die Einhaltung der Mengenerfordernisse aber nicht angegeben.
Bei den Kationen der Komponente c) kann es sich um Kationen unterschiedlicher Haupt- und Nebengruppen des Periodensystems handeln, deren chemische Eigenschaften in wässrigen Systemen demnach stark divergieren (bspw. Reduktionspotentiale, Komplexbildungskonstanten, Löslichkeitsprodukte). Auch kann es sich anspruchskonform sogar um beliebige Verbindungen dieser Kationen handeln, die damit auch in Form äußerst stabiler Komplexe oder gar unlöslicher Salze vorliegen können.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass ein gemeinsamer technischer Beitrag von allen genannten Metallionen und ihren Verbindungen gleichermaßen erzielt werden kann.
Die zu erwartende unterschiedliche Wirkung wird auch im Streitpatent bestätigt, das einzelne dieser bevorzugten Kationen hinsichtlich ihrer Eigenschaften herausgestellt.
So wird im Streitpatent zwar in Hinblick auf Mangan angegeben, dass dieses die Eigenschaften der Beschichtungen verbessert (Absatz [0042]), allerdings wird in Bezug auf Eisen-Kationen nur festgestellt, dass diese sich "in weiten Gehaltsbereichen nicht negativ auf das Badverhalten, die Schichtausbildung und die Schichteigenschaften auswirken" (Absatz [0039]).
Hinsichtlich der Eisenionen wird also angegeben, dass diese zumindest keine negativen Auswirkungen haben. Daraus kann aber in keiner Weise geschlossen werden, dass sich die Anwesenheit von Eisen-Kationen generell positiv auswirkt oder gar zu den für Mangan-Kationen postulierten Effekten führt.
Für die meisten der übrigen in den Ansprüchen 1 und 14 aufgelisteten Metallkationen finden sich hinsichtlich ihrer technischen Wirkung keinerlei Angaben und in Hinblick auf mögliche Verbindungen dieser Metalle wird ebenfalls keine Aussage im Streitpatent getroffen. Auch enthält das Streitpatent keinerlei Erklärung dazu, warum die in Komponente c) genannten Metalle trotz ihrer unterschiedlichen Eigenschaften einen gemeinsamen technischen Beitrag liefern können.
Zusammengefasst ist daher eine Verbesserung des Korrosionsschutzes durch den Einsatz aller möglicher Metallionen c) für den beanspruchten Gegenstand nicht glaubhaft gemacht worden.
2.3.5 Die objektive, technische Aufgabe ausgehend von der D3 als nächstliegendem Stand der Technik kann folglich darin gesehen werden, eine alternative Zusammensetzung für ein Beschichtungsverfahren bereitzustellen, welche einen ausreichenden Korrosionsschutz der Metalloberfläche ermöglicht.
2.3.6 D6 betrifft dasselbe technische Gebiet wie D3, da es ebenfalls korrosionsschützende Beschichtung von Metalloberflächen vorschlägt.
Der Fachmann auf der Suche nach alternativen Zusammensetzungen würde D6 daher berücksichtigen.
D6 offenbart hierfür wässrige Zusammensetzungen enthaltend Verbindungen der Elemente Zr, Ti und Hf, wobei vorzugsweise die komplexen Fluoride dieser Elemente eingesetzt werden (Absatz [0027]), sowie ein organisches Bindemittel, ausgewählt aus Epoxid-basierten Bindemitteln (Anspruch 1 und Absatz [0030]), um die Adhäsion zu nachträglich aufgebrachten Lacken zu verbessern. Weiterhin lehrt D6 (Absatz [0065]) die Verwendung von Silanen ("silane-coupling agent"), um eben diese Lackhaftung weiter zu verbessern.
2.3.7 Aus D6 kann der Fachmann entnehmen, dass der Zusatz von Kationen (A) der Elemente Zn, Mg, Ca, Al, Mn und Fe in bevorzugten Mengen von 20 bis 2000 ppm oder von Kupferionen (B) die Adhäsion zu nachträglich aufgebrachten Lackschichten weiter verbessern kann (Absätze [0059] und [0060]), wobei die Zugabe von Kupferionen in Mengen von 0,5 bis 100 ppm zusätzlich die Rostbildung unterdrückt (Absatz [0061]).
Der Einsatz von Metallionen wie Zink, Magnesium, Calcium, Aluminium, Mangan und Eisen zusammen mit Kupfer wird dabei gemäß D6 bevorzugt (Absatz [0069]).
Die in D6 ausgelobten Metallionen in den üblichen Einsatzmengen für ihren bekannten Einsatzzweck auch in den Mitteln der D3 einzusetzen liegt für den Fachmann auf der Hand, um eine alternative Zusammensetzung bereitzustellen.
2.3.8 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher naheliegend, ausgehend von D3 unter Berücksichtigung von D6.
3. Hilfsantrag 2
3.1 Zulässigkeit des Hilfsantrags 2
Hilfsantrag 2 wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 8 eingereicht.
Die im Vergleich zum Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen stellen zum einen eine Streichung der Ansprüchen 14 und 15 dar. Ferner wurde in Anspruch 1 klargestellt, dass das darin definierte Verfahren in Übereinstimmung mit der in Absatz [0009] dargestellten Aufgabenstellung eine Multimetallanwendung ist.
Dieser Antrag stellt eine Reaktion auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände hinsichtlich mangelnder Klarheit und erfinderischer Tätigkeit bezüglich des mit dem Schriftsatz vom 22. Januar 2018 eingereichten Hilfsantrags 7 dar.
Die Änderung in Anspruch 1 basiert zudem eindeutig auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 18.
Daher sieht die Kammer keine Veranlassung im Rahmen ihres Ermessens nach Artikel 13(3) VOBK, diesen Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
3.2 Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet, bei dem im gleichen Bad ein Mix aus verschiedenen metallischen Werkstoffen beschichtet wird.
D3 beschreibt ein Verfahren, bei dem stets ein Werkstoff beschichtet wird (Beispiele). D3 weist keine Offenbarung auf, dass das beschriebene Beschichtungsverfahren auch für Werkstoffe geeignet ist, die verschiedene Metalle aufweisen.
D6 beschreibt dagegen in Absatz [0080], dass die beschriebenen Zusammensetzungen auch für Werkstücke eingesetzt werden können, die eine Vielzahl von Metallen enthalten.
Daher betrifft D6 das gleiche technische Problem wie Anspruch 1 und wird daher als geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen.
D6 beschreibt in den Beispielen Beschichtungsverfahren, bei denen Zusammensetzungen eingesetzt werden, die neben Titan- oder Zirkonkomplexfluoriden auch Silane und Metallionen wie Kupfer- und Mangankationen enthalten (siehe Beispiele 7).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D6 dadurch, dass das Beschichtungsmittel mindestens zwei Komplexfluoride, ausgewählt aus der Gruppe der Komplexfluoride von Aluminium, Bor, Titan, Hafnium und Zirkonium, enthält.
In Absatz [0010] des Streitpatents wird beschrieben, dass der Einsatz von zwei Komplexfluoriden eine Qualitätssteigerung der Beschichtung ermöglicht.
Ausgehend von D6 kann die objektive technische Aufgabe daher darin gesehen werden, ein Beschichtungsverfahren bereitzustellen, das eine verbesserte Beschichtung und damit einen verbesserten Korrosionsschutz erzielt.
Keines der von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente gibt einen Hinweis darauf, dass durch den Einsatz von zwei Komplexfluoriden eine Qualitätssteigerung der Beschichtung bei Multimetallanwendungen erzielt werden kann.
Daher wird der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D6 nicht nahegelegt.
Die Beschwerdeführerin argumentiert mit Verweis auf Absatz [0075] des Streitpatents, dass bei der Anwendung einer Zusammensetzung der D6 auf Aluminium unausweichlich auch Aluminiumkomplexfluoride gebildet werden.
Es mag bei der Nacharbeitung von Beispielen 5 und 12 der D6 der Fall sein, dass bei der Beschichtung von Aluminiumwerkstoffen in der Beschichtungszusammensetzung Aluminiumkomplexfluoride gebildet werden.
Allerdings werden die Zusammensetzungen der Beispiele der D6 nur jeweils auf einem Werkstoff angewendet (siehe Tabelle 4). Ferner enthalten die Zusammensetzungen der entsprechenden Beispiele keine Metallkationen gemäß Punkt c) des Anspruchs 1.
Der Fachmann enthält daher aus D6 keinen Anhaltspunkt, die auf Aluminiumwerkstoffen eingesetzten Zusammensetzungen im Anschluss in Multimetallanwendungen einzusetzen und zudem weitere Metallkationen gemäß Punkt c) des Anspruchs 1 des Streitpatents zuzugeben, um die Beschichtung bei Multimetallanwendungen zu verbessern.
Daher ist die Argumentation der Beschwerdeführerin ausgehend von D6 nicht überzeugend.
3.3 Abschließend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D6 nicht naheliegend ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht als Hilfsantrag 8 in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2018, und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.