T 1259/14 () of 7.10.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T125914.20151007
Datum der Entscheidung: 07 October 2015
Aktenzeichen: T 1259/14
Anmeldenummer: 07016687.1
IPC-Klasse: C08L 77/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mit flachen Glasfasern verstärkte Hochtemperatur-Polyamidformmassen
Name des Anmelders: EMS-PATENT AG
Name des Einsprechenden: Evonik Degussa GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. EP 2 028 231 (Anmeldenummer 07 016 687.1).

II. Der Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1, insofern relevant für diese Entscheidung, lautet wie folgt:

"Verstärkte Polyamidformmassen mit hoher Kerbschlagzähigkeit, enthaltend teilaromatische Polyamide und flache Glasfasern als ein verstärkendes Medium, gekennzeichnet durch

- eine Polyamidmatrix, enthaltend folgende Komponenten:

(A) 20 bis 60 Gew.-% mindestens eines hochschmelzenden Polyamids [...], aufgebaut aus

(A1) Dicarbonsäuren enthaltend

50 - 100 Mol-% Terephthalsäure, bezogen auf den Gesamtgehalt an anwesenden Dicarbonsäuren,

0 - 50 Mol-% einer anderen aromatischen Dicarbonsäure mit 8 bis 20 Kohlenstoffatomen, bezogen auf den Gesamtgehalt der Säuren,

0 - 50 Mol-% einer aliphatischen Dicarbonsäure mit 6 bis 36 Kohlenstoffatomen,

0 - 50 Mol-% einer cycloaliphatischen Dicarbonsäure mit 8 bis 20 Kohlenstoffatomen,

(A2) Diaminen enthaltend [...]

(A3) Aminocarbonsäuren und/oder Lactamen, enthaltend 0-100 Mol-% [...], und

(B) 40 bis 80 Gew.-% mindestens eines Füllstoffes, enthaltend:

(B1) 40 bis 80 Gew.-% flache Glasfasern mit länglicher Gestalt, wobei die Glasfasern eine nicht kreisförmige Querschnittsfläche und ein Abmessungsverhältnis von der Haupt-Querschnittsachse zur Neben-Querschnittsachse von 2 bis 6, insbesondere von 3 bis 6, ganz besonders bevorzugt von 3,5 bis 5,0 aufweisen,

(B2) 0-30 Gew.-% teilchen- oder schichtförmige Füllstoffe,

(B3) 0-30 Gew.-% Kohlenstoff- und/oder Basalt- und/oder Aramidfasern (p- oder m-Aramidfasern),

(B4) 0-30 Gew.-% Glasfasern mit rundem Querschnitt, und

(C) 0 bis 20 Gew.-% Zusatz- und Hilfsstoffe,

- wobei die Gewichtsprozente der Komponenten (A) bis (C) zusammen 100% ergeben."

III. Anspruch 1 des erteilten Patents hatte folgenden Wortlaut, wobei die für diese Entscheidung relevanten Streichungen bezüglich der Definition der Komponente (B) gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 durch [deleted: Durchstreichung] gekennzeichnet sind:

"[deleted: (B) 40 bis 80 Gew.-% mindestens eines Füllstoffes enthaltend]

(B1) 40 bis 80 Gew.-% flache Glasfasern [...]

(B2) [...]

(B3) [...]

(B4) [...]."

Die Definitionen der Komponenten (B2), (B3) und (B4) sind für diese Entscheidung nicht relevant und sind mit [...] gekennzeichnet.

IV. Gegen das Patent wurden zwei Einsprüche eingereicht. Die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit), Artikel 100(b) EPÜ und Artikel 100(c) EPÜ wurden geltend gemacht.

Der Einspruch des Einsprechenden 1 wurde mit Schreiben vom 10. August 2012 zurückgezogen.

V. Die angefochtene Entscheidung erfolgte auf Grundlage der erteilten Ansprüche als Hauptantrag sowie auf Grundlage der sechs Hilfsanträge.

Gemäß der angefochtenen Entscheidung würde der Hauptantrag den Erfordernissen gemäß Art. 123(2) EPÜ u.a. aufgrund der geänderten Definition der Komponente (B1) nicht entsprechen. Die Hilfsanträge erfüllten nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ, und/oder Artikel 123(2) und (3) EPÜ.

VI. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin die Zurückweisung der Einsprüche, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Ferner wurden sieben Hilfsanträge eingereicht.

VII. Die Einsprechende 2 erwiderte auf die Beschwerdebegründung.

VIII. Es erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie ein Bescheid, in dem die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt wurde.

IX. Mit Schreiben vom 27. August 2015 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag sowie vier neue Hilfsanträge ein, wovon nur der Hauptantrag und der vierte Hilfsantrag für diese Entscheidung relevant sind.

Ferner wurden zwei Dokumente eingereicht.

Hauptantrag:

Der für diese Entscheidung relevante Teil vom Anspruch 1 hatte den folgenden Wortlaut, wobei die [deleted: Streichungen] gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 wie oben angegeben gekennzeichnet sind, und Hinzufügungen hervorgehoben sind:

"Verstärkte Polyamidformmassen mit hoher Kerbschlagzähigkeit, enthaltend teilaromatische Polyamide und flache Glasfasern als ein verstärkendes Medium, gekennzeichnet durch eine Polyamidmatrix, enthaltend folgende Komponenten:

(A) 20 bis 60 Gew.-% mindestens eines hochschmelzenden Polyamids (...), aufgebaut aus

[(A1)... (A2)...(A3) ...]

[deleted: (B) 40 bis 80 Gew.-% mindestens eines Füllstoffes enthaltend:]

(B1) 40 bis 80 Gew.-% flache Glasfasern mit länglicher Gestalt, wobei die Glasfasern eine nicht kreisförmige Querschnittsfläche und ein Abmessungsverhältnis von der Haupt-Querschnittachse zur senkrecht dazu stehenden Neben-Querschnittsachse von 2 bis 6, insbesondere von 3 bis 6, ganz besonders bevorzugt von 3,5 bis 5,0 aufweisen,

[deleted: (B]2[deleted: ) [...]]

[deleted: (B]3[deleted: ) [...]]

[deleted: (B]4[deleted: ) [...]]

(C) 0 bis 20 Gew.-% Zusatz- und Hilfsstoffe,

- wobei die Gewichtsprozente der Komponenten (A) bis (C) zusammen 100% ergeben.".

Die Definition der Komponente (A) war mit der des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 identisch und ist mit [...] gekennzeichnet.

Vierter Hilfsantrag:

Der vierte Hilfsantrag bestand aus sieben unabhängigen Ansprüchen. Anspruch 1 hatte den folgenden Wortlaut:

"Verstärkte Polyamidformmassen bestehend aus

50 Gew.-% Polyamid 6T/6I (70:30) mit einem Mn von ca. 11.000 g/mol, mit einer Lösungsviskosität, gemessen in m-Kresol (0,5 Gew.-%, 20°C) von etarel = 1,57 und einem Schmelzpunk von wenigstens 270°C (DSC, 11357) und 50 Gew.-% flachen Glasfasern mit länglicher Gestalt, mit einer Länge von 3 mm, mit einer nicht-kreisförmigen Querschnittsfläche und einer Haupt-Querschnittsachse von 28 mym und einer Neben-Querschnittsachse von 7 mym, mit einem Aspektverhältnis der Querschnittsachsen von 4 und mit einer Aminosilanschlichte."

X. Die mündliche Verhandlung fand am 7. Oktober 2015 statt.

Die Beschwerdeführerin zog die Hilfsanträge 1 bis 3 zurück, wodurch der mit Schreiben vom 27. August 2015 eingereichte 4. Hilfsantrag als alleiniger Hilfsantrag übrig blieb.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ

Der Begriff "Matrix" bezeichne lediglich die Polyamidkomponente (A). Die anderen Komponenten (B1) und (C) seien nicht Bestandteile der Matrix. Auch wenn der ursprüngliche Anspruch 1 in dem Sinne interpretiert werden könnte, dass die Matrix die drei Komponenten (A)-(C) umfasse, gehe eindeutig aus der Beschreibung hervor, dass dies nicht der Fall sei. Diese Definition des Begriffs "Matrix" gehe sowohl aus der Beschreibung als auch aus den mit Schreiben vom 27. August 2015 eingereichten Dokumenten hervor.

Die Formulierung des ursprünglichen Anspruchs 1 sei geschlossen, d.h. die Komponenten (A)+(B1)+(B2)+(B3)+(B4)+(C) ergeben zusammen 100 Gew.-% der Formmasse.

Das gleiche gelte für Anspruch 1 des Hauptantrags, bei dem die Mengen der Komponenten (A)+(B1)+(C) zusammen 100 Gew.-% der Formmasse ergeben. Somit seien andere, nicht in dem Anspruch genannte Komponenten ausgeschlossen.

Aus der Gesamtheit der Beschreibung, den Beispielen sowie den weiteren Ansprüchen würde der fachkundige Leser des Weiteren erkennen, dass der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 die Definition insbesondere der Menge der Komponente (B) nicht richtig darstelle.

Somit würde der Leser verstehen, dass die Komponenten (B1)-(B4) jede für sich in den anspruchsgemäß definierten Mengen in der Formmasse anwesend sein können und nicht Bestandteile einer übergeordneten Komponente (B) seien. Somit sei klar, dass ursprünglich offenbart sei, dass die Formmasse 40-80 Gew.-% der flachen Glasfasern (B1) enthalte.

b) Hilfsantrag - Artikel 123(2) EPÜ

Die Ansprüche 1-7 enthalten die wesentlichen Merkmale von Beispielen der ursprünglichen Anmeldung. Weitere Definitionen, z.B. der verwendeten Glasfasern, gingen aus der Beschreibung hervor. Weitere Eigenschaften bzw. Merkmale, z.B. die Angabe des Herstellungsverfahrens sowie der Eigenschaften der erhaltenen Formmassen, wären redundant.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

a) Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ

Anspruch 1 verwende eine offene Definition ("enthaltend"). Somit sei die Formmasse nicht auf die explizit genannten Komponenten (A), (B1) und (C) beschränkt. Nur das Verhältnis der explizit genannten Komponenten zueinander sei durch den Anspruch definiert. Ferner können die Komponenten (B2)-(B4) in unbestimmten Mengen anwesend sein. Es gäbe auch keine Offenbarung dafür, dass die Matrix lediglich aus der Komponente (A) bestehe. Vielmehr, da der Begriff "enthaltend" verwendet werde, sei die Definition der Matrix so, dass andere Polyamidkomponente als die explizit genannte Komponente (A) anwesend sein können. Es sei auch nicht eindeutig, ob "Matrix" nur das Polyamid oder auch die Formmasse als ganzes bezeichne.

Der ursprüngliche Anspruch 1 sei im Hinblick auf die Definition der Komponente (B) sowie dessen Unterkomponenten klar: die Menge von Komponente (B1) - 40-80 Gew.-% flachen Glasfasern - basiere nicht auf der Formmasse oder der Matrix als ganzes, sondern auf der übergeordneten Komponente (B). Das gleiche gelte für die weiteren genannten Komponenten (B2)-(B4).

In Widerspruch hierzu scheine aus der Beschreibung hervorzugehen, dass die Mengen der Komponenten (B1)-(B4) auf der Formmasse als solcher basieren. Aus der weiteren Beschreibung sei jedoch nicht klar, ob die angegebenen Mengen der Füllstoffe (B) auf die Formmasse als ganzes oder nur auf die Komponenten (A)-(C) bezogen seien.

b) Hilfsantrag - Artikel 123(2) EPÜ

Unter anderem würden die Angaben bezüglich der Herstellung sowie der Eigenschaften der erhaltenen Produkte wie in den Beispielen offenbart fehlen. Hierbei könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Herstellung einen Einfluss auf die Eigenschaften der erhaltenen Polymere ausübe.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und festzustellen, dass das Patent in der Fassung des geänderten Hauptantrags vom 27. August 2015, hilfsweise in der Fassung gemäß dem alleinigen Hilfsantrag (entspricht Hilfsantrag 4 vom 27. August 2015) den Voraussetzungen der Artikel 123(2), (3) und 84 EPÜ entspricht. Ferner beantragte sie, die Sache zur Entscheidung hinsichtlich der weiteren Einspruchsgründe an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

XIV. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Zulässigkeit des mit Schreiben vom 27. August 2015 eingereichten Hauptantrags

Die Beschwerdegegnerin erhob keine Einwände bezüglich der Zulässigkeit des Hauptantrags. Dieser kann als bona fide Versuch angesehen werden, die in dem Zwischenbescheid der Kammer aufgezeigten Mängel zu entgegnen. Somit ist der Hauptantrag in dem Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) und 13(3) VOBK).

1.2 Auslegung des Anspruchs 1 des Hauptantrags

1.2.1 Gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags wird eine Polyamidformmasse "enthaltend" teilaromatische Polyamide und flache Glasfasern definiert. Die Formmasse ist durch eine "Polyamidmatrix" gekennzeichnet sowie dadurch, dass sie die nachfolgend genannten Komponenten (A), (B1) und (C) in definierten relativen Mengen enthält.

1.2.2 Gemäß dem allgemeinen Fachwissen bedeutet der Begriff "Matrix" die kohärente, d.h. kontinuierliche Phase einer mehrphasigen polymerischen Zusammensetzung. Diese Bedeutung geht aus der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung ebenfalls hervor (S.2, Z.1-3, S.3, Z.9-12, S.5, Z.4-6 und 25-28 sowie S.17, Z.1-3) und wird durch die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. August 2015 eingereichten Dokumente nicht in Frage gestellt. Hieraus geht hervor, dass die anspruchsgemäße Komponenten (B1) und (C) nicht Teil der Matrix seien.

1.2.3 Der Begriff "enthaltend" ist, nach gängiger Praxis, eine offene Formulierung, welche bedeutet, dass auch weitere, nicht genannte Komponenten in der Formmasse anwesend sein können.

1.2.4 Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass die gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Formmassen enthalten:

- teilaromatische Polyamide

- eine Polyamidmatrix

- mindestens eines hochschmelzenden Polyamids (A)

- flache Glasfaser (B1)

- Zusatz- und Hilfsmittel (C)

wobei die Komponenten (A), (B1) und (C) ferner in definierten relativen Mengen (Gew.-%) zueinander anwesend sind.

Aus der obigen Definition des Begriffs "Matrix" geht hervor, dass diese aus Polyamid besteht. Die Matrix ist gemäß dem Wortlaut des Anspruchs jedoch nicht mit dem spezifisch genannten Polyamid (A) zwangsläufig identisch oder auf diesem beschränkt. Vielmehr kann die Polyamidmatrix aufgrund der offenen Definition des Anspruchs ("enthaltend") undefinierten Mengen andere Polyamide, die von der Komponente (A) unterschiedlich sind, enthalten.

Die gleiche Überlegung bezüglich Art des Polyamids gilt für die Formmasse aus analogen Gründen.

Dass die Formmassen, bzw. die Matrix auch Polyamide, die unterschiedlich von der anspruchsgemäß definierte Komponente (A) sind enthalten können, geht aus der Definition des Polyamids auf S.11, Z.11 bis S.14, Z.8 der ursprünglichen Anmeldung hervor. Auf S. 14 Z.1 steht nämlich, dass konkrete Vertreter für die erfindungsgemäßen Polyamide, "Mischungen aus amorphem Polyamid 6T/6I mit höchstens 40 Mol-% Hexamethylenterephthalamid-Einheiten und mindestens 60 Mol-% Hexamethylenisophthalamid-Einheiten und einem Überschuss von teilkristallinem Polyamid 6T/6I oder 6T/66 mit mindestens 52 Mol-% Hexamethylenterephthalamid-Einheiten" sein können. Solche amorphe Polyamide erfüllen das Merkmal (A1) gemäß Anspruch 1 nicht und entsprechen somit dem hochschmelzenden Polyamid (A) des Anspruchs 1 nicht. Somit ist festzustellen, dass amorphe Polyamide in der Beschreibung als optional anwesende Komponenten dargestellt werden, jedoch nicht als den hochschmelzenden Polyamide zuzuordnende Polyamide.

1.2.5 Aus dem Obenstehenden geht ferner hervor, dass bei der Berechnung der relativen Gew.-% der Komponenten (A), (B1) und (C) nur die Menge der spezifisch genannten Polyamidkomponente (A) zu berücksichtigen ist, und dass die Menge an weiteren Polyamiden, die wie oben erklärt, gemäß dem Wortlaut des Anspruchs und den Angaben der Beschreibung in der Formmasse oder der Matrix anwesend sein können, hierbei nicht eingeschränkt wird.

Ferner ist anzumerken, dass aufgrund der offenen Formulierung des Anspruchs etwaige weitere Komponenten in den Formmassen in unbestimmten Mengen anwesend sein können, z.B. die als (B2)-(B4) im ursprünglichen Anspruch 1 genannten Komponenten.

Anders ausgedrückt, sind bei der Berechnung bzw. Angabe der relativen Mengen (Gew.-%) der Komponenten (A), (B1) und (C) im Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag nur die Mengen von (A), (B1) und (C), nicht jedoch die Menge von etwaigen weiteren vorhanden Polyamiden und/oder weiteren Komponenten (B2)-(B4) wie im ursprünglichen Anspruch 1 definiert.

1.3 Artikel 123(2) EPÜ

1.3.1 Gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 bezog sich die Menge der Komponente (B) ebenfalls nur auf die Komponenten (A)-(C), nicht jedoch auf die Formmasse als ganzes (siehe Absatz 1.2 in Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags). Allerdings wurde in dem ursprünglichen Anspruch 1 eine andere Definition der Komponente (B) als im vorliegenden Anspruch 1 verwendet.

Gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 bestand die Komponente (B) aus bis zu vier Unterkomponenten (B1)-(B4) (siehe Absatz II oben). Aus den definierten Mengen der übergeordneten Komponente (B) (40-80 Gew.-%) sowie die der untergeordneten Komponenten der flachen Glasfasern (B1) (40-80 Gew.-% der Komponente (B)) lässt sich eine Menge der Komponente (B1) auf Basis 100% der Komponenten (A), (B1) bis (B4) und (C) von 16-64 Gew.-% errechnen.

Somit ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 keine Offenbarung für die jetzt definierte Menge von 40-80 Gew.-% flachen Glasfasern (B1) bezogen auf (A), (B1) und (C) gemäß geltendem Anspruch 1.

1.3.2 Auch lässt sich aus der gesamten ursprünglichen Offenbarung keine Stütze für die anspruchsgemäß definierte Menge von Glasfasern entnehmen.

a) Auf S.14, Z.10-20 der ursprünglichen Anmeldung werden die eingesetzten Glasfasern näher definiert.

Erstens werden an dieser Beschreibungsstelle bestimmte Glasfasern offenbart, nämlich Glasfasern, bei denen die kleinere Querschnittsachse eine Länge >= 3 mym aufweist und die Fasern in Form von Schnittglas mit einer Länge von 2-50 mm vorliegen. Diese Merkmale sind jedoch nicht im Anspruch 1 enthalten.

Zweitens wird ab Z.17 die Glasfaserkonzentration in den Formmassen als zwischen 40-80 Gew.-% liegend offenbart. Jedoch geht aus dem Wortlaut dieser Beschreibungsstelle nicht hervor, ob hiermit nur die flachen Glasfasern gemeint sind, oder evtl. auch die gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 optional enthaltenen Glasfasern mit rundem Querschnitt (B4) umfasst sind.

Ferner wird in diesem Teil der Beschreibung die Menge von 40-80 Gew.-% Glasfasern auf die Formmasse, und nicht auf die Komponenten (A), (B1) und (C) bezogen.

Somit geht aus der Offenbarung auf Seite 14 der ursprünglichen Anmeldung nicht hervor, dass der Anteil der flachen Glasfasern (B1) auf Basis der Komponenten (A), (B1) und (C) im Bereich von 40-80 Gew.-% liegt.

b) Der ursprüngliche Anspruch 7, der ebenfalls von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erwähnt wurde, definiert, analog S.14, die Menge der flachen Glasfasern in der Formmasse, nicht jedoch auf Basis der Komponenten (A), (B1) und (C). Folglich kann auch der ursprüngliche Anspruch 7 nicht als Basis für die anspruchsgemäße Definition des Gehalts an flachen Glasfasern dienen.

c) Auch wenn, wie ebenfalls von der Beschwerdeführerin vorgetragen, die Formmassen in verschiedenen Beispielen der Anmeldung Mengen von Glasfasern (B1), die oberhalb des Bereichs von 16-64 Gew.-% liegen enthalten, kann - aus den gleichen Gründen - dies nicht als Offenbarungsbasis für die jetzt beanspruchte Menge der Glasfasern (B1) dienen.

d) Auch die Angabe, z.B. auf S.5, Z.11ff der Beschreibung, dass hohe Anteile an Glasfasern von 50 Gew.-% und mehr bei den Formmassen erforderlich seien, stellt keine Offenbarungsbasis für die jetzt definierte Menge der Glasfasern auf Basis der Komponenten (A), (B1) und (C) dar. Erstens bezieht sich diese Passage, analog S.14, Z.10-20, auf die Mengen in der Formmasse und nicht auf die Komponenten (A), (B1) und (C). Hinzu kommt, dass der erforderliche Mengenbereich von 40-80 Gew.-% nicht genannt wird.

1.4 Zwar ist dem Argument der Beschwerdeführerin, wonach der fachkundige Leser eine Inkonsistenz bzw. einen Widerspruch zwischen der Menge der flachen Glasfasern gemäß Merkmal/Untermerkmal (B)/(B1) des ursprünglichen Anspruchs 1 und verschiedenen Beschreibungsstellen bzw. Beispielen erkennen würde, wie aus dem Obenstehenden hervorgeht, zuzustimmen. Jedoch auch wenn man - zu Gunsten der Beschwerdeführerin - erkennen würde, dass der ursprüngliche Anspruch 1 fehlerhaft ist und die Erfindung, insbesondere im Hinblick auf die Menge der Komponente (B1) und deren Basis, nicht korrekt definieren würde, lässt sich, wie aus den genannten Gründen hervorgeht, aus den verschiedenen Stellen der ursprünglichen Anmeldung nicht direkt und unmittelbar - auch implizit - eine Offenbarung der jetzt definierten Menge der flachen Glasfasern (B1) auf Basis der Komponenten (A), (B1) und (C) ableiten.

1.5 Der Hauptantrag erfüllt somit die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ nicht und wird zurückgewiesen.

2. Hilfsantrag

2.1 Der Hilfsantrag besteht aus 7 unabhängigen Ansprüchen, die jeweils - laut Angaben der Beschwerdeführerin - auf den Beispielen 1, 2, 3, 6, 7, 8 und 11 der ursprünglich eingereichten Anmeldung basieren.

2.2 Die Definition der Komponenten gemäß Anspruch 1 stellt jedoch zum Teil eine Verallgemeinerung der Offenbarung des Beispiels 1 dar.

Somit wurde bei dem dem Anspruch zugrundeliegenden Beispiel ein bestimmtes kommerzielles Polyamid verwendet. Auch wenn der Anspruch alle in der ursprünglichen Offenbarung genannten Parameter dieses Polyamids definiert (Vgl. S.24, Z.1-2 der ursprünglichen Anmeldung), stellen die genannten Parameter lediglich eine Auswahl der das Polyamid charakterisierenden Eigenschaften dar. Weitere Eigenschaften sind nicht offenbart. Somit definiert der Anspruch nicht das bestimmte beispielsgemäß verwendete Polyamid, sondern vielmehr eine Klasse von Polyamiden, gekennzeichnet durch die genannte Auswahl an Eigenschaften.

Bezüglich der Glasfasern ist die Situation ähnlich. Es wird eine Auswahl an Merkmalen angegeben, die nur eine Gattung oder Klasse, nicht jedoch präzis die bestimmten verwendeten Fasern definieren. Ferner ist das Merkmal "mit einer Aminosilanschlichte" zwar wörtlich dem Beispiel zu entnehmen. Jedoch wurde im Falle der beispielsgemäß verwendeten Glasfasern eine bestimmte - wenn auch nicht genannte - Schlichte verwendet. In diesem Zusammenhang lässt es sich aus S.19, Z.21-26 der ursprünglichen Offenbarung entnehmen, dass der Typ der Faser und/oder der Beschichtung nicht gleichwertig ist. Durch das Fehlen einer Angabe bezüglich Art bzw. Typ der Schlichte geht dieses Merkmal des Anspruchs über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus.

Auch ist festzustellen, dass weder die beispielsgemäß verwendeten Verfahrensschritte noch die Eigenschaften der erhaltenen Formmasse in dem Anspruch definiert sind. Es ist nicht nachgewiesen worden, dass alle Formmassen, bei denen die verwendeten Komponenten den in dem Anspruch genannten Merkmalen, bzw. der Auswahl an Merkmalen entsprechen, notwendigerweise und zwangsläufig zu Formmassen mit den beispielsgemäß genannten Eigenschaften, unabhängig von den Verfahrensbedingungen, führen. In diesem Zusammenhang lässt sich aus S.16, Z.4-16 der ursprünglichen Offenbarung entnehmen, dass das Verfahren einen Einfluss auf die Eigenschaften der erhaltenen Formmasse haben kann. Auch aus diesem Grund geht der Gegenstand des Anspruchs über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

Somit erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

2.3 Dieser Einwand gilt gleichermaßen für alle weiteren Ansprüche des Hilfsantrags.

2.4 Der Hilfsantrag wird somit zurückgewiesen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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