T 1640/14 () of 17.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T164014.20180717
Datum der Entscheidung: 17 Juli 2018
Aktenzeichen: T 1640/14
Anmeldenummer: 07846811.3
IPC-Klasse: B65H 18/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wickelvorrichtung zum Wickeln von Bändern
Name des Anmelders: SMS group GmbH
Name des Einsprechenden: Primetals Technologies Austria GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Juni 2014 über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 2 107 996 in geändertem Umfang aufrechterhalten kann, am 1. August 2014 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 8. September 2013 eingegangen.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die in Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hauptantrags vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und 123 (3) EPÜ sowie der Regel 80 EPÜ erfülle, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neu sei (Artikel 54 EPÜ) und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ), siehe Entscheidungs­gründe, Punkte 2.2.5, 2.3.3.11 und 2.3.4.4.

II. Am 17. Juli 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 5. Januar 2015 als Hilfsanträge 1 und 2 eingereichten Anspruchssätze aufrechtzuerhalten.

IV. Der geltende unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten beabsichtigte, lautet wie folgt (römische Nummerierung durch die Kammer; die Merkmale i) bis iv) wurden in Anspruch 1 wie erteilt aufgenommen):

"Wickelvorrichtung (1) zum Wickeln von Bändern (2), insbesondere von dünnen Metallbändern, umfassend einen Haspeldorn (3), der um eine Drehachse (4) drehbar angeordnet ist, sowie mindestens einen Schwenkarm (5), der um eine Achse (6) schwenkbar angeordnet ist und der mindestens ein Umlenkschild (7) und mindestens eine Andrückrolle (8) aufweist, die das zu wickelnde Band (2) umlenken bzw. andrücken, wobei der mindestens einen Andrückrolle (8) zumindest ein Bewegungsmittel (9) zugeordnet ist, mit dem die Andrückrolle (8) relativ zu dem Schwenkarm (5) bewegbar ist,

i) wobei die Andrückrolle (8) an einem Rollenschwenkarm (10) angeordnet ist, der im Schwenkarm (5) gelagert ist, wobei die Achse (6) des Schwenkarms (5) und die Achse (11) des Rollenschwenkarms (10) parallel zueinander angeordnet sind,

ii) wobei das Bewegungsmittel (9) in Form eines Linearaktuators im Schwenkarm (5) befestigt ist,

iii) wobei das Bewegungsmittel (9) die Andrückrolle (8) in Richtung des Mittelpunkts (M) des Haspeldorns (3) bewegt,

iv) wobei die Andrückrolle (8) am Linearaktuator angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Andrückrolle (8) und der Schwenkarm (5) bzw. deren Antriebe (9, 12) jeweils ein Wegmesssystem (13, 14) aufweisen."

Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags lässt sich wie folgt in zwei Teilmerkmale unterteilen (römische Nummerierung durch die Kammer):

v) die Andrückrolle (8) bzw. deren Antrieb(9) ein Wegmesssystem (13) aufweist und

vi) der Schwenkarm (5) bzw. deren Antrieb (12) ein Wegmesssystem (14) aufweist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Ausdruck "wobei die Antriebe (9, 12) und ihre Wegmesssysteme (13, 14) mit einer Regelung zum präzisen automatischen Anfahren der Sollposition der Andrückrolle (8) verbunden sind" am Ende des Anspruchs angefügt wurde.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass der Ausdruck "wobei die Regelung ausgebildet ist, mittels eines hinterlegten Algorithmus die Spreizung des Haspeldorns (3), die Dicke des Bandes (2), die Wickelgeschwindigkeit, die Position der Bandspitze und des Bandendes, die Windungszahl, den Coildurchmesser sowie die Geometrie der Schwenkarme (5, 10) zu berücksichtigen" am Ende des Anspruchs angefügt wurde.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D1 US 4,964,587;

D2 GB 2 092 111 A.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Hauptantrag)

Die Einspruchsabteilung habe in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Druckschrift D1 das Teilmerkmal vi) weder offenbare noch nahelege. Diese Auffassung erweise sich als nicht haltbar. Um dies darzulegen, sei eine Gesamtschau dieser Druckschrift und deren Offenbarung erforderlich.

Die Druckschrift D1 treffe in Spalte 1, Zeile 31 bis Spalte 2, Zeile 27 Ausführungen in Verbindung mit der Figur 3. In dieser Figur 3 seien zwar Andrückrollen und Umlenkschilde dargestellt, jedoch ohne die zugehörigen mechanischen Strukturen, in denen die Andrückrollen und Umlenkschilde angeordnet, gelagert und befestigt seien. In Spalte 2, Zeilen 6 und 7 finde sich weiterhin die Aussage, dass die Position der Andrückrolle 7 geregelt werden solle. Aufgrund des Sinns und Zwecks der Positionsregelung - nämlich der Realisierung einer so genannten step control (vergleiche hierzu auch den in Spalte 2, Zeile 2 verwendeten Begriff "stepped portion") ? sei für den Fachmann ersichtlich, dass es auf die Position der Andrückrolle relativ zum Haspeldorn ankomme.

Sodann werde in Spalte 2, Zeilen 28 bis 37 auf die Erläuterung der Figuren 7 bis 12 übergeleitet. Hierbei werde zunächst in Spalte 2, Zeilen 38 bis 46 in Verbindung mit deren Figur 7 eine Ausgestaltung erläutert, bei welcher die Andrückrolle 7 fest im Schwenkarm 9a gelagert sei und das Anstellen ausschließlich mittels des Hydraulikzylinders 13 erfolge. Angesichts des Umstands, dass diese Ausgestaltung positionsgeregelt sein solle, müsse somit zwangsweise entsprechend Teilmerkmal vi) der Schwenkarm bzw. dessen Antrieb ein Wegmesssystem aufweisen. Auch aus rein fachmännischen Erwägungen erschließe sich eine Positionsregelung, denn ein Hydraulikzylinder sei ein starres, nicht nachgiebiges System. Würde der Hydraulikzylinder nicht nachgeführt, könnte die gewünschte Nachführung der Andrückrolle nicht erfolgen. Bei der Ausgestaltung gemäß Figur 7 sei jedoch kein zusätzlicher Rollenschwenkarm vorhanden, der ebenfalls einen positionsgeregelten Antrieb aufweise.

Sodann werde in Spalte 2, Zeilen 47 bis 56 in Verbindung mit Figur 8 auf eine Ausgestaltung von Figur 7 eingegangen. Bei dieser Ausgestaltung sei entsprechend dem Merkmal i) die Andrückrolle an einem Rollenschwenkarm 9b angeordnet, der im Schwenkarm 9a gelagert sei, wobei die Achsen des Schwenkarms 9a und des Rollenschwenkarms 9b parallel zueinander angeordnet seien. Bei dieser Ausgestaltung sei weiterhin eine Pufferfeder 15 vorhanden, welche gemäß Spalte 2, Zeilen 48 und 49 der Verbesserung der Reaktion beim Positionieren der Andrückrolle 7 diene. Aufgrund des Umstands, dass es sich um eine Ausgestaltung von Figur 7 handele, sei die Pufferfeder 15 logischerweise zusätzlich zur Positionsregelung vorhanden. Die Positionsregelung des Hydraulikzylinders 13 (Merkmal vi)) bleibe also erhalten.

Weiterhin werde gemäß Spalte 3, Zeilen 1 bis 7 in Verbindung mit Figur 11 eine weitere Ausgestaltung von Figur 7 erläutert, bei der anstelle der Pufferfeder 15 von Figur 8 ein positionsgeregelter Hydraulikzylinder 13' vorgesehen sei.

Damit aber offenbare die Druckschrift D1 nicht nur gemäß Figur 7 eine Ausgestaltung, bei welcher der Schwenkarm bzw. dessen Antrieb ein Wegmesssystem aufweise, vgl. Teilmerkmal vi). Auch offenbare die Druckschrift D1 nicht nur gemäß Figur 8 eine Ausgestaltung, bei welcher zusätzlich zum positionsgeregelten Schwenkarm eine passive Lagerung des Rollenschwenkarms im Schwenkarm mittels einer Pufferfeder erfolgt. Vielmehr offenbare die Druckschrift D1 gemäß Figur 11 auch eine Ausgestaltung, bei welcher zusätzlich zur Positionsregelung des Schwenkarms als Ganzes (Teilmerkmal vi) auch der Rollenschwenkarm 9b relativ zum Schwenkarm positionsgeregelt sei und damit gemäß Teilmerkmal v) die Andrückrolle bzw. deren Antrieb ein Wegmesssystem aufweise.

Die Einspruchsabteilung führe in der angefochtenen Entscheidung aus (Entscheidungsgründe 2.3.3.10), dass der Hydraulikzylinder 13 lediglich in eine Endposition verfahren werde und die Positionsregelung der Andrückrolle nur über den Hydraulikzylinder 13' erfolge. Diese Aussage finde jedoch keine Stütze im Offenbarungsgehalt der Druckschrift D1.

Das Vorhandensein lediglich eines einzigen Wegmesssystems für den Hydraulikzylinder 13' widerspreche im Ergebnis auch der Wirkung, die durch die Positionsregelung erzielt werden solle. Denn es sei für den Fachmann ersichtlich, dass es im funktionalen Sinne nicht auf die Position der Andrückrolle relativ zum Schwenkarm ankomme, sondern auf die Position der Andrückrolle relativ zum Haspeldorn.

Wäre daher ein Wegmesssystem für den Schwenkarm bzw. dessen Antrieb nicht vorhanden, wäre eine Positionsregelung bei der Ausgestaltung gemäß Figur 11 schlichtweg sinnlos. Das Teilmerkmal vi), dass (auch) der Schwenkarm bzw. dessen Antrieb ein Wegmesssystem aufweise, erschließe sich dem Fachmann daher auch aufgrund einfacher Überlegungen zu Sinn und Zweck der Positionsregelung.

In der angefochtenen Entscheidung sei weiterhin ausgeführt worden (siehe Entscheidungsgründe, Punkte 2.3.3.9), dass bei der Druckschrift D1 gemäß deren Spalte 1, Zeilen 57 bis 62 nach dem Wickeln weniger Windungen die Andrückrollen zurückgezogen werden. Die Einspruchsabteilung folgere daraus, dass eine Positionsregelung des Schwenkarms nicht erforderlich sei. Im angegriffenen Patent sei nirgends ausgesagt, dass die Andrückrolle während des gesamten Haspelvorgangs (also für alle Windungen des zu entwickelnden Coils) an das Coil angestellt bleibe. Dies sei auch weder sinnvoll noch erforderlich. Denn das Andrücken der Andrückrollen an den Haspeldorn sei nur erforderlich, bis der Haspeldorn das Band gegriffen hat. Dies ist nach dem Wickeln weniger Windungen der Fall.

Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass die Druckschrift D1 alle Merkmale des Oberbegriffs des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 sowie das Teilmerkmal v) des kennzeichnenden Teils dieses Anspruchs 1 offenbare und dass das Teilmerkmal vi) sich dem Fachmann ohne weiteres erschließe, sofern es nicht sogar als implizit offenbart angenommen werde.

Das unterscheidende Teilmerkmal vi) sei im einschlägigen Stand der Technik allgemein üblich. Dies ergebe sich bereits aus der Druckschrift D1 für sich betrachtet, vgl. die Figuren 7 und 8, und weiterhin aus der Druckschrift D2. Gemäß deren Figur 2 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 5 bis 8 dieser Druckschrift sei ein Winkelsensor 10 vorhanden, der mit dem Schwenkarm 6 gekoppelt sei und die Winkellage des Schwenkarms 6 erfasse. Die Winkellage korrespondiere jedoch über eine einfache geometrische Umrechnung mit der Position des Schwenkarms.

Der Gegenstand des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 ergebe sich daher in naheliegender Weise auch aus einer Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2.

Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Hilfsanträge 1 und 2)

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheide sich von Anspruch 1 des Hauptantrags 1 lediglich durch das Merkmal: "[wobei die Antriebe (9, 12) und ihre Wegmesssysteme (13, 14)] mit einer Regelung zum präzisen automatischen Anfahren der Sollposition der Andrückrolle (8) verbunden sind". Dieser Wortlaut definiere kein konstruktives Merkmal sondern sei eine Zweckbestimmung, die für den Fachmann selbstverständlich sei. Inhaltlich sei das zusätzliche Merkmal ungeeignet, erfinderische Tätigkeit zu begründen. Insbesondere fänden sich bereits in der Druckschrift D1 - siehe dort beispielsweise Spalte 2, Zeilen 6 bis 11 und Spalte 3, Absatz 1 - entsprechende Hinweise auf eine Regelung. Auch die Druckschrift D2 erwähne eine Regelung, siehe beispielsweise Seite 1, Zeilen 43 bis 51.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, nämlich "[wobei die Regelung ausgebildet ist,] mittels eines hinterlegten Algorithmus die Spreizung des Haspeldorns (3), die Dicke des Bandes (2), die Wickelgeschwindigkeit, die Position der Bandspitze und des Bandendes, die Windungszahl, den Coildurchmesser sowie die Geometrie der Schwenkarme (5, 10) zu berücksichtigen", definiere lediglich die Parameter, die für den Algorithmus notwendig seien um die Andrückrolle 8 während des Wickeln auf den Band präzise auf dem Band zu drücken. Der Fachmann wisse, ausgehend von seinem Fachwissen, welche Parameter zu berücksichtigen seien um dies zu erreichen. Das zusätzliche Merkmal sei deshalb ungeeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Denn es erschöpfe sich im Endeffekt in Selbstverständlichkeiten, die jeder Fachmann berücksichtigen müsse, wenn er eine funktionierende Regelung aufbauen will. Im einzelnen: Der Aussageteil "mittels eines hinterlegten Algorithmus" sei als solcher inhaltsleer. Denn der Algorithmus sei mit Ausnahme der nachstehend einzelnen abgehandelten Eigenschaften nicht näher spezifiziert. Die Berücksichtigung der Spreizung des Haspeldorns entspreche im Ergebnis lediglich dem anfänglichen Durchmesser des Coils. Die Berücksichtigung der Dicke des Bandes entspreche dem vorzunehmenden Lagensprung. Die Berücksichtigung der Wickelgeschwindigkeit entspreche in Verbindung mit dem momentanen Coildurchmesser der Berücksichtigung der Zeitpunkte, zu denen die Position der Andrückrolle korrigiert werden müsse. Position der Bandspitze und des Bandendes entsprechen den Zeitpunkten, zu dem mit dem Regeln begonnen werden müsse und zu dem das Regeln beendet werden könne. Die Windungszahl, die Banddicke, die Spreizung des Haspeldorns und der Coildurchmesser seien über einfache geometrische Beziehungen ineinander umrechenbar. Die Berücksichtigung der Geometrie der Schwenkarme sei zwingend erforderlich, da anderenfalls keine korrekte Anstellung der Andrückrolle erfolgen könne.

Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 könnten deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit (Hauptantrag)

Die der vorliegenden Erfindung nahe kommende Druckschrift D1 zeige in der hier wohl der Erfindung am nächsten kommenden Lösung gemäß Figur 11 nicht, dass die Andrückrolle und der Schwenkarm bzw. deren Antriebe jeweils ein Wegmesssystem aufwiesen. Eine diesbezügliche Offenbarung fehle in dieser Druckschrift.

Mit Blick auf die Druckschrift D2 gelte: Die nächstkommende Lösung sei hier durch Figur 1 ersichtlich, bei der allerdings eine Schwenkbewegung des Rahmens e vorgesehen sei, so dass keineswegs die Andrückrolle c in Richtung des Mittelpunkts des Haspeldorns b bewegt werde. Hier sei ohnehin lediglich ein Federelement g zur Bewegung des Rahmens vorgesehen, kein Linearaktuator, wie es der Anspruch 1 fordere. Die Lösung nach Figur 2 der Druckschrift D2 liege noch weiter von der Erfindung weg, da hier die Andrückrolle 3 starr und unbeweglich zum Schwenkarm 6 gelagert sei.

Der nächstkommende Stand der Technik dürfte durch die Druckschrift D1 definiert sein. Alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gingen aus dieser Druckschrift hervor. Die kennzeichengemäßen Merkmale gingen aus der Druckschrift indes nicht hervor.

Der Erfindung könne die objektive Aufgabe zugrunde gelegt werden, eine gattungsgemäße Wickelvorrichtung so weiterzubilden, dass insbesondere beim Wickeln sehr dünner Bänder eine präzise und feinfühlige Fahrweise der Vorrichtung möglich sei und somit in schonender Weise das Band aufgewickelt werden könne. Dabei sollten sowohl kleine als auch größere Stellbewegungen der Andrückrolle beim Wickeln schnell und mit hoher Regelgüte realisiert werden können.

Hierzu schlage die Erfindung vor, sowohl die Andrückrolle als auch der Schwenkarm bzw. deren Antriebe jeweils mit einem Wegmesssystem zu versehen, wobei diese mit einer Regelung in Verbindung stehe, mit der die Lage der Andrückrolle im geschlossenen Regelkreis geregelt werde.

Vorteilhaft sei bei der beanspruchten neuen Lösung, dass durch die direkte lineare Bewegung der Andrückrolle auf den Mittelpunkt des Haspeldorns zu ein direkt - per Wegmesssystem - messbarer Bewegungsbetrag feststellbar sei, der die Feststellung der effektiven Lage der Andrückrolle erlaube, d. h. der vom Wegmesssystem 13 festgestellter Bewegungsbetrag liefere unmittelbar und ohne Umrechnung ein Maß für die Entfernung der Andrückrolle vom Haspel-Mittelpunkt.

Da ferner sowohl die Relativlage der Andrückrolle im Schwenkarm per Wegmesselement 13 unmittelbar festgestellt werden könne und die Lage des Schwenkarms vom Haspeldorn durch das andere Wegmesssystem 14 festgestellt werden könne, sei die Grundlage dafür gegeben, in schneller Weise die Lage der Andrückrolle auf einen vorgegebenen Wert zu regeln, dennoch dabei aber einen großen Regelbereich abzudecken.

Die Druckschrift D1 liefere auf dieses Konzept keinen Hinweis. Ausweislich der Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 1 bis 7, und Spalte 1, Zeilen 58 bis 63, ergebe sich aus der Druckschrift klar, dass hier offensichtlich ein einziges an der Andrückrolle angebrachtes Wegmesssystem als Bestandteil der Lageregelung für diese Rolle als ausreichend angesehen werde, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Ein Hinweis, zur Lösung der genannten objektiven Aufgabe die kennzeichengemäßen Merkmale einzusetzen, finde sich in der Druckschrift nicht nur nicht, dieser Druckschrift führe auch von der vorliegenden Erfindung weg.

Dabei sei ein Aspekt, dass die Andrückrolle 7 in Richtung des Mittelpunkts des Haspeldorns 8 bewegt werde, wobei die Andrückrolle 7 am Linearaktuator 13' angeordnet sei. Ferner komme der Ausstattung mit Wegmesselementen wesentliche Bedeutung zu, da damit erst die Möglichkeit geschaffen werde, die Andrückrolle geregelt in einer definierten Lage zu positionieren, um das Wickelergebnis zu verbessern. Erst damit könne dem aufgabengemäßen Aspekt Rechnung getragen werden, dass beim Umlenken und Andrücken des aufzuwickelnden Metallbandes Querkräfte möglichst minimiert werden. Erst die anspruchsgemäße Lösung stelle sicher, dass beim Umlenken und Andrücken des Metallbandes durch die beschriebene Bewegung der Andrückrolle in Richtung des Mittelpunktes der Haspelrolle zusätzlich auftretende Querkräfte, die zusätzlich quer zur Bewegungsrichtung von Bewegungsmittel und Linearaktuator wirken und darüber auch in den Schwenkarm einfließen, minimiert seien. Die Qualität des Aufwickelns des Bandes werde somit optimiert bzw. verbessert.

Die Druckschrift D1 könne den beanspruchten Gegenstand daher nicht nahelegen. Auch die Hinzunahme der weiteren Druckschriften zum Stand der Technik führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Druckschrift D2 führe nicht zum beanspruchten Gegenstand: Die hier beschriebene Lösung liege deutlich weiter von der vorliegenden Erfindung weg, da überhaupt keine Aufteilung der Bewegung der Andrückrolle in eine "kleine" und eine "große" Bewegung vorgesehen sei, was die Voraussetzung dafür sei, sowohl schnell regeln als auch große Regelbewegungen bewerkstelligen zu können.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag sei somit im Sinne von Artikel 56 EPÜ im Lichte der vorliegenden Druckschrift zum Stand der Technik erfinderisch.

Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Hilfsanträge 1 und 2)

Der Gegenstand der Ansprüche 1 nach Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 schränkten die beanspruchte Lösung weiter ein, wozu sich in der Druckschrift D1 gar kein Hinweis finde. Nicht jeder Haspeldorn sei spreizbar. Die Kombination aller zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 führe dazu, dass auch sehr dünne Bänder in schonender Art aufgewickelt werden können.

Das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit sei somit gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

HAUPTANTRAG

2. Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973

2.1 Auslegung des Anspruchs 1 des Hauptantrags

Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags lautet:

"dass die Andrückrolle (8) und der Schwenkarm (5) bzw. deren Antriebe (9, 12) jeweils ein Wegmesssystem (13, 14) aufweisen".

In Absatz [0027] des Streitpatents wird ausgeführt:

"Um das System in einem geschlossenen Regelkreis arbeiten zu lassen, sind die Bewegungsmittel 9, 12 mit jeweiligen Wegmesssystemen 13, 14 ausgestattet, was ein präzises automatisches Anfahren der Soll-Position der Andrückrolle 8 ermöglicht."

Nach Auffassung der Kammer weist das Vorhandensein eines Wegmesssystems oder mehrerer Wegmesssysteme in der Wickelvorrichtung nach Anspruchs 1 des Hauptantrags darauf hin, dass die Position der Andrückrolle (8) und die Position des Schwenkarms (5) bzw. deren Antriebe (9, 12) jeweils geregelt werden und nicht (nur) gesteuert.

2.2 Die im Absatz [0003] des Patents erwähnte Druckschrift D1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Die Parteien sind sich einig, dass diese Druckschrift D1 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Hauptantrags offenbart, siehe die in Figur 11 dargestellte Wickelvorrichtung und die dazugehörige Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 1 bis 7, welche lautet:

"The coiler shown in FIG. 11 is featured in that instead of the spring 15 used in the coiler of FIG. 8 or in addition thereto, a hydraulic cylinder 13' is employed to control the position of the unit roller 7 such that the unit roller 7 runs on the stepped portion of the coiled/piled band plate 1 corresponding to the leading end thereof without any shock."

Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags lässt sich wie folgt in zwei Teilmerkmale unterteilen (siehe Punkt IV):

v) "die Andrückrolle (8) bzw. deren Antrieb(9) ein Wegmesssystem (13) aufweist" und

vi) "der Schwenkarm (5) bzw. deren Antrieb (12) ein Wegmesssystem (14) aufweist".

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, "dass eine Regelung der Lage der Andrückrolle als durch Druckschrift D1 offenbart angesehen werden kann" (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 2.3.3.7, Seite 8, erster Satz), d. h. dass Druckschrift D1 das Teilmerkmal v) offenbart.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass Druckschrift D1 das Teilmerkmal v) des kennzeichnenden Teils dieses Anspruchs 1 offenbare und dass das Teilmerkmal vi) sich dem Fachmann ohne weiteres erschließe, sofern es nicht sogar als implizit offenbart angenommen werde.

Die Beschwerdegegenerin hat vorgetragen, dass Druckschrift D1 nicht offenbart, dass die Andrückrolle und der Schwenkarm bzw. deren Antriebe jeweils ein Wegmesssystem aufwiesen, sodass Druckschrift D1 die Teilmerkmale v) und vi) nicht offenbare.

2.3 Ist Teilmerkmal v) durch Druckschrift D1 offenbart?

Im Abschnitt "BACKGROUND OF THE INVENTION" (siehe Spalte 1, Zeile 9 bis Spalte 4, Zeile 31) der Druckschrift D1 werden konventionelle Wickelvorrichtungen nach der Stand der Technik beschrieben, die in den jeweils mit "prior art" bezeichneten Figuren 3, 7 bis 12 gezeigt werden.

Der eigentlichen Erfindung der Druckschrift D1 (siehe Spalte 4, Zeilen 32 bis Spalte 6, Zeile 12, Figuren 1, 2 und 4 bis 6) liegt die Aufgabe zugrunde, eine Wickelvorrichtung bereitzustellen, deren Andrückrolle eine erheblich verbesserte Reaktionszeit aufweist und die es ermöglicht ein Band an dem Haspeldorn zu befestigen, siehe Spalte 4, Zeilen 34 bis 38. Diese Aufgabe soll durch den Gegenstand des einzigen Anspruchs 1 gelöst werden, insbesondere dadurch, dass der Abstand zwischen dem Drehpunkt der Andrückrolle 7 und der Achse 16 des zweiten Schwenkarms ("second frame 9e") kleiner als die maximale Dicke einer gewickelten Spule ist und dass die Achse ("frame bearing 160") des ersten Schwenkarms ("first frame 9d") außerhalb des maximalen Außenumfangs der gewickelten Spule an einer Stelle radial nach außen positioniert wird, vgl. die letzten beiden kennzeichnenden Merkmale dieses Anspruchs.

Druckschrift D1 beschreibt in dem Passus im Spalte 1, Zeile 31 bis Spalte 2, Zeile 14 eine Wickelvorrichtung nach der Stand der Technik (siehe Figur 3), bei der die Geschwindigkeit der Andrückrollen ("unit roller 7") so lange gesteuert wird, bis das Band um den Haspeldorn ("mandrel 8") befestigt ist, vgl. Spalte 1, Zeilen 46 bis 63. Im letzten Absatz dieses Passus wird auf das Problem des Lagensprungs hingewiesen. In Spalte 1, Zeile 64 bis Spalte 2, Zeile 6 wird in Bezug auf Figur 3 ausgeführt, dass es wichtig ist, die Fähigkeit der einzelnen Andrückrollen 7 sich über einen Lagensprung zu bewegen zu verbessern, d. h. ohne Schock.

In Spalte 2, Zeilen 6 bis 14 wird ausgeführt, dass - wenn die Position Andrückrolle 7 gesteuert (oder geregelt) wird - es notwendig ist, die sofortige Verschiebgeschwindigkeit oder die Reaktionsgeschwindigkeit der Andrückrolle 7 in radialer Richtung des Haspeldorns 8 zu erhöhen, und dass - wenn die Position Andrückrolle 7 nicht gesteuert (oder geregelt) wird - es notwendig ist, die Trägheitskraft der Andrückrolle 7 und die Trägheitskraft ihres Unterstützungsmechanismus in radialer Richtung des Haspeldorns 8 zu verringern:

"Therefore, where the position of the unit roller 7 is subjected to control, it is necessary to increase the speed of instantaneous shift or the speed of response of the unit roller 7 in the radial direction of the mandrel 8, or where the position of the unit roller 7 is not subjected to control, it is necessary to decrease the reaction force of inertia of the unit roller 7 and of its support mechanism in the radial direction of the mandrel 8" (Hervorhebung durch die Kammer).

Die Einspruchsabteilung hat aus diesem Passus geschlossen, dass der Verfasser der Druckschrift D1 beide Möglichkeiten, nämlich die einer Steuerung ("not subjected to control") und die einer Regelung ("subjected to control"), in Erwägung gezogen hätte und dass eine Regelung der Lage der Andrückrolle als durch Druckschrift D1 offenbart angesehen werden kann, siehe Entscheidungsgründe 2.3.3.5 bis 2.3.3.7 der angefochtenen Entscheidung.

Dies hat die Kammer nicht überzeugt. Das englische Verb "to control" kann steuern aber auch regeln bedeuten. Aus dem Kontext der gesamten Druckschrift D1 ergibt sich nach Auffassung der Kammer für einen Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig, ob insbesondere bei der Ausführungsform der Figur 11 die Hydraulikzylinder 13' und 13 geregelt werden. Letzteres hätte zur Folge, dass auch ein Wegmesssystem für diese Zylinder vorgesehen sein müsste.

Im Folgenden wird mit Bezug auf Druckschrift D1 der Ausdruck "to control" nur im Sinne von "steuern" verstanden.

Bei der Wickelvorrichtung nach Figur 11 wird ein hydraulischer Zylinder 13' verwendet, um die Position der Andrückrolle ("unit roller 7") zu steuern, so dass die Andrückrolle 7 ohne Schock über einen Lagensprung ("stepped portion") des aufgewickelten Bandes 1 läuft, der mit dessen führenden Ende korrespondiert.

Nach Auffassung der Kammer stellt der Antrieb ("hydraulic cylinder 13'") der Andrückrolle 7 der in Figur 11 der Druckschrift D1 gezeigten Wickelvorrichtung einen Linearaktuator dar. Der Druckschrift D1 ist weder eine Regelung zu entnehmen, noch dass der Antrieb 13' ein Wegmesssystem oder Ähnliches aufweist.

2.4 Ist Teilmerkmal vi) durch Druckschrift D1 offenbart?

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass Druckschrift D1 gemäß den Figuren 7 und 8 Ausgestaltungen offenbare, bei welcher der Schwenkarm 9a als Ganzes positionsgeregelt sei und damit gemäß Merkmal vi) die Andrückrolle bzw. deren Antrieb ein Wegmesssystem aufweise.

Auch dies hat die Kammer nicht überzeugt. Da weder in der Figur 3 noch in der Beschreibung ein Hydraulikzylinder gezeigt bzw. erwähnt ist, und die Wickelvorrichtung nach der Figur 3 offen lässt, ob die Position der Andrückrolle 7 geregelt wird oder nicht, würde der Fachmann nach vorläufiger Einschätzung der Kammer - aufgrund der Figur 3 und der zugehörigen Beschreibung - den in der Figur 7 gezeigten Hydraulikzylinder 13 nicht als einen "Antrieb für die Andrückrolle 7 mit einem Wegmesssystem" interpretieren, zumal da in Spalte 2, Zeilen 38 bis 46 der Druckschrift zu der in Figur 7 gezeigten Wickelvorrichtung nach dem Stand der Technik lediglich Folgendes ausgeführt wird:

"The coiler shown in FIG. 7 is featured in that a rotary bearing portion of the unit roller 7 is integral with the circular guide 6c, these components are secured to a main frame 9a which is in turn pivotably supported via a frame bearing 16 by a coiler housing 18, and these components are caused to open/close by means of a hydraulic cylinder 13 supported via a trunnion 14 by the coiler housing 18. This coiler is the most popular of the roller independent movable type."

Entgegen der Auffassung Beschwerdeführerin offenbart keine der Figuren 3, 7 bis 12 der Druckschrift D1 einen positionsgeregelten Schwenkarm. Aus der anschließenden Beschreibung der Figur 8 (siehe Spalte 2, Zeilen 47 bis 56), wird nach Einschätzung der Kammer der Fachmann ebenfalls nicht ableiten, dass der darin gezeigte Hydraulikzylinder 13 die Position der auf dem Schwenkarm ("roller frame 9b") angeordneten Andrückrolle 7 regelt, da die Pufferfeder 15 zwischen dem Schwenkarm 9b und dem Schwenkarm ("main frame 9a") angeordnet ist. Wenn infolge der Durchmesservergröße­rung durch den Bandanfang die Andrückrolle 7 einen Sprung macht, wird diese Bewegung durch die Pufferfeder aufgefangen, und nicht durch die Hydraulikzylinder 13 geregelt.

Aus den gleichen Überlegungen wird nach Auffassung der Kammer in Figur 11 kein Hydraulikzylinder 13 offenbart, der die Position der Andrückrolle 7 regelt.

2.5 Eine ähnliche Wickelvorrichtung ist der Figur 1 der Druckschrift D2 zu entnehmen (dort ebenfalls als bekannte Vorrichtung beschrieben, siehe Seite 1, Zeilen 18 bis 32). Die Andrückrolle ("wrapper roll c") ist relativ zum Schwenkarm gelagert. Dieser Druckschrift liegt die Aufgabe zugrunde (vgl. Seite 1, Zeilen 33 bis 42), eine Wickelvorrichtung bereitzustellen, bei der die Andrückrolle, wenn ein Lagensprung zwischen dem Haspeldorn und der Andrückrolle vorhanden ist, sich in radialer Richtung vom Haspeldorn wegbewegt, sodass im Wesentlichen kein Schock oder Einwirkung auf die Wickelrolle übertragen wird, wodurch die Notwendigkeit einer Dämpfungsfeder eliminiert wird. Die Lösung ist in der Figuren 2 und 3 gezeigt. Ein erster Sensor ("pulse generator 11") generiert ein Ausgangssignal, das die Verschiebung der Position des Lagensprungs des Bandes auf dem Haspeldorn repräsentiert und ein zweiter Sensor generiert ein Ausgangssignal, das den Drehwinkel des Haspeldorns repräsentiert. Die beiden Ausgangssignale erlauben es, die Zeit zu berechnen, wann der Lagensprung als nächstes passieren wird um die Andrückrolle abzuheben und den Lagensprung durchzulassen, siehe Seite 1, Zeilen 43 bis 62. Die gezeigte Regelung des Schwenkarms kann einen Winkelpositionssensor 10 sowie einen Beschleunigungssensor 9 aufweisen, siehe Seite 2, Zeilen 5 bis 8 und Zeilen 18 bis 30.

Die in der Figur 2 gezeigte Wickelvorrichtung weist somit einen geregelten Schwenkarm 6 auf. Im Gegensatz zu der Wickelvorrichtung nach der Figur 1 der Druckschrift D2 weist die Wickelvorrichtung nach der Figur 2 keine Andrückrolle 3 auf, die relativ zum Schwenkarm gelagert ist.

2.6 Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich demnach von der aus der Figur 11 der Druckschrift D1 bekannten Wickelvorrichtung nach dem Stand der Technik dadurch, dass

v) "der Schwenkarm (5) bzw. deren Antrieb (12) ein Wegmesssystem (14) aufweist" und

vi) "der Schwenkarm (5) bzw. deren Antrieb (12) ein Wegmesssystem (14) aufweist".

Die Kombination der Teilmerkmale v) und vi) bewirkt, dass es möglich wird, in präziser Weise auch sehr dünne Bänder in schonender Art aufzuwickeln, siehe Absatz [0008] des Patents.

2.7 Naheliegen des Teilmerkmal v)

Wie in Punkt 2.3 ausgeführt, wird bei der Wickelvorrichtung nach Figur 11 ein hydraulischer Zylinder 13' verwendet, um die Position der Andrückrolle ("unit roller 7") zu steuern, so dass die Andrückrolle 7 ohne Schock über einen Lagensprung ("stepped portion") des aufgewickelten Bandes 1 läuft, der mit dessen führenden Ende korrespondiert.

Es ist für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, dass er durch das Ersetzen einer Steuerung durch eine Regelung, die Positionierung der Andrückrolle verbessern kann. Der Fachmann würde bei einer solchen Regelung das Vorhandensein eines Wegmesssystems voraussetzen, da sonst die Position der Andrückrolle nicht geregelt werden kann.

Das unterscheidende Teilmerkmal v) war deshalb für den Fachmann ausgehend von der Wickelvorrichtung nach der Figur 11 der Druckschrift D1 naheliegend.

2.8 Naheliegen des Teilmerkmal vi)

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass wenn den Hydraulikzylinder 13' geregelt anstatt gesteuert werde, es für den Fachmann ersichtlich sei, dass auch den Hydraulikzylinder 13 geregelt werden müsse, da es auf die Position der Andrückrolle relativ zum Haspeldorn ankomme.

Dem kann nicht gefolgt werden. Es wäre technisch durchaus möglich, dass der Hydraulikzylinder 13 lediglich in eine Endposition verfahren wird und dass die Positionsregelung der Andrückrolle nur über den Hydraulikzylinder 13' erfolgt, vgl. auch die angefochtene Entscheidung, Gründe 2.3.3.10.

Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass bei der Wickelvorrichtung nach der Figur 11 eine Aufteilung der Bewegung der Andrückrolle in eine "kleine" und eine "große" Bewegung vorgesehen sei: Die "kleine" Bewegung des kleinen Rollenschwenkarms 9b werde durch die Hydraulikzylinder 13' gesteuert und die "große" Bewegung des großen Schwenkarms 9a werde durch die Hydraulikzylinder 13 gesteuert. Die Einspruchsabteilung habe aus dem Passus in Druckschrift D1, der Figur 11 beschreibe (Spalte 3, Zeilen 1 bis 7), nämlich "dass ein Hydraulikzylinder 13' zur Lageregelung der Andrückrolle 7 verwendet wird", gefolgert, dass in dieser Druckschrift eine einzige Lageregelung am Hydrozylinder 13' als ausreichend angesehen werde, damit die Andrückrolle 7 ohne Schock über einen Lagensprung des aufgewickelten Bandes 1 laufe, vgl. die angefochtene Entscheidung, Gründe 2.3.3.10.

Wie oben ausgeführt, ist es technisch durchaus möglich, dass der Hydraulikzylinder 13 lediglich gesteuert wird.

Aus den gleichen Gründen wie in Punkt 2.7 oben war es nach Auffassung der Kammer jedoch für den Fachmann naheliegend auch für den Antrieb (Hydraulikzylinder 13) des Schwenkarms 9a eine Regelung in Betracht zu ziehen, da die Vor- und Nachteile eine Regelung in Vergleich zu einer Steuerung dem Fachmann bekannt sind. Die Vorteile sind eine genauere Kontrolle der Position des Andrückrolle und des Aufwickelvorgangs, die Nachteile sind ein regeltechnischer Mehraufwand und die Bereitstellung von geeigneten Sensoren, z. B. in Form eines Wegmesssystems, wobei die Positionsregelungen der beiden Hydraulikzylinder 13, 13' aufeinander abzustimmen sind.

2.9 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

HILFSANTRÄGE 1 UND 2

3. Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit

3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags, nämlich "dass die Andrückrolle (8) und der Schwenkarm (5) bzw. deren Antriebe (9, 12) jeweils ein Wegmesssystem (13, 14) aufweisen" durch das Merkmal "wobei die Antriebe (9, 12) und ihre Wegmesssysteme (13, 14) mit einer Regelung zum präzisen automatischen Anfahren der Sollposition der Andrückrolle (8) verbunden sind" ergänzt wurde.

Da, wie zum Hauptantrag ausgeführt wurde, das Vorsehen einer Regelung bei der aus Figur 11 der Druckschrift D1 bekannte Wickelvorrichtung naheliegend ist, können auch die zusätzliche Merkmale, dass "die Antriebe (9, 12) und ihre Wegmesssysteme (13, 14) mit einer Regelung verbunden sind" und "zum präzisen automatischen Anfahren der Sollposition der Andrückrolle (8)" eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass der Ausdruck "wobei die Regelung ausgebildet ist, mittels eines hinterlegten Algorithmus die Spreizung des Haspeldorns (3), die Dicke des Bandes (2), die Wickelgeschwindigkeit, die Position der Bandspitze und des Bandendes, die Windungszahl, den Coildurchmesser sowie die Geometrie der Schwenkarme (5, 10) zu berücksichtigen" am Ende des Anspruchs eingefügt wurde.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 zählt acht Parameter auf, die der Algorithmus berücksichtigen soll, nämlich

- die Spreizung des Haspeldorns 3,

- die Dicke des Bandes 2,

- die Wickelgeschwindigkeit,

- die Position der Bandspitze,

- die Position des Bandendes,

- die Windungszahl,

- den Coildurchmesser und

- die Geometrie der Schwenkarme.

Nach Auffassung der Kammer kann die Aufzählung dieser Parameter keine erfinderische Tätigkeit begründen, da sie ein Fachmann aufgrund seines Fachwissens zur Regelungstechnik heranziehen würde. Irgendwelche besondere und überraschende technische Effekte sind weder der Patentschrift entnehmbar noch wurden solche geltend gemacht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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