European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T172414.20170720 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Juli 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1724/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06829594.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21B 1/46 B21B 37/74 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUM GIESS-WALZEN MIT ERHÖHTER GIESSGESCHWINDIGKEIT UND DARAN ANSCHLIESSENDEM WARMWALZEN VON RELATIV DÜNNEN METALL-, INSBESONDERE STAHLWERKSTOFF-STRÄNGEN, UND GIESS-WALZ-EINRICHTUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS group GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Primetals Technologies Austria GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-1 824 617 betrifft ein Verfahren zum Gieß-Walzen und daran anschließendem Warmwalzen mit relativ niedriger Bandgeschwindigkeit. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe der Artikel 100 a) und b) EPÜ gestützt.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 1 aufrechtzuerhalten.
III. Gegen diese Zwischenentscheidung hat die Einsprechende (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts mit.
V. Eine mündliche Verhandlung fand am 20. Juli 2017 statt.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
VII. Ansprüche
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, der dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrag 1 entspricht:
"Verfahren zum Gieß-Walzen mit erhöhter Gießgeschwindigkeit von ca. 4-12 m/min und daran anschließendem Warmwalzen Metall-, insbesondere Stahlwerkstoff-Strängen (1) mit relativ niedriger Bandgeschwindigkeit zu dünnem Warmband (2) in einer mehrgerüstigen Warmband-Fertigwalzstraße (3) unter Regeln der Temperaturen der Arbeitswalzen (4),
dadurch gekennzeichnet,
dass bei Gießgeschwindigkeiten von ca. 4-12 m/min und bei Berücksichtigung von Gießdicken von 20 mm bis 90 mm des Gießstrangs die Walzgeschwindigkeiten angepasst werden, wobei die Temperaturen der Arbeitswalzen (4) ausgehend von einer niedrigen Anfangstemperatur (5) mit vorgegebener Steigerungsrate erhöht werden und die Bandtemperatur (15) innerhalb der Warmband-Fertigwalzstraße (3) auf eine Zielwalztemperatur (6) des Warmbandes (2) und durch Regeln oder Steuern der Intensität der Walzenkühlung (18) eingestellt wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 16 betreffen jeweils bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal des Anspruchs 2 gemäß Hauptantrag hinzugefügt wird:
"wobei bei gegebenen Stichplandaten eine Zieltemperatur (6) eingestellt wird, die unter der Anlasstemperatur des Walzenwerkstoffes der Arbeitswalzen (4) liegt."
VIII. Stand der Technik
Die folgenden, bereits in der angefochtenen Entscheidung genannten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D2: DE19518144
D3: DE3850395
D4: B. Forster, "Coolant Application Concepts for Rolling Mills", 1995 AISE Iron and Steel Exposition and Annual Conference, Pittsburgh, PA, USA, 25 bis 28 September 1995
IX. Für diese Entscheidung relevantes Vorbringen der Beteiligten
a) Argumentation der Beschwerdeführerin
Die Einspruchsabteilung habe zu Unrecht angenommen, dass Anspruch 1 des aufrechterhaltenen Anspruchssatzes auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. D2 stelle den nächstliegenden Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag dar, da D2 ebenfalls ein Verfahren zum Gieß-Walzen eines Stahlwerkstoff-Strangs zu dünnem Warmband in einer mehrgerüstigen Warmband-Fertigwalzstraße offenbare.
Anspruch 1 definiere lediglich ein Verfahren, bei dem die Temperatur der Arbeitswalze geregelt werde, die einen indirekten Einfluss auf die Temperatur des gewalzten Bandes habe. Die Zielwalztemperatur (6) gemäß Anspruch 1 sei gleichbedeutend mit der Zieltemperatur (6) gemäß Anspruch 2 und betreffe die beabsichtigte Temperatur der Arbeitswalze und nicht die Bandtemperatur als solches.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich daher von der Offenbarung der D2 nur dadurch, dass die Temperatur der Arbeitswalzen geregelt werde.
Eine Regelung der Arbeitswalzentemperatur sei eine bekannte und stets durchgeführte Maßnahme, die von D2 bereits angeregt werde und dem Fachmann bestens bekannt sei, wie die Dokumente D3 und D4 belegten. Es sei daher naheliegend, eine beispielsweise in D3 ausgelobte Arbeitswalzenkühlung in dem Verfahren der D2 einzusetzen.
Die gleiche Argumentation gelte auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag. Die im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hinzugefügten Merkmale seien bereits aus D2 implizit bekannt. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit aus den für Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dargelegten Gründen.
b) Argumentation der Beschwerdegegnerin
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von D2 als nächstliegendem Stand der Technik mindestens dadurch, dass die Temperatur der Arbeitswalzen mit vorgegebener Steigerungsrate auf eine höhere Temperatur geregelt werde, um die Bandtemperatur auf eine Zieltemperatur einzustellen.
Der Einsatz von Arbeitswalzen bei unüblich hoher Temperatur, die durch Regelung auf eine verminderte Walzenkühlung erzielt werde, werde in der Entgegenhaltung D2 nicht nur nicht erwähnt, sondern solle vielmehr durch besonders intensive Kühlung vermieden werden.
Zudem werde die Einhaltung einer hohen Bandtemperatur während des Walzens in D2 nicht gemäß Streitpatent durch eine höhere Temperatur der Arbeitswalze realisiert, sondern durch eine zusätzliche Induktionsheizung vor den Walzständen und den Einsatz weniger Walzstände mit Arbeitswalzen von geringem Durchmesser.
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher ausgehend von D2 nicht naheliegend.
Ferner beschreibe keines der weiteren zitierten Dokumente D3 und D4, dass die Walzenkühlung zur Einstellung einer Zielfertigbandtemperatur eingesetzt werden könne.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag spezifiziere die Erfindung noch genauer. D2 offenbare nicht, dass Stichplandaten gegeben seien und eine Zieltemperatur eingestellte werde, die unter der Anlasstemperatur der Arbeitswalzen liege.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
1.1 Interpretation des Anspruchs 1
Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zum Gieß-Walzen, das unter anderem durch folgende Merkmale charakterisiert wird:
A "wobei die Temperaturen der Arbeitswalzen (4) ausgehend von einer niedrigen Anfangstemperatur (5) mit vorgegebener Steigerungsrate erhöht werden" und
B "die Bandtemperatur (15) innerhalb der Warmband-Fertigwalzstraße (3) auf eine Zielwalztemperatur (6) des Warmbandes (2) und durch Regeln oder Steuern der Intensität der Walzenkühlung (18) eingestellt wird."
Diese Merkmale werden von den Parteien unterschiedlich interpretiert.
1.1.1 zu Merkmal A
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass dieses Merkmal eine in jedem Warmbandwalzwerk inhärent stattfindende Temperaturerhöhung der Arbeitswalzen definiere.
Die Beschwerdegegnerin interpretiert dieses Merkmal dahingehend, dass die Temperaturen der Arbeitswalzen auf eine höhere Temperatur als üblich geregelt werden, um eine höhere und genauer einstellbare Bandtemperatur zu erzielen. Diese Interpretation werde durch die Figuren 1, 2 und 4 der Patentschrift klar gestützt.
Die Kammer stellt dazu fest, dass das Streitpatent in Figur 1 klar verdeutlicht, dass die Arbeitswalzen sowohl im Fall ohne Kühlung als auch beim Einsatz einer konventionellen Kühlung mit vorgegebener Steigerungsrate erwärmt werden. Dies wird durch den anfangs linear dargestellten Verlauf der Arbeitswalzentemperatur verdeutlicht, wobei die Temperatursteigerung durch die Wärmeübertragung vom heißen Band auf die Arbeitswalzen erfolgt.
Durch die Angabe einer Temperaturerhöhung mittels vorgegebener Steigerungsrate wird in Anspruch 1 kein Hinweis darauf gegeben, bis zu welcher Temperatur die Temperaturerhöhung zu erfolgen hat oder in welchem Zeitrahmen dies zu erfolgen hat.
Die Kammer legt daher Merkmal A dahingehend aus, dass ausgehend von einer bestimmten Ausgangstemperatur (z.B. Raumtemperatur) eine Erwärmung der Arbeitswalzen während des Warmbandwalzens erfolgen muss.
Eine weitere Einschränkung auf den Einsatz einer reduzierten Arbeitswalzenkühlung zwecks Einstellung einer gezielt erhöhten Arbeitswalzentemperatur, die in den Figuren 2 und 4 dargestellt wird, wird durch Merkmal A daher nicht definiert.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 spiegelt daher nicht die in der zugehörigen Beschreibung dargestellte Erfindung wider.
1.1.2 zu Merkmal B
Gemäß Merkmal B wird die Bandtemperatur (15) auf eine Zielwalztemperatur (6) eingestellt.
Bei der Zielwalztemperatur (6) handelt es sich um die angestrebte Temperatur der Arbeitswalzenoberfläche wie aus Figur 2 (Y-Achse stellt Arbeitswalzentemperatur dar) und Anspruch 2 hervorgeht.
Anspruch 1 definiert daher wörtlich, dass die Bandtemperatur auf die Temperatur der Arbeitswalze eingestellt werden soll.
Diese Anspruchsformulierung scheint daher im Zusammenhang mit einem Warmbandwalzverfahren nicht schlüssig und widerspricht auch den weiteren Angaben im Streitpatent.
Bereits in Absatz [0001] des Streitpatents wird angegeben, dass das Verfahren unter Regeln der Temperaturen der Arbeitswalzen stattfindet. Figur 2 verdeutlicht dies anschaulich im Vergleich zu Figur 1, das den Arbeitswalzentemperaturverlauf bei konventioneller Kühlung und ohne Kühlung zeigt.
Die in Figur 2 angegebene Arbeitswalzentemperatur liegt bei 400°C in Übereinstimmung mit den Angaben in den Absätzen [0008] und [0045].
Dagegen soll die Bandtemperatur (15) wie beim Warmbandwalzen üblich bei ca. 900°C liegen (siehe Figur 4 des Streitpatents) und nicht bei der in Figur 2 angegebenen Arbeitswalzenzieltemperatur von ca. 400°C.
Der Fachmann zieht ein wörtliches Verständnis des Merkmals B daher nicht in Erwägung, sondern interpretiert Anspruch 1 im Lichte der Beschreibung.
Während die Beschwerdeführerin Merkmal B dahingehend ausgelegt, dass die Zieltemperatur der Arbeitswalze eingestellt werden soll, leitet die Beschwerdegegnerin daraus ab, dass die Bandtemperatur auf eine Zieltemperatur eingestellt werden soll.
Die Kammer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die gesamte Lehre des Patents darauf abzielt, die Temperatur der Arbeitswalzen durch eine reduzierte Kühlung so zu regeln, dass die Walzentemperatur höher als üblich ist, wie die Absätze [0001], [0008], [0029], [0048], [0051] sowie die Figuren 2, 4 und 5 eindeutig verdeutlichen. Auch in dem in Figur 3 gezeigten Arbeitswalzentemperaturmodell ist lediglich eine Einstellung der Arbeitswalzentemperatur erkennbar.
Merkmal B kann daher in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lehre des Streitpatents nur dahingehend interpretiert werden, dass innerhalb der Warmband-Fertigwalzstraße (3) die Arbeitswalzentemperatur auf eine Zielwalztemperatur (6) durch Regeln oder Steuern der Intensität der Walzenkühlung (18) eingestellt wird.
1.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1.2.1 D2 beschäftigt sich mit einer ähnlichen Problemstellung wie das Streitpatent und wird von den Parteien in Übereinstimmung als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angesehen.
D2 beschreibt ein Verfahren zum Gieß-Walzen mit einer Gießgeschwindigkeit von 4 bis 12 m/min (Spalte 13, Zeilen 60 bis 62) bei dem eine Stranggießmaschine direkt mit einem Warmbandwalzwerk kombiniert eingesetzt wird (D2, Figur 1). Die Gießdicke liegt beispielsweise bei 70 mm (D2, Spalte 13, Zeilen 46 bis 50). Dabei kann die Fertigwalztemperatur, d.h. die Temperatur beim letzten Walzstich des Warmbands in der Fertigwalzstraße, oberhalb einer Grenztemperatur von ca. 900°C gewährleistet werden (D2, Spalte 16, Zeilen 49 bis 56).
Die Einstellung der Zielwalztemperatur erfolgt mittels einer lnduktionsheizung (9), bevor das Band in die Fertigwalzstraße eintritt (D2, Figur 3 und Spalte 14, Zeilen 48 bis 53). Um die auf die Arbeitswalzen einwirkende Wärme effizient abzuführen, ist in dem Walzwerk der D2 eine Walzenkühlvorrichtung für die mit dem Band in Kontakt kommende Arbeitswalze installiert. In der Walzenkühlvorrichtung wird von mehreren Düsen Kühlwasser zur Arbeitswalze ausgespritzt (D2, Spalte 9, Zeilen 57 bis 64; Spalte 21, Zeilen 14 bis 21).
1.2.3 Die Beschwerdegegnerin identifizierte als Unterscheidungsmerkmal in Hinblick auf D2, dass die Zielbandtemperatur durch Regelung der Kühlung der Arbeitswalzen in der Warmband-Fertigwalzstraße geregelt und gesteuert wird. In Anbetracht der Ausführungen in Punkt 1.1.2 ist diese Argumentation für die Kammer nicht schlüssig und basiert auf einer Interpretation des Anspruchs, die weder den wörtlichen Anspruchswortlaut noch die technische Lehre des Patents berücksichtigt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D2 unter Berücksichtigung der oben dargelegten Interpretation der Merkmale A und B daher lediglich dadurch, dass die Kühlung der Arbeitswalzen gesteuert oder geregelt wird.
1.2.4 Die objektive technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, ein Verfahren bereitzustellen, das einen kontrollierteren Verfahrensablauf ermöglicht.
1.2.5 D2 weist bereits darauf hin, dass die Kühlung der Arbeitswalzen derart zu erfolgen hat, dass die Temperatur des Bandes selbst nicht absinkt (Spalte 21, Zeilen 22 bis 27).
D2 selbst liefert daher bereits einen Anreiz an den Fachmann, die Kühlung der Arbeitswalzen zu überwachen. Diese Kontrolle der Arbeitswalzentemperatur erfolgt vom Fachmann aber ohnehin, da eine Überhitzung der Arbeitswalzen stets zu vermeiden ist, um ihre Beschädigung zu vermeiden.
Der Einsatz einer Steuerung und Regelung der Kühlung der Arbeitswalzen ist dabei gängige Praxis und wird durch die Dokumente D3 (Seite 3, dritter Absatz) und D4 (Seite 1, erster Absatz) exemplarisch belegt.
Der Einsatz einer Steuerung oder Regelung der Kühlung der Arbeitswalzen, wie sie in D3 oder D4 allgemein beschrieben wird, in einem Verfahren gemäß D2 liegt daher im Rahmen der üblichen Vorgehensweise und bedarf keinerlei erfinderischen Zutuns seitens des Fachmanns.
1.2.6 Bezüglich der in diesem Zusammenhang vorgebrachten zwei Argumente seitens der Beschwerdegegnerin stellt die Kammer folgendes fest:
a) D2 lege nicht nahe, das Warmwalzverfahren bei reduzierter Walzenkühlung durchzuführen, wie sie in Figur 2 des Streitpatents verdeutlicht werde.
Dieses Argument ist in Hinblick auf den Anspruchswortlaut nicht relevant, da das beanspruchte Verfahren nicht auf ein Warmwalzverfahren bei reduzierter Walzenkühlung einschränkt ist (siehe Diskussion zu Merkmal A in Punkt 1.1.1). Anspruch 1 umfasst auch Verfahren mit konventioneller Walzenkühlung, da Anspruch 1 kein einziges Merkmal aufweist, das zwingend einen Temperaturbereich für die Arbeitswalzentemperatur vorgibt.
b) Das Absinken der Bandtemperatur werde gemäß der Lehre der D2 durch andere Maßnahmen verhindert als das Streitpatent vorschlage.
D2 schlägt zwar vor, Walzen mit kleinem Durchmesser zu verwenden, die Anzahl der Walzenständer auf vier oder weniger zu reduzieren, das Band mit hoher Reduktionsrate zu walzen (D2, Spalte 23, Zeilen 20 bis 43) und eine Induktionsheizung (9) zum Anheben der Bandtemperatur einzusetzen (Spalte 14, Zeilen 48 bis 54).
Allerdings werden derartige Maßnahmen durch den Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen und tragen daher nicht zur Abgrenzung des beanspruchten Gegenstands vom nächstliegenden Stand der Technik bei.
Zudem basiert dieses Argument der Beschwerdegegnerin auf einer Interpretation des Anspruchswortlauts, die der Lehre des Streitpatents und dem expliziten Wortlaut des Anspruchs widerspricht (siehe obige Diskussion zu Merkmal B in Punkt 1.1.2).
1.3 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von D2 naheliegend ist und daher nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
2. Hilfsantrag
2.1 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal des Anspruchs 2 gemäß Hauptantrag hinzugefügt wird:
"wobei bei gegebenen Stichplandaten eine Zieltemperatur (6) eingestellt wird, die unter der Anlasstemperatur des Walzenwerkstoffes der Arbeitswalzen (4) liegt."
2.1.2 Ein Stichplan für ein Walzverfahren umfasst üblicherweise Parameter wie z.B. die Walzkraft, die Ein- und Auslaufdicke, die Walzgeschwindigkeit und Eigenschaften des zu walzenden Materials.
Auch wenn der Ausdruck "Stichplan" in D2 nicht explizit genannt wird, wird das Merkmal "bei gegebenen Stichplan" vom Fachmann in D2 mitgelesen, da jeder Walzvorgang nur unter Berücksichtigung der üblichen Stichplandaten wie beispielsweise der Anfangs- und Enddicke, der Walzgeschwindigkeit und den Bandeigenschaften wie Temperatur und Material durchgeführt werden kann.
Darüber hinaus werden einzelne Parameter, die unter den Begriff Stichplan fallen, in D2 auch explizit genannt, wie beispielsweise die Walzgeschwindigkeit sowie die Ausgangs- und Enddicken (Spalte 13, Zeilen 46 bis 62), die Anfangsbandtemperatur (Spalte 14, Zeilen 48 bis 52) und die gewünschte Fertigwalztemperatur (Spalte 16, Zeilen 55 bis 56).
Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Verfahren der D2 bei gegebenen Stichplandaten durchgeführt wird und dieses Merkmal daher in D2 implizit offenbart wird.
2.1.3 Das weitere, im Vergleich zum Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hinzugefügte Merkmale "eine Zieltemperatur (6) eingestellt wird, die unter der Anlasstemperatur des Walzenwerkstoffes der Arbeitswalzen (4) liegt" wird ebenfalls durch das in D2 beschriebene Verfahren implizit offenbart.
Die Anlasstemperatur eine Walze gibt für den Fachmann an, bei welcher Temperatur die Walze zur Einstellung ihrer mechanischen Eigenschaften wärmebehandelt wurde und ab welcher Temperatur daher damit zu rechnen ist, dass sich die Eigenschaften der Walze wie beispielsweise die Härte durch Änderungen im Materialgefüge ändern.
Um Beschädigungen der Walze zu vermeiden und die Standzeiten nicht zu beeinträchtigen, werden Arbeitswalzen in der Regel immer unterhalb der Anlasstemperatur eingesetzt, und die Anlasstemperatur wird deswegen von Walzenherstellern auch in der Regel angegeben.
In dem in D2 beschrieben Verfahren werden die Arbeitswalzen derart gekühlt, dass die an die Arbeitswalzen abgegebene Wärme wirksam abgeführt wird (Spalte 21, Zeilen 14 bis 21).
Die im Verfahren der D2 eingesetzten Arbeitswalzen werden also wirksam gekühlt und arbeiten daher im bestimmungsgemäßen Temperaturbereich. Dies bedeutet für den Fachmann, dass die Arbeitswalzen unzweifelhaft unterhalb der Anlasstemperatur betrieben werden.
2.1.4 Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag durch die selben Merkmale von der Offenbarung der D2 wie der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.
Folglich gilt in Hinblick auf den Hilfsantrag im Wesentlichen die selbe Argumentation wie für den Hauptantrag.
2.2 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ausgehend von D2 naheliegend ist und daher nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt.
3. Die Beschwerde hat daher in vollem Umfang Erfolg.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.