European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T128314.20190729 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Juli 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1283/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05778637.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01H 9/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schalter mit Gehäusezusatzteilen zur Gehäuseanpassung an veränderte Polmittenabstände | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die europäische Patentanmeldung Nr. 05778637.8 zurückgewiesen worden ist.
II. In einer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach der Gegenstand des einzigen der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Antrags unzulässig geändert im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ und zudem im Sinne des Artikels 84 EPÜ nicht klar sei, da das Merkmal "für unterschiedliche Polmittenabstände" des beanspruchten Schalters zum Unterbrechen eines mehrphasigen Wechselstromes im Bereich der Mittelspannung impliziere, dass innerhalb eines Schalters unterschiedliche Polmittelabstände vorgesehen seien.
III. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag sowie Hilfsanträge 1 bis 5 ein. Die Änderung im Hauptantrag zielte darauf ab, die Einwände der Kammer unter Artikel 123 (2) EPÜ zu überwinden.
IV. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 29. Juli 2019 statt.
V. Während der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin sämtliche vormaligen Anträge zurück und reichte einen geänderten einzigen Antrag ein, der auf dem mit Schreiben vom 27. Juni 2019 eingereichten Hauptantrag basierte und in dessen unabhängigem Anspruch 1 das vormalige Merkmal "für unterschiedliche Polmittenabstände" durch "für nicht an das Antriebsgehäuse (12) angepasste Polmittenabstände" ersetzt worden war.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Antrags, der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2019 eingereicht wurde, zu erteilen.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrags der Beschwerdeführerin lautet:
"Schalter (1) zum Unterbrechen eines mehrphasigen Wechselstromes im Bereich der Mittelspannung mit einer der Anzahl der Phasen des Wechselstromes entsprechenden Anzahl von Poleinheiten (10), die jeweils eine von einem Tragrahmen (11) aus Isolierstoff gehaltene Schaltröhre mit relativ zu einander beweglichen Schaltkontakten, die über eine Hebelmechanik mit einem allen Poleinheiten (10) gemeinsamen Antrieb verbunden sind, aufweisen, wobei die Poleinheiten (10) in Polmittenabständen nebeneinander angeordnet sind und der Antrieb in einem Antriebsgehäuse (2) untergebracht ist, das eine von den Poleinheiten (10) abgewandte Frontfläche aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
für nicht an das Antriebsgehäuse (12) [sic] angepasste Polmittenabstände des Schalters Zusatzabdeckungen zur Erweiterung des Antriebsgehäuses (12) [sic] zum Abdecken der erweiterten Antriebsmechanik vorgesehen sind, welche an dem Antriebsgehäuse (2) befestigt sind."
VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der geänderte Antrag sei zuzulassen, da die Verspätung auf die hohe Arbeitsbelastung des vormals zuständigen Sachbearbeiters zurückzuführen sei und der die Verhandlung wahrnehmende Vertreter den Fall kurzfristig übernommen habe. Zudem sei die durchgeführte Änderung auf den Seiten 2, ab Zeile 19 sowie Seiten 3 und 7, jeweils im letzten Absatz der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart. Inhaltlich beseitige die Änderung die mangelnde Klarheit des vormaligen Anspruchs 1.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ist daher zulässig.
2. (Nicht) Zulassung des einzigen Antrags - Artikel 13 (1) VOBK
Die Zulassung eines erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Antrags liegt gemäß Artikel 13 (1) VOBK im Ermessen der Kammer. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Kammern sind an einen derartigen Antrag bestimmte Zulassungsanforderungen zu stellen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, IV.E.4.2.5).
2.1 Zunächst sollte für die Verspätung ein stichhaltiger Grund vorliegen. Bereits hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Allerspätestens seit der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK musste der Beschwerdeführerin bewusst sein, dass das strittige Merkmal "für unterschiedliche Polmittenabstände", das in sämtlichen vormaligen Anträgen enthalten und in keinem davon klargestellt ist, hinsichtlich Artikel 83 und 84 EPÜ zu diskutieren sein wird. Trotzdem hat die Beschwerdeführerin das strittige Merkmal in sämtlichen vormaligen Anträgen bis zur mündlichen Verhandlung unverändert beibehalten. Eine hohe Arbeitsbelastung eines Sachbearbeiters und ein kurzfristiger Sachbearbeiterwechsel ist grundsätzlich nicht als Entschuldigung für spätes Vorbringen anzusehen, da es im Verantwortungsbereich des Vertreters liegt, seine Arbeit so zu organisieren, dass eine sorgfältige Vorbereitung auf eine mündliche Verhandlung gewährleistet ist. Darunter fällt auch die zeitgerechte Vorbereitung bzw. Einreichung geänderter Anspruchssätze.
2.2 Darüber hinaus sollte der verspätet vorgebrachte Antrag die vorliegenden Einwände prima facie überwinden, ohne neue Fragen aufzuwerfen. Auch dieses Kriterium für die Zulassung verspäteten Vorbringens ist nicht erfüllt. Das Ersetzen des für unklar befundenen Merkmals "für unterschiedliche Polmittenabstände" durch das negative Merkmal "für nicht an das Antriebsgehäuse (12) angepasste Polmittenabstände" macht den Anspruch 1 nicht klarer. Im Gegenteil, das Merkmal führt neue unklare Aspekte ein, da die Polmittenabstände nun nicht mehr "unterschiedlich", sondern "nicht angepasst" sind. An welchem Kriterium diese mangelnde Anpassung festgestellt werden kann, sagt das Merkmal nicht mehr aus. Der Einwand mangelnder Klarheit wird daher nicht überwunden.
Das strittige Merkmal ist prima facie auch nicht ursprünglich offenbart, sodass zusätzliche neue Fragen aufgeworfen werden. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Offenbarungsstelle auf Seite 2 betrifft den Stand der Technik und die Tatsache, dass gemäß diesem das Schaltergehäuse an unterschiedliche Polmittenabstände angepasst ist. Als Unterschied der Lehre gemäß der Anmeldung führt der Absatz weiter an, dass "Abweichend hiervon" lediglich die "Antriebswelle verlängert" werde. Die Offenbarungsstelle auf Seite 7 unten betrifft ebenfalls die Anpassung der Länge der Antriebswelle. Die weitere Offenbarungsstelle auf Seite 3 unten betrifft die Erweiterung der Frontfläche des Antriebsgehäuses durch Zusatzabdeckungen. Das strittige Merkmal enthält jedoch weder Information dahingehend, dass gegenüber dem Stand der Technik die Antriebswelle verlängert oder die Frontfläche des Antriebsgehäuses erweitert ist. Die Änderung im einzigen Antrag der Beschwerdeführerin hat somit prima facie keine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Unterlagen.
2.3 Die Kammer hat daher ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
3. Da kein zulässiger Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.