European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T146014.20190910 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 September 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1460/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06806456.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01V 8/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN UND BEDIENEINHEIT ZUM KONFIGURIEREN UND ÜBERWACHEN EINER EINRICHTUNG MIT FUNKTIONALER SICHERHEIT | ||||||||
Name des Anmelders: | OMRON CORPORATION | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Leuze electronic GmbH + Co. KG SICK AG |
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Kammer: | 3.4.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2 (nein) Patentansprüche - Auslegung von Begriffen Spät eingereichter Antrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. EP-B-1 946 154 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Artikel 101 (3) a) EPÜ).
II. Die Einsprüche waren gegen das Patent im gesamten Umfang gerichtet und darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ 1973).
III. Es wird auf folgendes Dokument Bezug genommen:
E1:|SafetyLab Diagnose- und Parametrier-Software für COMPACTplus, Benutzerhandbuch, Leuze lumiflex GmbH + Co. KG, Fürstenfeldbruck (DE), Januar 2005.|
IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragten die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 bzw. 2) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1946154.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 2. März 2015, oder auf der Basis des Hilfsantrags 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
V. Der Wortlaut des jeweiligen unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 lautet wie folgt (Merkmalsbezeichnung "1.2", "1.3", "1.4", "1.5", "1.5'", "1.6", "1.6'" und "1.7" durch die Kammer):
Hauptantrag:
"1. Verfahren zum Konfigurieren einer Sicherheitslichtschranke (1,100) mit anwendungsspezifisch einzustellenden Parametern,
1.2 wobei eine mit Eingabemitteln ausgestattete Bedieneinheit vorgesehen wird,
1.3 die unter automatischer Schnittstellen- und Sensorerkennung an die Sicherheitslichtschranke (1, 100) angeschlossen wird, und
1.4 mittels der Eingabemittel die anwendungsspezifischen Parameter eingestellt werden,
1.5 wobei simultan und automatisch eine Rückmeldung der eingestellten Parameter auf einer Anzeigeeinheit (10) der Bedieneinheit visualisiert dargestellt wird."
Hilfsantrag 1:
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal 1.5 durch das folgende Merkmal 1.5' ersetzt ist (Hervorhebung des Unterschieds durch die Kammer):
1.5' "wobei simultan und automatisch eine Rückmeldung der an der Sicherheitslichtschranke (1, 100) eingestellten Parameter auf einer Anzeigeeinheit (10) der Bedieneinheit visualisiert dargestellt wird."
Hilfsantrag 2:
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass das folgende Merkmal 1.6 am Ende des Anspruchs hinzugefügt ist:
1.6 "wobei als Sicherheitslichtschranke (1, 100) eine Sicherheitslichtschranke oder ein Sicherheitslichtgitter mit einer Mehrzahl von Lichtstrahlen mit anwendungsspezifisch einzustellender Lichtintensität eines Senders (5, 50), mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Verstärkung an einem Empfänger (6, 60) und/oder mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Schaltschwelle am Empfänger (6, 60) verwendet wird."
Hilfsantrag 3:
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die folgenden Merkmale 1.6' und 1.7 am Ende des Anspruchs hinzugefügt sind (Hervorhebung der Unterschiede des Merkmals 1.6' gegenüber Merkmal 1.6 durch die Kammer):
1.6' "wobei [deleted: als] die Sicherheitslichtschranke (1, 100) [deleted: eine] als Sicherheitslichtschranke oder ein Sicherheitslichtgitter ausgestaltet ist, mit einer Mehrzahl von Lichtstrahlen mit anwendungsspezifisch einzustellender Lichtintensität eines Senders (5, 50), mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Verstärkung an einem Empfänger (6, 60) und/oder mit einer anwendungsspezifisch einzustellenden Schaltschwelle am Empfänger (6, 60) [deleted: verwendet wird.],"
1.7 "wobei die Lichtintensität für jeden Lichtstrahl der Sicherheitslichtschranke oder des Sicherheitslichtgitters durch ein Balkendiagramm dynamisch in Echtzeit visualisiert dargestellt wird, wobei ein Balken des Balkendiagramms die Lichtintensität genau eines Lichtstrahls abbildet."
VI. Die Parteien haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Die Beschwerdeführerin 1 macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber Dokument E1 nicht neu sei.
Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass Dokument E1 die Merkmale 1.3 und 1.5 nicht offenbare und dass der beanspruchte Gegenstand daher neu sei.
b) Hilfsanträge 1 und 2 - Neuheit
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Meinung, dass Dokument E1 auch das geänderte Merkmal 1.5' und das zusätzliche Merkmal 1.6 offenbare, so dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 gegenüber Dokument E1 ebenfalls nicht neu sei.
Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin offenbare Dokument E1 weder Merkmal 1.5' noch Merkmal 1.6, wodurch die Neuheit des gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 beanspruchten Gegenstandes gegenüber E1 hergestellt sei.
c) Hilfsantrag 3 - Zulassung
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Auffassung, dass der neue Hilfsantrag 3 als verspätet nicht in das Verfahren zugelassen werden solle und dass das hinzugefügte Merkmal 1.7 überdies aus Dokument E1 bekannt sei.
Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sei der neue Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand dieses Anspruchs gegenüber Dokument E1 neu sei (siehe Punkt 2.3.1 der Gründe).
1.2 Dokument E1 betrifft (siehe Punkte 1.1, 1.4, 4.1, 6 und 6.5 der Beschreibung) ein Benutzerhandbuch bezüglich einer Diagnose- und Parametrier-Software namens "SafetyLab" für Sicherheitslichtvorhänge und Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranken. Die Software wird auf einem PC oder Laptop installiert, an dem das zu steuernde Sicherheitsgerät (Lichtvorhang oder Lichtschranke) angeschlossen wird, und erlaubt es, zahlreiche Parameter des Sicherheitsgerätes einzustellen.
1.3 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass das Dokument E1 ein Verfahren zum Konfigurieren einer Sicherheitslichtschranke (Sicherheitslichtvorhänge und Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranke) mit anwendungsspezifisch einzustellenden Parametern offenbart, wobei eine mit Eingabemitteln ausgestattete Bedieneinheit (Eingabegeräte, z. B. Maus und Tastatur, des PCs oder Laptops) vorgesehen wird, wobei mittels der Eingabemittel die anwendungsspezifischen Parameter eingestellt werden.
1.4 Strittig ist, ob auch die Merkmale 1.3 (Schnittstellen- und Sensorerkennung) und 1.5 (Rückmeldung) im Dokument E1 vollständig offenbart sind.
1.5 In Bezug auf das Merkmal 1.3 folgte die Einspruchsabteilung der Ansicht der Patentinhaberin, dass das Dokument E1 zwar eine Sensorerkennung, aber keine automatische Schnittstellenerkennung offenbare, da diese eine selbständige Erkennung des Anschlussortes beinhalte (siehe Punkt 2.3.1.1 der Gründe).
1.5.1 Die Beschwerdegegnerin führte dazu ferner aus, dass gemäß Absatz [0008] des Streitpatents die automatische Schnittstellenerkennung "bei Kopplung" der Bedieneinheit und der Lichtschranke erfolge und der Anwender dadurch nicht genötigt sei, "manuell bzw. selbsttätig" eine Datenverbindung zwischen diesen Geräten herzustellen. Ferner seien dort verschiedene mögliche Schnittstellen wie z. B. USB, RS-485, Infrarot-Kommunikation, Bluetooth genannt. All dies impliziere, dass durch die Schnittstellenerkennung auch der Anschlussort erkannt werde.
1.5.2 Die Kammer weist zunächst darauf hin, dass den in Patentdokumenten verwendeten Begriffen die auf dem maßgeblichen technischen Gebiet übliche Bedeutung zu geben ist, sofern ihnen nicht in der Beschreibung ein besonderer Sinn zugewiesen wird. Insbesondere kann ein Patentdokument sein eigenes Wörterbuch darstellen (siehe T 1321/04, Punkt 2.2 der Gründe).
Grundsätzlich sind außerdem gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen, insbesondere, um deren Neuheit und erfinderische Tätigkeit beurteilen zu können (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, Kapitel II.A.6.3.1).
1.5.3 Im vorliegenden Fall ist der Begriff "Schnittstellenerkennung" nach Ansicht der Kammer im Einklang mit seiner üblichen Bedeutung im technischen Gebiet der Sicherheitslichtschranken breit auszulegen und so zu verstehen, dass lediglich die relevanten Parameter der Schnittstelle erkannt werden, z. B. die Baudrate.
In der Beschreibung des Streitpatents wird diesem Begriff auch kein anders lautender besonderer Sinn zugewiesen. Das Patent stellt bezüglich dieses Begriffs also nicht sein eigenes Wörterbuch dar.
In der Beschreibung wird auch nicht explizit angegeben, selbst in den Ausführungsbeispielen nicht, was bei der beanspruchten "Schnittstellenerkennung" konkret erkannt wird. In dem oben erwähnten Absatz [0008] des Patents wird lediglich eine Voraussetzung der Schnittstellenerkennung (Durchführung bei Kopplung der Geräte) und deren Wirkung (Vermeidung einer manuellen Herstellung der Datenverbindung) beschrieben. Beides ist jedoch mit der oben genannten breiten Auslegung des Begriffs im Einklang, wonach nur die relevanten Parameter der Schnittstelle erkannt werden.
Andererseits wird weder in dem zitierten Absatz [0008] noch in einem anderen Teil des Streitpatents beschrieben, dass die Schnittstellenerkennung auch die Erkennung des Anschlussortes beinhaltet. Dies lässt sich auch nicht aus der bloßen Erwähnung verschiedener möglicher Schnittstellen ableiten, da Letztere keineswegs das Erkennen der tatsächlich verwendeten Schnittstelle unter mehreren möglichen Schnittstellen impliziert. Die Kammer sieht daher keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass diese Beschränkung in den beanspruchten Gegenstand hineingelesen werden sollte. Eine solche einschränkende Auslegung des Begriffs "Schnittstellenerkennung" wäre im Übrigen nach Ansicht der Kammer selbst dann nicht angezeigt, wenn die Erkennung des Anschlussortes im Kontext eines besonderen Ausführungsbeispiels beschrieben worden wäre.
Somit ist die beanspruchte "Schnittstellenerkennung" so zu verstehen, dass lediglich die relevanten Parameter der Schnittstelle erkannt werden.
1.5.4 Dokument E1 offenbart (siehe Punkt 4.3, insbesondere Abbildung 4.3-2 der Beschreibung), dass das Startverhalten der Software "SafetyLab" bei Programmstart so eingestellt werden kann, dass sowohl das Sicherheitsgerät als auch die relevanten Kommunikationsparameter der Schnittstelle automatisch erkannt werden.
Folglich ist auch das Merkmal 1.3 im Dokument E1 offenbart.
1.6 Die Einspruchsabteilung war in der angefochtenen Entscheidung ferner der Ansicht, dass "geänderte" Parameter noch nicht aktiv seien, während es sich bei "eingestellten" Parametern um solche handele, welche in der Lichtschranke aktiviert und operationell seien. Die Rückmeldung letzterer werde im Dokument E1 nicht offenbart (siehe Punkt 2.3.1.2 der Gründe).
1.6.1 Die Beschwerdegegnerin teilt die Meinung der Einspruchsabteilung und verweist in dieser Hinsicht insbesondere auf die in Abbildung 2 des Patents gezeigte visualisierte Darstellung einer Anzeigeeinheit, wonach das dort gezeigte Fenster 12 die auf Softwareseite geänderten Parameter betreffe und das Fenster 13 hingegen die auf Hardwareseite eingestellten Parameter.
1.6.2 Ähnlich wie oben für den Begriff "Schnittstellenerkennung" ist die Kammer auch hier der Meinung, dass der Begriff von "eingestellten" Parametern in Übereinstimmung damit, wie er im technischen Gebiet der Sicherheitslichtschranken verwendet wird, breit auszulegen ist und nicht impliziert, dass diese Parameter in dem entsprechenden Gerät aktiviert und operationell sind. Insbesondere beinhaltet er die Möglichkeit, dass die Parameter lediglich - beispielsweise mittels einer Software-Anwendung - geregelt sind, ohne bereits im entsprechenden Gerät aktiviert zu sein.
In der Beschreibung des Streitpatents wird dem Begriff von "eingestellten" Parametern auch kein engerer Sinn zugewiesen, so dass das Patent auch in Bezug auf diesen Begriff nicht sein eigenes Wörterbuch darstellt.
Mehrere Textstellen der Beschreibung handeln von "eingestellten" und "geänderten" Parametern oder entsprechenden Begriffen (siehe die Absätze [0011], [0014], [0037] und [0042]). Dort wird z. B. erwähnt, dass die Parameter "eingestellt bzw. verändert" werden oder die "einzustellenden bzw. zu ändernden" Parameter visualisiert werden. Dies ist nach Ansicht der Kammer gemäß der bei dieser Verwendung von "bzw." üblichen Bedeutung ("oder", "oder vielmehr") so zu verstehen, dass es sich dabei um eine anfängliche Regelung von Parametern handelt oder um eine Regelung, welche von einer früheren, anderen Regelung abweicht. Die oben erwähnte Unterscheidung zwischen "eingestellten" und "geänderten" Parametern, welche auf deren (Nicht-)Aktivierung abhebt, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.
In Bezug auf das von der Beschwerdegegnerin angeführte Ausführungsbeispiel gemäß Abbildung 2 offenbart das Patent einen Ausschnitt einer Anzeigeeinheit 10 mit drei Fenstern 11, 12 und 13, welche den aktuellen Status der Parameter (11), den neuen Status (12) beziehungsweise eine Visualisierung des neuen Status der Parameter (13) betreffen. Dabei wird erwähnt, dass das Fenster 12 Einstellungen anzeigt, welche über die Bedieneinheit "eingestellt bzw. geändert" werden (Absatz [0042]). Außerdem wird im allgemeinen Teil der Beschreibung erwähnt, dass eine schnelle und einfache Konfigurierung der Lichtschranke durch die Visualisierung der "einzustellenden bzw. zu ändernden Parameter" möglich ist (siehe Absatz [0011]). Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Zuordnung, wonach das Fenster 12 "geänderte" Parameter und die im Fenster 13 gezeigte Visualisierung "eingestellte" Parameter betreffe, kann aus dem Streitpatent daher nicht abgeleitet werden.
Schließlich ist festzustellen, dass das Streitpatent überhaupt keine Angabe darüber enthält, dass die Visualisierung Einstellungen von Parametern betrifft, welche in der Lichtschranke aktiviert und operationell sind. Dies wird auch nicht durch irgendeinen offenbarten Teilaspekt der Visualisierung impliziert. Insbesondere wird nicht offenbart, dass die Visualisierung auf der Basis von gemessenen Daten durchgeführt wird.
Die Kammer sieht daher keinen Grund dafür, dass die Beschränkung, wonach es sich bei "eingestellten" Parametern um solche handelt, welche in der Lichtschranke aktiviert und operationell sind, in den beanspruchten Gegenstand hineingelesen werden sollte.
Somit sind die beanspruchten "eingestellten" Parameter so zu verstehen, dass die Parameter geregelt, aber nicht zwingend bereits im entsprechenden Gerät aktiviert sind.
1.6.3 Dokument E1 offenbart (siehe Punkt 6.5.2 der Beschreibung, insbesondere Seite 48) das Übertragen eines Parametersatzes auf das Sicherheitsgerät. Dabei werden die Dateien in einen temporären Speicher im Sicherheitsgerät geladen. Aus Sicherheitsgründen liest die Software die Werte aus dem temporären Speicher zurück und bietet sie in Tabellenform zur Überprüfung an.
Dementsprechend ist auch das Merkmal 1.5 im Dokument E1 offenbart.
1.7 In Anbetracht des Vorstehenden ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
2. Hilfsantrag 1 - Neuheit
2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass "eingestellten" (Merkmal 1.5) durch "an der Sicherheitslichtschranke eingestellten" (siehe das geänderte Merkmal 1.5' unter Punkt V.) ersetzt ist.
2.2 Durch die Änderung werde nach Ansicht der Beschwerdegegnerin klargestellt, dass die Parameter am Gerät aktiviert seien.
2.3 Die Kammer ist jedoch der Meinung, dass die bloße Konkretisierung, dass die Parameter an der Sicherheitslichtschranke eingestellt sind, nicht impliziert, dass die Parameter auch aktiviert und operationell sind. Vielmehr beinhaltet sie aus den oben genannten Gründen (siehe Punkt 1.6.2) die Möglichkeit, dass die Parameter an der Sicherheitslichtschranke geregelt, aber nicht bereits aktiviert sind.
2.4 Wie oben unter Punkt 1.6.3 erwähnt, wird im Dokument E1 beschrieben, dass der Parametersatz in einen temporären Speicher im Sicherheitsgerät gespeichert wird, bevor er aus diesem wieder ausgelesen und dem Nutzer zur Überprüfung angeboten wird.
Das Dokument E1 offenbart daher, dass die Parameter an der Sicherheitslichtschranke (nämlich im temporären Speicher) eingestellt sind, und somit auch das geänderte Merkmal 1.5'.
2.5 Demzufolge ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ebenfalls nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
3. Hilfsantrag 2 - Neuheit
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass das Merkmal 1.6 hinzugefügt ist, wonach die Lichtschranke eine Mehrzahl von Lichtstrahlen mit einzustellender Lichtintensität, Verstärkung am Empfänger und/oder Schaltschwelle am Empfänger aufweist.
3.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, dass das hinzugefügte Merkmal 1.6 dem Dokument E1 nicht zu entnehmen sei.
3.3 Wie oben unter Punkt 1.2 beschrieben, wird die Software "SafetyLab" in Kombination mit Sicherheitslichtvorhängen und Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranken verwendet. Außerdem offenbart Dokument E1 (siehe Punkt 8 der Beschreibung) eine "blanking"-Funktion, d. h. eine Ausblendfunktion. Dabei wird das von der Lichtschranke aufgespannte Schutzfeld so eingerichtet, dass bestimmte Regionen ausgeblendet werden. Dies geschieht durch Deaktivierung bestimmter Strahlen der Lichtschranke oder durch gezielte Regelung des Schwellwerts, welcher die Detektion eines Objekts auslöst. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.
Somit offenbart das Dokument E1 auch eine Mehrzahl von Lichtstrahlen (der Mehrstrahl-Sicherheitslichtschranke) mit einzustellender Lichtintensität, Verstärkung am Empfänger und/oder Schaltschwelle am Empfänger (zur Erzeugung der "blanking"-Funktion).
3.4 Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ebenfalls nicht neu (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 EPÜ 1973).
4. Hilfsantrag 3 - Zulassung
4.1 Der neue Hilfsantrag 3 wurde von der Beschwerdegegnerin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 beantragten, diesen neuen Antrag als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen.
4.2 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK muss die Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdegegnerin enthalten. Die Zulassung von Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin nach Einreichung der Erwiderung steht nach Artikel 13 (1) VOBK im Ermessen der Kammer.
Da der neue Hilfsantrag 3 erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht wurde, steht dessen Zulassung somit im Ermessen der Kammer.
4.3 Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt (Artikel 13 (1) VOBK). Aufgrund der letzten beiden Kriterien müssen Verfahrensbeteiligte Anträge so früh wie möglich einreichen, wenn diese zugelassen und berücksichtigt werden sollen.
4.4 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin keinerlei Gründe für das sehr späte Einreichen des Hilfsantrags 3 angeführt. Der Kammer ist es auch nicht ersichtlich, warum die Beschwerdegegnerin diesen Hilfsantrag nicht bereits viel früher eingereicht hat, z. B. mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen.
Außerdem wirft Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 neue Fragen bezüglich des technischen Charakters des hinzugefügten Merkmals 1.7 auf, welches wegen des beanspruchten Balkendiagramms die Wiedergabe von Informationen zu betreffen scheint. Ferner scheint der neue Hilfsantrag 3 die im schriftlichen Verfahren erhobenen Einwände bezüglich mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber Dokument E1 nicht zweifelsfrei auszuräumen, da dieses Dokument zumindest Teile des hinzugefügten Merkmals 1.7 zu offenbaren scheint.
Die Zulassung dieses Hilfsantrags hätte somit voraussichtlich in der mündlichen Verhandlung zu neuen, langwierigen Diskussionen mit ungewissem Ausgang darüber geführt, inwieweit das hinzugefügte Merkmal technischen Charakter hat und ob der beanspruchte Gegenstand neu ist und eine erfinderische Tätigkeit aufweist.
4.5 Die Kammer übt daher das Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den neuen Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
5. Schlussfolgerung
Da das Patent in der Fassung gemäß der zugelassenen Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2) und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ nicht genügen, ist das Patent zu widerrufen (Artikel 101 (3) (b) EPÜ und Artikel 111 (1) EPÜ 1973).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.