European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T154414.20151016 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 October 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1544/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09741241.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16H 47/04 F16H 61/46 F16H 37/08 F16H 37/10 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | LEISTUNGSVERZWEIGUNGSGETRIEBE UND VERFAHREN ZU DESSEN STEUERUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 10. Februar 2014 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde die europäische Patentanmeldung Nr. 09741241.5 zurückgewiesen.
II. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne des Artikels 54(1) und (2) EPÜ nicht neu gegenüber DE 101 44 943 A1 (D1) sei.
III. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) frist- und formgerecht Beschwerde eingelegt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte:
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der ursprünglichen eingereichten Ansprüche und Zeichnungen und der am 11. September 2015 eingereichten Beschreibung,
- hilfsweise die Erteilung eines Patents auf der Basis des mit dem Brief vom 11. September 2015 eingereichten Hilfsantrags 1,
- weiter hilfsweise die Erteilung eines Patents auf der Basis des mit Brief vom 28. August 2015 eingereichten Hilfsantrags 2,
- weiter hilfsweise, als Hilfsantrag 3, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
V. Anspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Ein Leistungsverzweigungsgetriebe mit einem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) mit einer stufenlos einstellbaren Übersetzung (4) und mit einem zweiten Leistungszweig (11, 13, 14, 6), der trennbar ist;
- ein Summiergetriebe (31, 32) , welches einen ersten Eingang, der mit dem Ausgang des ersten Leistungszweigs (20, 21) kraftschlüssig verbunden ist, und einen zweiten Eingang aufweist, der mit dem Ausgang des zweiten Leistungszweigs (6) kraftschlüssig verbunden ist;
- eine Vorrichtung (12) zum Verbinden oder Unterbrechen des zweiten Leistungszweigs (11, 13, 14, 6) bei einem Wechsel von einem Ausgangsfahrbereich in einen Zielfahrbereich;
- eine Steuervorrichtung (43) zum Steuern und Einstellen des Übersetzungsverhältnisses der stufenlos einstellbaren Übersetzung (4) ;
dadurch gekennzeichnet, dass
(5) eine Vorhersagevorrichtung (42) zum Vorhersagen eines Wirkungsgrads (etav) des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) in dem Zielfahrbereich mit der Steuervorrichtung (43) verbunden ist, die so eingerichtet ist,
(6) dass die stufenlos einstellbare Übersetzung (4) bei einem Wechsel in den Zielfahrbereich unter Berücksichtigung des vorhergesagten Wirkungsgrads (etav) so eingestellt wird,
(7) dass eine Drehzahldifferenz aufgrund einer Leistungsflussänderung in dem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) am Ausgang des ersten Leistungszweigs (20, 21) gerade kompensiert wird."
Merkmalsgliederung der Anmelderin in Fett eingefügt.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut:
"Leistungsverzweigungsgetriebe mit einem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) mit einer stufenlos einstellbaren Übersetzung (4) und mit einem zweiten Leistungszweig (11, 13, 14, 6), der trennbar ist;
- ein Summiergetriebe (31, 32) , welches einen ersten Eingang, der mit dem Ausgang des ersten Leistungszweigs (20, 21) kraftschlüssig verbunden ist, und einen zweiten Eingang aufweist, der mit dem Ausgang des zweiten Leistungszweigs (6) kraftschlüssig verbunden ist;
- eine Vorrichtung (12) zum Verbinden oder Unterbrechen des zweiten Leistungszweigs (11, 13, 14, 6) bei einem Wechsel von einem Ausgangsfahrbereich in einen Zielfahrbereich;
- eine Steuervorrichtung (43) zum Steuern und Einstellen des Übersetzungsverhältnisses der stufenlos einstellbaren Übersetzung (4);
wobei eine Vorhersagevorrichtung (42) zum Vorhersagen eines Wirkungsgrads (etav) des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) in dem Zielfahrbereich mit der Steuervorrichtung (43) verbunden ist, die so eingerichtet ist, dass die stufenlos einstellbare Übersetzung (4) bei einem Wechsel in den Zielfahrbereich unter Berücksichtigung des vorhergesagten Wirkungsgrads (etav) so eingestellt wird,
dass eine Drehzahldifferenz aufgrund einer Leistungsflussänderung in dem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) am Ausgang des ersten Leistungszweigs (20, 21) gerade kompensiert wird,
wobei der erste Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) ein hydrostatisches, stufenlos einstellbares Getriebe (4) mit einer Hydropumpe (17) und einem Hydromotor (18), die über zwei Leitungen (19a, 19b) miteinander verbunden sind, aufweist und die Hydropumpe (17) und/oder der Hydromotor (18) verstellbar sind/ist,
dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Drucksensor (33) an der ersten Leitung (19a) angebracht ist und ein zweiter Drucksensor (34) an der zweiten Leitung angebracht ist, die Drucksensoren (33, 34) mit einer Schätzvorrichtung (41) zum Ermitteln des momentanen volumetrischen Wirkungsgrads des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) verbunden sind, die wiederum mit der Vorhersagevorrichtung (42) verbunden ist, wobei in der Schätzvorrichtung ein Online- oder Offline- geschätzter Parameter (?Deltap) zum Ermitteln des momentanen Wirkungsgrads (etav) gespeichert ist."
Verfahrensanspruch 4 nach Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Wechseln von einem Ausgangsfahrbereich in einen Zielfahrbereich in einem Leistungsverzweigungsgetriebe (1) mit einem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) mit einem stufenlos einstellbaren Getriebe (4) und mit einem zweiten, trennbaren Leistungszweig (11, 13, 14, 6), die folgenden Schritte aufweisend:
- Verbinden oder Unterbrechen (S16) des zweiten Leistungszweigs (11, 13, 14, 6) zum Wechseln von dem Ausgangsfahrbereich in dem Zielfahrbereich beim Vorliegen einer Synchronbedingung (Sl5) ;
- Vorhersagen (S14) des Wirkungsgrads (etav (ts_FB2)) des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) in dem Zielfahrbereich vor dem Verbinden oder Unterbrechen des zweiten Leistungszweigs (11, 13, 14, 6) ; und
- Ansteuern (S17) des stufenlos einstellbaren Getriebes (4) des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) nach dem Verbinden oder Unterbrechen (S16) des zweiten Leistungszweigs (11, 13, 14, 6) zum Einstellen des Übersetzungsverhältnisses unter Berücksichtigung des vorhergesagten Wirkungsgrads (etav (ts_FB2)), so dass eine Drehzahldifferenz am Ausgang des ersten Leistungszweigs (20, 21) aufgrund einer Leistungsflussänderung in dem ersten Leistungszweig (15, 16, 4, 20, 21) gerade kompensiert wird,
wobei ein momentaner Wirkungsgrad des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) über einen Online- oder Offline geschätzten Parameter (thetaDeltap) ermittelt wird (S13) und der Wirkungsgrad des ersten Leistungszweigs (15, 16, 4, 20, 21) im Zielfahrbereich auf der Basis des ermittelten Wirkungsgrad vorhergesagt wird,
wobei das stufenlos einstellbare Getriebe (4) hydrostatisch realisiert ist, wobei darin eine Hydropumpe (17) über zwei Leitungen (19a,19b) einen Hydromotor (18) antreibt und die Hydropumpe (17) und/oder der Hydromotor (18) verstellbar sind/ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass ein erster Drucksensor (33) an der ersten Leitung (19a) und ein zweiter Drucksensor (34) and der zweiten Leitung (19b) angebracht sind,
dass der Druckunterschied zwischen den beiden Leitungen (19a,19b) in der hydrostatischen, stufenlos einstellbaren Übersetzung (4) gemessen (S12) wird und der momentane volumetrische Wirkungsgrad (etav) des ersten Leistungszweigs (15,16,4,20,21) auf der Basis des Druckunterschieds DeltaP zwischen den beiden Leitungen (19a,19b) in dem hydrostatischen, stufenlos einstellbaren Getriebe (4) ermittelt wird (S13) und der volumetrische Wirkungsgrad etav (ts_FB2) des ersten Leistungszweigs (15,16,4,20,21) in dem Zielbereich auf der Basis des ermittelten volumetrischen Wirkungsgrads (etav) vorhergesagt wird (S14)."
VI. Folgende Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D1: DE 101 44 943 A1
D2: US 6,260,440 B1
VII. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Bezüglich des Hauptantrags
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber D1, weil aus D1 keine Vorhersagevorrichtung nach Merkmal 5 entnehmbar sei. Die Gründe dafür seien, dass kein zukünftiger Wirkungsgrad vorhergesagt, sondern ein aktueller Wirkungsgrad geschätzt werde. Außerdem sei in der in D1 beschriebenen Transferfunktion der Wirkungsgrad nicht berücksichtigt.
In D1 werde nicht der tatsächliche, sondern der theoretische Wirkungsgrad verwendet. Außerdem seien die Schaltpunkte so ausgewählt, dass keine Drehzahldifferenz auftritt. Bei der vorliegenden Erfindung werde dagegen eine mögliche Drehzahldifferenz durch eine Einstellung der stufenlosen Übersetzung vermieden. Daher seien die Merkmale 6 und 7 ebenfalls nicht aus D1 bekannt.
b) Bezüglich des Hilfsantrags 1
D1 offenbare keine zwei Drucksensoren. Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D1.
D1 rate außerdem von der Verwendung von zusätzlichen Drucksensoren ab (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 47-54). Es fehle daher ein Anlass für den Fachmann, zusätzliche Drucksensoren vorzusehen. Damit beruhe zumindest der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Es ist nicht streitig, dass D1 die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 offenbart.
1.2 Nach D1, Spalte 6, Zeile 57 "kann man etavol,net nach der Schaltung abschätzen" (etavol,net ist der volumetrischen Netto-Wirkungsgrad). Nach Spalte 6, Zeile 66-Spalte 7, Zeile 3 "kann der Verdrängungsbefehl für den Schaltpunkt für jede Schaltung als eine Funktion des volumetrischen Netto-Wirkungsgrades etavol,net bestimmt werden, und zwar vor der Ausführung der Schaltung, während die Fahrgeschwindigkeit bzw. -drehzahl vor und nach der Schaltung konstant bleibt." Durch diese Textstellen, insbesondere den Ausdruck "zwar vor der Ausführung", geht eindeutig hervor, dass ein zukünftiger Wirkungsgrad abgeschätzt wird. Nach Auffassung der Kammer ist die Abschätzung eines zukünftigen Ereignisses nicht von einer Vorhersage zu unterscheiden. Da der Wirkungsgrad vorhergesagt wird, ist zwangsläufig auch in der aus D1 bekannten Vorrichtung eine Vorhersagevorrichtung enthalten.
Daher ist auch das Merkmal 5 des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 aus D1 bekannt.
Nach D1 wird die Übersetzung des Leistungszweigs durch Einstellen der Pumpe durch das Steuergerät (50) erreicht, siehe [0016]. Außerdem wird der Verdrängungsbefehl als eine Funktion des Wirkungsgrades etavol,net bestimmt. Bei der Schaltung zwischen zweiten und dritten Getriebebereichen findet eine Änderung der Übersetzung (durch die Änderung des Verdrängungsbefehls) statt, diese ist in Figur 5 dargestellt und in den Abschnitten [0035] und [0036] erklärt. Demzufolge ist auch das Merkmal 6 aus D1 bekannt.
Dem Argument, wonach in D1 nicht der tatsächliche sondern der theoretische Wirkungsgrad verwendet werde, ist nicht zu folgen, weil D1, Spalte 4, Zeilen 36-42 beschreibt, dass die Transferfunktion empirisch durch Vergleich des Verdrängungsbefehls mit einer gemessenen tatsächlichen Verdrängung der Hydraulikpumpe bestimmt wird. Daher entspricht der Ausgang 45 von der Transferfunktion 44 der tatsächlichen Verdrängung.
Nach D1 wird die Drehzahldifferenz dadurch kompensiert, dass ein bestimmter Schaltpunkt ausgewählt wird. Daher tritt die Drehzahldifferenz nicht auf und sie ist somit kompensiert. Durch die Wahl des Schaltpunkts wird das Verdrängungsschaltniveau variiert, siehe Fig. 3b und Spalte 9, Zeilen 1-4. Bei der vorliegenden Anmeldung wird in Schritt S15 (siehe Fig. 2) getestet, ob die Synchronbedingung erfüllt ist, d.h. ob die Welle 5 die gleiche Drehzahl wie das Zahnrad 11 hat. So ist auch hier keine Drehzahldifferenz vorhanden, da auch hier eine Kompensation erfolgt. Damit ist auch das Merkmal 7 aus D1 bekannt.
1.3 Da somit alle Merkmale von Anspruch 1 aus D1 bekannt sind, erfüllt die Anmeldung nicht die Erfordernisse des Artikels 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54(1),(2) EPÜ.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag 1 entsprechen den Ansprüchen 1 und 4 des Hauptantrags, eingeschränkt durch die Merkmale der ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 2-5 bzw. 9-12.
2.2 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 ist neu gegenüber D1, weil D1 kein Leistungsverzweigungsgetriebe bzw. Verfahren mit einem ersten und einem zweiten Drucksensor offenbart.
2.3 Die zu lösende Aufgabe kann damit darin gesehen werden, ein Leistungsverzweigungsgetriebe bzw. Verfahren zu schaffen, wobei die Genauigkeit der Vorhersage verbessert wird.
2.4 D2 offenbart zwar ein Leistungsverzweigungsgetriebe mit zwei Drucksensoren. Jedoch würde der Fachmann diese Maßnahme nicht ohne erfinderisches Zutun in dem aus D1 bekannten Leistungsverzweigungsgetriebe anwenden, weil D1, Spalte 1, Zeile 47-54, von der Verwendung mehrerer Sensoren abrät.
2.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 und zwangsläufig auch der Gegenstand von Anspruch 4 beruhen daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Mündliche Verhandlung (Hilfsantrag 3)
Da einem Antrag von höherem Rang stattgegeben werden konnte, war es nicht notwendig die als Hilfsantrag 3 beantragte mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen, mit der Anordnung ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche, Nr.:
1-6 gemäß Hilfsantrag 1 eingereicht am 11. September 2015
Beschreibung, Seiten:
1-21 eingereicht am 11. September 2015
Figuren, Nr.:
1/3-3/3 wie veröffentlicht.