T 1497/14 () of 10.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T149714.20150610
Datum der Entscheidung: 10 Juni 2015
Aktenzeichen: T 1497/14
Anmeldenummer: 08785436.0
IPC-Klasse: B60T 13/68
B60T 7/08
B60T 17/22
B60T 8/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: STEUERGERÄT FÜR EINE BREMSANLAGE EINES NUTZFAHRZEUGS UND VERFAHREN ZUM STEUERN EINER BREMSANLAGE
Name des Anmelders: KNORR-BREMSE Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Name des Einsprechenden: WABCO GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2176105 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 9. Mai 2014.

II. Die Einspruchs­abteilung hat u.a. festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, vorgelegt als Hauptantrag während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Dabei hat die Einspruchsabteilung insbesondere die folgenden Dokumente betrachtet:

EP 1541437 A2 (D2);

WO 96/30243 (D14);

Produktinformation "Anti-Blockier-Systeme (ABS) für Nutzfahrzeuge, Wabco, November 1990 (D16)

III. Am 10. Juni 2015 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung vom 5. September 2014 gestellten Haupt- oder Hilfsantrags.

Die Beschwerde­gegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der jeweilige Anspruch 1 des Hauptantrags (erstmals vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) und des Hilfsantrags (eingereicht mit der Beschwerdebegründung) lautet wie folgt:

Steuergerät (60) für eine Bremsanlage eines Nutzfahrzeuges, wobei die Bremsanlage

- Betriebsbremszylinder (400) und Federspeicherbremszylinder (402) zum Bremsen des Nutzfahrzeugs,

- ein elektronisches Steuergerät (60),

- Sensoren (220, 30, 230) zum Erfassen des Bewegungszustandes des Nutzfahrzeugs,

- ein Fußbremsventil (430) zum Betätigen der Betriebsbremse,

- eine Handsteuereinheit (22), über die von der Betätigungsart der Handsteuereinheit (22) abhängige Fahrerwünsche an das elektronische Steuergerät (60) übermittelbar sind,

- ein Modul (62) mit elektrisch ansteuerbaren Ventilen für ein Antiblockiersystem und ein Modul (64) mit elektrisch ansteuerbaren Ventilen für eine elektrisch gesteuerte Feststellbremse umfasst,

- wobei das elektronische Steuergerät (60) sowohl die Beeinflussung des Antiblockiersystems als auch der elektrisch gesteuerten Feststellbremse übernimmt,

dadurch gekennzeichnet, dass das Modul (62) mit elektrisch ansteuerbaren Ventilen für das Antiblockiersystem und das Modul (63) mit elektrisch ansteuerbaren Ventilen für die elektrisch gesteuerte Feststellbremse zumindest teilweise gemeinsame Druckluftein- und Druckluftausgänge verwenden und dass die Funktion des Antiblockiersystems und die Funktion der elektrischen Feststellbremse getrennt voneinander deaktiviert werden können.

V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei dem Fachmann nicht durch die Kombination von Dokument D2 mit dem fachmännischen Wissen nahegelegt. Insofern sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht korrekt.

Der Gegenstand des strittigen Anspruchs unterscheide sich von D2 durch das Merkmal, dass die Funktion des Antiblockiersystems und die Funktion der elektrischen Feststellbremse getrennt voneinander deaktiviert werden können. Insbesondere handele es sich bei der strittigen Erfindung um ein Steuergerät und nicht um eine Steuergeräteeinheit. So sei eben eine Aggregation von einzelnen Steuergeräten in einem Gehäuse kein Steuer­gerät im Sinne des Anspruchs 1. Das erfindungs­gemäße Steuergerät weise, so wie das Ausführungs­beispiel es erläutere, gemeinsame Baugruppen für beide Funktionen auf, wie z.B. die Speichereinheit 206 (vgl. Figur 4) oder den Watch Dog Timer 212. Durch diese Integration zweier einzelner Steuergeräte­funktionen in ein einziges Steuergerät sei es eben nicht mehr naheliegend, beide Funktionen auch getrennt abschaltbar zu gestalten.

Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag sei identisch zu Anspruch 1 laut Hauptantrag. Insofern gälten in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit die selben Ausführungen.

VI. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) entgegnete den Argumenten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsantrag sei auch durch den Stand der Technik gemäß D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. So seien Steuergeräte im Stand der Technik bekannt, die im Fehlerfalle abschalten (vgl. z.B. D14 oder D16). Weiterhin sei es bekannt, verschiedene Steuergerätefunktionen in ein einziges Steuergerät zu integrieren. Es sei somit nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann hierbei nicht auch die Abschaltung jener Funktionen im Fehlerfall berücksichtigen sollte, die bei einer Ausführung in getrennten Steuergeräten auch abschaltbar waren. Insbesondere offenbarten D14 und D16 auch die Abschaltung einzelner Funktionen eines Steuergerätes.

In Übrigen werde die in der Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung vertretene Auffassung vorbehaltlos geteilt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die in Anspruch 1 des Hauptantrags (erstmals vorgelegt während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) definierte Erfindung ergibt sich für den Fachmann aus dem Stand der Technik in naheliegender Weise.

Dabei folgt die Kammer der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung in den Gründen unter Punkt 6 vertretenen Auffassung vollumfänglich.

2.1 Insbesondere ist das einzige Merkmal, welches die strittige Erfindung vom Stand der Technik gemäß D2 unterscheidet, dem Fachmann nahegelegt. So sind Steuergeräte im Fahrzeug typischerweise abschaltbar ausgelegt, so dass in einem Fehlerfall das Fahrzeug - eingeschränkt - sicher nutzbar bleibt (sog. "fail safe").

2.2 Somit ist nicht erkennbar, warum der Fachmann Abschaltung einzelner Funktionen, die in einem gemeinsamen Steuergerät untergebracht sind, nicht in Betracht ziehen sollte.

Dabei folgt die Kammer nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann nur die Abschaltung von Steuergeräten kenne, nicht aber die Abschaltung einzelner Funktionen eines Steuergerätes.

Weder Anspruch 1 noch die Beschreibung offenbaren einen detaillierten Aufbau des Steuergeräts, so dass offenbleibt, wie die Funktionen des ABS und der elektrischen Feststellbremse tatsächlich gesteuert werden und wie weit sich die Architektur des erfindungsgemäßen Steuergeräts von der zweier getrennter Steuergeräte unterscheidet. Es bleibt ebenfalls offen, ob gleiche Komponenten des Steuergerätes für beide Funktionen genutzt werden. Der Beschreibung kann auch nicht entnommen werden, ob im benannten Ausführungsbeispiel der Speicherbereich 206 für die ABS Funktion und für die Funktion der Feststellbremse gemeinsam oder getrennt ausgeführt ist und wie der Watch-Dog-Timer in die Sicherheits­architektur des Steuergerätes integriert ist.

2.3 Somit offenbart die Beschreibung keinerlei Hindernisse, die eine getrennte Abschaltung von Funktionen, die erfindungsgemäß innerhalb eines gemeinsamen Steuergeräts realisiert sind, erschweren.

Der Fachmann würde daher auf eine getrennte Deaktivierung beider Funktionen aus Sicherheitsgründen nicht verzichten.

2.4 Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags dem des Hauptantrags entspricht, gelten hierfür ebenfalls die genannten Gründe.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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