T 1642/14 () of 15.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T164214.20181115
Datum der Entscheidung: 15 November 2018
Aktenzeichen: T 1642/14
Anmeldenummer: 08007259.8
IPC-Klasse: G03G 15/00
G06F 3/041
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Übertragung von Signalen von einer Positionsmesseinrichtung zu einer Auswerteeinheit
Name des Anmelders: Dr. Johannes Heidenhain GmbH
Name des Einsprechenden: SICK STEGMANN GmbH
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäisches Patent Nr. 2 017 678 B1 zurückzuweisen.

Der Einspruch wurde sich auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt.

II. Es wird auf die folgende Dokumente Bezug genommen:

D4: JP 64 50785 A;

D4a: englische Übersetzung von D4

III. Nach dem die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen hatte, reichte die Patentinhaberin mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 einen Hilfsantrag ein.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer waren die Anträge der Parteien wie folgt:

Die Beschwerdeführerin - Einsprechende (hiernach "Einsprechende") beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin - Patentinhaberin (hiernach "Patentinhaberin") beantragt als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der folgenden Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1-13, des Hilfsantrages, eingereicht mit Schreiben vom 15. Oktober 2018;

Beschreibung:

Seiten 2, 2a, 3-5 eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

Seiten 6-8 der Patentschrift wie erteilt;

Zeichnungen: Blätter 1-3 der Patentschrift wie erteilt.

V. Die unabhängige Ansprüche des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lauten wie folgt:

1. Verfahren zur Übertragung von Positionssignalen und Referenzimpulsen sowie einen Fehlerzustand angebenden Warnsignalen von einer Positionsmesseinrichtung zur Bestimmung der Position zweier relativ zueinander beweglicher Teile einer Maschine zu einer Auswerteeinheit,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Referenzimpulse (RI; RI+, RI-) derart mit den Positionssignalen (P1, P2; P1+, P1-, P2+, P2-) verknüpft werden, dass im fehlerfreien Zustand in jeder Periode gültige und für die Ausgabe des Referenzimpulses (RI; RI+, RI-) ungültige Zustandskombinationen auftreten und dass die einen Fehlerzustand angebenden Warnsignale (WRN) während einer im fehlerfreien Zustand für die Ausgabe des Referenzimpulses (RI; RI+, RI-) ungültigen Zustandskombination der Positionssignale (P1, P2; P1+, P1-, P2+, P2-) und Referenzimpulse (RI; RI+, RI-) übertragen werden.

9. Vorrichtung zur Übertragung von im Wesentlichen rechteckförmigen Positionssignalen und Referenzimpulsen sowie einen Fehlerzustand angebenden Warnsignalen von einer Positionsmesseinrichtung zur Bestimmung der Position zweier relativ zueinander beweglicher Teile einer Maschine über Signalübertragungsleitungen zu einer Auswerteeinheit, wobei die Positionsmesseinrichtung eine Logikeinheit aufweist, die aus Abtastsignalen einer Inkrementalteilung einer Maßstabteilung phasenversetzte, inkrementale Positionssignale und einen aus Referenzmarken der Maßstabteilung und den Positionssignalen generierten Referenzimpuls abgibt,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Logikeinheit (7) den Referenzimpuls (RI) aus den phasenversetzten, inkrementalen Positionssignalen (P1, P2) und aus den Referenzmarken der Maßstabteilung derart generiert, dass im fehlerfreien Zustand in jeder Periode gültige und für die Ausgabe des Referenzimpulses (RI) ungültige Zustandskombinationen auftreten, und ein einen Fehlerzustand anzeigendes Warnsignal (WRN) während einer im fehlerfreien Zustand für die Ausgabe des Referenzimpulses (RI) ungültigen Zustandskombination der Positionssignale (P1, P2) und des Referenzimpulses (RI) in die Signalübertragung von der Positionsmesseinrichtung (1) zur Auswerteeinheit (4) einfügt, und dass die Auswerteeinheit (4) eine Fehlererkennungseinheit (10) aufweist, die das während einer im fehlerfreien Zustand für die Ausgabe des Referenzimpulses (RI) ungültigen Zustandskombination der Positionssignale (P1. P2) und des Referenzimpulses (RI) übertragene Warnsignal (WRN) aus der Signalübertragung herausfiltert.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrages weist das zusätzliches Merkmal am Ende auf:

"...und dass bei langsamem Vorschub oder im Stillstand der Maschine die Zeit ermittelt wird, die seit dem Auftreten der für die Übertragung des Referenzimpulses (RI) ungültigen Zustandskombination vergangen ist, und beim Überschreiten einer vorgegebenen Zeitspanne und Auftreten eines einen Fehlerzustand anzeigenden Warnsignals (WRN) ein Alarmsignal forciert zur Auswerteinheit (4) übertragen wird und dass zur Übertragung des Alarmsignals die für die Übertragung des Referenzimpulses (RI) ungültige Zustandskombination forciert wird und das Alarmsignal wie ein Warnsignal übertragen wird. "

Der unabhängige Anspruch 7 des Hilfsantrages weist im Vergleich zum Anspruch 9 des Hauptantrags folgendes zusätzliches Merkmal am Ende auf:

"...und dass die Logikeinheit (7) eine Zeitstufe enthält, die mit dem Auftreten der für die Übertragung des Referenzimpulses ungültigen Zustandskombination initiiert wird und nach einer vorgegebenen Zeitspanne ein Signal an einen ersten Eingang eines UND-Gliedes abgibt, dessen zweiter Eingang mit einem Warnsignal (WRN) beaufschlagbar ist und das ein Alarmsignal abgibt, wenn an beiden Eingängen ein Signal ansteht und dass zur Übertragung des Alarmsignals die für die Übertragung des Referenzimpulses (RI) ungültige Zustandskombination forciert wird und das Alarmsignal wie ein Warnsignal übertragen wird."

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Parteien lassen sie sich wie folgt zusammenfassen:

Zum Hauptantrag

Nach der Einsprechenden stelle das Dokument D4 den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil es sich mit der gleichen Aufgabe, der Einsparung von Leitungen in der Übertragung von Signalen zwischen zwei Einheiten, befasst. Die in D4 vorgeschlagene Lösung sei mit der Lösung des Patents gleich: Eine Leitung werde für die Übertragung von mehreren Signalen in Abhängigkeit von einer Zustandkombination von zwei Positionssignalen benutzt. Der einzige Unterschied zwischen der Erfindung und D4 liege darin, dass in der Erfindung ein Warnsignal und in D4 Positionssignale übertragen werden. Dieser Unterschied betreffe lediglich den Informationsinhalt des Signals und habe auf dessen Übertragung keinen Einfluss. Der Fachmann würde somit die Lösung von D4 ebenfalls für die Übertragung von Warnsignalen ohne erfinderisches Zutun verwenden.

Die Patentinhaberin bemerkte, dass in D4 weder ein Warnsignal noch die Übertragung eines Warnsignals erwähnt werde. Somit sei D4 als nächstliegender Stand der Technik nicht geeignet. Die Signale U, V und W, die in D4 in Abhängigkeit von den Zustandskombinationen der Positionssignale A und B übertragen werden, seien ebenfalls Positionssignale und keine Warnsignale. Diese Signale würden regelmäßig in Abhängigkeit des Drehwinkels einer Motorwelle generiert und immer in der gleichen Ordnung entsprechend der Zustandskombination der Signale A und B übertragen. Warnsignale träten in beliebigen Momenten auf und müssten so schell wie möglich übertragen werden. Dies lasse das Verfahren in D4 außer Betracht. Der Fachmann würde somit nicht ohne Vorkenntnis der Erfindung das Verfahren von D4 für die Übertragung von Warnsignalen einsetzen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zum Hilfsantrag

Die Einsprechende erklärte, dass mit dem zusätzlichen Merkmal des beanspruchten Verfahrens die Aufgabe gelöst werde, wie ein Warnsignal übertragen werden kann, wenn die dafür gültige Zustandskombination der Positionssignale nicht auftritt, weil die Motorwelle zu langsam oder überhaupt nicht dreht. Diese Aufgabe sei auch in D4 gelöst und zwar in der gleichen Fassung wie im Patent: Wenn die Motorwelle nicht dreht, würden die Zustandskombinationen der Positionssignale durch eine Schaltung generiert, so dass die für die Übertragung der Signale gültige Zustandskombinationen auftreten können. Anspruch 1 des Hilfsantrags sei somit für den Fachman naheliegend.

Die Patentinhaberin betonte, dass in dem beanspruchten Verfahren eine Zeitmessung statt finde und nur wenn die gemessene Zeitspanne seit dem letzten Auftreten der der Übertragung des Warnsignals entsprechenden Zustandskombination eine vorgegebene Zeitspanne überschreitet und gleichzeitig ein Warnsignal auftritt, werde die entsprechende Zustandskombination der Positionssignale forciert, so dass ein Alarmsignal als Warnsignal übertragen werden kann. In D4 gebe es keine Zeitmessung und die Generierung der Zustandskombinationen der Positionssignale sei zeitunabhängig. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages sei somit nicht für den Fachmann naheliegend.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Erfindung im Streitpatent

2.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Übertragung von Positionssignalen und Referenzimpulsen sowie einen Fehlerzustand angebenden Warnsignalen von einer Positionsmesseinrichtung zu einer Auswerteeinheit.

2.2 Eine Positionsmesseinrichtung dient zur Bestimmung der Relativposition zweier zueinander beweglicher Objekte, wie z.B. zweier beweglicher Maschinenteile einer Werkzeugmaschine. Eine Maßstabteilung wird mit dem ersten Objekt und eine Abtasteinheit wird mit dem zweiten Objekt verbunden. Die Generierung von Positionssignalen durch die Positionsmesseinrichtung erfolgt durch Abtastung (optisch, magnetisch, induktiv, kapazitiv) der Maßstabteilung mittels eines Messewertaufnehmers während der relativen Bewegung der Abtasteinheit und der Maßstabteilung. Bei Verwendung einer inkrementellen Positionsmesseinrichtung entstehen mindestens zwei zueinander phasenverschobene, periodisch analoge Positionssignale, die zur Bestimmung der Relativposition der Maßstabteilung und der Abtasteinheit (d.h. der beiden Objekte) in einer Auswerteinheit (z.B. Steuerung der Werkzeugmaschine) ausgewertet werden (siehe Absätze [0001]-[0003] der Patentschrift).

2.3 Die Positionssignale werden von der Positionsmesseinrichtung über zwei Signalübertragungsleitungen in parallel Form an die Auswerteinheit übertragen. Zusätzlich werden Referenzimpulse, die durch Verknüpfung von aus Referenzmarken auf der Maßstabteilung abgeleiteten Referenzimpulssignalen mit den Positionssignalen erzeugt werden, über eine weitere Signalübertragungsleitung an die Auswerteeinheit übertragen.

Neben den Positionssignalen und den Referenzimpulsen kann, wenn ein Fehlerzustand auftritt, aus der Positionsmesseeinrichtung ein Warnsignal an die Auswerteinheit abgegeben werden. Das Warnsignal wird üblicherweise über eine zusätzliche Warnsignalübertragungsleitung an die Auswerteeinheit übertragen (siehe Absätze [0004] - [0006] der Patentschrift).

2.4 Als Nachteil dieser Art der Übertragung des Warnsignals wird angesehen, dass eine Warnsignalübertragungsleitung benötigt wird, die der Forderung entgegensteht, die Anzahl erforderlicher Signalübertragungsleitungen zwischen der Positionsmesseinrichtung und der Auswerteinheit möglichst gering zu halten (Absatz [0007]).

2.5 Erfindungsgemäß wird für die Übertragung des Warnsignals die Signalübertragungsleitung der Referenzimpulse verwendet. Die durch die Positionsmesseinrichtung erzeugten Positionssignale werden als zwei rechteckförmige, phasenversetzte, inkrementale Positionssignale (P1, P2) abgegeben. Die Referenzimpulse werden ebenfalls als rechteckförmige Basis-Referenzimpulse (RI') gebildet.

Wenn die Zustandskombination der Positionssignale und des Referenzimpulses die Bedingung erfüllt:

[RI'=High] UND [[P1 ODER P2]=High],

dann wird ein Referenzimpuls über die Signalübertragungsleitung übertragen. Wenn eine für die Übertragung des Referenzimpulses ungültige Zustandskombination der Positionssignale (d.h. wenn [P1=P2=Low]) und gleichzeitig ein Warnsignal auftritt ([WRN'=High]), dann wird das Warnsignal über die Signalübertragungsleitung übertragen (Absätze [0012]-[0014]).

3. Hauptantrag

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

3.1.1 Das Dokument D4/D4a beschreibt ein Verfahren, in dem zwei Positionssignale (A und B; D4a, Seite 5, 3.Absatz) von einer Positionsmesseeinrichtung (AC Servo-encoder) zur Bestimmung der Position zweier relativ zueinander beweglicher Teile einer Maschine (AC Servo-Motor) zu einer Auswerteeinheit übertragen werden (siehe z.B. D4a, Anspruch 1, "receiving side"). Ein drittes Signal, C, wird als Referenzimpuls ("original point C phase", Seite 3, letzter Absatz) im Sinne der Erfindung angesehen. Signal C ist mit den Positionssignalen A und B verknüpft und wird nur bei gültigen Zustandskombinationen der Signale A und B übertragen (siehe Seite 7, 1. Absatz und Figur 2; C wird nur wenn [A=B=high] übertragen).

Wenn eine für die Übertragung von Signal C ungültige Zustandskombination auftritt (wenn [A=low] oder [B=low]), dann wird ein anderes Signal (V, U, W) übertragen (siehe Figur 2). Die Signale V, U und W sind Signale, die Informationen über die Positionen der magnetischen Pole des Motors enthalten (siehe z. B. Anspruch 1 von D4a).

Dies blieb von der Parteien unbestritten.

3.1.2 Die Patentinhaberin bemerkte, dass in D4 kein Warnsignal erwähnt werde und keine der übertragenen Signale ein Warnsignal sei. D4 sei daher nicht als nächstliegender Stand der Technik geeignet, weil der Fachmann, der die Aufgabe lösen möchte, die Leitung zur Übertragung des Warnsignals einzusparen, D4 nicht in Betracht ziehen würde.

3.1.3 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Sowohl im Streitpatent, als auch in D4 ist die zu lösende Aufgabe, Leitungen zur Übertragung von Signalen zwischen zwei Einheiten einzusparen. Die Lösung besteht in beiden Fällen darin, eine Leitung für die Übertragung von mehreren Signalen in Abhängigkeit von Zustandskombinationen zweier Positionssignale zu verwenden. Die Art der Signalen spielt dazu keine Rolle.

Die Frage, ob eine Warnsignalleitung überhaupt eingespart werden kann oder darf, geht nach Auffassung der Kammer über die technischen Überlegungen im Rahmen des D4 oder des Patents hinaus. Es kann sein, dass eine bestimmte Art von Maschinen oder unter bestimmten Betriebsbedingungen ein Warnsignal unverzüglich nach seinem Auftreten übertragen werden muss (z. B. nach bestimmten gesetzlichen Vorgaben). In einem solchen Fall muss eine gesonderte Signalleitung zur Übertragung von Warnsignalen immer frei zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Leitung einzusparen, so dass ein Warnsignal nur unter bestimmten Bedingungen (z.B. nur wenn dafür gültige Zustandskombination zweier Positionssignale auftritt) übertragen wird, kann in einem solchen Fall nicht in Betracht gezogen werden. Dies gilt aber für das Verfahren sowohl in D4 als auch im Patent und hat in beiden Fällen keinen Einfluss auf die zu lösende Aufgabe.

D4 kann somit als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

3.2 Unterschied und zu lösende Aufgabe

3.2.1 Der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und D4 liegt darin, dass im Anspruch ein Warnsignal und in D4 Positionssignale übertragen werden.

3.2.2 Als die zu lösende technische Aufgabe kann es angesehen werden, wie der Fachmann das Verfahren von D4 auch im Fall einer Übertragung von Signalen anderer Art, insbesondere von Warnsignalen, verwenden könnte.

3.3 Lösung und erfinderische Tätigkeit

3.3.1 Die Einsprechende argumentierte, dass es sich bei diesem Unterschied nur um den Informationsinhalt des Signals handele (Positionssignal statt Warnsignal). Die Form der Signale und somit die technischen Merkmale von Informationssignalen (Positionssignalen) und Warnsignalen seien identisch. Ein Fachmann würde somit das Übertragungsverfahren von D4 auch für Signale mit verschiedenem Informationsinhalt, wie z.B Warnsignale, ohne erfinderisches Zutun und nur mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens verwenden.

3.3.2 Die Patentinhaberin erwiderte dazu, dass ein Warnsignal gemäß der Erfindung zustandsabhängig sei, d.h. es tritt in Abhängigkeit eines Fehlerzustands spontan auf. Die Signale U, V und W in D4 dagegen seien drehwinkelabhängig, d.h. sie variieren immer in Abhängigkeit des Drehwinkels einer zu messende Motorwelle. Ihren Auftreten sei regelmäßig und sie träten immer in der gleichen Reihenfolge auf. Sie würden daher immer in der gleichen Reihenfolge übertragen, über einer ihrer Übertragung zugeordneten Leitung. Außerdem träten die Signale U, V und W nur in Abhängigkeit vom Drehwinkel auf und seien von der Zeit, d.h. die Drehgeschwindigkeit, unabhängig. Es könne somit vorkommen, dass bei einer langsamen Drehung der Motorwelle die Zeit bis zu dem Auftreten der für die Übertragung eines Signals gültigen Zustandkombination sehr lang werden könnte.

Ein Warnsignal dagegen könne jederzeit auftreten und es müsste so schnell wie möglich übertragen werden. Im beanspruchten Verfahren sei vorgesehen, die Leitung zur Übertragung eines Warnsignals regelmäßig frei zu stellen, so dass eine Verzögerung der Übertragung vermieden werden könne. Eine Umsetzung des Verfahrens gemäß D4 für die Übertragung eines Warnsignals sei somit für den Fachmann nicht naheliegend.

3.3.3 Die Kammer bemerkt zuerst, dass sich die Frage, ob ein Signal zustandsabhängig oder drehwinkelabhängig ist, auf den Informationsinhalt des Signals bezieht, der kein technisches Merkmal des Signals ist und daher keine Rolle bei dessen Übertragung spielt.

Zweitens, ob ein Signal regelmäßig (wie die Positionssignale U, V, W in D4) oder beliebig (wie das Warnsignal im beanspruchten Verfahren) auftritt, hat keinen Einfluss auf dessen Übertragung.

Nach dem beanspruchten Verfahren wird das Warnsignal übertragen, wenn die dafür gültige Zustandskombination der Positionssignale A und B auftritt (d.h. die für die Übertragung des Referenzimpulses ungültige Zustandskombination [A=B=low]). Der Zeitpunkt der Übertragung hängt somit nur von dem Auftreten der bestimmten Zustandskombination und nicht vom Zeitpunkt des Auftretens des Warnsignals ab. Mit anderen Worten ist die Übertragung des Warnsignals ebenfalls im beanspruchten Verfahren regelmäßig, selbst wenn das Auftreten des Warnsignals beliebig ist.

Außerdem wird sowohl in der beanspruchten Erfindung als auch in D4 eine Leitung in Abhängigkeit von der Zustandskombination der zwei Positionssignale A und B der Übertragung von mehreren Signale zur Verfügung gestellt. Der Zustand der Positionssignale A und B ist in beiden Fällen von der Drehgeschwindigkeit der zu messenden Motorwelle abhängig, d. h. wenn die Motorwelle langsam dreht, wird das Auftreten der für die Übertragung eines bestimmten Signals gültigen Zustandskombination verzögert. Dies gilt ebenfalls für die Übertragung des Warnsignals im beanspruchten Verfahren, d.h. wenn die Drehgeschwindigkeit der zu messenden Welle gering ist, wird die Übertragung des Warnsignals bis zu dem Auftreten der entsprechenden Zustandskombination der Positionssignale A und B verzögert.

3.3.4 Zusammenfassend: Nach der Auffassung der Kammer bleibt als einziger Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und D4 der Informationsinhalt des übertragenen Signals, der, wie bereits erklärt, keinen Einfluss auf das Übertragungsverfahren hat. Der Fachmann würde somit das Verfahren gemäß D4 ebenfalls in dem Fall der Übertragung eines Warnsignals ohne erfinderisches Zutun einsetzen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung beruht somit auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

4. Hilfsantrag

4.1 Gemäß dem zusätzlichen Merkmal des Verfahrens im Anspruch 1 des Hilfsantrages wird die Zeitspanne seit dem letzten Auftreten der zur Übertragung des Referenzimpulses ungültigen Zustandskombination gemessen, und wenn sie eine vorgegebene Zeitspanne überschreitet und gleichzeitig ein Warnsignal auftritt, wird die entsprechende Zustandskombination der Positionssignale forciert, so dass das Warnsignal übertragen werden kann.

Wie in der Patentschrift erklärt wird, kann es bei einem langsamen Vorschub oder Stillstand der Maschine vorkommen, dass über einen längeren Zeitraum keine Möglichkeit besteht, ein Warnsignal zu übertragen, weil die für die Übertragung des Referenzimpulses ungültige Zustandskombination (d.h. die für die Übertragung des Warnsignals gültige Zustandskombination) nicht auftritt. Es wird daher die Zeit ermittelt, die seit dem letzten Auftreten der für die Übertragung des Referenzimpulses ungültigen Zustandskombination vergangen ist und beim Überschreiten einer vorgegebenen Zeitspanne und Auftreten eines einen Fehlerzustand anzeigenden Warnsignals ein Alarmsignal übertragen. Um die Übertragung des Alarmsignals zu ermöglichen, wird die für die Übertragung des Referenzimpulses ungültige Zustandkombination forciert und das Alarmsignal wie ein Warnsignal übertragen (siehe Absätze [0016] und [0017] der Patentschrift).

4.2 Die Einsprechende wies auf das 2. Ausführungsbeispiel des D4 hin (Figuren 5 und 6; D4a, Seiten 7 und 8) und erklärte, dass dieses Problem ebenfalls in D4 gelöst werde. In der Figur 5 werde eine Schaltung dargestellt, die die Aufgabe habe, bei einem Stillstand der Maschine die für die Übertragung der Signale C (Referenzimpuls), U, V und W gültige Zustandskombinationen zu generieren. Die Zustandskombinationen träten somit wie im normalen Betrieb auf und die Übertragung der Signale werde daher ermöglicht (siehe D4a, Seite 7 in der Mitte: "By the way....solves this problem" und Seite 8, vorletzter Absatz: "Therefore, according to this second invention, data may be obtained even if the encoder does not rotate or operate").

In D4 werde die gleiche Aufgabe (die Signale zu übertragen, wenn die entsprechende Zustandskombinationen nicht auftreten) in der gleichen Weise gelöst, und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages sei daher für den Fachmann naheliegend.

4.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden nicht.

In D4 findet keine Zeitmessung im Sinne des beanspruchten Verfahrens statt. Die Generierung der Zustandskombinationen durch die Schaltung der Figur 5 findet nur beim Starten der Maschine statt. Wie in D4a zu lesen ist, wird beim Einschalten der Maschine ein Zähler (7) im Gang gesetzt (Seite 8, 2. Absatz: "After an electric input...the counter system will start counting."). Wahrend der Operation des Zählers (7) werden die Zustandskombinationen die für die Übertragung der Signale C, U, V und W nötig sind, generiert, um die Signale übertragen zu können. Der Zähler hört aber nach einer bestimmten Zeitspanne auf und somit ebenfalls die Generierung der Zustandskombinationen durch die Schaltung der Figur 5 (Seite 8, 3. Absatz: "The counter stopps at PH....").

Die Kammer ist der Auffassung, dass in diesem Ausführungsbeispiel von D4, wenn beim Einschalten der Maschine die Motorwelle noch im Stillstand ist oder sich langsam dreht, die Zustandskombinationen durch die Schaltung der Figur 5 generiert werden, um die Übertragung der Signale C, U, V und W zu ermöglichen. Nach dieser Übertragung wechselt die Maschine in normalen Betrieb, d.h. die Signale C, U, V, und W werden durch gültige Zustandskombinationen der Positionssignale A und B übertragen. Folglich schaltet sich der Zähler (7) aus.

4.4 Im Verfahren des Anspruchs 1 des Hilfsantrages findet die Generierung der der Übertragung des Warnsignals entsprechenden Zustandskombination nicht nur beim Einschalten der Maschine statt. Mit der Messung der Zeitspanne seit dem letzten Auftreten dieser Zustandskombination wird es sichergestellt, dass auch bei Problemen während des normalen Betriebs (z.B. einer plötzliche Blockierung der Motorwelle) die nötige Zustandskombination generiert (forciert) wird, um eine Übertragung eines Warnsignals (Alarmsignals) zu ermöglichen.

4.5 Eine solche Situation bleibt in D4 außer Betracht. Der Fachmann würde mit dem Verfahren gemäß D4 weder diese Aufgabe lösen können noch in D4 Hinweise finden, wie die Aufgabe zu lösen wäre.

Die Kammer gelangt somit zu der Auffassung, dass der Gegendstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Dies gilt ebenfalls für den unabhängigen Anspruch 7, der die entsprechende Vorrichtung definiert. Der von der Einsprechenden vorgetragene Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hilfsantrages nicht entgegen.

5. Die Beschreibung wurde den Ansprüchen des Hilfsantrages angepasst, und das Dokument D4 wurde in ihr erwähnt.

6. Die Kammer stellt somit fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 - 13 des Hilfsantrages vom 15. Oktober 2018;

- Beschreibung:

Seiten 2, 2a, 3 - 5 eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

Seiten 6 - 8 der Patentschrift wie erteilt;

- Zeichnungen 1 - 3 der Patentschrift wie erteilt.

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