T 1222/14 () of 9.11.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T122214.20171109
Datum der Entscheidung: 09 November 2017
Aktenzeichen: T 1222/14
Anmeldenummer: 08716977.7
IPC-Klasse: F01N 3/20
F01N 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM HEIZEN EINES REDUKTIONSMITTELDOSIERVENTILS BEI EINEM SCR-SYSTEM ZUR ABGASNACHBEHANDLUNG EINES VERBRENNUNGSMOTORS
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 2 142 773 in einer geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

III. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) wurde ihnen die vorläufige Auffassung der Kammer mitgeteilt, wonach inter alia die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt zu sein schienen.

V. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 reichte die Beschwerdegegnerin vier Hilfsanträge ein.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 9. November 2017 statt, an deren Ende die Kammer ihre Entscheidung verkündete.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 9. Oktober 2017, aufrecht zu erhalten.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Betreiben eines elektromagnetisch steuerbaren Reduktionsmitteldosierventils (24), das im Abgassystem (12) eines Verbrennungsmotors (10) angeordnet ist und das für eine Dosierung von Reduktionsmittel (26) mit einem ersten Stromprofil (46) angesteuert wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Maß für die Temperatur (T(24)) des Reduktionsmitteldosierventils (24) ermittelt und mit einem Schwellenwert (T_S) verglichen wird und dass dann, wenn die Temperatur (T(24)) größer ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit dem ersten Stromprofil (46) ohne spezielle Heizmaßnahmen betrieben wird und dann, wenn die Temperatur (T(24)) kleiner ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit einem zweiten Stromprofil (48) betrieben wird, das sich von dem ersten Stromprofil (46) unterscheidet."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Betreiben eines elektromagnetisch steuerbaren Reduktionsmitteldosierventils (24), das im Abgassystem (12) eines Verbrennungsmotors (10) angeordnet ist und das für eine Dosierung von Reduktionsmittel (26) mit einem ersten Stromprofil (46) ohne spezielle Heizmaßnahmen angesteuert wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Maß für die Temperatur (T(24)) des Reduktionsmitteldosierventils (24) ermittelt und mit einem Schwellenwert (T_S) verglichen wird und dass dann, wenn die Temperatur (T(24)) größer ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit dem ersten Stromprofil (46) betrieben wird und dann, wenn die Temperatur (T(24)) kleiner ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit einem zweiten Stromprofil (48) betrieben wird, das sich von dem ersten Stromprofil (46) unterscheidet."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Betreiben eines elektromagnetisch steuerbaren Reduktionsmitteldosierventils (24), das im Abgassystem (12) eines Verbrennungsmotors (10) angeordnet ist und das für eine Dosierung von Reduktionsmittel (26) mit einem ersten Stromprofil (46) ohne spezielle Heizmaßnahmen angesteuert wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Maß für die Temperatur (T(24)) des Reduktionsmitteldosierventils (24) ermittelt und mit einem Schwellenwert (T_S) verglichen wird, der Temperaturbereiche mit und ohne Einfriergefahr voneinander trennt, und dass dann, wenn die Temperatur (T(24)) größer ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit dem ersten Stromprofil (46) betrieben wird und dann, wenn die Temperatur (T(24)) kleiner ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit einem zweiten Stromprofil (48) betrieben wird, das sich von dem ersten Stromprofil (46) unterscheidet, wobei eine Ausgabe des zweiten Stromprofils mit dem Ziel erfolgt, im Ohm'schen Widerstand einer Magnetspule des Reduktionsmitteldosierventils Wärme freizusetzen, die das Reduktionsmitteldosierventil von innen heraus erwärmt."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch die Einfügung folgender Merkmale am Ende des Anspruchs:

"..., und wobei das zweite Stromprofil (48)durch Anlegen einer Gleichspannung an eine Magnetspule der Aktorik des Reduktionsmitteldosierventils (24) erzeugt wird und die Gleichspannung so vorbestimmt ist, dass sie größer als eine Schwellenspannung ist, bei der ein nicht eingefrorenes Reduktionsmitteldosierventil (24) öffnet."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Betreiben eines elektromagnetisch steuerbaren Reduktionsmitteldosierventils (24), das im Abgassystem (12) eines Verbrennungsmotors (10) angeordnet ist und das für eine Dosierung von Reduktionsmittel (26) mit einem ersten Stromprofil (46) ohne spezielle Heizmaßnahmen angesteuert wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Maß für die Temperatur (T(24)) des Reduktionsmitteldosierventils (24) ermittelt und mit einem Schwellenwert (T_S) verglichen wird, der Temperaturbereiche mit und ohne Einfriergefahr voneinander trennt, und dass dann, wenn die Temperatur (T(24)) größer ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit dem ersten Stromprofil (46) betrieben wird, wobei das erste Stromprofil einen ersten Teil aufweist, in dem der Strom durch die Magnetspule des Reduktionsmitteldosierventils (24) auf einen ersten, vergleichsweise hohen Wert I1 eingestellt wird, um das Reduktionsmitteldosierventil (24) schnell zu öffnen, und dass das erste Stromprofil (46) im Anschluss an den ersten Teil einen zweiten Teil aufweist, in dem ein niedrigerer Strom I2 eingestellt wird, der jedoch noch oberhalb eines Haltestromniveaus (50) liegt, das zum Offenhalten des Reduktionsmitteldosierventils erforderlich ist, und dann, wenn die Temperatur (T(24)) kleiner ist als der Schwellenwert (T_S), das Reduktionsmitteldosierventil (24) mit einem zweiten Stromprofil (48) betrieben wird, das sich von dem ersten Stromprofil (46) unterscheidet, wobei eine Ausgabe des zweiten Stromprofils mit dem Ziel erfolgt, im Ohm'schen Widerstand einer Magnetspule des Reduktionsmitteldosierventils Wärme freizusetzen, die das Reduktionsmitteldosierventil von innen heraus erwärmt, und wobei das zweite Stromprofil (48) durch Anlegen einer Gleichspannung an eine Magnetspule der Aktorik des Reduktionsmitteldosierventils (24) erzeugt wird und die Gleichspannung so vorbestimmt ist, dass sie größer als eine Schwellenspannung ist, bei der ein nicht eingefrorenes Reduktionsmitteldosierventil (24) öffnet.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Klarheit

Der hinzugefügte Begriff "speziell" im Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" habe keine klare Bedeutung und somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht klar gemäß Artikel 84 EPÜ. Der Fachmann finde in der Beschreibung weder eine Definition noch einen klaren Hinweis zur Auslegung des Merkmals.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Eine Gewichtung könne durch eine Verschiebung der Lage des Merkmals im Anspruch nicht erfolgen. Die Verschiebung des Merkmals in den Oberbegriff könne die Sachlage bezüglich mangelnde Klarheit in diesem Fall nicht ändern.

Hilfsantrag 2 - Klarheit

Die hinzugefügten Merkmale führen nicht zu einer Klarstellung des Anspruchs 1. Wie aus Absatz [0027] ersichtlich sei, gebe es eine Freisetzung von Wärme in beiden Stromprofilen. Somit sei immer noch nicht klar, welche Bedeutung das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" habe.

Hilfsantrag 3 - Klarheit

Es gebe keinen Hinweis für den Fachmann, dass die spezielle Heizmaßnahme der Erwärmung durch Anlegen einer Gleichspannung, wie im zweiten Stromprofil vorgesehen, entspreche.

Hilfsantrag 4 - Zulässigkeit

Die Änderungen im Anspruch 1 dienen auch nicht zur Erklärung des Begriffs "spezielle Heizmaßnahmen", sondern fügen lediglich weitere Merkmale zur Definition des ersten Stromprofils ein. Der Antrag solle nicht ins Verfahren zugelassen werden.

IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Klarheit

Der Begriff "ohne spezielle Maßnahmen" sei im Lichte der übrigen Merkmale des Anspruchs 1 und der Beschreibung klar. Der Fachmann würde das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" jedenfalls durch das Heranziehen der Beschreibung, insbesondere der Absätze [0009],[0027],[0028] und [0038], im Sinne der Entscheidung der Einspruchsabteilung verstehen, nämlich, dass das erste Stromprofil so gewählt werde, dass nur der zum Dosieren notwendige Strom bereitgestellt werde und unerwünschte Heizmaßnahmen vermieden werden. Es gebe keine andere Heizmaßnahme, die als "speziell" bezeichnet werden könnte.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Der Begriff "ohne spezielle Heizmaßnahmen" sei jetzt im Oberbegriff. Er sei zur Abgrenzung vom Stand der Technik nicht erforderlich und somit nicht wesentlich für die Erfindung. Laut Richtlinien Teil F, Kapitel IV, 4.6 könne ein unklarer Ausdruck unter diesen Umständen beibehalten werden.

Hilfsantrag 2 - Klarheit

Durch das Hinzufügen von mehreren Merkmalen des zweiten Stromprofils im Anspruch 1 sei das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" für den Fachmann deutlich geworden. Der Fachmann würde die explizite Freisetzung von Wärme mit dem Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" vergleichen und gelange zum Ergebnis, dass die speziellen Heizmaßnahmen in der gezielten Freisetzung von Wärme bestehen.

Hilfsantrag 3 - Klarheit

Die Änderungen erklären die Bedeutung einer "spezielle Heizmaßnahme". Für den Fachmann sei jetzt klar, dass die Gleichspannung eine Sondererwärmung bewirkt, die einer "speziellen Heizmaßnahme" entspreche.

Hilfsantrag 4 - Zulässigkeit

Die hinzugefügten Merkmale verdeutlichen die Bedeutung von "speziellen Heizmaßnahmen", somit sollte der Hilfsantrag 4 ins Verfahren zugelassen werden.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag- Klarheit

1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfüllt nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ.

1.2 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass der Begriff "ohne spezielle Heizmaßnahmen" im Lichte der übrigen Merkmale des Anspruchs 1 und der Beschreibung klar sei.

1.3 Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Ansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen zudem deutlich (d.h. klar) und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden. Artikel 84 EPÜ ist kein Einspruchsgrund. Da jedoch im Einspruchsverfahren im Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents Änderungen vorgenommen wurden, ist (siehe z.B. G3/14, Begründung Punkt 84) in Bezug auf die Änderungen zu prüfen, ob die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt sind.

1.4 Dem Wortlaut des Anspruchs 1 kann der Fachmann nicht eindeutig entnehmen, was unter dem Begriff "spezielle Heizmaßnahmen" zu verstehen ist. Der Begriff "speziell" hat keine allgemein anerkannte technische Bedeutung, sodass der Fachmann nicht zwischen speziellen und nicht-speziellen Heizmaßnahmen unterscheiden kann. Wie beide Parteien anerkannt haben und zudem durch Absatz [0027] gestützt wird, wird mit jedem Stromfluss durch die Magnetspule des elektromagnetischen Reduktionsmitteldosierventils wegen des Ohmschen Widerstandes Wärme freigesetzt. Beide Stromprofile des Anspruchs 1 setzen somit zwangsläufig Wärme frei und es ist dem Wortlaut des Anspruchs nicht zu entnehmen, wann eine solche Freisetzung von Wärme als spezielle Heizmaßnahme anzusehen ist oder nicht.

1.5 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin, kann diese Unklarheit des Merkmals "spezielle Heizmaßnahmen" auch nicht durch Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung ausgeräumt werden. Lediglich im Absatz [0038] ist das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" explizit erwähnt. An dieser Stelle wird der Begriff "spezielle Heizmaßnahmen" jedoch bloß verwendet, ohne diesen in irgendeiner Weise zu definieren.

Absatz [0027] bezeichnet die Freisetzung von Wärme während des ersten Stromprofils als "störend", und Absatz [0028] stellt eine solche Freisetzung während des zweiten Stromprofils als die Ursache einer "erwünschten Aufheizung des Reduktionsdosierventils" dar. Jedoch stellt keiner dieser Absätze eine Verbindung zwischen einer störenden oder unerwünschten Aufheizung und einer speziellen Heizmaßnahme her, die weder explizit noch implizit eine Definition liefern oder zur Auslegung dieses Begriffs beitragen könnte.

1.6 Wie im Punkt 1.4 erwähnt, wird mit jedem Stromfluss durch die Magnetspule des elektromagnetischen Reduktionsmitteldosierventils wegen des Ohmschen Widerstandes Wärme freigesetzt. Darüber hinaus definiert der Absatz [0028] zwar einen Stromwert I3 zum Heizen des Reduktionsmitteldosierventils, dieser ist aber so gering, dass eine Öffnung des Ventils nicht erfolgen soll. Dieser Stromwert ist somit kleiner als der kleinste Stromwert des ersten Stromprofils, der ohne spezielle Heizmaßnahmen gesteuert wird. Diesen kleinen Stromwert I3 würde der Fachmann somit nicht als "spezielle Heizmaßnahme" ansehen, da die Heizwirkung im ersten Stromprofil wegen des höheren Stromwerts sogar größer ist.

1.7 Außerdem offenbart Absatz [0030] weitere Varianten für das zweite Stromprofil, indem "das zweite Stromprofil sämtliche denkbaren Mischformen der Stromprofile 46 und 48 aufweisen kann". Das zweite Stromprofil kann somit auch eine Mischung aus Stromwerten der Stromprofile 46 und 48 aufweisen, die zu unterschiedlichen (bzw. niedrigen) Wärmefreisetzungswerten führen kann. Nach Absatz [0009] dient das erste Stromprofil auch zur Dosierung. Dies schließt jedoch eine zusätzliche Freisetzung von Wärme nicht aus.

Aus keiner dieser Stellen entsteht eine eindeutige Relation zwischen dem Begriff "spezielle Heizmaßnahmen" und einer spezifischen Freisetzung von Wärme eines Stromprofils, aus der der Fachmann eine klare Definition für "spezielle Heizmaßnahmen" entnehmen könnte. Es bleibt daher für den Fachmann unbestimmt, was unter einer "speziellen Heizmaßnahme" zu verstehen ist.

1.8 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfüllt somit nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ und daher ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

2. Hilfsantrag 1 - Klarheit

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 erfüllt nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ.

2.2 Mit ihrem ersten Hilfsantrag hat die Beschwerdegegnerin die Position des Merkmals "ohne spezielle Heizmaßnahmen" in den Oberbegriff verschoben und trägt vor, dass dieses Merkmal zur Abgrenzung vom Stand der Technik nicht erforderlich und somit für die Erfindung nicht wesentlich sei. Gemäß den Richtlinien, Teil F, Kapitel IV, 4.6 könne ein unklarer Ausdruck unter diesen Umständen beibehalten werden.

2.3 Die Mitglieder der Kammer sind gemäß Artikel 23 (3) EPÜ bei ihren Entscheidungen an Weisungen nicht gebunden und nur dem Europäischen Patentübereinkommen unterworfen. Die Richtlinien für die Prüfung, die als administrative Instruktionen für die Tätigkeiten der erstinstanzlichen Organe anzusehen sind, entfalten für die Beschwerdekammern daher keine rechtliche Bindungswirkung. Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Interpretation der genannten Textstelle der Richtlinien unzutreffend ist.

2.4 Die vorgenommene Positionsänderung des Merkmals ändert den Gegenstand des Anspruchs nicht. Dem Argument, dass das Merkmal nicht wesentlich für die Erfindung sei, weil es nicht zur Abgrenzung vom Stand der Technik diene, kann die Kammer nicht beipflichten. Alle Merkmale eines Anspruchs, die eine technische Wirkung erzielen und zum Gegenstand des Schutzbegehrens beitragen, sind als technische Merkmale und somit als wesentlich zu betrachten. Dem widerspricht auch nicht die zitierte Textstelle aus den Richtlinien, da das Kriterium, eine Abgrenzung zum Stand der Technik zu leisten, lediglich als zusätzliches Kriterium (durch den Begriff "Ebenso") angegeben ist.

2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 erfüllt somit nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ und daher ist der Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag 2 - Klarheit

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 erfüllt nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ.

3.2 Auch durch das Hinzufügen der Merkmale des zweiten Stromprofils im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" für den Fachmann nicht deutlich. Das hinzugefügte Merkmal

("...,wobei eine Ausgabe des zweiten Stromprofils mit dem Ziel erfolgt, im Ohm'schen Widerstand einer Magnetspule des Reduktionsmitteldosierventils Wärme freizusetzen, die das Reduktionsmitteldosierventil von innen heraus erwärmt.") nimmt weder explizit Bezug auf den Begriff "spezielle Heizmaßnahmen" noch lässt sich dieser durch die Hinzufügung näher bestimmen. Dem Fachmann ist jedenfalls im Hinblick auf den Absatz [0027] bewusst, dass der beanspruchte Effekt (Wärmefreisetzung) bei jeder Stromausgabe zwangsläufig erfolgt und somit sowohl beim ersten als auch beim zweiten Stromprofil eintritt. Welche konkrete technische Bedeutung dem Begriff "spezielle Heizmaßnahmen" zukommt, wird dem Fachmann somit auch nicht durch die vorgenommenen Änderungen im Anspruch deutlich.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 erfüllt somit nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ und daher ist der Hilfsantrag 2 nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag 3 - Klarheit

4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 erfüllt nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ.

4.2 Auch durch das Hinzufügen der Merkmale des zweiten Stromprofils im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wird das Merkmal "ohne spezielle Heizmaßnahmen" für den Fachmann nicht deutlich. Das hinzugefügte Merkmal ("..., und wobei das zweite Stromprofil (48)durch Anlegen einer Gleichspannung an eine Magnetspule der Aktorik des Reduktionsmitteldosierventils (24) erzeugt wird und die Gleichspannung so vorbestimmt ist, dass sie größer als eine Schwellenspannung ist, bei der ein nicht eingefrorenes Reduktionsmitteldosierventil (24) öffnet.") nimmt keinen expliziten Bezug auf spezielle Heizmaßnahmen. Diese Merkmalen dienen auch nicht einer impliziten Klarstellung des Merkmals "spezielle Heizmaßnahmen", weil sie sich nicht mit Hitze- oder Wärmefreisetzung befassen und somit keine besondere Heizmaßnahme definieren, die der Fachmann als "spezielle Heizmaßnahme" ansehen würde. Durch die vorgenommenen Änderungen wird lediglich weiter präzisiert, dass die Spannung des zweiten Stromprofils durch eine Gleichspannung mit einem bestimmten Wert zu gestalten ist. Es bleibt somit weiterhin unklar, was "spezielle Heizmaßnahmen" sind.

4.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 erfüllt somit nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ und daher ist der Hilfsantrag 3 nicht gewährbar.

5. Hilfsantrag 4 - Zulässigkeit

5.1 Der Hilfsantrag 4 wurde in Erwiderung auf den Bescheid der Kammer eingereicht. Die Änderung in Anspruch 1 zielt eindeutig darauf ab, den von der Kammer als berechtigt erachteten Einwand unter Artikel 84 EPÜ, der bereits mit der Beschwerdeschrift vorgebracht wurde, auszuräumen.

5.2 Dieser Antrag wurde nicht bereits mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht und stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin dar (Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, VOBK). Die Zulassung dieses Antrags in das Verfahren liegt damit im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung des Ermessens ist unter anderem die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Dieses Kriterium wird von den Beschwerdekammern in dem Sinne angewendet, dass ein geänderter Antrag prima facie gewährbar sein sollte, d.h. er sollte die vorhandenen Einwände beheben und nicht Anlass für neue Einwände geben.

5.3 Die hinzugefügten Merkmale präzisieren die Stromwerte des ersten Stromprofils, das ohne spezielle Heizmaßnahmen angesteuert wird. Die hinzugefügten Stromwerte bieten dem Fachmann jedoch keinen Hinweis, was unter "speziellen Heizmaßnahmen" zu verstehen ist. Die hinzugefügten Merkmale stehen somit prima facie in keinem Zusammenhang mit speziellen Heizmaßnahmen und dienen prima facie auch nicht zur Klärung dieses Begriffes.

5.4 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 somit zumindest prima facie nicht dem Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ entspricht, wurde der Hilfsantrag 4 nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) VOBK).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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