T 1295/14 () of 31.3.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T129514.20170331
Datum der Entscheidung: 31 März 2017
Aktenzeichen: T 1295/14
Anmeldenummer: 06009837.3
IPC-Klasse: B66C 23/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kran
Name des Anmelders: Liebherr-Werk Ehingen GmbH
Name des Einsprechenden: Manitowoc Crane Group Germany GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 7. April 2014 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1752411 aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.

II. Die Beschwerde der Einsprechenden wird mit mangelnder Neuheit und dem Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1 begründet.

Folgende Beweismittel sind benannt:

(GMK5200): behauptete offenkundige Vorbenutzung, gezeigt in den Dokumenten

(D7): Blatt Notbetrieb nach ZH1/461 für GMK5200

(D15): Ersatzteilliste 660 GMK5200

(D16): Ersatzteilliste 740 GMK5200

(D1): DE 3639 709 A1;

(D2): EP 0745 528 A2.

III. Nach der Ladung der Kammer zur mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende/Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. März 2017 mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wird und dass sie nicht weiter vortragen wird.

IV. Die Einsprechende/Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags, vorgelegt mit der Beschwerdeerwiderung.

V. Der Anspruchs 1 wie erteilt lautet wie folgt:

Kran mit einem Unterwagen (2), auf dem ein Oberwagen (3) um eine aufrechte Achse (4) drehbar angeordnet ist, sowie mehreren vorzugsweise hydraulischen Stellaggregaten (P1, P2, P3, P4, P5, P6) zur Erzeugung von Kranbewegungen und einem am Oberwagen (3) vorgesehenen Kranmotor (10) zum Antreiben der Stellaggregate (P1, P2, P3, P4, P5, P6), wobei der Kranmotor (10) an einem zum Transport vom restlichen Oberwagen demontierbaren, separat transportierbaren Oberwagenrahmenteil (7) gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eines der Stellaggregate (P1, P2, P3, P4), die am Oberwagen (3) angeordnet sind, durch eine Antriebsverbindung (15) mit einem Unterwagenmotor (14) verbindbar und von letzterem antreibbar ist.

VI. Die Argumente der Beschwerde­führerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei durch die offenkundige Vorbenutzung GMK5200 vorweggenommen. Diese sei insbesondere in den Dokumenten D7, D15 und D16 beschrieben. Dort sei offenbart, dass auch das Merkmal f) offenbart sei, wonach zumindest eines der Stellaggregate, die am Oberwagen angeordnet sind, durch eine Antriebsverbindung mit einem Unterwagenmotor verbindbar und mit letzterem antreibbar ist.

D7 offenbare die Schaltung eines Notbetriebs für den Oberwagen. Die Details des Notbetriebs seien der D16 zu entnehmen. Aus diesen Dokumenten könne der Verlauf der Hydraulikleitungen vom Unterwagen zum Oberwagen entnommen werden. Der sachkundige Fachmann erkenne, dass damit der Oberwagen notversorgt werden könne. Die Anschlussstellen der Hydraulikleitungen, die in der D7 als Schnittstellen bezeichnet würden, gäben dann auch die Lage der Leistungsversorgung an, was im Fall der Notversorgung des Oberwagens bedeute, dass die Aggregate im Unterwagen anzuordnen seien. Dabei sei es eine glatte Selbstverständlichkeit, dass im Falle einer Leistungsversorgung durch den Unterwagen dies ein Unterwagenmotor sein müsse.

Auch das Dokument D1 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents.

Das Merkmal d), wonach ein Motor am Oberwagen vorgesehen sei, ergebe sich zwangsläufig durch die Passage der D1 in Spalte 1, Zeilen 67 ff. Da die Verwendung des Unterwagenmotors zum Antrieb der im Oberwagen angeordneten Aggregate als nicht wirtschaftlich diskutiert werde, sei damit aber die grundsätzliche Möglichkeit dies zu tun erwähnt und damit das Merkmal d) offenbart.

Da das Merkmal "Oberwagenrahmenteil" nicht weiter spezifiziert sei, könne Merkmal e), wonach der Kranmotor an einem zum Transport vom restlichen Oberwagen demontierbaren, separat transportierbaren Oberwagenrahmenteil gelagert sei, keinen Unterschied zu D1 begründen. Letztlich lasse sich jeder Motor zu Wartungszwecken ausbauen, entnehmen und separat transportieren.

Auch sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nahegelegt, ausgehend von D1, kombiniert mit D2.

D2 offenbare schließlich einen Kranmotor, der an einem zum Transport vom restlichen Oberwagen demontierbaren, separat transportierbaren Oberwagenrahmenteil gelagert sei.

VII: Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Die Dokumente D7, D15 und D16, die die behauptete offenkundige Vorbenutzung erklären sollen, beschreiben nicht, wie der Notbetrieb genau aussehe. Es sei lediglich offenbart, dass Hydraulikleitungen vom Oberwagen zum Unterwagen liefen, dabei bleibe aber offen, wie der Antrieb für den Oberwagen aussehe.

Insbesondere sei nicht offenbart, dass der Unterwagenmotor den Antrieb übernehme. Des Weiteren sei nicht eindeutig und unmittelbar den Dokumenten zu entnehmen, dass der Oberwagenmotor auf einem Teilrahmen gelagert sei, der zu Transportzwecken demontiert werden könne.

Des Weiteren werde bestritten, dass es sich bei der offenkundigen Vorbenutzung um einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ handele.

Das Dokument D1 offenbare nicht die Merkmale d) und e), da D1 überhaupt keinen Motor im Oberwagen zeige. D1 weise zwar zwei Motoren auf, diese seien aber beide im Unterwagen angebracht. Schon von daher könne D1 nicht die Neuheit in Frage stellen. Auch die Kombination mit D2 lege dem Fachmann die streitgegenständliche Erfindung nicht nahe. Der Fachmann habe - ausgehend von D1 - keinen Hinweis, eine Verbindung vom Oberwagen zum Unterwagen zum Zwecke einer Notversorgung vorzusehen. Die D2 liefere keinen Hinweis, die Stellaggregate eines Krans, die an sich von einem Kranmotor am Oberwagen angetrieben werden, für den Selbstaufbau bei noch demontiertem Oberwagen-Kranmotor durch einen Unterwagen-Antriebsmotor anzutreiben. Der Kran der D2 scheine gar keinen Unterwagenmotor aufzuweisen, so dass sich die Idee der Unterstützung des Aufbaus mit dem Aggregat des Unterwagens der D2 nicht entnehmen lasse.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 54 (1) und 56 EPÜ.

Die Kammer folgt in ihren Betrachtungen uneingeschränkt der Auffassung der Einspruchsabteilung, die in der Entscheidung vom 7. April 2014 dargelegt wurde.

Im Einzelnen:

3. Unter der Annahme, dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung GMK5200 tatsächlich stattgefunden hat und dass das vorbenutzte Objekt einer Zusammenschau der Dokumente D7, D15 und D16 entnehmbar ist, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, weist dieses Objekt nicht das Merkmal f) des strittigen Anspruchs 1 auf, nämlich,

dass zumindest eines der Stellaggregate, die am Oberwagen angeordnet sind, durch eine Antriebsverbindung mit einem Unterwagenmotor verbindbar und mit letzterem antreibbar ist.

3.1 Insbesondere offenbaren die Dokumente D7, D15 und D16 nicht, wie der Notbetrieb ZH1/461 OW funktionieren soll. So sind in D7 Kupplungsstellen gezeigt, die mittels eines Transformators zusammengeschlossen werden. Dabei bleibt es offen, wie der Antrieb im Notbetrieb aussieht und ob ein oder mehrere Stellaggregate des Oberwagens gemäß der Vorgabe des Merkmals f) durch einen Unterwagenmotor antreibbar sind.

Diese Information kann der D15 nicht entnommen werden, vgl. Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 9, erster Absatz.

3.2 Die Einsprechende/Beschwerdeführerin argumentiert dazu lediglich, dass es sich bei dem Antrieb um einen Motor handeln müsse, der Unterwagen die Leistungsversorgung übernehme und dies daher der Unterwagenmotor sei. Nach Ansicht der Kammer ist dies nicht eindeutig und unmittelbar den Dokumenten zu entnehmen: Dabei ist vor allem nicht entnehmbar, dass der Unterwagenmotor für die Leistungsversorgung herangezogen werden kann. Die rechte Spalte der D7 legt vielmehr nahe, dass der Antrieb für den Notfall durch ein weiteres Aggregat sicherzustellen ist. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Lage der Leitungen argumentiert, die eine Verbindung von Ober- und Unterwagen ermöglichten, fehlt es sowohl an Vortrag als auch an Nachweis in den eingereichten Dokumenten, dass die Leitungen im Notantrieb tatsächlich eine Verbindung der Stellaggregate des Oberwagens mit dem Motor des Unterwagens herstellen. Wie oben dargelegt, ist die Möglichkeit des Anschlusses der Stellaggregate an ein Hilfsaggregat, das im Notfall den Antrieb bewirkt, eine aus technischer Sicht mögliche Ausgestaltung. Damit fehlt es an den Voraussetzungen "eindeutig und unmittelbar" für eine implizite Offenbarung einer Notverbindung mit dem Unterwagenmotor.

3.3 Damit kann es auch dahingestellt bleiben, ob die behauptete offenkundige Vorbenutzung einen Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ darstellt.

3.4 Auch die Frage der Nichtzulassung der Dokumente D11 bis D16 (siehe Punkt 6 der angefochtenen Entscheidung), die in der Beschwerdebegründung angesprochen wurde, kann dahingestellt bleiben, da die Dokumente D15 und D16 sowohl von der Kammer (siehe oben) als auch von der Einspruchsabteilung (siehe Punkt 4.3 der angefochtenen Entscheidung) bei der Beurteilung der Frage der Neuheit hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung berücksichtigt worden sind. In Bezug auf die anderen Dokumente D11 bis D14 ist zu bemerken, dass diese weder mit der offenkundigen Vorbenutzung zu tun haben (es handelt sich dabei um Patentschriften) noch werden sie von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung in Bezug auf Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit aufgegriffen.

3.5 Die in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin auf Seite 6 unten enthaltene Angabe betreffend eines Zeugenbeweises oder einer Versicherung an Eides statt "falls hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung weiterer Klärungsbedarf herrschen sollte" ist insbesondere im Hinblick auf den zu beweisenden Sachverhalt völlig unsubstantiiert. Sie kann deshalb nicht als zu einer etwaigen Beweisaufnahme im Sinne von Artikel 117 EPÜ führendes Beweisangebot erachtet werden. Beweisangebote sind nur beachtlich, soweit sie sich auf substantiiert vorgetragenen Sachverhalt beziehen; sie dürfen nicht darauf abzielen, durch Ausforschung der angebotenen Beweismittel Lücken im Vortrag der Partei zu schließen.

Die Beschwerdeführerin hat auf den Hinweis der Einspruchsabteilung, dass Merkmal f den vorgelegten Dokumenten nicht entnehmbar ist (Entscheidungsgründe Seite 9 oben), reagiert, indem sie die Dokumente näher erläutert hat. Sie hat darüber hinaus keinen ergänzenden Sachvortrag gebracht und unter Zeugenbeweis gestellt, der die nach Studium der Dokumente verbleibenden Lücken schließen würde. Eine Zeugenvernehmung war daher nicht veranlasst. Die Funktionsweise des Notbetriebes und hierbei insbesondere eine etwaige Einbeziehung des Unterwagenmotors war daher allein aufgrund der von der Beschwerdeführerin erläuterten Dokumente zu beurteilen.

4. Das Dokument D1 zeigt nicht die Merkmale d) und e) des strittigen Anspruchs 1.

4.1 Die Merkmale d) und e) definieren, dass ein am Oberwagen angeordneter Kranmotor zum Antreiben von Stellaggregaten vorgesehen ist, der auf einem Oberwagenrahmenteil derart montiert ist, dass das Oberwagenrahmenteil für den Transport demontiert werden kann und separat transportierbar ist.

4.2 Diese Merkmale können schon von daher nicht in D1 offenbart sein, da D1 keinen Oberwagenmotor offenbart, siehe auch die angefochtene Entscheidung, Seite 5, dritter Absatz. Auch aus diesem Grund gibt es kein Oberwagenrahmenteil, welches den Motor lagert und das zu Transportzwecken demontiert werden kann. Von daher läuft das Argument der Einsprechenden/Beschwerdeführerin ins Leere, die vorträgt, dass jeder Motor schließlich zu Reparaturzwecken demontierbar sein müsse.

4.3 Der von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin vorgebrachte Mangel an erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 berücksichtigt nicht die Tatsache, dass nicht nur das Merkmal e) (das Oberrahmenwagenteil mit dem darin gelagerten Motor) in D1 nicht offenbart ist, sondern auch nicht das Merkmal d): D1 offenbart, wie festgestellt, im Oberwagenrahmen überhaupt keinen Motor.

Selbst wenn nun der Fachmann einen Motor im Oberwagenrahmen und dort in einem demontierbaren Oberwagenrahmenteil anordnen würde (siehe D2), so bleibt offen, woher er den Hinweis nehmen würde, eine zusätzliche Verbindung zwischen dem Unterwagen und dem Oberwagen anzuordnen, die sowohl das Antreiben eines Stellaggregats von dem Oberwagenmotor als auch vom Unterwagenmotor erlaubt, vgl. Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 12, zweiter Absatz.

Von daher beruht die Sichtweise der Einsprechenden/Beschwerdeführerin auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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