European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T162714.20180613 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Juni 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1627/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08707735.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B25J 9/16 G05B 19/4061 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sensorvorrichtung sowie Anlage mit einem Förderer und einer Sensorvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Rockwell Automation Safety AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SICK AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein), Hilfsantrag (ja) Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 114 630 in geändertem Umfang auf der Grundlage eines während der mündlichen Verhandlung eingereichten ersten Hilfsantrags legte die Einsprechende Beschwerde ein. Der Einspruch war auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ gestützt. Die Entscheidung wurde, inter alia, damit begründet, dass der Fachmann ausgehend von E1 (= DE 102 16 023 A1) und unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens und der Lehre eines der Dokumente E8 (= DE 101 52 543 A1), E9 (= EP 1 544 535 A1) und E13 (= EP 1 662 349 A1) nicht zum Gegenstand der unabhängigen Ansprüche des Hilfsantrags gelangt wäre.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte in ihrer Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte in ihrer Erwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des ersten Hilfsantrags aus dem Einspruchsverfahren (jetzt Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines von vier mit der Erwiderung eingereichten Anspruchssätzen (erster bis vierter Hilfsantrag). Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
In einem weiteren Schreiben vom 5. März 2015 ersetzte die Beschwerdegegnerin die Anspruchssätze der vier Hilfsanträge durch Anspruchssätze von zehn neuen Hilfsanträgen und beantragte hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patent auf der Grundlage eines dieser neuer Anspruchssätze.
IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm die Kammer zum Sachverhalt Stellung, erörterte unter anderem die Frage der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche der Anträge.
V. Mit einem Schreiben vom 9. Mai 2018 reichte die Beschwerdeführerin Argumente zur Frage der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des Gegenstands der Ansprüche der neuen Hilfsanträge ein.
VI. Mit einem Schreiben vom 11. Mai 2018 reichte die Beschwerdegegnerin neue 1. bis 7. Hilfsanträge ein.
VII. Mit einem Schreiben vom 22. Mai 2018 beantragte die Beschwerdeführerin, die neuen Hilfsanträge als verspätet zurückzuweisen, und reichte Argumente zur Frage der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des Gegenstands der Ansprüche der neuen Hilfsanträge ein.
VIII. Am 13. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin nacheinander drei neue Hilfsanträge ein, wobei der zuletzt eingereichte zweite Hilfsantrag um 15:32 eingereicht wurde, alle Hilfsanträge ersetzte und im Folgenden als "Hilfsantrag" bezeichnet wird.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags.
Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.
IX. Die folgenden Dokumente, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wurde, sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1: DE 102 16 023 A1; und
E2: DE 10 2005 049 159 A1.
X. Anspruch 3 des Hauptantrags lautet:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Anspruch 3 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
1.1 E1 (siehe die Zusammenfassung und Anspruch 1) offenbart ein Sensorsystem zur Erfassung einer Person oder Teilen der Person, wobei nicht nur die Position der Person in Relation zu einer Robotereinheit sondern auch die Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung der Person oder von Teilen der Person erfasst werden (Spalte 3, Zeilen 5 bis 15). Es werden somit Positions-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungswerte für verschiedene Teile eines Objekts erfasst.
Die dynamische Erfassung der räumlichen Position der Person oder Teile der Person wird durch optische Bilderfassung, insb. Kameraaufnahmen, mit nachfolgender Bildauswertung durchgeführt (Spalte 4, Zeilen 38 bis 40, und Anspruch 7). Da Kameraaufnahmen die Oberfläche abbilden, beziehen sich die oben genannten Positionswerte auf die Oberfläche der Person beziehungsweise von Teilen der Person. Die Position ist ferner als dreidimensionale Position zu verstehen. Dies ergibt sich daraus, dass in den vorgenannten Fundstellen (Spalte 4, Zeilen 38 bis 40, und Anspruch 7) und auch den unabhängigen Ansprüchen 1 und 12 der E1 der Begriff "räumlich" keine Einschränkung gegenüber seiner ursprünglichen dreidimensionaler Bedeutung erfährt und dass in Bezug auf ein anderes, Transponder verwendendes Ausführungsbeispiel die Positionsbestimmung in Bezug auf alle drei Raumrichtungen explizit genannt ist (Spalte 6, Zeilen 16 bis 20). Ebenso sind die zusätzlich erfassten Geschwindigkeits- und Beschleunigungswerte nicht auf bestimmte Raumrichtungen eingeschränkt und daher absolut. Dies stünde auch einer Bewertung der Personenbewegung in Bezug auf ein Verhaltensmodell (Spalte 3, Zeilen 16 bis 29) und der Erkennung von ungewöhnlich hastigen Bewegungen einer Person entgegen (Spalte 3, Zeile 59, bis Spalte 4, Zeile 2).
Die Kammer merkt dabei zusätzlich an, dass die vom Sensorsystem der E1 erfasste räumliche Position relativ zum Robotersystem ist (Spalte 3, Zeilen 8 bis 15). Die E1 macht dabei keine Aussagen darüber, in welcher Form die ermittelte Position, beispielsweise in kartesischen oder polaren Koordinaten, vorliegt. In jedem Fall jedoch lässt sich die Distanz zum Robotersystem aus der relativ zum Robotersystem ermittelten räumlichen Position berechnen oder ist in den Koordinaten bereits enthalten, wenn polare Kugelkoordinaten verwendet werden würden.
Der Begriff "Geschwindigkeitsbild" in Anspruch 3 des Hauptantrags richtet sich nach Ansicht der Kammer auf ein zweidimensionales Abbild, bei dem zu mehreren Bildpunkten zusätzlich eine Geschwindigkeitsinformation vorliegt. Dieser Auffassung hat die Patentinhaberin zugestimmt. Gleiches gilt analog für den in Anspruch 3 verwendeten Begriff "Beschleunigungsbild". Auch die Geschwindigkeits- beziehungsweise Beschleunigungsinformation in Anspruch 3 ist nicht auf bestimmte Raumrichtungen eingeschränkt und richtet sich somit auf die jeweils absoluten Werte. Das in E1 offenbarte Sensorsystem ermittelt somit ebenso Geschwindigkeits- und Beschleunigungsbilder der Person beziehungsweise von Teilen der Person.
Die in E1 erfassten Werte werden weiter anhand des Verhaltensmodells bewertet, das für eine Person typische Bewegungsinformationen wie Geschwindigkeiten und Beschleunigungen von Teilen der Person umfasst (Spalte 3, Zeilen 16 bis 29). Da das Verhaltensmodell Geschwindigkeiten beziehungsweise Beschleunigungen einzelner Teile der Person enthält, umfasst die Bewertung anhand des Modells auch implizit die Untersuchung, ob sich die Teile der Person mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung bewegen und somit auch, ob die Oberfläche der Person beziehungsweise des Objekts Bereiche aufweist, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung bewegen.
E1 offenbart daher unter Verwendung der Begriffe aus Anspruch 3 des Hauptantrags eine Sensorvorrichtung mit einer Sensoranordnung ("Sensorsystem", Spalte 2, Zeilen 64 bis 68, und Anspruch 1) zur Detektion von sich bewegenden Objekten ("Person oder zumindest Teile der Person", Spalte 3, Zeilen 3 bis 8), die Sensormittel und eine Elektronikeinheit umfasst (ein Sensorsystem, das Kameraaufnahmen auswertet, weist implizit Sensormittel und eine Elektronikeinheit zur Verarbeitung der Sensorsignale auf), wobei die Sensoranordnung derart ausgestaltet ist, dass mittels der Sensoranordnung das sich bewegende Objekt erfasst und daraufhin untersucht wird, ob die Oberfläche des sich bewegenden Objekts Bereiche aufweist, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung bewegen, und dass die Sensoranordnung ein Geschwindigkeitsbild und/oder Beschleunigungsbild des Objekts ermittelt.
1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 3 unterscheidet sich vom Sensorsystem der E1 dadurch, dass die Sensoranordnung ausgestaltet ist, aus dem Vergleich von Distanzbildern Distanzdifferenzen und durch in Bezug setzen zu einem Zeitmaßstab ein Geschwindigkeitsbild und/oder Beschleunigungsbild des Objekts zu ermitteln.
1.3 E1 offenbart keine weitere Informationen über die Bildauswertung der Kameraaufnahmen zur Erfassung der Geschwindigkeits- und Beschleunigungsbilder. Ausgehend von E1 kann die zu lösende Aufgabe daher darin gesehen zu werden, eine Implementierung für die Ermittlung der Geschwindigkeits- und Beschleunigungsbilder zu finden.
1.4 Es ist grundlegendes allgemeines Fachwissen, dass die Geschwindigkeit beziehungsweise die Beschleunigung eines Objekts die erste beziehungsweise zweite Ableitung seiner Position nach der Zeit ist. So berechnet sich die Geschwindigkeit bei einer gleichmäßigen Bewegung aus der in einem bestimmten Zeitraum zurückgelegten Distanz geteilt durch die Dauer dieses Zeitraums. Weiter ist die Beschleunigung bei einer gleichmäßigen Bewegung in einem bestimmten Zeitraum die Differenz der Geschwindigkeiten zu Beginn und zum Ende dieses Zeitraums geteilt durch die Zeitraumdauer. Da mit Hilfe der vom Sensorsystem der E1 gelieferten Kameraaufnahmen räumlich zeitaufgelöste Positionsdaten ermittelt werden (Spalte 4, Zeilen 38 bis 40), bieten diese Daten die unmittelbare Grundlage für die Berechnung der zurückgelegten Distanzen durch Differenzbildung und nachfolgend der Geschwindigkeit beziehungsweise Beschleunigung auf die oben beschriebene, dem Fachmann bekannte Weise. Die Verarbeitung der Positionsdaten in Form von Distanzbildern, was der Abbildung der Positionsdaten in polaren Kugelkoordinaten entspricht, hat keinen Einfluss auf das Ergebnis der Auswertung, stellt eine dem Fachmann bekannte Variante zur Verarbeitung von dreidimensionalen Koordinaten dar und trägt daher nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.
Der Fachmann würde somit, ausgehend von E1 und vor die oben genannten Aufgabe gestellt, in der Form von Distanzbildern vorliegende Positionswerte, die anhand von zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommenen Kamerabildern ermittelt werden, miteinander vergleichen, daraus Distanzdifferenzen ermitteln und durch in Bezug setzen zu einem Zeitmaßstab ein Geschwindigkeits- und ein Beschleunigungsbild ermitteln, ohne erfinderisch tätig zu werden.
1.5 Argumente der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass in der E1 die Positionsbestimmung mit an der Oberfläche befestigten Markierungsmitteln nur punktuell erfolge.
Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. E1 offenbart das Kameraaufnahmen verwendende Ausführungsbeispiel nämlich unabhängig davon, ob Markierungsmittel verwendet werden (siehe Spalte 4, Zeilen 33 bis 40, und Anspruch 7 direkt rückbezogen auf Anspruch 1). Die Verwendung der Markierungsmittel ist nur eines von mehreren Ausführungsbeispielen. Ebenso offenbart E1 die sich räumlich und zeitlich verändernde Positionserfassung ohne Einschränkung auf eine bestimmte Messmethode, siehe Anspruch 1, wobei die Markierungsmittel erst im abhängigen Anspruch 3 genannt werden.
1.6 Folglich war der Gegenstand des Anspruchs 3 des Hauptantrags für den von E1 ausgehenden Fachmann unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens naheliegend (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
1.7 Der Hauptantrag ist demzufolge nicht gewährbar.
2. Hilfsantrag
2.1 Zulässigkeit (Artikel 13 (1), (3) VOBK)
2.1.1 Der Hilfsantrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Es steht gemäß Verfahrensordnung der Beschwerdekammern im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens der Beteiligten nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung oder Erwiderung unter Berücksichtigung von Komplexität, Stand des Verfahrens und gebotener Verfahrensökonomie zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 13 (1) VOBK). Änderungen des Vorbringens nach Anberaumen der mündlichen Verhandlung werden nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13 (3) VOBK).
Gemäß ständiger Rechtsprechung kann ein spät eingereichter Antrag zugelassen werden, wenn es stichhaltige Gründe für seine späte Einreichung gibt, wie beispielsweise, dass er durch eine Entwicklung während des Verfahrens bedingt ist, den durch die Beschwerdebegründung und die Erwiderung darauf abgesteckten Diskussionsrahmen nicht ausdehnt, und offensichtlich gewährbar ist, wozu für die Kammer auch sofort ersichtlich sein muss, dass er den aufgeworfenen Fragen Rechnung trägt und keine neuen Fragen aufwirft (T 1634/09, Punkt 3.2 der Gründe).
2.1.2 Der einzige unabhängige Anspruch des Hilfsantrags, d.h. Anspruch 1, ist eine Kombination der erteilten Ansprüche 1, 3 bis 6 und 12. Der Hauptantrag wirft daher keine neuen Fragen in Bezug auf Artikel 84 und 123 (3) EPÜ auf.
Die zusätzlichen Merkmale der erteilten Ansprüche 4 bis 6 waren im Wesentlichen bereits in Anspruch 3 des vorliegenden Hauptantrags (s. Punkte X und 1 oben) vorhanden.
Ebenso umfasste Anspruch 1 des zum Zeitpunkt der Einreichung des vorliegenden Hilfsantrags anhängigen höherrangigen Antrags (erster Hilfsantrag vom 11. Mai 2018) bereits das zusätzliche Merkmal des erteilten Anspruchs 12, d.h., dass die Sensorvorrichtung ausgelegt ist, Bereiche mit unterschiedlicher Beschleunigung an der Objektoberfläche in Bezug auf bekannte Beschleunigungsmuster qualifizieren zu können. Dieses Merkmal wurde mit den Anträgen vom 11. Mai 2018 zum ersten Mal in einem unabhängigen Anspruch eingeführt und sein Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit erstmalig während der mündlichen Verhandlung erörtert, in der die Kammer darauf hinwies, dass es von dem Verhaltensmodell in der E1 bereits vorweggenommen schien. Die Kammer bemerkt in diesem Zusammenhang, dass bereits in der Beschwerdebegründung die Beschwerdeführerin sich mit diesem Merkmal des erteilten Anspruchs 12, der mit Anspruch 12 des für die Aufrechterhaltung vorgesehenen ersten Hilfsantrags identisch ist, auseinandergesetzt hat.
Als Reaktion auf die Diskussion in der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin den vorliegenden Hilfsantrag ein und fügte in dessen unabhängigen Anspruch 1 insbesondere das zusätzliche Merkmal aus dem erteilten Anspruch 3 hinzu. Auch mit diesem Merkmal hat sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung (vgl. Anspruch 5 des für die Aufrechterhaltung vorgesehenen ersten Hilfsantrags) bereits auseinandergesetzt. Die Kammer betrachtet die Einreichung des vorliegenden Hilfsantrags als Reaktion auf die Entwicklung während der mündlichen Verhandlung, um die Einwände bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen. Die Kammer merkt an, dass die Frage der erfinderischen Tätigkeit bereits in Bezug auf alle in der mündlichen Verhandlung bis zu diesem Zeitpunkt erörterten Anträge diskutiert worden war.
Die Merkmale des Anspruchs 1 des vorliegenden Hilfsantrags stammen, wie bereits erwähnt, alle aus erteilten Ansprüchen und waren darüber hinaus auch alle in der für die Aufrechterhaltung des Patents vorgesehenen Fassung enthalten (vgl. Ansprüche 3, 5, 6 und 12).
Der Hilfsantrag hat daher den abgesteckten Diskussionsrahmen nicht erweitert, war für die Beschwerdeführerin nicht überraschend und hat keine Fragen aufgeworfen, deren Behandlung ihr in der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten gewesen wäre.
Außerdem kam die Kammer zum Schluss, dass der von E1 ausgehende Fachmann unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, prima facie, nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags gelangen würde.
2.1.3 Die Beschwerdeführerin beantragte, den Hilfsantrag als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen und brachte folgende Argumente vor:
i): Der Gegenstand des Hilfsantrags konvergiere nicht, da er die Untersuchung beinhaltet, ob das Objekt Bereiche aufweist, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung bewegen, und im höherrangigen ersten Hilfsantrag vom 11. Mai 2018 diese Untersuchung bereits auf Bereiche unterschiedlicher Beschleunigung eingeschränkt war; und
ii): Der Hilfsantrag sei eine mehrfach überarbeitete Fassung des zweiten Hilfsantrags vom 11. Mai 2018.
2.1.4 Die Kammer ist aus folgenden Gründen nicht von den Argumenten der Beschwerdeführerin überzeugt:
re i): Die Kammer merkt an, dass das Konvergenzkriterium nach ständiger Rechtsprechung in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Gegenstand mit der Absicht näher definiert wird, Einwände in Bezug auf die höherrangigen Anträge auszuräumen (Rechtsprechung der
Beschwerdekammern des EPA, 8. Aufl. 2016, IV.E.4.4.4). Im vorliegenden Fall kommt es somit im Wesentlichen auf die Merkmale an, die geeignet sind, die Einwände bezüglich erfinderischer Tätigkeit zu beheben.
Geschwindigkeits- und Beschleunigungswerte kennzeichnen beide die Bewegung eines Objekts und sind eng miteinander verwandt. Darüber hinaus sind die verschiedenen Auswertungen der Bewegungsinformationen, zu deren Durchführung die Sensorvorrichtung gemäß Anspruch 1, insbesondere durch das hinzugefügte zusätzliche Merkmal des erteilten Anspruchs 3, eingerichtet ist, unabhängig davon, ob sie auf Geschwindigkeits-, Beschleunigungswerte oder beides angewendet werden.
Da weiter E1 sowohl die Auswertung von Geschwindigkeits- als auch von Beschleunigungswerten eines Objekts offenbart, kann die Einschränkung auf einen dieser beiden Werte im Gegensatz zum Merkmal des erteilten Anspruchs 3, siehe unten, nicht zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber E1 beitragen. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Hilfsantrag hinreichend konvergiert.
re ii): Die mehrfache Neufassung eines Antrags ist für sich allein genommen kein Argument gegen die Zulässigkeit der letzten Fassung.
2.1.5 Die Kammer hat daher ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK daher dahingehend ausgeübt, den Hilfsantrag in das Verfahren zuzulassen.
2.2 Erfinderische Tätigkeit - (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
2.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 für den von E1 ausgehenden Fachmann unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens nicht erfinderisch sei.
2.2.2 Die Sensorvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags weist zusätzlich zu den aus der E1 bekannten Merkmalen insbesondere das Merkmal auf, dass es dazu eingerichtet ist, ein Signal auszugeben, wenn innerhalb einer Oberfläche eines Objekts für unterschiedliche Bereiche sich die Geschwindigkeiten und/oder Beschleunigungen um ein vordefiniertes Maß unterscheiden.
2.2.3 Im Gegensatz dazu werden die für ein Objekt ermittelten Daten bei der Sensorvorrichtung der E1 mit Referenzdaten beziehungsweise einem Verhaltensmodell verglichen (Anspruch 1, Spalte 3, Zeilen 16 bis 23), woraus sich für die Auswertung die Notwendigkeit ergibt, diese Referenzdaten zu erzeugen und vorzuhalten.
2.2.4 Die der Sensorvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags zugrunde liegende zusätzliche Aufgabe könnte ausgehend von dem Sensorsystem der E1 daher darin gesehen werden, eine alternative Auswertung bereitzustellen, für die weniger Daten vorgehalten werden müssen.
2.2.5 Während die E1 nur lehrt, Objektdaten zu ermitteln und mit Referenzdaten zu vergleichen, bietet die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 den nach Ansicht der Kammer grundsätzlich verschiedenen Ansatz, die ermittelten Objektdaten im Vergleich zueinander, d.h. ohne die Notwendigkeit einer Verwendung von Referenzdaten, auszuwerten.
Da die E1 lehrt, die für ein Objekt ermittelten Daten mit bereits vorliegenden Daten zu vergleichen, würde der Fachmann ausgehend von dem Sensorsystem der E1 und vor die oben genannte Aufgabe gestellt den Umfang der Referenzdaten verringern und gegebenenfalls die Art des Vergleichs anpassen. Um allerdings zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags zu gelangen, müsste der Fachmann die ermittelten Daten mit sich selbst vergleichen. Der E1 ist ein Hinweis dazu nicht zu entnehmen.
2.2.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die E1 auch die Generierung eines Signals offenbare ("Steuersignale", vgl. beispielsweise Spalte 3, Zeilen 48 bis 53, Spalte 4, Zeilen 2 bis 5 und Zeilen 41 bis 52). Die Kammer stellt dazu fest, dass die in der E1 genannten Steuersignale auf der Grundlage eines Vergleichs mit Referenzdaten erzeugt werden (Spalte 3, Zeilen 40 bis 53, Spalte 3, Zeile 66 bis Spalte 4, Zeile 5, Spalte 4, Zeilen 41 bis 52). Der wesentliche Unterschied bei der Auswertung, nämlich der Vergleich der Daten für unterschiedliche Bereiche innerhalb einer Oberfläche eines Objekts untereinander bei der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 im Gegensatz zum Vergleich mit Referenzdaten bei der Anordnung der E1, wird nicht dadurch berührt, dass in der E1 anschließend an den Vergleich ein Signal erzeugt wird.
Weiter argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die in Anspruch 1 genannten verschiedenen Geschwindigkeiten und/oder Beschleunigungen sich auch auf Differenzen zwischen denen des Objekts und denen in einer Datenbank beziehen könnten. Die Kammer ist diesbezüglich der Ansicht, dass sich Anspruch 1 nicht dahingehend auslegen lässt, da Anspruch 1 die verschiedenen Geschwindigkeiten und/oder Beschleunigungen als die für unterschiedliche Bereiche innerhalb einer Oberfläche eines Objekts definiert und in Bezug auf dieses Merkmal keine anderen Geschwindigkeiten und/oder Beschleunigungen als die des gerade erfassten Objekts erwähnt.
2.2.7 Der Fachmann würde daher ausgehend von der E1 und vor oben genannte Aufgabe gestellt unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
2.2.8 Die Beschwerdeführerin hat keine weiteren Einwände in Bezug auf den Hilfsantrag vorgebracht.
2.2.9 Der Vollständigkeit halber, weist die Kammer darauf hin, dass im von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung in Zusammenhang mit dem Merkmal des erteilten Anspruchs 3 angegebenen Absatz [0012] des Dokuments E2 lediglich offenbart ist, dass die spaltenweise Geschwindigkeitsermittlung für verschiedene Spalten unterschiedliche Geschwindigkeiten ergeben kann, dass daraus stehende von sich bewegenden Objekte unterschieden werden können und das sich am schnellsten nähernde Objekt bestimmt werden kann. Eine Bewertung der Geschwindigkeiten für unterschiedliche Bereiche innerhalb einer Oberfläche eines Objekts darauf, ob sie sich um ein vordefiniertes Maß unterscheiden, ist nicht offenbart.
2.2.10 Die weiteren Ansprüche 2 bis 11 sind abhängige Ansprüche und grenzen den Gegenstand des Anspruchs 1 weiter ein.
2.2.11 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ, auf den der Einspruch gestützt war, steht somit der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß dem Hilfsantrag nicht entgegen.
2.3 Die Kammer hat jedoch nicht geprüft, ob die Beschreibung und/oder die Zeichnungen angepasst werden müssen, und ist der Ansicht, dass dies am besten von der Einspruchsabteilung gemacht wird. Die Angelegenheit wird daher an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht, zurückverwiesen.