T 1460/14 () of 10.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T146014.20190910
Datum der Entscheidung: 10 September 2019
Aktenzeichen: T 1460/14
Anmeldenummer: 06806456.7
IPC-Klasse: G01V 8/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND BEDIENEINHEIT ZUM KONFIGURIEREN UND ÜBERWACHEN EINER EINRICHTUNG MIT FUNKTIONALER SICHERHEIT
Name des Anmelders: OMRON CORPORATION
Name des Einsprechenden: Leuze electronic GmbH + Co. KG
SICK AG
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 101(3)(b)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2 (nein)
Patentansprüche - Auslegung von Begriffen
Spät eingereichter Antrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1321/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. EP-B-1 946 154 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Artikel 101 (3) a) EPÜ).

II. Die Einsprüche waren gegen das Patent im gesamten Umfang gerichtet und darauf gestützt, dass der Gegen­stand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ 1973).

III. Es wird auf folgendes Dokument Bezug genommen:

E1:|SafetyLab Diagnose- und Parametrier-Software für COMPACTplus, Benutzerhandbuch, Leuze lumiflex GmbH + Co. KG, Fürstenfeldbruck (DE), Januar 2005.|

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bean­trag­ten die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 (Einspre­chende 1 bzw. 2) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf­ des europäischen Patents Nr. 1946154.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantrag­te, die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung auf­recht­zuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Auf­hebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecht­erhaltung des Patents auf der Basis eines der Hilfs­anträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 2. März 2015, oder auf der Basis des Hilfsantrags 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

V. Der Wortlaut des jeweiligen unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 lautet wie folgt (Merkmalsbezeichnung "1.2", "1.3", "1.4", "1.5", "1.5'", "1.6", "1.6'" und "1.7" durch die Kammer):

Hauptantrag:

"1. Verfahren zum Konfigurieren einer Sicherheits­lichtschranke (1,100) mit anwendungsspezifisch einzustellenden Parametern,

1.2 wobei eine mit Eingabe­mitteln ausgestattete Bedieneinheit vorgesehen wird,

1.3 die unter automatischer Schnittstellen- und Sensor­erkennung an die Sicherheitslichtschranke (1, 100) angeschlossen wird, und

1.4 mittels der Eingabemittel die anwendungs­spezi­fischen Parameter eingestellt werden,

1.5 wobei simultan und automatisch eine Rückmeldung der eingestellten Parameter auf einer Anzeigeeinheit (10) der Bedieneinheit visualisiert dargestellt wird."

Hilfsantrag 1:

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal 1.5 durch das folgende Merkmal 1.5' ersetzt ist (Her­vor­hebung des Unterschieds durch die Kammer):

1.5' "wobei simultan und automatisch eine Rückmeldung der an der Sicherheitslichtschranke (1, 100) einge­stell­ten Parameter auf einer Anzeigeeinheit (10) der Bedieneinheit visualisiert dargestellt wird."

Hilfsantrag 2:

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass das fol­gende Merkmal 1.6 am Ende des Anspruchs hinzugefügt ist:

1.6 "wobei als Sicherheitslichtschranke (1, 100) eine Sicherheitslichtschranke oder ein Sicherheits­lichtgitter mit einer Mehrzahl von Lichtstrahlen mit anwendungsspezifisch einzustellender Lichtintensität eines Senders (5, 50), mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Verstärkung an einem Empfänger (6, 60) und/oder mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Schaltschwelle am Empfänger (6, 60) verwendet wird."

Hilfsantrag 3:

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die fol­gen­den Merkmale 1.6' und 1.7 am Ende des Anspruchs hinzugefügt sind (Her­vor­hebung der Unterschiede des Merkmals 1.6' gegenüber Merkmal 1.6 durch die Kammer):

1.6' "wobei [deleted: als] die Sicherheitslichtschranke (1, 100) [deleted: eine] als Sicherheitslichtschranke oder ein Sicherheits­lichtgitter ausgestaltet ist, mit einer Mehrzahl von Lichtstrahlen mit anwendungsspezifisch einzustellender Lichtintensität eines Senders (5, 50), mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Ver­stärkung an einem Empfänger (6, 60) und/oder mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Schaltschwelle am Empfänger (6, 60) [deleted: verwendet wird.],"

1.7 "wobei die Lichtintensität für jeden Lichtstrahl der Sicherheitslichtschranke oder des Sicherheits­licht­gitters durch ein Balkendiagramm dynamisch in Echtzeit visualisiert dargestellt wird, wobei ein Balken des Balkendiagramms die Lichtintensität genau eines Licht­strahls abbildet."

VI. Die Parteien haben im Wesentlichen Folgendes vorge­tra­gen:

a) Hauptantrag - Neuheit

Die Beschwerdeführerin 1 macht geltend, dass der Gegen­stand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegen­über Doku­ment E1 nicht neu sei.

Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass Dokument E1 die Merkmale 1.3 und 1.5 nicht offenbare und dass der beanspruchte Gegenstand daher neu sei.

b) Hilfsanträge 1 und 2 - Neuheit

Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Meinung, dass Doku­ment E1 auch das geänderte Merkmal 1.5' und das zu­sätz­liche Merkmal 1.6 offenbare, so dass der Gegen­stand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 gegenüber Dokument E1 ebenfalls nicht neu sei.

Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin offenbare Doku­ment E1 weder Merkmal 1.5' noch Merkmal 1.6, wodurch die Neuheit des gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 bean­spruch­ten Gegenstandes gegenüber E1 hergestellt sei.

c) Hilfsantrag 3 - Zulassung

Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Auffassung, dass der neue Hilfsantrag 3 als verspätet nicht in das Verfahren zugelassen werden solle und dass das hinzu­gefügte Merkmal 1.7 überdies aus Dokument E1 bekannt sei.

Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sei der neue Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchs­ab­teilung der Auffassung, dass der Gegenstand dieses An­spruchs gegenüber Dokument E1 neu sei (siehe Punkt 2.3.1 der Gründe).

1.2 Dokument E1 betrifft (siehe Punkte 1.1, 1.4, 4.1, 6 und 6.5 der Beschreibung) ein Be­nutzerhandbuch bezüglich einer Diagnose- und Para­­metrier-Software namens "SafetyLab" für Sicher­heits­­­lichtvorhänge und Mehr­strahl-Sicherheits­licht­schranken. Die Software wird auf einem PC oder Laptop installiert, an dem das zu steu­ern­de Sicherheitsgerät (Lichtvorhang oder Licht­schran­ke) angeschlossen wird, und erlaubt es, zahlreiche Parameter des Sicherheits­gerätes einzustellen.

1.3 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass das Do­kument E1 ein Verfahren zum Konfigurieren einer Sicher­heits­lichtschranke (Sicher­heits­lichtvorhänge und Mehr­strahl-Sicherheits­licht­schranke) mit anwendungs­spezi­fisch ein­zustellenden Parametern offenbart, wobei eine mit Ein­gabe­mitteln ausgestattete Bedieneinheit (Ein­gabe­geräte, z. B. Maus und Tastatur, des PCs oder Lap­tops) vorgesehen wird, wobei mittels der Eingabe­mittel die anwendungs­spezi­fischen Parameter eingestellt wer­den.

1.4 Strittig ist, ob auch die Merkmale 1.3 (Schnittstellen- und Sensorerkennung) und 1.5 (Rückmeldung) im Doku­ment E1 vollständig offenbart sind.

1.5 In Bezug auf das Merkmal 1.3 folgte die Einspruchs­ab­tei­lung der Ansicht der Patentinhaberin, dass das Doku­ment E1 zwar eine Sensorerkennung, aber keine automa­ti­sche Schnitt­stellen­erkennung offenbare, da diese eine selbständige Erken­nung des Anschlussortes beinhalte (siehe Punkt 2.3.1.1 der Gründe).

1.5.1 Die Beschwerdegegnerin führte dazu ferner aus, dass gemäß Absatz [0008] des Streitpatents die automatische Schnittstellenerkennung "bei Kopplung" der Bedien­ein­heit und der Lichtschranke erfolge und der Anwender da­durch nicht genötigt sei, "manuell bzw. selbsttätig" eine Datenverbindung zwi­schen diesen Geräten herzu­stel­len. Ferner seien dort verschiedene mögliche Schnitt­stellen wie z. B. USB, RS-485, Infrarot-Kommunikation, Bluetooth genannt. All dies impliziere, dass durch die Schnitt­stellenerkennung auch der Anschlussort erkannt werde.

1.5.2 Die Kammer weist zunächst darauf hin, dass den in Patent­doku­menten verwendeten Begriffen die auf dem maßgeblichen technischen Gebiet übliche Bedeutung zu geben ist, so­fern ihnen nicht in der Beschreibung ein besonderer Sinn zugewiesen wird. Insbesondere kann ein Patent­dokument sein eigenes Wörterbuch darstellen (siehe T 1321/04, Punkt 2.2 der Gründe).

Grundsätzlich sind außerdem gemäß ständiger Recht­spre­chung der Beschwerdekammern des EPA die Beschrei­bung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heran­zu­ziehen, insbesondere, um deren Neuheit und erfinde­rische Tätigkeit beurteilen zu können (siehe Recht­sprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auf­lage 2019, Kapitel II.A.6.3.1).

1.5.3 Im vorliegenden Fall ist der Begriff "Schnittstellen­erkennung" nach Ansicht der Kammer im Einklang mit seiner üblichen Bedeutung im technischen Gebiet der Sicher­heitslichtschranken breit auszulegen und so zu verstehen, dass lediglich die relevanten Parameter der Schnittstelle erkannt wer­den, z. B. die Baudrate.

In der Beschreibung des Streitpatents wird diesem Be­griff auch kein anders lautender besonderer Sinn zuge­wiesen. Das Patent­ stellt bezüglich dieses Begriffs also nicht sein eigenes Wörterbuch dar.

In der Beschreibung wird auch nicht ex­pli­zit angegeben, selbst in den Ausführungsbeispielen nicht, was bei der bean­spruchten "Schnittstellenerkennung" konkret er­kannt wird. In dem oben erwähnten Absatz [0008] des Pa­tents wird lediglich eine­ Voraussetzung der Schnitt­stel­lenerkennung (Durchführung bei Kopplung der Geräte) und deren Wirkung (Ver­­meidung einer manuel­len Herstel­lung der Datenver­bindung) beschrieben. Beides ist je­doch mit der oben genannten breiten Auslegung des Be­griffs im Einklang, wonach nur die relevanten Parameter der Schnitt­­­stelle erkannt wer­den.

Andererseits wird weder in dem zitier­ten Absatz [0008] noch in einem anderen Teil des Streit­­patents beschrie­ben, dass die Schnittstellenerkennung auch die Erken­nung des Anschlussortes beinhaltet. Dies lässt sich auch nicht aus der bloßen Erwähnung verschiedener mög­licher Schnittstellen ableiten, da Letztere keineswegs das Er­ken­nen der tatsächlich verwendeten Schnittstelle unter meh­reren möglichen Schnittstellen impliziert. Die Kam­mer sieht daher keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass diese Beschrän­kung in den beanspruchten Gegenstand hin­ein­­gelesen werden sollte. Eine solche einschränkende Aus­legung des Begriffs "Schnittstellenerkennung" wäre im Übrigen nach Ansicht der Kammer selbst dann nicht angezeigt, wenn die Erkennung des Anschlussortes im Kon­text eines beson­deren Ausführungsbeispiels be­schrie­ben worden wäre.

Somit ist die beanspruchte "Schnittstellenerkennung" so zu verstehen, dass lediglich die relevanten Parameter der Schnitt­stelle erkannt wer­den.

1.5.4 Dokument E1 offenbart (siehe Punkt 4.3, insbe­sondere Abbildung 4.3-2 der Beschreibung), dass das Start­ver­halten der Software "SafetyLab" bei Programm­start so eingestellt werden kann, dass sowohl das Sicherheits­gerät als auch die relevanten Kommuni­ka­tions­parameter der Schnittstelle automatisch erkannt werden.

Folglich ist auch das Merkmal 1.3 im Dokument E1 offen­bart.

1.6 Die Einspruchsabteilung war in der angefochtenen Ent­scheidung ferner der Ansicht, dass "ge­änderte" Para­me­ter noch nicht aktiv seien, während es sich bei "ein­ge­stellten" Parametern um solche handele, welche in der Licht­schranke aktiviert und operationell seien. Die Rück­­­meldung letzterer werde im Dokument E1 nicht offen­bart (siehe Punkt 2.3.1.2 der Gründe).

1.6.1 Die Beschwerdegegnerin teilt die Meinung der Ein­spruchs­­­­­abteilung und verweist in dieser Hinsicht ins­besondere auf die in Abbildung 2 des Patents gezeigte visualisierte Darstellung einer Anzeigeeinheit, wonach das dort gezeigte Fenster 12 die auf Softwareseite ge­änderten Parameter betreffe und das Fenster 13 hin­gegen die auf Hardwareseite eingestellten Para­meter.

1.6.2 Ähnlich wie oben für den Begriff "Schnittstellen­erken­nung" ist die Kammer auch hier der Meinung, dass der Begriff von "eingestellten" Parametern in Überein­stim­mung damit, wie er im technischen Gebiet der Sicher­­heitslichtschranken ver­wendet wird, breit aus­zulegen ist und nicht impliziert, dass diese Parameter in dem entsprechenden Gerät aktiviert und operationell sind. Insbesondere beinhaltet er die Möglichkeit, dass die Parameter lediglich - beispiels­weise mittels einer Software-Anwendung - geregelt sind, ohne bereits im entsprechenden Gerät aktiviert zu sein.

In der Beschreibung des Streitpatents wird dem Begriff von "eingestellten" Parametern ­auch kein engerer Sinn zuge­wiesen, so dass das Patent­ auch in Bezug auf diesen Begriff nicht sein eigenes Wörterbuch darstellt.

Mehrere Text­stellen der Beschreibung handeln von "ein­gestellten" und "ge­änderten" Parametern oder ent­spre­chenden Begriffen (siehe die Absätze [0011], [0014], [0037] und [0042]). Dort wird z. B. erwähnt, dass die Parameter "eingestellt bzw. verän­dert" werden oder die "einzustellenden bzw. zu ändern­den" Parameter visua­li­siert werden. Dies ist nach Ansicht der Kammer gemäß der bei dieser Verwendung von "bzw." üblichen Be­deutung ("oder", "oder viel­mehr") so zu verstehen, dass es sich dabei um eine anfängliche Regelung von Parametern han­delt oder um eine Regelung, welche von einer früheren, ande­ren Regelung abweicht. Die oben erwähnte Unter­schei­dung zwischen "ein­gestellten" und "ge­änderten" Para­metern, welche auf deren (Nicht-)Aktivierung abhebt, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.

In Bezug auf das von der Beschwerdegegnerin angeführte Ausführungs­beispiel gemäß Abbildung 2 offenbart das Pa­tent einen­ Ausschnitt einer Anzeigeeinheit 10 mit drei Fenstern 11, 12 und 13, welche den aktuellen Status der Parameter (11), den neuen Status (12) bezie­hungs­­weise eine Visualisierung des neuen Status der Para­­meter (13) be­treffen. Dabei wird erwähnt, dass das Fen­ster 12 Ein­stellungen anzeigt, welche über die Bedien­­einheit "ein­gestellt bzw. ge­än­dert" werden (Absatz [0042]). Außer­dem wird im allgemeinen Teil der Beschreibung erwähnt, dass eine schnelle und einfache Konfigurierung der Licht­­schranke durch die Visuali­sie­rung der "einzu­stellenden bzw. zu ändernden Parameter" möglich ist (siehe Absatz [0011]). Die von der Be­schwerdegegnerin geltend gemach­te Zuord­nung, wonach das Fenster 12 "ge­änderte" Para­meter ­und die im Fenster 13 gezeigte Visuali­sierung­ "einge­stell­te" Para­meter be­treffe­, kann aus dem Streitpatent daher nicht abgelei­tet werden.

Schließlich ist festzustellen, dass das Streitpatent überhaupt keine An­gabe darüber enthält, dass die Visua­li­sierung Einstel­lungen von Parametern betrifft, welche in der Licht­schranke aktiviert und operationell sind. Dies wird auch nicht durch irgendeinen offen­barten Teil­aspekt der Visualisierung impliziert. Insbesondere wird nicht offenbart, dass die Visualisierung auf der Basis von gemessenen Daten durchgeführt wird.

Die Kam­mer sieht daher keinen Grund dafür, dass die Be­schrän­kung, wonach es sich bei "ein­ge­stellten" Para­metern um solche handelt, welche in der Licht­schranke aktiviert und operationell sind, in den beanspruchten Gegenstand hinein­gelesen werden sollte.

Somit sind die beanspruchten "eingestellten" Parameter so zu verstehen, dass die Parameter geregelt, aber nicht zwingend bereits im entsprechenden Gerät akti­viert sind.

1.6.3 Dokument E1 offenbart (siehe Punkt 6.5.2 ­der Beschrei­bung, insbesondere Seite 48) das Übertragen eines Parameter­satzes auf das Sicherheitsgerät. Dabei werden die Dateien in einen temporären Speicher im Sicher­heits­gerät geladen. Aus Sicherheitsgründen liest die Soft­ware die Werte aus dem temporären Speicher zurück und bietet sie in Tabellenform zur Überprüfung an.

Dementsprechend ist auch das Merkmal 1.5 im Dokument E1 offen­bart.

1.7 In Anbetracht des Vorstehenden ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).

2. Hilfsantrag 1 - Neuheit

2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass "einge­stell­ten" (Merkmal 1.5) durch "an der Sicherheitslicht­schranke einge­stell­ten" (siehe das geänderte Merkmal 1.5' unter Punkt V.) ersetzt ist.

2.2 Durch die Änderung werde nach Ansicht der Beschwerde­gegnerin klargestellt, dass die Parameter am Gerät aktiviert seien.

2.3 Die Kammer ist jedoch der Meinung, dass die bloße Kon­kretisierung, dass die Parameter an der Sicher­heits­lichtschranke eingestellt sind, nicht impliziert, dass die Parameter auch aktiviert und operationell sind. Vielmehr beinhaltet sie aus den oben genannten Gründen (siehe Punkt 1.6.2) die Möglichkeit, dass die Parameter an der Sicherheitslichtschranke geregelt, aber nicht bereits aktiviert sind.

2.4 Wie oben unter Punkt 1.6.3 erwähnt, wird im Dokument E1 beschrieben, dass der Parametersatz in einen temporären Speicher im Sicherheitsgerät gespeichert wird, bevor er aus diesem wieder ausgelesen und dem Nutzer zur Über­prüfung angeboten wird.

Das Dokument E1 offenbart daher, dass die Para­meter an der Sicherheitslicht­schranke (nämlich im temporären Speicher) einge­stell­t sind, und somit auch das geän­derte Merk­mal 1.5'.

2.5 Demzufolge ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfs­antrags 1 ebenfalls nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).

3. Hilfsantrag 2 - Neuheit

3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass das Merkmal 1.6 hinzugefügt ist, wonach die Lichtschranke eine Mehrzahl von Lichtstrahlen mit einzustellender Lichtintensität, Verstärkung am Empfänger und/oder Schaltschwelle am Empfänger aufweist.

3.2 Die Beschwerde­gegnerin ist der Meinung, dass das hinzu­gefügte Merkmal 1.6 dem Dokument E1 nicht zu entnehmen sei.

3.3 Wie oben unter Punkt 1.2 beschrieben, wird die Software "SafetyLab" in Kombination mit Sicherheitslicht­vor­hän­gen und Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranken verwendet. Außerdem offenbart Dokument E1 (siehe Punkt 8 der Be­schrei­­bung) eine "blanking"-Funktion, d. h. eine Aus­blend­funktion. Dabei wird das von der Lichtschranke auf­gespannte Schutzfeld so eingerichtet, dass bestimmte Regionen ausgeblendet werden. Dies geschieht durch Deaktivierung bestimmter Strahlen der Lichtschranke oder durch gezielte Regelung des Schwellwerts, welcher die Detektion eines Objekts auslöst. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.

Somit offenbart das Dokument E1 auch eine Mehrzahl von Lichtstrahlen (der Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranke) mit einzustellender Lichtintensität, Verstärkung am Empfänger und/oder Schaltschwelle am Empfänger (zur Erzeugung der "blanking"-Funktion).

3.4 Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfs­antrags 2 ebenfalls nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).

4. Hilfsantrag 3 - Zulassung

4.1 Der neue Hilfsantrag 3 wurde von der Beschwerdegegnerin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 beantragten, diesen neuen Antrag als verspätet nicht in das Verfahren zuzu­lassen.

4.2 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK muss die Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdegegnerin enthalten. Die Zulassung von Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin nach Einreichung der Erwiderung steht nach Artikel 13 (1) VOBK im Ermessen der Kammer.

Da der neue Hilfsantrag 3 erst in der mündlichen Ver­handlung vor der Kammer eingereicht wurde, steht dessen Zulassung somit im Ermessen der Kammer.

4.3 Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Ver­fahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berück­sichtigt (Artikel 13 (1) VOBK). Aufgrund der letzten beiden Kriterien müssen Verfahrensbeteiligte Anträge so früh wie möglich einreichen, wenn diese zugelassen und berücksichtigt werden sollen.

4.4 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin keiner­lei Gründe für das sehr späte Einreichen des Hilfs­an­trags 3 angeführt. Der Kammer ist es auch nicht er­sicht­lich, warum die Beschwerdegegnerin diesen Hilfs­antrag nicht bereits viel früher eingereicht hat, z. B. mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen.

Außerdem wirft Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 neue Fra­gen bezüglich des technischen Charakters des hinzu­ge­fügten Merkmals 1.7 auf, welches wegen des bean­spruch­ten Balkendiagramms die Wiedergabe von In­formationen zu betreffen scheint. Ferner scheint der neue Hilfsantrag 3 die im schriftlichen Verfahren er­hobenen Einwände be­züglich mangelnder Neuheit bzw. man­gelnder erfinde­ri­scher Tätigkeit gegenüber Dokument E1 nicht zweifels­frei auszuräumen, da dieses Dokument zu­mindest Teile des hinzugefügten Merkmals 1.7 zu offen­baren scheint.

Die Zulassung dieses Hilfsantrags hätte somit voraus­sichtlich in der mündlichen Verhandlung zu neuen, lang­wierigen Diskussionen mit unge­wissem Ausgang darüber geführt, inwieweit das hinzugefügte Merkmal technischen Charakter hat und ob der bean­spruchte Gegenstand neu ist und eine erfin­de­rische Tätigkeit aufweist.

4.5 Die Kammer übt daher das Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den neuen Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.

5. Schlussfolgerung

Da das Patent in der Fassung gemäß der zugelassenen Anträge (Haupt­antrag und ­Hilfsanträge 1 und 2) und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfor­der­nissen des EPÜ nicht genügen, ist das Patent zu wider­rufen (Artikel 101 (3) (b) EPÜ und Artikel 111 (1) EPÜ 1973).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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