T 1437/14 () of 16.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T143714.20190116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2019
Aktenzeichen: T 1437/14
Anmeldenummer: 05801291.5
IPC-Klasse: A47L 15/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SPÜLGUTTRÄGER FÜR EINE GESCHIRRSPÜLMASCHINE
Name des Anmelders: BSH Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: Electrolux Appliances Aktiebolag
Arçelik Anonim Sirketi
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 5. Mai 2014, das europäische Patent Nr. 1 816 944 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3) a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ, sowie auf Artikel 100(b) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das nach dem Hilfsantrag 1 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:

D1 WO 03/055 375 A1

D20 EP 0 186 157 A1

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 27. Juni 2014 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 4. September 2014 eingereicht.

Gegen diese Entscheidung hat auch die Einsprechende 2 als Beschwerdeführerin am 4. Juli 2014 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 5. September 2014 eingereicht.

IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2018 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 16. Januar 2019 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

V. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang. Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf Basis eines der Hilfsanträge 1-4, die bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorlagen und alle erneut mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden.

VI. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 und die Einsprechende 1 als Verfahrensbeteiligte beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Hilfsweise beantragt die Einsprechende 1 die Bestätigung der angegriffenen Entscheidung.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag

"Spülgutträger (10) für eine Geschirrspülmaschine, umfassend

- einen ersten als Besteckaufnahme (21) ausgebildeten Aufnahmebereich (14), auf dem Besteckteile (40) liegend ablegbar sind,

- einen zweiten Aufnahmebereich (15) für Spülgut (40, 41) mit wenigstens einem Spülguthalter (30),

dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Spülguthalter (30) über eine gegenüber der Horizontalen geneigte oder neigbare Auflagefläche (34) für das Spülgut (40, 41) verfügt und

- der erste Aufnahmebereich (14) und der zweite Aufnahmebereich (15) im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene liegen."

Hilfsantrag 1

Wie im Hauptantrag, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"...- [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass] wobei der wenigstens eine Spülguthalter (30) über eine gegenüber der Horizontalen geneigte oder neigbare Auflagefläche (34) für das Spülgut (40, 41) verfügt und

- wobei der erste Aufnahmebereich (14) und der zweite Aufnahmebereich (15) im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene liegen,

dadurch gekennzeichnet,

dass in den Spülguthalter (30) eine Mehrzahl an zweiten Besteckaufnahmen (31, 32, 33) derart integriert ist, dass die in dem zweiten Aufnahmebereich (15) angeordneten Besteckteile (40), durch die zweiten Besteckaufnahmen gehaltert, senkrecht zur Längserstreckung der Auflagefläche (34) des Spülguthalters (30) anordenbar sind."

Hilfsantrag 2

Wie im Hilfsantrag 1, wobei am Ende der folgende Wortlaut eingefügt wurde: "wobei die zweiten Besteckaufnahmen (31, 32, 33) Besteckauflagen und Besteckhalter ausbilden, die durch eine Profilierung des oberen Abschnitts des Spülguthalters (30) realisiert sind".

Hilfsantrag 3

Wie im Hauptantrag, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"...- [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass] wobei der wenigstens eine Spülguthalter (30) über eine gegenüber der Horizontalen geneigte oder neigbare Auflagefläche (34) für das Spülgut (40, 41) verfügt und

- wobei der erste Aufnahmebereich (14) und der zweite Aufnahmebereich (15) im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene liegen,

dadurch gekennzeichnet,

dass die ersten Besteckaufnahmen (21) und der zumindest eine Spülguthalter (30) einstückig ausgebildet sind und grobmaschig aus einem Kunststoff gefertigt sind."

Hilfsantrag 4

Wie im Hauptantrag, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"...- [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass] wobei der wenigstens eine Spülguthalter (30) über eine gegenüber der Horizontalen geneigte oder neigbare Auflagefläche (34) für das Spülgut (40, 41) verfügt und

- wobei der erste Aufnahmebereich (14) und der zweite Aufnahmebereich (15) im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene liegen,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Spülgutträger (10) einen Grundkorb (11) aus einem umlaufenden Drahtgestell (12) und quer oder längs zur Einschubrichtung (18) verlaufenden Drähten (13) aufweist und die ersten Besteckaufnahmen (21) und der zumindest eine Spülguthalter (30) jeweils als Einsatz lösbar an dem Grundkorb (11) befestigt sind und dass die ersten Besteckaufnahmen (21) und der zumindest eine Spülguthalter (30) einstückig ausgebildet sind und grobmaschig aus einem Kunststoff gefertigt sind."

VIII. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 und die Einsprechende 1 als Verfahrensbeteiligte haben zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D1. Die Hilfsanträge 1-4 seien nicht zuzulassen. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-4 werde durch eine Kombination von D1 und D20 nahegelegt.

IX. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber D1. Die Hilfsanträge 1-4 seien zuzulassen. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-4 werde nicht durch eine Kombination von D1 und D20 nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft einen Spülgutträger für eine Geschirrspülmaschine, der zwei im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene liegende Aufnahmebereiche (14, 15) für Spülgut aufweist. Der zweite Aufnahmebereich (15) umfasst wenigstens einen Spülguthalter (30), der über eine gegenüber der Horizontalen neigbare oder geneigte Auflagefläche (34) für das Spülgut verfügt (Figur 1 des Streitpatents).

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach der Spülgutträger nach Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber D1 sei.

3.2 Das Dokument D1 offenbart unbestritten einen Besteckkorb in Form eines Spülgutträgers mit einem ersten als Besteckaufnahme ausgebildeten Aufnahmebereich (3) und einem zweiten Aufnahmebereich (2, 6) mit wenigstens einem Spülguthalter (Figur 2: senkrechte Elemente). Dieser Aufnahmebereich ist über ein Schwenkgelenk (4) schwenkbar, so dass sein Boden als Auflagefläche neigbar ist. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet jedoch, dass der absenkbare Teilbereich 2 einen Spülguthalter darstelle, da er nicht als Halter wirke.

3.3 Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus den folgenden Gründen nicht anschließen:

Laut Brockhaus Wahrig - Deutsches Wörterbuch wird ein Halter als Vorrichtung angesehen, die etwas festhält. Ein Spülguthalter ist nach dieser Definition eine Vorrichtung, die Spülgut festhält. Eine solche Vorrichtung wird auch in D1 offenbart, wo Spülgut wie Vorlegebestecke oder Bestecke mit größeren Abmessungen im absenkbaren Teilbereich 2 des Besteckkorbs aufgenommen werden (Seite 3, Zeilen 36 und 37). Alternativ könnten dort auch kleinere Spülgutteile aufgenommen werden, indem sie zwischen die durch senkrechte Linien dargestellten Elementen gelegt werden. In beiden Fällen hält der Boden des absenkbaren Teilbereichs 2 das Spülgut fest, da er verhindert, dass es infolge der Schwerkraft nach unten fällt. Zusammen mit der seitlichen Wand 6 bildet der absenkbare Teilbereich 2 daher einen Spülguthalter.

Der unbestritten horizontal ausgerichtete Restbereich 3 des Besteckkorbs ist mit dem absenkbaren Teilbereich 2 durch ein Schwenkgelenk 4 verbunden. Wegen dieses Gelenks ist der absenkbare Teilbereich 2 gegenüber der Horizontalen neigbar. Wegen ihrer Verbindung über das Schwenkgelenk 4 liegen die beiden Bereiche 2 und 3 zudem im Wesentlichen in einer horizontalen Ebene.

3.4 Aus diesen Gründen offenbart das Dokument D1 einen Spülgutträger mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrags. Da der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu ist, ist der Hauptantrag nicht gewährbar (Artikel 52 und 54 EPÜ).

4. Hilfsanträge - Zulassung

4.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 und die Einsprechende 1 als Verfahrensbeteiligte vertreten die Auffassung, dass die mit der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin eingereichten Hilfsanträge 1-4 nicht zugelassen werden sollten. Unter anderem seien die Hilfsanträge nicht konvergent.

4.2 Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus den folgenden Gründen nicht anschließen:

4.2.1 Die angegriffene Entscheidung ist auf Basis von Hilfsantrag 1 ergangen. Die Kammer sieht keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Nichtzulassung eines Antrags, der von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen wurde.

4.2.2 Die bereits erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 2-4 wurden erneut mit der Erwiderung der Patentinhaberin auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 eingereicht. Weder die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 noch die Einsprechende 1 als Verfahrensbeteiligte haben in den Hilfsanträgen 2-4 inhaltliche Unterschiede zu den erstinstanzlich vorgelegten Versionen der Anträge aufgezeigt, und das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall. Die Kammer sieht daher keinen triftigen Grund, diese Anträge anders als inhaltsgleich zu betrachten und sie als verspätet zurückzuweisen. Im Hinblick auf die gerügte mangelnde Konvergenz der Anträge betrifft die Rechtsprechung zur Nichtzulassung von nicht konvergierenden Hilfsanträgen hauptsächlich Anträge, die erst nach Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung eingereicht wurden, und somit dem Ermessen der Kammer nach Artikel 13 VOBK unterlagen, vgl. RdBK IV.E.4.4.4 und die darin zitierten Entscheidungen.

4.2.3 Aus diesen Gründen entschied die Kammer, die Hilfsanträge in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12(4) VOBK).

5. Hilfsanträge - erfinderische Tätigkeit

5.1 Ausgehend vom Ausführungsbeispiel der D1 stellt sich unbestritten die objektive technische Aufgabe, den Spülgutträger in die Praxis umzusetzen. In den Figuren 1 und 2 der D1 ist er nur in Höhen- und Breitenrichtung der Geschirrspülmaschine dargestellt. Daher muss der Fachmann den Spülgutträger zur Lösung dieser Aufgabe auch in Richtung seiner Längserstreckung ausgestalten. Die Parteien stimmen darin überein, dass sich die senkrechten Linien im absenkbaren Teilbereich 2 der D1 auf eine Mehrzahl von zweiten Besteckaufnahmen beziehen, und dass der Fachmann das in D1 genannte Dokument D20 berücksichtigen könnte.

Die Kammer muss deswegen klären, wie der Fachmann diese zweiten Besteckaufnahmen im Lichte der D20 oder seines allgemeinen Fachwissens ausgestalten wird.

5.2 Hilfsantrag 1

Im Hinblick auf Hilfsantrag 1 vertritt die Patentinhaberin unter Verweis auf die Figuren 1-3 der D20 die Ansicht, dass das Dokument den Fachmann höchstens dazu veranlassen könnte, die zweiten Besteckaufnahmen in Breitenrichtung des Spülgutträgers anzuordnen. Da solche Besteckaufnahmen nicht in Längserstreckung der Auflagefläche des Spülguthalters verliefen, seien die Besteckteile darin nicht senkrecht zur Längserstreckung anordenbar.

Die Kammer sieht das anders. Die Figur 4 der D20 offenbart nämlich einen Spülgutträger 5 mit zwei Aufnahmebereichen für Spülguthalter in Form von Korbeinsätzen 8, wobei jeder der Spülguthalter eine Mehrzahl von Besteckaufnahmen 9a und 9b aufweist. Laut der Beschreibung zeigt dabei der rechtsliegende Korbeinsatz die Anordnung der Besteckaufnahmen für Linkshänder, und der linke Korbeinsatz die Anordnung für Rechtshänder (Seite 8, Zeilen 6-10). Ein Fachmann wird diese Anordnung nur in dem Sinne verstehen, dass sich ein Benutzer beim Ein- oder Ausräumen der Besteckteile vor der in Figur 4 horizontal dargestellten unteren Kante des Spülgutträgers 5 befindet. Anderenfalls wäre die Unterscheidung zwischen Rechts- und Linkshändern bedeutungslos. Da der Spülgutträger 5 zum Ein- oder Ausräumen in vertikaler Richtung der Figur 4 aus der Geschirrspülmaschine herausgezogen werden muss, sind die Besteckaufnahmen 9a und 9b nicht in Breitenrichtung des Spülgutträgers angeordnet. Stattdessen sind sie in Richtung der Längserstreckung des Spülgutträgers angeordnet, so dass die dargestellten Besteckteile senkrecht zur Längserstreckung der Auflagefläche des Spülguthalters angeordnet sind. Die Besteckteile sind daher in Figur 4 der D20 in der anspruchsgemäßen Richtung anordenbar.

Das Argument der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, wonach der Besteckkorb in Figur 4 komplett aus der Geschirrspülmaschine herausgenommen sei, so dass keine eindeutige Orientierung der Besteckaufnahmen erkennbar sei, überzeugt die Kammer nicht. Stattdessen entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Besteckkorb zum Ein- und Ausräumen nicht aus der Geschirrspülmaschine entnommen wird, sondern schubladenartig herauszogen wird. Das wird explizit in D20 angesprochen (Seite 6, Zeile 31). Der in Figur 4 dargestellte Rahmen 7 deutet ebenfalls darauf hin, dass der Besteckkorb sich noch teilweise innerhalb der Geschirrspülmaschine befindet, da ein solcher Rahmen üblicherweise in der Geschirrspülmaschine geführt wird (D20, Seite 5, Zeilen 31-33; Seite 6, Zeilen 13-16). Daher ist eine eindeutige Zuordnung der Besteckaufnahmen 9a und 9b im Sinne einer Anordnung in Richtung der Längserstreckung des Spülgutträgers möglich.

Auch das weitere Argument der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, wonach die Form der Besteckaufnahmen 9a und 9b der D20 bei einer Übernahme in D1 dazu führe, dass Besteckteile beim Neigen des absenkbaren Bereichs verrutschen und damit nicht mehr gehaltert würden, überzeugt die Kammer nicht. Selbst wenn die Besteckteile beim Neigen des absenkbaren Bereichs 2 verrutschen, verhindert die seitliche Wand 6, dass sie aus dem Spülgutträger herausfallen (D1, Figur 2). Da die verrutschten Besteckteile weiterhin auf den zweiten Besteckaufnahmen aufliegen und nicht nach unten fallen, werden sie auch im Falle des Verrutschens von den zweiten Besteckaufnahmen gehaltert. An diesem Befund ändert der in D1 offenbarte maximale Neigungswinkel von 90° gegenüber der Horizontalen nichts (Seite 2, Zeilen 16 und 17: "270°"), da er von der Kammer nicht als realistischer Einsatzbereich bei einer Bestückung des Spülguthalters mit Besteckteilen angesehen wird. Stattdessen wird ein Fachmann einen deutlich geringeren Neigungswinkel wählen, siehe Figur 2. Bei einem solchen Winkel dringen die Besteckteile in die Aussparungen zwischen den zweiten Besteckaufnahmen ein, werden dadurch am Verrutschen gehindert und daher durch die Besteckaufnahmen gehaltert (D20, Figur 8: Messerschneide zwischen den beiden Besteckaufnahmen 9b).

Durch diese Anordnung der Besteckaufnahmen in Richtung der Längserstreckung des Spülgutträgers, und somit zum Boden als Auflagefläche, sind über mehrere Besteckaufnahmen gehalterte Besteckteile senkrecht zur Auflagefläche angeordnet.

Aus diesen Gründen offenbart eine Kombination der Dokumente D1 und D20 alle Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, so dass sein Gegenstand nahegelegt wird.

5.3 Hilfsantrag 2

Im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 offenbart das Dokument D20 zweite Besteckhalter in Form von Zahnleisten 9a und Leisten 9b (Figuren 4, 15 und 16). Es wurde nicht bestritten, dass die wellenförmige bzw. sägezahnförmige Auflagefläche der Besteckhalter 9b eine Profilierung des oberen Abschnitts des Spülguthalters darstellt, und das ist auch aus Sicht der Kammer der Fall. Da bei den Zahnleisten 9a die Zahnspitzen gegenüber der Zahnbasis hervorstehen, bewirken auch die Zahnleisten 9a eine Profilierung des oberen Abschnitts des Spülguthalters.

Das gegenüber dem Hilfsantrag 1 zusätzliche Merkmal wird daher ebenfalls in D20 offenbart, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 aus den in Absatz 5.2 genannten Gründen nahegelegt wird.

5.4 Hilfsanträge 3 und 4

Im Hinblick auf die Hilfsanträge 3 und 4 offenbart D20 bereits einen grobmaschig aus Kunststoff gefertigten Spülguthalter (Seite 10, Zeile 29; Seite 11, Zeilen 12-14) und einen Grundkorb aus einem umlaufenden Drahtgestell mit quer und längs zur Einschubrichtung verlaufenden Drähten (Seite 5, Zeile 23, Seite 11, Zeilen 13 und 14; Figuren 5-7), an dem der erste als Besteckaufnahme ausgebildete Aufnahmebereich und der zweite Aufnahmebereich mit dem Spülguthalter gemeinsam oder jeweils als Einsatz lösbar befestigt sind (Seite 6, Zeilen 1 und 2).

Die Kammer muss deswegen nur noch klären, ob der Fachmann die aus D1 bekannten ersten Besteckaufnahmen im ersten Aufnahmebereich (3) und den Spülguthalter im zweiten Aufnahmebereich (2, 6) einstückig ausbilden würde. Aus den folgenden Gründen ist die Kammer davon überzeugt, dass der Fachmann auf naheliegende Weise zu einer einstückigen Ausbildung der ersten Besteck-aufnahmen und des zumindest einen Spülguthalters gelangt:

5.4.1 Gemäß einer ersten Sichtweise wird der Fachmann ohne weiteres, wenn er gewillt ist, den Korb nach D1 zu vereinfachen, diesen einstückig ausgestalten und dabei auf ein Gelenk (4) zwischen den ersten Besteckaufnahmen im ersten Aufnahmebereich (3) und dem Spülguthalter im zweiten Aufnahmebereich (2, 6) der D1 verzichten.

Das Gelenk bewirkt, dass im Nichtbedarfsfall der Raum im Spülbehälter optimal ausgenutzt werden kann (D1, Seite 1, Absatz 3), dadurch dass der Besteckkorbteil wieder in seine 180° Position zurückgeschwenkt wird (Seite 4, letzter Absatz). Die Ausgestaltung ist kompliziert, da einerseits Arretierungsmittel vorgesehen werden müssen, um ein ungewünschtes Absenken zu verhindern, und andererseits das Gelenk so ausgestaltet sein muss, dass ein bequemes Reinigen und Verstellen stets möglich ist (D1, Brückenabsatz zwischen den Seiten 3 und 4; Seite 4, Absatz 4).

Gegenüber diese komplexe Anordnung stellt eine einstückige Ausführung der beiden Korbteile in der geneigten Stellung (Figur 2) sowohl eine bauliche als auch herstellungstechnische Vereinfachung der Anordnung nach D1 dar, da nun auf das Schwenkgelenk und solche Arretierungsmittel verzichtet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Vereinfachung komplizierter Technologien zumindest dann als Teil der normalen Tätigkeit des Fachmanns anzusehen, wenn zu erwarten ist, dass die durch die Vereinfachung erzielten Vorteile die daraus resultierende Leistungsminderung wettmachen (RdBK, 8. Auflage 2016, I.D.9.18.6). Der Fachmann ist somit immer bestrebt, in Abwägung der Vor- und Nachteile bauliche und herstellungstechnische Vereinfachungen vorzunehmen. Ob er ohne weiteres eine bestimmte Vereinfachung vornimmt, ist von Fall zu Fall zu entscheiden, und hängt u.a. davon ab, ob er die Vor- und Nachteile erkennt, und ob die Nachteile nicht so schwer wiegen, dass es nicht zumutbar oder sinnvoll ist, eine solche Abwägung vorzunehmen.

In diesem Fall gehen die Vor- und Nachteile eines Weglassens des Schwenkgelenks aus der D1 hervor, siehe oben. Der Nachteil, den Raum im Spülbehälter im Nichtbedarfsfall nicht mehr optimal benutzen zu können, steht den Vorteilen eines einfacheren Aufbaus sowie einer vereinfachten Herstellung und damit zusammenhängenden Kostenersparnis gegenüber. Dieser Nachteil wiegt auch nicht so schwer, dass der Fachmann auf eine Abwägung verzichten würde. Insbesondere dann, wenn der Nichtbedarfsfall nie oder selten auftritt, oder Kosten- bzw. Preisvorgaben vorliegen, würde der Fachmann ohne weiteres eine solche Abwägung vornehmen.

Um den Spülgutträger der D1 zu vereinfachen wird der Fachmann daher auf das Gelenk verzichten und den zweiten Aufnahmebereich in abgesenkter Position mit dem ersten Aufnahmebereich verbinden, um weiterhin Besteckteile mit größeren Abmessungen aufnehmen zu können. Diese Ausgestaltung verhindert - wie von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin vorgetragen - zwar im Nichtbedarfsfall eine optimale Raumnutzung des Spülbehälters. Die daraus resultierende Leistungsminderung wird jedoch durch die vom Fachmann erwartbare einfachere und billigere Herstellung aufgrund des Verzichts auf ein Gelenk und die Arretierungsmittel wettgemacht.

Das Argument der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, wonach die Einstellbarkeit des absenkbaren Teilbereichs die unverzichtbare, wesentliche Lehre der D1 sei, überzeugt die Kammer nicht. D1 geht nämlich vom Spülgutträger der D20 aus, in den überhaupt keine Besteckteile mit größeren Abmessungen eingesetzt werden können (D1, Seite 1, Absatz 2). Daher stellt bereits die Möglichkeit, im Bedarfsfall solche Besteckteile aufnehmen zu können, die Verbesserung gegenüber D20, und damit die wesentliche Lehre der D1 dar. Diese Möglichkeit ist auch bei einer gelenklosen, einstückigen Ausgestaltung der ersten Besteckaufnahmen und des zumindest eine Spülguthalters gegeben.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Rechtsprechung ist eine gelenklose, einstückige Ausgestaltung der ersten Besteckaufnahmen und des zumindest einen Spülguthalters nach Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 4 das Ergebnis der normalen Tätigkeit des Fachmanns.

5.4.2 Gemäß einer zweiten Sichtweise wird der Fachmann bei der einstückigen Ausgestaltung ein Gelenk zwischen den ersten Besteckaufnahmen im ersten Aufnahmebereich und dem Spülguthalter im zweiten Aufnahmebereich der D1 beibehalten.

Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat überzeugend dargelegt, dass ein Fachmann den beanspruchten Spülguthalter mit einer neigbaren Auflagefläche bei einer einstückigen Ausbildung aus Kunststoff dadurch realisieren kann, dass er zwischen dem ersten Aufnahmebereich mit den ersten Besteckaufnahmen und dem zweiten Aufnahmebereich mit dem Spülguthalter ein Filmscharnier anordnet.

Die Kammer ist ebenfalls davon überzeugt, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Geschirrspülmaschinen mit den üblichen Lösungen der Kunststoffverarbeitung vertraut ist. Insbesondere, da viele Bauteile einer Geschirrspülmaschine aus Kunststoff bestehen. Vor die Aufgabe gestellt, eine Alternative zu der zweiteiligen Ausgestaltung mit einem Schwenkgelenk der D1 zu finden, wird der Fachmann daher auf naheliegende Weise anhand seines Fachwissens zu einer einteiligen Ausgestaltung mit einem Filmscharnier gelangen.

5.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-4 wird bei beiden Sichtweisen durch eine Kombination der Dokumente D1 und D20 nahegelegt.

6. Weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge 1-4 sind gewährbar, da Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber D1 ist bzw. Anspruch 1 der Hilfsanträge gegenüber einer Kombination von D1 und D20 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 54 und 56 EPÜ. Auch unter Berücksichtigung der in den Hilfsanträgen gemachten Änderungen genügt das Patent somit nicht den Erfordernissen des EPÜ und ist daher nach Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Europäische Patent Nr. 1 816 944 wird widerrufen.

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