T 1561/14 () of 29.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T156114.20180629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1561/14
Anmeldenummer: 08009564.9
IPC-Klasse: F02C 9/28
F02C 9/32
F02C 9/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betreiben einer Gasturbine
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: ALSTOM Technology Ltd
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Zwischenverallgemeinerung Hauptantrag (ja)
Änderungen - zulässig Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin-Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2128406 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 21. Mai 2014. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hatte am 15. Juli 2014 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 19. September 2014 eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent unter anderem im Hinblick auf Artikel 100(b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ (Ausführbarkeit) und Artikel 100 (a) in Verbindung mit Artikeln 52(1), 54 und 56 (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die oben genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Unfang gemäß einem Hilfsantrag nicht entgegenstünden und dass das Patent in dieser Fassung nicht unzulässig erweitert sei (Artikel 123(2) EPÜ).

Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem das

folgende Dokument berücksichtigt:

D2: DE 19516799 A1

III. Im Beschwerdeverfahren wurden folgende weitere Entgegenhaltungen von der Kammer berücksichtigt.

D12: Aström Hägglund et al.: "PID Controllers: Theory, Design, and Tuning", 2nd Edition 1995, ISNB 1-55617-516-7, Seiten 286-289

D13: VDI/VDE3500, Begrenzungsregelungen in konventionellen Dampfkraftwerken VDI/VDE Richtlinien, September 1996

D6-A: C. Lechner et al. , "Stationäre Gasturbinen", Nachdruck 2006, Seite 509.

IV. Am 29. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

V. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2128406.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patentes gemäß Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung (Hauptantrag) oder Hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patentes auf Basis einer der Hilfsanträge I-III, eingereicht mit Schreiben vom 30. Januar 2015, oder auf Basis von Hilfsantrag IV, eingereicht mit Brief vom 27. Juni 2018. Sie beantragte weiter die Sache zur Prüfung des Hilfsantrags IV an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 der Anträge, die für diese Entscheidung relevant sind, hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag

"Verfahren zum Betreiben einer Gasturbine (1), umfassend einen Verdichter (2), eine Brennkammer (4) und eine Turbine (6),

bei dem der Verdichterenddruck (120) als Regelgröße verwendet wird,

dadurch gekennzeichnet, dass eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks (120) und ein Sollwert für den Verdichterenddruck (120) vorgegeben wird,

indem eine Verarbeitungseinheit (118) diesen Sollwert für den Verdichterenddruck (120) ermittelt und dabei alle betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte für den Verdichterenddruck (120) sowie die zulässige Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks (120) verwendet."

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei das folgende Merkmal am Ende des kennzeichnenden Teils hinzugefügt wurde:

"wobei die Verarbeitungseinheit (118) auch direkt den Verdichterenddruckistwert (120) von einem Sensor (32) in der Gasturbine (1) erhält."

VII. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

Das im Anspruch 1 aufgenommene Merkmal "Verarbeitungseinheit" sei nur in einer strukturellen und funktionellen Verbindung zu dem Sensor 32 offenbart. Daher könne das erste Merkmal nicht ohne das zweite beansprucht werden.

Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung

Die Aufnahme der Merkmale des Absatzes [0043] im Anspruch 1 stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, da die Merkmale nur in Zusammenhang mit und untrennbar von den restlichen Merkmalen (siehe veröffentlichte Anmeldung Figur 2) des Ausführungsbeispiels offenbart seien.

Hilfsantrag 1 - Ausführbarkeit und Klarheit

Die Erfindung sei nicht ausführbar, da der Fachmann nicht wisse welchen Wert die "maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks" habe. Daher sei der Anspruch auch nicht klar.

Hilfsantrag 1 - Neuheit

D2 offenbare alle Anspruchsmerkmale einschließlich des Merkmals "maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks" das implizit in D2 vorhanden sei.

Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Für den Fachmann sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend, ausgehend von D2 kombiniert mit D12 oder D13.

VIII. Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hat folgende Argumente vorgetragen:

Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

Der Fachmann habe andere Möglichkeiten einen Druckistwert rückzukoppeln als diejenige die in Absatz [0043] der veröffentlichten Anmeldung offenbart ist. Das Wort "dementsprechend" im Absatz [0043] heiße "zum Beispiel". Daher sei Anspruch 1 nicht unzulässig erweitert, indem er dieses Merkmal nicht umfasse.

Hilfsantrag 1 - unzulässige Erweiterung

Die aus Absatz [0043] stammenden Anspruchmerkmale seien strukturell und funktional von den übrigen Merkmalen des Ausführungsbeispiels unabhängig. Daher sei Anspruch 1 nicht unzulässig erweitert.

Hilfsantrag 1 - Ausführbarkeit und Klarheit

Der Fachmann könne die Erfindung mit zumutbarem Aufwand ausführen, da der Fachmann unter anderem wisse, welche maximale Änderungsgeschwindigkeit der Verdichterenddruck einer gegebenen Gasturbine haben darf. Anspruch 1 sei klar.

Hilfsantrag 1 - Neuheit

D2 offenbare das Merkmal "maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks" nicht. Daher sei D2 nicht neuheitschädlich.

Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Weder D12 noch D13 biete eine Lösung für das Problem der "Systeminstabilitäten." Daher würde der Fachmann D2 mit D12 oder D13 nicht kombinieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hintergrund

Die Erfindung betrifft unter anderem ein Verfahren zum Betreiben einen Verdichter, eine Brennkammer und eine Turbine umfassenden Gasturbine (siehe Absatz [0001] der Patentschrift).

Die Aufgabe der Erfindung ist unter anderem ein besonders sicheres und zuverlässiges Betriebsverfahren für eine Gasturbine bereitzustellen (siehe Absatz [0012] der Patentschrift). Nach dem Patent wird diese Aufgabe gelöst, unter anderem dadurch, dass der Verdichterenddruck als Regelgröße verwendet wird und dass eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks vorgegeben wird (siehe Absatz [0013] der Patentschrift und alle Antragsversionen des Anspruchs 1). Insbesondere während des Anfahrens der Gasturbine oder bei Lastwechseln unterbindet die vorgegebene maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks die Entstehung von Betriebsinstabilitäten. Somit bleibt die Gasturbine in diesen Betriebszuständen stets zuverlässig und betriebssicher (siehe Absätze [0015] und [0016] der Patentschrift).

3. Hauptantrag, unzulässige Erweiterung Artikel 123(2) EPÜ

Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Verweise in diesem Abschnitt auf die ursprünglich veröffentlichte Anmeldung.

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind Änderungen nur im Rahmen dessen zulässig, was der Fachmann der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen würde (Siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA 8. Auflage 2016,(RdBK) II.E.1.2.1 und die darin zitierten Entscheidungen).

Zudem ist es in der Regel nicht zulässig, bei der Änderung eines Anspruchs isolierte Merkmale aus einer Reihe von Merkmalen herauszugreifen, die ursprünglich nur in Kombination miteinander (z. B. in einer bestimmten Ausführungsform in der Beschreibung) offenbart waren. Eine solche Änderung führt zu einer Zwischenverallgemeinerung. Diese ist nur zu rechtfertigen, wenn keinerlei eindeutig erkennbare funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen der spezifischen Kombination besteht (siehe dazu RdBK, II.E.1.7).

3.2 Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hat vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 unter anderem eine Kombination aus dem ursprünglichen Anspruch 1 und dem ersten Satz (Verarbeitungseinheit 118 ermittelt nun einen Sollwert für den Verdichterenddruck...) des Absatzes [0043] der Beschreibung sei.

3.3 Das im Anspruch 1 aufgenommene Merkmal "eine Verarbeitungseinheit diesen Sollwert für den Verdichterenddruck ermittelt und dabei alle betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte für den Verdichterenddruck sowie die zulässige Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks verwendet" befindet sich tatsächlich fast wortwörtlich in dem ersten Satz von Absatz [0043].

3.4 Auf diesen ersten Satz folgt unmittelbar der zweite und letzte Satz des Absatzes [0043]: "Dementsprechend erhält die Verarbeitungseinheit 118 auch direkt den Verdichterenddruckistwert 120 von dem Sensor 32

in der Gasturbine 1."

Diesen zweiten Satz liest der Fachmann genauso wie er Ansprüche liest, nämlich mit der Bereitschaft, sie zu verstehen. Dazu gibt er den verwendeten Begriffen ihre übliche Bedeutung (RdBK, II.A.6.3.3).

Mit "dementsprechend" definiert der Absatz, dass das was folgt angemessen oder passend (siehe Duden) zu dem ersten Satz ist, nicht bloß fakultativ, wie die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin vorgetragen hat. So liest der Fachmann aus dem Absatz [0043], dass, passend zu der Ermittlung des Sollwerts, die Verarbeitungseinheit 118 auch direkt den Verdichterenddruckistwert 120 von dem Sensor 32 in der Gasturbine 1 erhält. Dies wird auch in Figur 2 grafisch dargestellt (rechts unten), wo der Verdichterenddruckistwert 120 einen Eingang der Verarbeitungseinheit 118 bildet. In dem Patent wird auch keine alternative Anordnung zur Rückführung des Verdichterenddruckistwerts offenbart.

Folglich wird das im Anspruch 1 aufgenommene Merkmal (Verarbeitungseinheit die den Verdichterenddruck ermittelt) ursprünglich (siehe den ersten Satz des Absatzes [0043]) nur in einer funktionalen und strukturellen Verbindung mit dem nicht im Anspruch 1 aufgenommenen Merkmal des zweiten Satzes des Absatzes [0043] (Verdichterenddruckistwert kommt direkt von einem Sensor in der Gasturbine) offenbart.

3.5 Die Kammer betrachtet das letztgenannte Merkmal auch nicht als implizit im jetzigen Anspruch 1 vorhanden, nur weil Anspruch 1 definiert, dass der Verdichterenddruck als Regelgröße verwendet wird. Auch wenn die Verwendung des Verdichterenddrucks als eine Regelgröße eine Steuerung mit Rückkopplung des Verdichterenddruckistwertes implizieren mag, würde dies weder implizieren, dass der Sensor sich zwangsläufig in der Gasturbine befindet (es könnte z.B. genauso gut in einer Ausgangsröhre angeordnet sein) noch, dass er direkt mit der Verarbeitungseinheit gekoppelt ist. Wie oben erklärt werden diese Merkmale ursprünglich nur im Absatz [0043] der Anmeldung offenbart und zwar ausschließlich in untrennbarem Zusammenhang mit dem im jetzigen Anspruch 1 aufgenommenen Merkmal der Verarbeitungseinheit 118.

3.6 Damit stellt Anspruch 1 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar und verstößt daher gegen Artikel 123(2) EPÜ. Folglich muss der Hauptantrag scheitern.

4. Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung Artikel 123(2) EPÜ

4.1 Im folgenden wird nochmals auf die veröffentlichte Anmeldung Bezug genommen

4.2 Im vorliegende Fall wird nicht in Frage gestellt, dass die ersten Merkmale des Anspruchs "Verfahren zum Betreiben einer Gasturbine... bei dem der Verdichterenddruck als Regelgröße verwendet wird,

[wobei] eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks (120) und ein Sollwert für den Verdichterenddruck (120) vorgegeben wird" aus einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 3 stammen.

4.3 Dennoch macht die Beschwerdeführerin-Einsprechende geltend, dass das im Anspruch 1 aufgenommene (letzte) Merkmal "indem eine Verarbeitungseinheit (118) diesen Sollwert für den Verdichterenddruck (120) ermittelt und dabei alle betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte für den Verdichterenddruck (120) sowie die zulässige Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks (120) verwendet, wobei die Verarbeitungseinheit (118) auch direkt den Verdichterenddruckistwert (120) von einem Sensor (32) in der Gasturbine (1) erhält" eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstellt, da es nur einen Teil aus einer Kette von miteinander zusammenhängenden Merkmalen darstellt.

4.4 Die Kammer ist anderer Meinung. Das obige Merkmal stammt fast wortwörtlich aus der detaillierten Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Erfindung (siehe Absatz [0043]).

4.4.1 Nach Auffassung der Kammer impliziert bereits der ursprüngliche Anspruch 3 (wonach ein Sollwert für den Verdichterenddruck vorgegeben wird) die Ermittlung des Sollwerts, da nach dem ursprünglichen Anspruch 1 der Verdichterenddruck eine Regelgröße ist und sie daher ermittelt werden muss.

Wo ein solcher Sollwert ermittelt wird, muss nach Ansicht der Kammer auch eine dafür geeignete Verarbeitungseinheit vorhanden sein. Daher sieht die Kammer bereits in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 eine Grundlage für das Anspruchsmerkmal der Ermittlung des Sollwerts durch eine Verarbeitungseinheit.

4.4.2 Es verbleibt nur festzustellen, ob die weitere Angabe "alle betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte für den Verdichterenddruck (120) sowie die zulässige Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks (120)" aus seinem Zusammenhang in der Beschreibung im Anspruch 1 aufgenommen werden darf.

4.4.3 Das entsprechende Merkmal des Anspruchs stammt fast wortwörtlich aus Absatz [0043]. Dieser Absatz gehört zur detaillierten Beschreibung der Steuereinheit der Gasturbine nach dem Ausführungsbeispiel (Absätze [0031] bis [0045] mit Figur 2).

Jedoch ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann sofort erkennt, dass das in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal der Verwendung "aller betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte für den Verdichterenddruck" bei der Ermittlung des Sollwerts (aus Absatz [0043]) weder funktional noch strukturell mit den in den verbleibenden Absätzen beschriebenen Merkmalen des Ausführungsbeispiels zusammenhängt. Insbesondere erkennt der einschlägige Fachmann, ein Ingenieur, der sich mit dem Betrieb von Gasturbinen beschäftigt und Kenntnissen im Bereich der Regeltechnik hat, sofort, dass es bei diesem von den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 definierten allgemeinen Regelungskonzept nur darum geht, dass vorgegebene Grenzwerte des Sollwerts und eine zulässige Änderungsgeschwindigkeit (unter Erhalt des in der Gasturbine gemessenen Verdichterenddrucks) bei der Ermittlung verwendet werden, nicht aber wie diese vorher genau ermittelt oder erzeugt und anschließend verwendet werden.

Es wird ihm sofort klar sein, dass es keinen Einfluss auf die nun beanspruchte Ermittlung des Sollwerts hat, ob der Sollwert aktiv ist oder nicht, der Abgastemperaturregler im Eingriff 62 ist, der Verdichtermindestdruckregler aktiviert 116 ist, der Druckverhältnisbegrenzungsregler im Eingriff 122 ist, der Leitschaufeldruckregelfunktion aktiviert ist (siehe Absatz [0044]) oder nicht. Ebenso erkennt er ohne weiteres, dass die im Ausführungsbeispiel der Verarbeitungseinheit nachgeschalteten Teilen der Regelung unerheblich sind für das allgemeine Regelungsprinzip. Daher kann das obige Merkmal aus Absatz [0043] in Anspruch 1 aufgenommen werden, ohne dass der Anspruch beispielsweise definieren muss, dass der Leitschaufeldruckregler 112 die Leitschaufeln der Turbine steuert (siehe Figur 2 und Absatz [0045]).

4.4.4 Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die Aufnahme des Merkmals "alle betriebsgemäß vorgegebenen Grenzwerte..." aus Absatz [0043] in Anspruch 1 keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung bewirkt und deshalb nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ verstößt.

4.5 Gleiches gilt nach Ansicht der Kammer für die Merkmale "Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks" und "Verdichterdruckistwert von einem Sensor..." des Absatzes [0043].

Ursprünglicher Anspruch 2 definiert, dass eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks vorgegeben wird (vgl. auch Absatz [0014]). Dies scheint nur bei der Verarbeitungseinheit 118 eine Rolle zu spielen und wird im Einklang damit nur im Absatz [0043] beschrieben.

Dass die Verarbeitungseinheit 118 direkt den Verdichterenddruckistwert 120 von dem Sensor 32 in der Gasturbine 1 erhält wird ebenfalls nur im Absatz [0043] erwähnt. Dieser Istwert spielt auch nirgendwo sonst in dem Ausführungsbeispiel eine Rolle (vgl. Figur 2).

Daher wird weder das Merkmal "Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks" noch das Merkmal "Verdichterdruckistwert" in einer strukturellen oder funktionalen Verbindung mit anderen Merkmalen des Ausführungsbeispiels die nicht im Anspruch 1 aufgenommen wurden ursprünglich offenbart.

4.6 Folglich haben alle Anspruchsmerkmale die aus dem Absatz [0043] stammen keine strukturelle oder funktionelle Verbindung zu den anderen (nicht beanspruchten) Merkmalen des detaillierten Ausführungsbeispiels. Daher erfüllt Anspruch 1 die Anforderungen von Artikel 123(2) EPÜ.

5. Ausführbarkeit und Klarheit - Hilfsantrag 1

5.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat vorgetragen, dass die Lehre des Streitpatentes sich darauf beschränke anzugeben, dass bei der Ermittlung des Sollwerts eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Sollwerts zu berücksichtigen sei, um die Gasturbine stabil regeln zu können. Daher beschreibe die Offenbarung lediglich eine Aufgabe, jedoch offenbare sie nicht, wie der Fachmann diese maximale Änderungsgeschwindigkeit ermitteln soll und wie er diese bei der Ermittlung des Sollwertes des Verdichterenddruckes berücksichtigen soll, und daher könne er die Erfindung nicht ausführen.

5.1.1 Die Kammer vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Es ist unstrittig, dass der Fachmann weiß, wie eine Begrenzungsschaltung, die die Änderungsgeschwindigkeit eines Signals begrenzen soll, zu bauen ist (siehe z. B. Seiten 287 bis 289 des Fachlehrbuchs D12). Deshalb hat er das technische Wissen einen Sollwert zu ermitteln, der in seiner Änderungsgeschwindigkeit begrenzt ist. Somit hängt die Frage der Ausführbarkeit davon ab, ob der Fachmann in der Lage ist, einen geeigneten Wert für diese Geschwindigkeitsbegrenzung auszuwählen. Die Kammer bejaht diese Frage.

5.1.2 Ein bestimmter Wert hierfür wird in dem Patent nicht angegeben. Dennoch wird offenbart (siehe veröffentlichte Patentschrift, Absatz [0021]), dass die Änderungsgeschwindigkeit des Sollwerts derart sein sollte, dass unter anderem Instabilitäten nicht auftreten können. In dieser Hinsicht bemerkt die Kammer, dass der kritische Geschwindigkeitswert der Veränderung des Verdichterenddrucks, die eine Instabilität erzeugt, von der Gasturbine abhängt und dass der Fachmann, ein Ingenieur der mit Gasturbinen arbeitet und Kenntnisse der Steuerungstechnik hat, ohne großen Aufwand diesen Geschwindigkeitswert messen kann. Dieser Wert stellt für ihm eine geeignete Grenzwert für die Änderungsgeschwindigkeit dar, die er bei der Verwirklichung einer Begrenzungsschaltung verwenden wird. Nach Ansicht der Kammer wäre der Fachmann daher in der Lage, die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand aus den in dem Patent verfügbaren Informationen zusammen mit seinem allgemeinen Wissen auszuführen. Damit ist die Erfindung ausführbar, Artikel 100(b) mit 83 EPÜ.

5.2 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat auch vorgetragen, dass, auch wenn die Erfindung ausgeführt werden könnte, das Anspruchsmerkmal einer "zulässigen" Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks nicht klar wäre. Die Kammer stimmt dieser Einschätzung nicht zu.

Dieses Argument läuft auf eine ähnliche Frage hinaus, wie sie oben im Zusammenhang mit der Ausführbarkeit erwähnt wurde, nämlich ob der Fachmann in der Lage ist, einen geeigneten Wert für diese Geschwindigkeitsbegrenzung auszuwählen (und wenn nicht kann das Merkmal nicht klar sein).

Wie bereits erläutert, ist der Fachmann nach Ansicht der Kammer in der Lage dies zu tun. Daher ist das Anspruchsmerkmal (zulässige Änderungsgeschwindigkeit des Verdichterenddrucks) für den Fachmann verständlich. Somit ist nach Ansicht der Kammer der Anspruch auch klar, Artikel 84 EPÜ.

6. Neuheit - Hilfsantrag 1, Anspruch 1

6.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist ein Dokument des Stands der Technik für einen beanspruchten Gegenstand nur neuheitsschädlich, wenn dieser Gegenstand sich unmittelbar und eindeutig aus dem Stand der Technik ergibt.

6.2 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D2 sei. Die Kammer ist anderer Meinung.

6.3 D2 offenbart (siehe Zusammenfassung und Anspruch 1 mit Figur 1) ein Verfahren zum Betreiben einer einen Verdichter 40, eine Brennkammer 43 und eine Turbine 41 umfassenden Gasturbine.

Die Gasturbine wird in einer Leistungsrückkopplungsschleife mittels eines Leistungsreglers 15 betrieben. Der Soll- und Istwert einer Hauptregelgröße (Leistung oder Drehzahl) werden verglichen und der Differenz hierarchisch über ein Management auf verschiedenen Regelkaskaden verteilt. In dieser Kaskaden werden verschiedene Regelparameter unter Verwendung von Regeleinheiten geregelt, um die erforderliche Leistung zu erreichen. In einem Ausführungsbeispiel, wo die Leistung die Hauptregelgröße ist, ist eine dieser Kaskaden eine Leistungsdruckkaskade 18, in der der Verdichterdruck als Regelgröße verwendet wird (siehe Spalte 3, Zeilen 4 bis 15, Figur 1, Leistungsdruckkaskade 18). Der Leistungsregler 15 wandelt einen Leistungsanteil 22 in einem Druckänderungssollwert 19 um. Dieser wird mit einem Istwert im Summenpunkt 16 addiert. Folglich wird der Verdichterenddruck als Regelgröße verwendet.

6.4 Somit hängt die Frage der fehlenden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs unter anderem davon ab, ob D2 offenbart, dass eine maximale Änderungsgeschwindigkeit für den Verdichterenddruck vorgegeben wird und ob diese bei der Ermittlung eines Sollwerts für den Verdichterenddruck verwendet wird. Nach Ansicht der Kammer ist dies nicht der Fall.

6.4.1 Es ist nicht strittig, dass D2 dieses Merkmal nicht explizit offenbart. In der Leistungsdruckkaskade 18 wird die Druckänderung 19 mit einem Druckreferenzwert 20 und einem Druckmesswert 21 in einem Summenpunkt 16 verarbeitet und danach in einen Druckregler 17 eingegeben (siehe Spalte 3, Zeilen 4 bis 10 mit Figur 1). Eine maximale Änderungsgeschwindigkeit für den Verdichterenddruck wird aber nicht erwähnt.

6.4.2 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende macht geltend, dass das Merkmal implizit sei, da es bekannt sei (z.B. aus D12, D13) und üblicherweise im Stand der Technik in der Regelung angewandt werde (siehe Beschwerdebegründung Seite 9). Außerdem sei es aus der D6-A bekannt einen Belastungsgradienten bei einer Gasturbine anzuwenden (Seite 509, Zeilen 8 und 9) und dies impliziere einen Verdichterenddruckgradienten. Daher würde der Fachmann dies zwangsläufig bei der Gasturbine der D2 anwenden.

6.4.3 Dass ein Merkmal üblich oder allgemein bekannt ist, bedeutet nicht, dass es auch immer zwingend angewandt werden muss. Dies gilt insbesondere wo der Fachmann realistischerweise auch andere Möglichkeiten in Überwägung nehmen würde. In diesem Fall ist es durchaus vorstellbar, in einer Turbine eine Regelung der Verdichterenddruck ohne Begrenzung der Änderungsgeschwindigkeit oder mittels eines Filters vorzunehmen. Wie vertraut der Fachmann auch immer mit einem solchen Merkmal sein mag, er wird es daher nicht als gegeben annehmen oder mitlesen, wenn er ein Dokument liest, in dem es nicht explizit vorhanden ist.

6.4.4 Ohne auf die Frage vorzugreifen, ob das Merkmal (maximale Änderungsgeschwindigkeit für den Verdichterenddruck) aus D12, D13 oder D6-A bekannt ist, kann daher die Zusammenschau von D2 mit D12, D13 bzw. D6-A nicht belegen, dass das Merkmal unmittelbar und eindeutig, das heißt zwangsläufig, in D2 vorhanden ist.

6.4.5 Daher hat das Argument der Beschwerdeführerin-Einsprechenden, wonach das umstrittene Merkmal (Änderungsgeschwindigkeit) implizit in D2 vorhanden sei, die Kammer nicht überzeugt. Daher kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D2 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ ist.

6.5 Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1, Anspruch 1

6.5.1 Zulässigkeit von D12 und D13

D12 und D13 wurden als Reaktion auf die erst während der mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz eingereichten Anträge der Beschwerdegegnerin- Patentinhaberin eingereicht. Ihre Zulassung wurde von der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin nicht bestritten. Deswegen entschied die Kammer, die

Dokumente D12 und D13 in das Verfahren zuzulassen.

6.5.2 Wie oben ausgeführt (Punkt 6.4), unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Verfahren zum Betreiben einer Gasturbine gemäß der D2 (siehe dazu Figur 2) zumindest dadurch, dass eine maximale Änderungsgeschwindigkeit für den Verdichterenddruck vorgegeben wird und dass diese bei der Ermittlung eines Sollwerts für den Verdichterenddruck verwendet wird.

6.5.3 Diese Merkmale bewirken, dass insbesondere während des Anfahrens der Gasturbine oder während Lastwechseln eine zu schnelle Änderung des Druckes am Verdichterende vermieden wird, wodurch die Entstehung von unter anderem Instabilitäten konsequent unterbunden wird (siehe veröffentlichte Patentschrift, Absatz [0015]).

Davon ausgehend besteht nach Auffassung der Kammer die objektive technische Aufgabe darin, ein Betriebsverfahren für die Gasturbine nach D2 so zu verbessern, dass während des Anfahrens der Gasturbine oder während Lastwechseln die Entstehung von Instabilitäten vermieden wird.

6.6 D2 selbst weist nicht auf eine Lösung der Aufgabe. Bezüglich des Anfahrens der Gasturbine offenbart D2 (siehe Spalte 3, Zeilen 4 bis 12) lediglich einen beliebigen in den Regelkreis einzugebenden Druck-Referenzwert, sie sagt aber nicht wie Instabilitäten beim Anfahren vermieden werden könnten.

Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann D2 nicht mit D12 oder D13 kombinieren, da weder D12 noch D13 ihm eine Lösung zu der gestellten Aufgabe bietet.

6.7 D12 ist ein 4-Seitiger Auszug aus einem Fachlehrbuch über PID Regler.

Es ist unstrittig, dass der Fachmann einen PID-Regler in einer Gasturbinesteuerung verwenden könnte. Dennoch lehrt D12 nach Ansicht der Kammer dem Fachmann nicht, wie spezifisch Instabilitäten in Steuerungssystemen einer Gasturbine zu vermeiden sind. Unter anderem lehrt D12 (siehe Seite 289, Mitte), dass Begrenzer verwendet werden können, um Befehlssignale zu begrenzen, sodass keine Sollwerte erzeugt werden, die schnellere Veränderungen erfordern, als ein System bewältigen kann ("[Limiters] can be used to limit the command signals so that we are not generating setpoints that are demanding faster changes than a system can cope with.").

Hier wird die Geschwindigkeit der Veränderung von Befehlssignalen dem gegenübergestellt, was das System bewältigen kann. Nach Ansicht der Kammer ist ein System, das Veränderung an Befehlsignalen nicht bewältigen kann, nicht implizit instabil. Vielmehr bleibt es einfach hinter dem zurück, was von ihm verlangt wird. Daher versteht der Fachmann den obigen Abschnitt dahingehend, dass die Reaktionszeit eines Systems berücksichtigt werden sollte und dass zu diesem Zweck ein Begrenzer verwendet werden kann. Dies stimmt mit der vorherigen Aussage überein, nach denen es nützlich ist Begrenzungsvorrichtungen (limiting devices) in Steuersystemen zu haben, da alle physikalischen Werte begrenzt sind (siehe Seite 287, letzte zwei Zeilen) und dass es nützlich ist, die Geschwindigkeit von Signaländerungen zu begrenzen (siehe Seite 288, Mitte). Auch in diesen Passagen schweigt D12 darüber, wie Instabilitäten vermieden werden können.

Somit bietet D12 keine Lösung zu der gestellten objektiven technischen Aufgabe (Instabilitäten zu vermeiden), und daher würde der mit dieser Aufgabe beauftragte Fachmann die Lehren von D2 und D12 nicht kombinieren.

6.8 D2 mit D13

6.8.1 Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann keine Lösung zur gestellten Aufgabe (ein Betriebsverfahren für die Gasturbine nach D2 zur Vermeidung von Instabilitäten während des Anfahrens oder eines Lastwechsels zu verbessern) bei D13 suchen, da D13 sich nicht mit der Steuerung einer Gasturbine befasst, sondern mit Begrenzungsregelungen in Konventionellen (fossil fired) Dampfkraftwerken (Seite 1, Titel).

Es mag sein, dass der mit Gasturbinen arbeitende Fachmann auch Dampfturbinen kennt. Wie die Beschwerdeführerin-Einsprechende festgestellt hat, bezieht sich das Patent selbst unter anderem auf eine Gasturbine, die mit einer nachgeschalteten Dampfturbine verwendet werden kann (vgl. veröffentlichte Patentschrift, Absatz [0006], [0047] und Anspruch 8).

Dennoch ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann kein System zur Steuerung des Druckes am Ausgang eines Dampferzeugers zur Steuerung einer Gasturbine anwenden würde, da die Funktionsweise der Steuerung des Verdichters der D2 nicht mit der des Dampferzeugers der D13 vergleichbar ist.

In D2 (siehe Spalte 3, Zeilen 4 bis 15) werden, mittels eines Rückkopplungsdrucksignals 21 das direkt vom Verdichter 40 kommt, die Leitschaufeln des druckerzeugenden Verdichters gesteuert. Im Gegensatz dazu wird bei dem Dampfdruckregelsystem der D13 der Dampferzeuger an sich gar nicht gesteuert. Vielmehr wird, mittels eines Rückkopplungsdrucksignals aus der Leitung von dem Dampferzeuger ein Umgehungsventil gesteuert, sodass Dampf zu einem Kondensator abgeleitet wird, bevor er in die Dampfturbine eintreten kann.

Nach Ansicht der Kammer unterscheidet sich die Gasturbine der D2 (einschließlich seines Steuerkreises) daher so grundsätzlich von der Dampfturbine der D13, dass, auch wenn der Fachmann im technischen Gebiet von Gasturbinen sich möglicherweise auch mit Dampfturbinen auskennt, er nicht auf naheliegende Weise auf die Idee kommen würde, die Lehren von D2 und D13 zu kombinieren. Mit anderen Worten würde der Fachmann nicht versuchen die Lehre der D13 (in Bezug auf ein Umgehungsventil) auf die Gasturbine der D2 zu übertragen.

6.8.2 Selbst wenn der mit der technischen Aufgabe beauftragte Fachmann eine Kombination von D2 und D13 in Erwägung ziehen würde (die Kammer denkt, dass er dies nicht tun würde), würde er nicht auf naheliegende Weise zur beanspruchten Lösung kommen.

Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin-Einsprechenden stelle die D13 (siehe dazu Seite 16, Teil A1 "Aufgabe") eine Aufgabe, die mit der gestellten objektiven technischen Aufgabe verwandt sei (Zusammengefasst: die Vermeidung von Instabilitäten während Lastwechseln oder des Anfahrens) und außerdem biete D13 (siehe Seiten 16 und 18, überbrückenden Absatz mit Figur A3 auf Seite 19) dem Fachmann die beanspruchte Lösung (eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Drucks). Die Kammer vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

Erstens schweigt D13 (siehe Seite 16, Anhang A, Absatz A1) über das Anfahren der (Dampf)turbine, es wird dort nur von dem Abfahren der Turbine gesprochen, das für die gestellte Aufgabe nicht relevant ist. Zweitens sind nach Ansicht der Kammer die dort erwähnten "Änderungen des HD (Hochdruck)- und ZÜ (Zwischenüberhitzung)-Druckes" die "bei Abweichungen zwischen erzeugtem Dampfstrom und durch die Turbine abgenommenem Dampfstrom" (Lastwechseln) auftreten können nicht unbedingt Instabilitäten. Solche "Änderungen" können z.B. stabile Übergänge vom einen Druckverhältnis zum anderen sein. Daher bekommt der Fachmann aus der D13 keinen Hinweis darauf, wie er die gestellte Aufgabe (Vermeidung von Instabilitäten) lösen kann.

Zweitens wird in Absatz A1 lediglich darauf hingewiesen, dass bei solchen "Änderungen" der Dampfstrom zum Kondensator abgeleitet werden muss. Eine maximale Änderungsgeschwindigkeit des Drucks wird dort nicht erwähnt. Erst später unter der Beschreibung des "Prinzipschaltbildes einer Dampfumleiteinrichtung für konventionelle Kraftwerke" (Seite 16, letzter Absatz bis Seite 18, mit Figur A3) wird gesagt, dass die zulässige Änderungsgeschwindigkeit Pzul über die Sollwertführungseinrichtung eingestellt wird. Hier wird nicht erläutert, warum dies so sein sollte, und ob dies mit der im Absatz A1 erwähnten "Druckänderung" zu tun hat.

Daher würde der Fachmann nicht erkennen, dass D13 eine Lösung zu der gestellten Aufgabe (Instabilitäten) bietet, geschweige denn eine, die in einer Gasturbine anwendbar wäre. Die Kammer fügt in diesem Zusammenhang hinzu, dass er dazu nicht nur erkennen müsste, dass die in D13 beschriebene Problematik in Dampfturbinen mit den genannten Instabilitäten während des Anfahrens und eines Lastwechsels vergleichbar ist. Sondern er müsste dann aus der D13 einen allgemeinen Lösungsansatz abstrahieren, bevor er diesen dann auf einem Verfahren zum Betrieb einer Gasturbine übertragen könnte. Nach Ansicht der Kammer hat der Fachmann aber eine nur sehr beschränkte Fähigkeit zur Abstraktion, die er in diesem Fall weit überschreiten müsste.

6.8.3 Aus all den obigen Gründen würde der mit der objektiven technischen Aufgabe beauftragte Fachmann es nicht in Betracht ziehen die Lehren der D2 und D13 zu kombinieren.

6.9 Daher ist die Kammer der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik beruht, Artikel 100(a) mit 56 EPÜ.

7. Zusammenfassend kommt die Kammer zum Schluss, dass der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 nicht unzulässig erweitert ist, dass die beanspruchte Erfindung ausführbar ist und dass der Anspruch klar ist. Darüber hinaus ist die Kammer der Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D2 ist und ausgehend von D2 im Lichte der D12 oder D13 für den Fachmann nicht naheliegend ist.

8. Die Beschreibung ist durch entsprechende Änderungen an dem geänderten Anspruch 1 angepasst worden. Auch diese Änderungen erfüllen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Auch vermag die Kammer keinen sonstigen Grund zu erkennen, aus denen das geänderte Patent gemäß dem 1. Hilfsantrag den Erfordernissen des EPÜ nicht entspricht. Daher erübrigt sich für die Kammer den Hilfsanträge 2 bis 4 zu beurteilen und das Patent gemäß Hilfsantrag 1 aufrechterhalten werden kann, Artikel 101(3) (a) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das europäische Patent Nr. 2128406 in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

- Seiten 2, 4, 6 wie in den veröffentlichten Patenschrift

- Seite 3 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 6. November 2013

- Seite 5 wie am 29 Juni 2018 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer

Ansprüche:

- 1-7 des ersten Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 30. Januar 2015

Zeichnungen:

- Figuren 1 und 2 wie in den veröffentlichten Patentschrift.

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