T 1676/14 (Befestigung einer Dachantenne / Hirschmann) of 28.1.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T167614.20200128
Datum der Entscheidung: 28 Januar 2020
Aktenzeichen: T 1676/14
Anmeldenummer: 06742554.6
IPC-Klasse: H01Q1/32
H01Q1/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BEFESTIGUNG EINER DACHANTENNE EINES FAHRZEUGES MIT EINEM KLEMMTEIL
Name des Anmelders: Hirschmann Car Communication GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Patentansprüche - Auslegung mehrdeutiger Bergriffe
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 06 742 554 zurückzuweisen.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde auf einen Bescheid der Prüfungsabteilung hingewiesen, in dem Einwände wegen fehlender Klarheit (Artikel 84 EPÜ) und fehlender Neuheit (Artikel 54 EPÜ) des Gegenstands der Ansprüche 1 - 7, 9 und 10 sowie wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) des Gegenstands des Anspruchs 8 erhoben worden waren.

III. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung ist Anspruch 1 in mehrfacher Hinsicht unklar. Das axial und radial bewegbare Klemmteil als Verbindungsmittel definiere nicht die für die Ausführung der Verbindungsmittel notwendigen strukturellen Merkmale. Das Zusammenwirken der Verbindungsmittel mit der Bodenplatte sei auch nicht definiert, sodass jedes lose Teil wie z. B. eine Schraube der Anspruchsdefinition entspreche. Ohne Angaben von Richtungen seien auch die Begriffe axial und radial unklar. Ferner werde im Anspruch 1 die Vorrichtung durch Merkmale definiert, die sich auf die Montage der Dachantenne beziehen, z. B. dass die Verbindungsmittel nach ihrer Montage unterhalb des Daches angeordnet sind. Die Kategorie des Hauptanspruchs sei ebenfalls unklar.

IV. Was den Einwand fehlender Neuheit betrifft, wurde auf die Dokumente

D1: US-A-2005/0024280,

D2: DE-A-196 40 110 und

D3: US-A-2003/231140

verwiesen.

Der Einwand basierte auf der Auslegung der als unklar angesehenen Definition eines Klemmteils. Aus dieser Auslegung folgte, dass auch eine Schraube einem Klemmteil im Sinne der Anmeldung entspreche.

V. Mit der Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage eines neuen, mit der Beschwerdebegründung eingereichten und als Hauptantrag bezeichneten Patentanspruchs 1 sowie der Patentansprüche 2 - 14 in der ursprünglich eingereichten Fassung.

Hilfsweise beantragte sie die Erteilung des Patents auf der Grundlage eines neuen, mit der Beschwerdebegründung eingereichten und als Hilfsantrag bezeichneten Patentanspruchs 1 und von zu einem späteren Zeitpunkt noch einzureichenden Unteransprüchen.

VI. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 wurde die Beschwerdeführerin über die vorläufige Auffassung der Kammer unterrichtet.

Was den Einwand der fehlenden Klarheit betreffe, tendiere die Kammer dazu, sich der Auffassung der Prüfungsabteilung anzuschließen. Darüber hinaus erscheine der Begriff radial besonders irreführend. Aus der Verdrehung des Klemmteils, wie diese in den Ausführungsbeispielen beschrieben werde, könne keine Bewegung entlang eines Radius erkannt werden.

Im Hinblick auf die Frage der Neuheit könne die Kammer in den Druckschriften D1 und D2 kein Klemmteil erkennen, das den Ausführungsbeispielen der Erfindung entspreche. Der Auffassung, dass das Klemmteil eine Schraube sein könnte, könne sich die Kammer nicht anschließen.

Die Kammer wies auch auf die besondere Relevanz von D3 hin. In D3 seien speziell gestaltete Spreizelemente (siehe Figur 5, Element 520 und Schraube 522) vorhanden. Bei der Montage der Fahrzeugantenne gemäß D3 werde durch Betätigung der Schraube eine axiale Bewegung der Verbindungsmittel (Spreizelemente) durchgeführt. In einer besonderen Ausführungsform der Antenne gemäß D3 werde eine Verdrehung der Verbindungsmittel in Bezug auf das Fahrzeugdach in Betracht gezogen (vgl. Absatz [0028], die vier letzten Zeilen).

VII. Mit ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer reichte die Beschwerdeführerin vollständige Fassungen des Hauptantrags und des Hilfs­an­trags sowie eine überarbeitete Seite 2 der Beschreibung ein. ­­­­­­­

VIII. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 28. Januar 2020 wurde ein neuer Hauptantrag eingereicht. Dieser war der einzige Antrag, über den die Kammer zu entscheiden hatte.

IX. Der unabhängige Patentanspruch 1 des Hauptantrags lautet:

Karosserie eines Fahrzeugs mit einer Dachantenne (1), diese aufweisend eine Bodenplatte (2) zur Aufnahme von Antennenelementen (13, 14, 15, 16), die von einer mit der Bodenplatte (2) verbindbaren Antennenhaube (3) abgedeckt sind, wobei die Dachantenne (1) auf einem einen Dachausschnitt (11) aufweisenden Dach (10) des Fahrzeuges mittels Verbindungsmittel montierbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungsmittel als ein unterhalb der Bodenplatte (2) der Dachantenne (1) und dem Dach (10) axial in Bezug auf die Bodenplatte (2) und verdrehbar in Bezug auf das Dach (10) bewegbares Klemmteil (4) ausgebildet und nach ihrer Montage unterhalb des Daches (10) angeordnet sind, wobei das Klemmteil (4) eine Außenkontur aufweist, mit der es durch den Dachausschnitt (11) durchgeführt werden kann, und an dem Dach (10) in Überdeckung zur Anlage kommt, wenn es um einen definierten Betrag verdreht wurde., [sic] und das Klemmteil (4) über eine Schraube (8) bewegbar an der Bodenplatte (2) festlegbar ist.

Entscheidungsgründe

Klarheit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ)

1. Anspruch 1 bezieht sich auf die Kombination einer Karosserie eines Fahrzeuges mit einer Antenne. Da die Karosserie Bestandteil des beanspruchten Gegenstands ist, sind nun die strukturellen Merkmale der mit dem Dachausschnitt zusammenwirkenden Teile nicht erforderlich. Aufgrund der Kombination ist eindeutig feststellbar, ob ein Dachausschnitt und ein Klemmteil tatsächlich der funktionellen Definition des Hauptanspruchs entsprechen.

2. Durch Ersetzen des Begriffs radial durch verdreht wird ein Widerspruch zwischen dem Anspruchswortlaut und den Ausführungsbeispielen der Erfindung nun vermieden. Diese Berichtigung entspricht der eigentlichen Bewegung des Klemmteils 4 gemäß dem Hauptausführungsbeispiel, in dem das Klemmteil um 45° um seine Achse verdreht wird.

3. Auch wenn keine Richtungen definiert sind, versteht der Fachmann aus dem Wortlaut axial ... in Bezug auf das Dach, dass implizit Bezug auf eine Senkrechte zur Dachfläche gemeint ist. Dies folgt aus dem allgemeinen Auslegungsprinzip, wonach der Fachmann den Anspruchswortlaut so auslegt, dass er technischen Sinn macht. Unter den vorliegenden Umständen ist nämlich keine andere Richtung klar erkennbar, auf die sich der Begriff beziehen könnte.

Stützung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen (Artikel 123 (2) EPÜ)

4. Der ursprüngliche Anspruch 1 war auf eine Antenne gerichtet. Wie aus dem obigen Punkt 1 hervorgeht, folgt aus der Gesamtoffenbarung jedoch, dass die Erfindung sich auf die Kombination einer Dachantenne mit einem passenden Dachauschnitt im Dach einer Fahrzeugkarosserie bezieht. Die Kombination zeigt sich als wesentliches Merkmal der Erfindung (vgl. z. B. S. 3, Z. 14 - 22; S. 4, Z. 14 - 17; S. 8, Z. 9 - 13; S. 10, Z. 1 - 6).

5. Die Merkmale der Antenne, wie sie dem Anspruch 1 zu entnehmen sind, entsprechen einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3. Der Hinweis auf eine Verdrehung um einen definierten Betrag ist der seitenübergreifenden Passage der Seiten 9 und 10 in Kombination mit den Figuren 4 - 6 der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen, wo diese Merkmale in Kombination mit dem Dachauschnitt offenbart werden.

6. Der Fachmann würde auch erkennen, dass das eigentliche Ausmaß der Rotation für die Erfüllung der gewünschten Klemmfunktion keine Rolle spielt, sodass eine Beschränkung auf den offenbarten Wert von 45° nicht notwendig ist.

Neuheit - Artikel 54 EPÜ

7. Im Hinblick auf D1 - US-A-2005/0024280

D1 offenbart eine Dachantenne für ein Fahrzeug. Die Dachantenne ist auf einem einen Dachausschnitt aufweisenden Dach eines Fahrzeugs mittels Verbindungsmittel montierbar. Die Verbindungsmittel bestehen im Wesentlichen aus einer Schraube 18 und einem Spreizelement 20 (vgl. Figuren 3 - 6). Diese beiden Elemente sind dazu ausgebildet und geeignet, axial in Bezug auf ein Fahrzeugdach durch eine Öffnung 24 geführt zu werden (vgl. Absatz [0014]).So wird durch die spezielle Ausgestaltung der Schraube 18 das Spreizelement 20 mit seiner ebenfalls speziellen Ausgestaltung (siehe Figuren 3A bis 3E) gespreizt. Mit seinen abstehenden Vorsprüngen 20c kommt das Spreizelement zur Anlage an der Unterseite der Bodenplatte 10 und erfüllt somit eine Klemmfunktion (siehe Figuren 5A, 6A und 7A).

Aufgrund der Geometrie sowohl der Schraube 18 als auch des Spreizelementes 20 und ihrer Montagefolge werden die Verbindungsmittel 18, 20 axial in Bezug auf das Dach durch den Dachausschnitt 24 geführt. Die Schraube 18 bewegt sich ebenfalls axial nach Einführung durch den Dachausschnitt.

Die Schraube alleine stellt jedoch kein Klemmteil als solches dar. Nur im Zusammenhang mit dem Spreizelement 20 ist eine Klemmfunktion erkennbar. Da das Spreizelement 20 sich jedoch nicht dreht, erfolgt keine Verdrehung des Klemmteils im Sinne der beanspruchten Erfindung.

8. Im Hinblick auf D2 - DE-A-196 40 110

Auch in D2 ist ein Spreizelement vorhanden, welches Raststützen 25a, 25b aufweist, die bei ihrer Montage durch Betätigung eines Arretierelementes (Schraube 6) gegen die Unterseite des Daches gedrückt werden. Bei der Montage der Fahrzeugantenne gemäß D2 wird somit ebenfalls nur eine axiale Bewegung der Verbindungsmittel durchgeführt. Auch hier findet keine Verdrehung des Klemmteils in Bezug auf das Dach des Fahrzeugs statt. Wie oben mit Bezug auf D1 dargelegt wurde, entspricht die Verdrehung der Schraube ohne eine entsprechende Verdrehung der Spreizelemente keiner Verdrehung des Klemmteils im Sinne der beanspruchten Erfindung. Ganz im Gegenteil wird in D2 viel Wert darauf gelegt, dass keine Verdrehung stattfindet (vgl. D2, Spalte 3, Zeilen 38 - 48).

9. Im Hinblick auf D3: US-A-2003/231140

In D3 sind Verbindungsmittel in Form von speziell gestalteten Spreizelementen (Anker 506) mit zugehörigem Kraftkonus 508 vorgesehen (siehe Figur 5). Bei der Montage der Fahrzeugantenne gemäß D3 wird durch Drehung einer Mutter 504 ebenfalls eine axiale Bewegung der Verbindungsmittel (Anker 506 und Kraftkonus 508) durchgeführt.

In bevorzugten Ausführungsformen der Dachantenne gemäß D3 ist explizit vorgesehen, dass die Spreizelemente sich nicht drehen. Dies wird mittels eines eckigen, zur Ankeröffnung passenden Schlüssels 504 erreicht. Dies verhindert jegliche Rotation der Verbindungsmittel, einschließlich des Ankers 506 und des Kraftkonus 508, während die Mutter 502 auf dem Gewindeabschnitt 524 festgemacht wird.

Aus D3 Absatz [0028] geht jedoch hervor, dass, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin, laut weiteren Ausführungsbeispielen der Erfindung gemäß D3 eine Drehung der Verbindungsmittel (Anker 506 und Kraftkonus 508) durchaus zulässig ist.

Allerdings ist es nach diesem Absatz [0028] nicht klar, ob die Möglichkeit einer Drehung der Verbindungsmittel als Alternative zu deren axialer Bewegung dient oder zusätzlich hinzukommt. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, wie dies zu erreichen wäre. Eine Drehung der Mutter würde nämlich eine Drehung der Verbindungsmittel ohne axiale Bewegung bewirken. Darüber hinaus ist das Merkmal, wonach das Klemmteil eine Außenkontur aufweist, mit der es an dem Dach (10) zur Anlage kommt, wenn es verdreht wird, der D3 nicht zu entnehmen.

10. Aus diesen Gründen ist die beanspruchte Kombination einer Karosserie und Dachantenne neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

Erfinderische Tätigkeit - (Artikel 56 EPÜ)

11. Dokument D3 beschreibt eine Dachantenne, die auf der Karosserie eines Fahrzeugs befestigt wird. Wie oben dargelegt, offenbart diese Konstruktion eine Vielzahl der beanspruchten Merkmale. Im Gegensatz zu den Druckschriften D1 und D2 ist in D3 die Möglichkeit einer Drehung der Verbindungsmittel explizit vorgesehen.

Aus diesem Grund sieht die Kammer D3 als nächstliegenden Stand der Technik an.

12. Der einzige Unterschied zwischen der beanspruchten Kombination einer Karosserie und Dachantenne und der aus D3 bekannten Kombination besteht in der Art der Befestigung. Konkret unterscheiden sich die beanspruchten Verbindungsmittel von denen der D3 dadurch, dass sie als ein axial in Bezug auf die Bodenplatte und verdrehbar in Bezug auf das Dach bewegbares Klemmteil ausgebildet und unterhalb des Daches angeordnet sind. Weiter ist das Klemmteil über eine Schraube bewegbar an der Bodenplatte festlegbar, und es weist eine Außenkontur auf, mit der es durch den Dachausschnitt durchgeführt werden kann und an dem Dach in Überdeckung zur Anlage kommt, wenn es um einen definierten Betrag verdreht wird.

13. Durch diese Konstruktion wird eine einfache Montage ermöglicht (S. 2, Z. 23 - 27; S. 4, Z. 26).

14. Auch wenn D3 zusätzlich zu der axialen Bewegung die Möglichkeit einer Rotation des Klemmteils vorsieht, ist unklar, wie dies zu bewerkstelligen wäre. Beim Hinzuziehen einer weiteren Rotationsbewegung des Klemmmittels ist nämlich darauf zu achten, dass eine solche Rotation in Einklang mit dem Schrauben der Verbindungsmittel zu bringen ist, und dass beide Bewegungen nicht interferieren.

Hinweise auf eine Vereinfachung der Montage sind der D3 nicht zu entnehmen. Darüber hinaus erscheint eine Anpassung der Konstruktion gemäß D3 im Sinne der Erfindung auch nicht naheliegend, weil es eine grundsätzliche Neugestaltung der Verbindungsmittel gemäß der D3 bedeuten würde.

Außer in D3 ist im vorliegenden Stand der Technik kein Hinweis auf ein Verbindungsmittel zu finden, das sowohl als Klemmteil ausgestaltet ist als auch durch Verdrehen und axiale Bewegung verbindet.

15. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt als erfinderisch, denn er ergibt sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den Ansprüchen 1 - 12 gemäß Hauptantrag mit Datum 28.01.2020, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020, und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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