T 1130/14 () of 22.5.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T113014.20150522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2015
Aktenzeichen: T 1130/14
Anmeldenummer: 06013793.2
IPC-Klasse: B60D 1/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anhängevorrichtung
Name des Anmelders: Scambia Holdings Cyprus Limited
Name des Einsprechenden: Westfalia-Automotive GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die am 3. April 2014 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1741572 in geändertem Umfang.

II. Die Einspruchsabteilung hat bei ihrer Entscheidung insbesondere folgende Dokumente berücksichtigt:

D1 : EP 1 533 149 A1;

D2 : EP 1 040 020 B1;

D4 : US 5 356 166;

D7 : DE 29 35 474 C2;

D8 : DE 198 26 618 A1;

D10 : EP 1 084 871 A2;

D12 : DE 202 15 508 U1;

D13 : DE 298 12 061 U1.

III. Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde eingelegt, diese begründet und die Beschwerdegebühr bezahlt.

IV. Am 22. Mai 2015 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die abschließenden Anträge der Parteien lauten wie folgt:

Die Patentinhaberin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag III mit Schriftsatz vom 22. April 2015, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Anhängekupplung umfassend einen zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung bewegbaren Kugelhals (10) mit einem an einem ersten Ende angeordneten Schwenklagerkörper (14) und einer an einem zweiten Ende angeordneten Kupplungskugel (18), eine fahrzeugfest angeordnete Schwenklagereinheit (20), in welcher der Schwenklagerkörper (14) um eine Schwenkachse (22) zwischen der Arbeitsstellung (A) und der Ruhestellung (R) verschwenkbar aufgenommen ist, und eine Drehblockiereinrichtung (50) mit mindestens einem Drehblockierkörper (54), der in einer Führungsrichtung (57) mit mindestens einer Komponente in radialer Richtung zur Schwenkachse (22) bewegbar ist, wobei der Drehblockierkörper (54) durch Bewegung in der Führungsrichtung (57) mit einer am Schwenklagerkörper (14) angeordneten Aufnahme (58, 60) in Eingriff bringbar ist, um damit in einer Blockierstellung die freie Drehbarkeit des Schwenklagerkörpers (14) zu unterbinden, und außer Eingriff bringbar ist, um in einer Lösestellung die ungehinderte freie Drehbarkeit des Schwenklagerkörpers (14) im die Schwenkachse (22) freizugeben, und mit einem eine quer zur Führungsrichtung (57) verlaufende Keilfläche aufweisenden und in einer Betätigungsrichtung bewegbaren Betätigungskörper (52), durch dessen Bewegung in der Betätigungsrichtung der mindestens eine Drehblockierkörper (54) in der Führungsrichtung (57) bewegbar und beaufschlagbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens zwei Drehblockierkörper (54) umfasst und dass die Drehblockierkörper (54) durch einen gemeinsamen Betätigungskörper (52) in der jeweiligen Führungsrichtung (57) von der Lösestellung, in welcher der Drehblockierkörper (54) in Rückzugsaufnahmen (62) des Betätigungskörpers (52) eintauchen, in die Blockierstellung bewegbar sind und dass der Schwenklagerkörper (14) mit einem Satz von ersten Aufnahmen (58) versehen ist, mit welchen die Drehblockierkörper (54) in Arbeitsstellung (A) in Eingriff bringbar sind, und mit einem Satz an zweiten Aufnahmen (60) versehen ist, mit welchen die Drehblockierkörper (54) in der Ruhestellung (R) in Eingriff bringbar sind.

VI. Anspruch 8 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Anhängekupplung nach dem Oberbegriff von Anspruch 1 oder nach einem der voranstehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet, dass die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens zwei Drehblockierkörper (54) umfasst, dass die Drehblockierkörper (54) durch einen gemeinsamen Betätigungskörper (52) in der jeweiligen Führungsrichtung (57) von der Lösestellung, in welcher die Drehblockierkörper (54) in Rückzugsaufnahmen (62) des Betätigungskörpers (52) eintauchen, in die Blockierstellung bewegbar sind und dass der Betätigungskörper (52') eine in Richtung der Schwenkachse (22) verlaufende Betätigungsrichtung (64") aufweist.

VII. Anspruch 9 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Anhängekupplung nach dem Oberbegriff von Anspruch 1 oder nach einem der voranstehenden Ansprüche 1 bis 7,

dadurch gekennzeichnet, dass die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens zwei Drehblockierkörper (54) umfasst, dass die Drehblockierkörper (54) durch einen gemeinsamen Betätigungskörper (52) in der jeweiligen Führungsrichtung (57) von der Lösestellung, in welcher die Drehblockierkörper (54) in Rückzugsaufnahmen (62) des Betätigungskörpers (52) eintauchen, in die Blockierstellung bewegbar sind und dass der Betätigungskörper (52) um die Schwenkachse (22) drehbar angeordnet ist.

VIII. Anspruch 11 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Anhängekupplung nach dem Oberbegriff von Anspruch 1 oder nach einem der voranstehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet, dass die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens zwei Drehblockierkörper (54) umfasst, dass die Drehblockierkörper (54) durch einen gemeinsamen Betätigungskörper (52) in der jeweiligen Führungsrichtung (57) von der Lösestellung, in welcher die Drehblockierkörper (54) in Rückzugsaufnahmen (62) des Betätigungskörpers (52) eintauchen, in die Blockierstellung bewegbar sind und dass der mindestens eine Drehblockierkörper (54) durch einen in radialer Richtung an den Schwenklagerkörper (14) anschließenden Führungskörper (40) geführt ist.

IX. Anspruch 18 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

Anhängekupplung nach dem Oberbegriff von Anspruch 1 oder nach einem der voranstehenden Ansprüche,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens zwei Drehblockierkörper (54) umfasst, dass die Drehblockierkörper (54) durch einen gemeinsamen Betätigungskörper (52) in der jeweiligen Führungsrichtung (57) von der Lösestellung, in welcher die Drehblockierkörper (54) in Rückzugsaufnahmen (62) des Betätigungskörpers (52) eintauchen, in die Blockierstellung bewegbar sind und dass der Schwenklagerkörper (14) einen die Schwenklagereinheit (20) außenliegenden umschließenden Außenkörper bildet, der gegenüber der Schwenklagereinheit (20) in Richtung der Schwenkachse unverschiebbar angeordnet ist.

X. Die einsprechende Beschwerde­führerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei unzulässig erweitert und verstoße gegen Artikel 100 c) EPÜ. Die Merkmale 1n und 1o (Merkmalsgliederung gemäß der Anlage 1, vgl. Schreiben der Patentinhaberin vom 18. Februar 2015), wonach der Schwenklagerkörper mit jeweils einem Satz von ersten und zweiten Aufnahmen versehen ist, seien dem ersten Ausführungsbeispiel entnommen. In diesem seien aber weitere Merkmale enthalten, die funktional und strukturell mit den aufgenommenen Merkmalen in Verbindung stünden. So sei außer den Rückzugsaufnahmen, die nun als Merkmal in die geänderten unabhängigen Ansprüche aufgenommen worden seien, auch die Führungshülse 44, die Drehbewegung des Betätigungskörpers und exakt 3 Drehblockierkörper beschrieben. Ebenfalls sei es für die Funktion der Erfindung unerlässlich, dass die Drehblockierkörper nicht radial überstehen, da sonst eine freie Drehbarkeit in der Lösestellung nicht gewährleistet sei.

Insbesondere sei ohne die Führungshülse die Erfindung nicht ausführbar, da andernfalls auf die Drehblockier­körper keine definierte Führungsrichtung ausgeübt werden könne.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber den Dokumenten D1 bzw. D3. Beide Dokumente seien hinsichtlich der relevanten Aspekte gleich.

Insbesondere stellten die Kugeln 39 Drehblockierkörper im Sinne des Anspruchs 1 dar. Diese würden mittels des Keils (Sperrbolzen 18) so verschoben, dass sie in Aufnahmen 40 drückten, vgl. Figur 13. In der Tat handele es sich bei der Aufnahme 40 zwar um eine Ringnut, allerdings könne diese als eine Vielzahl von Aufnahmen betrachtet werden, außerdem erwähne D1 explizit auch Aufnahmen, also im Plural (vgl. Spalte 7, Zeile 43), so dass die Merkmale, wonach der Schwenklagerkörper mit jeweils einem Satz von ersten und zweiten Aufnahmen versehen sei, ebenfalls in D1 als offenbart anzusehen seien.

Im Prinzip gelte diese Argumentation auch für die anderen unabhängigen Ansprüche.

Mindestens aber sei der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nahegelegt durch D1 in Kombination mit dem Wissen des Fachmanns, auch nachgewiesen durch die Dokumente D7 und D13.

Es sei naheliegend, die Kugeln ebenfalls als Drehblockierkörper auszugestalten. Dies würde der Fachmann dann in Betracht ziehen, wenn es um die Erhöhung der Sicherheit durch eine zusätzliche Drehverriegelung ginge. Auch käme als objektive Aufgabe eine andere Fertigungstechnik in Frage, die anstelle einer Ringnut einfache Bohrungen vorsähe.

Dies sei aber für den Fachmann naheliegend: auch die Dokumente D7 und D13 zeigten Drehblockierkörper in Form von Kugeln im Formschluß.

Auch ausgehend von Dokument D8 sei der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nahegelegt mit dem allgemeinen Fachwissen.

D8 offenbare zwei Drehblockierkörper in Form der Bolzen, die in Öffnungen der Kupplungsstange eingriffen. Diese würden mit einem gemeinsamen Element betätigt, welches über Federn (vgl. Figur 3) in die Aufnahmen gedrückt würden. Nach dem Lösen sei die Kugelstange frei verschwenkbar. Für den Fachmann läge es nun nahe, eine alternative Form der Betätigung dieser Bolzen zu finden, sei es über einen Motor mit Getriebe oder einen Keilantrieb. Dies könnte vor allem dann von Vorteil sein, wenn der Bauraum geringer sei, als in den Figuren dargestellt.

Ebenfalls sei der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nahegelegt durch die Kombination der Dokumente D10 und D4. D10 offenbare, ähnlich wie D8 eine Kugelstange in einer Kulissenführung. Diese werde durch Bolzen 14 als Drehblockierkörper gehalten, vgl. Figur 1. D10 gebe eben­falls den Hinweis, dass die Bolzen gegen eine Dreikugelverriegelung ausgetauscht werden könnten, siehe Spalte 3, Zeilen 37 ff. Eine derartige Kugelverriegelung sei in D4 gezeigt. Dort sei offenbart, wie über eine Schiebehülse mit einer Keilfläche Kugeln zur Arretierung im Formschluß in eine Aussparung gedrückt würden, siehe dort, Figur 2. Die Integration dieser in D4 gezeigten Vorrichtung in eine Anhängekupplung gemäß D10 sei für den Fachmann naheliegend.

Ausgehend von Dokument D12, dort Figuren 14 und 15 sei der Gegenstand aller unabhängigen Ansprüche nahegelegt. Die gezeigten Keilscheiben 71 schöben Kugeln zur Arretierung in den Kugelhals. Durch Drehung könnten diese wieder gelöst werden, so dass der Kugelhals frei beweglich sei.

Auch ausgehend von Dokument D2 sei der Gegenstand aller unabhängigen Ansprüche nahegelegt. Zur Drehblockierung diene eine Verriegelungskugel, die durch einen Keilkörper zwischen einer Freigabestellung und einer Sperrstellung bewegbar sei. Der Keilkörper entspreche dem erfindungsgemäßen Betätigungskörper. Die Verriegelungskugel bewege sich dabei in eine Ausnehmung 66 im Schwenkteil 14; in diesem Fall sei die Schwenkeinrichtung blockiert, während die Kugel außerhalb der Ausnehmung - entsprechend der Lösestellung - die freie Drehbarkeit gewährleistet. Dabei beruhe es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, anstatt einer einzigen Kugel, wie in D2 gezeigt, mehrere Drehblockierkörper vorzusehen.

XI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) widerspricht dieser Argumentation wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag sei nicht unzulässig erweitert.

Insbesondere sei das Weglassen des Merkmals "Führungshülse" keine unzulässige Erweiterung. Der Fachmann entnehme bereits dem Merkmal, wonach der Betätigungskörper durch dessen Bewegung und Betätigungsrichtung der mindestens eine Drehblockier­körper in der Führungsrichtung bewegbar ist, dass die Drehblockierkörper von einer Lösestellung in eine Blockierstellung gebracht werden müssten, und dazu sei eine Bewegung in einer Führungsrichtung nötig. Damit sei die Funktion der Führungshülse bereits im Anspruch integriert, so dass die genaue technische Ausgestaltung dem Fachmann überlassen werden könne. Die besondere Ausgestaltung mit einer Führungshülse nämlich stehe weder funktional noch strukturell mit den aufgenommenen Merkmalen in Verbindung. Auch sei es nicht nötig, den Anspruch 1 auf drei Drehblockierkörper oder eine Drehbewegung des Betätigungskörpers einzuschränken, schließlich offenbare der ursprüngliche Anspruch 1 mindestens einen Drehblockierkörper. Auch das Ausführungsbeispiel sei nicht auf drei Drehblockier­körper beschränkt, dies funktioniere auch mit 2, 4 oder 5 Drehblockierkörper, das erkenne der Fachmann sofort. Somit entnehme der Fachmann durch das Weglassen der beanstandeten Merkmale im Anspruch 1 keine zusätzliche - nicht ursprünglich offenbarte - Information.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D1 bzw. D3. Insbesondere offenbare D1 keine Drehblockierkörper die mit einem Betätigungskörper derart verschoben werden, dass eine Löse- und eine Blockierstellung entstehe.

Die Drehblockierkörper in D1 seien die Kugeln 20 und die Kalotten 21. Die von der Einsprechenden benannten Kugeln 39 mit den Aufnahmen 40 seien Rastmittel, die die axiale Arretierung des Kugelhalses sicherstellten. Daher seien auch keine Sätze erster und zweiter Aufnahmen vorhanden, die in Eingriff mit den Drehblockierkörpern in Ruhe- bzw. Arbeitstellung stünden.

Auch sei es für den Fachmann nicht naheliegend die Rastmittel 39, 40 aus der D1 in Drehblockiermittel umzugestalten. Es stelle sich dabei die Frage, warum der Fachmann dies überhaupt tun solle. Wäre ein weiterer Bedarf an Formschlussmitteln vorhanden, so würde er weitere Kalotten und Kugeln 20, 21 vorsehen, anstatt die Konstruktion des Rastmittels zu verändern. Bei einer Veränderung müsse dann nämlich auch sichergestellt werden, dass noch die axiale Verriegelung funktioniere. Der in D1 gezeigte Weg sei durchaus sinnvoll, nämlich für die Drehblockierung andere Elemente zu verwenden, als für die axiale Blockierung. Es sei nicht zu erkennen, warum der Fachmann dieses Konzept aufgeben würde.

Auch die weiteren Dokumente könnten die erfinderische Tätigkeit der Erfindung, wie in den Ansprüchen 1, 8, 9, 11 und 18 definiert, nicht in Frage stellen.

Keines der Dokumente führe - folgte man der Argumentation der Einsprechende - zur Merkmalskombination der Ansprüche 1, 8, 9, 11 oder 18.

Die Dokumente D8 oder D10 zeigten keine freie Drehbarkeit des Schwenkkörpers in Lösestellung. Durch die Zwangsführung der Kulisse sei eine Drehbewegung immer mit einer auf/ab-Bewegung verknüpft. In der D10 treibe weiterhin eine Spindel die Kugelstange an, so dass die Bolzen nur eine zusätzliche Sicherung darstellten.

Auch die Kupplungsstange der D12 sei nicht frei drehbar, wenn die Kugeln über das Zahnrad aus dem Verriegelungsmechanismus geschoben wurden. Erst eine weitere Drehung des Motors bewirke die Verschwenkung der Kupplungsstange.

Die Konstruktion der Anhängekupplung der D2 sei so grundsätzlich unterschiedlich, dass diese nicht mit der des Streitpatents verglichen werden könne. So könne eben nicht einfach die Anzahl der Drehblockierkörper erhöht werden. Dies müsse ja - gemäß einem der angegriffenen Ansprüche - mit einem gemeinsamen Betätigungskörper geschehen. Dieser Betätigungskörper müsse dann weiterhin Rückzugsaufnahmen aufweisen. Es sei ja nicht fraglich, ob ein Fachmann die vorliegende Konstruktion der D2 derartig verändern könne, sondern es müsse gefragt werden, warum der Fachmann diese aufwendigen Schritte unternehmen sollte. Eine derartige Argumentation basiere auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1, 8, 9, 11 und 18 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, Artikel 100c) EPÜ.

2.1 Die in den erteilten Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale, wonach die Schwenklagerkörper mit einem Satz erster bzw. zweiter Aufnahmen versehen sind, in die die Drehblockierkörper in Arbeits- bzw. in Ruhestellung eingreifen, sind der veröffentlichten Anmeldung, Paragraphen [0071] bis [0073] entnommen. Diese Paragraphen beschreiben im Wesentlichen das erste Ausführungsbeispiel. In Paragraph [0073] sind die Rückzugsaufnahmen beschrieben.

2.2 Die Kammer folgt hierbei nicht dem Vorbringen der Einsprechenden, wonach eine unzulässige Zwischen­verallgemeinerung vorliege, da die Führungshülse 44 ein strukturelles Merkmal sei, was mit den Aufnahmen (58, 60) in funktionalem Zusammenhang stehe und somit Teil des Anspruchs 1 sein müsse. Diese Führungshülse leite die Drehblockierkörper und außerdem sei zu einer Führungshülse keine Alternative offenbart.

Der Wortlaut von Anspruch 1 beschreibt unmissverständlich, dass die Drehblockierkörper durch den Betätigungskörper in einer Führungsrichtung bewegbar sind. Diese Information ist für den Fachmann ausreichend. Dabei kann es dem Fachmann überlassen bleiben, ob er dabei eine Führungshülse, wie im Ausführungsbeispiel beschrieben, verwendet. Es ist für die Kammer nicht erkennbar, welche weitere - unzulässige - technische Information der Fachmann erhält, wenn das Merkmal "Führungshülse" nicht in den Anspruch 1 aufgenommen wird.

2.3 Weiterhin teilt die Kammer nicht die Auffassung der Einsprechenden, dass - da das Ausführungsbeispiel der Paragraphen [0071] bis [0073] drei Drehblockierkörper aufweise und eine Drehbewegung des Betätigungskörpers - auch der Anspruch 1 drei Drehblockierkörper und eine Drehbewegung des Betätigungskörpers definieren müsse.

Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht beschreibt mindestens einen Drehblockierkörper, so dass die Ausführungsbeispiele hierzu keine limitierende Funktion haben können.

Des Weiteren offenbart die ursprünglich eingereichte Anmeldung (siehe Fig. 27) auch Betätigungskörper, die linear bewegt werden. Somit kann das Merkmal der Drehbarkeit des Betätigungskörpers in Zusammenhang mit den in den Anspruch 1 aufgenommenen Aufnahmen nicht einschränkend aufgefasst werden.

3. Die in Anspruch 1 definierte Erfindung gehört nicht zum Stand der Technik, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ. Insbesondere offenbart D1 bzw. D3 nicht die Merkmale der strittigen Erfindung.

3.1 Die Einsprechende argumentiert unter anderem, dass die Kugeln 39 Drehblockierkörper darstellten, die eine formschlüssige Verbindung der Kugelstange herstellten.

Gemäß der Beschreibung der D1 stellen die Kugel 39 Rastmittel dar, die zur axialen Verschiebung des Kugelkopfes vorgesehen sind und die in eine Aufnahme 40, etwa einer Ringnut oder Rille eingreifen.

3.2 Die Kammer sieht vor allem in den Rastmitteln 39 keine Drehblockierkörper, des Weiteren weist der Schwenklagerkörper der D1 keinen Satz erster und zweiter Aufnahmen aus, mit welchem die Rastmittel 39 in Arbeits- und in Ruhestellung in Eingriff bringbar sind.

Ähnliches gilt für die in der D3 offenbarten Rastmittel 23, die in eine als Ringnut oder Rille ausgebildete Aufnahme 25 eingreifen.

4. Die jeweilige Erfindung, die in den unabhängigen Ansprüchen 1, 8, 9, 11 und 18 definiert ist, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie sich nicht in naheliegender Weise aus Dokument D1 bzw. D3 ergibt.

4.1 Im Gegensatz zu den Ausführungen der Einsprechenden stellen in D1 die Kugeln 39 Rastmittel dar, die vom Sperrbolzen 18 nach außen gedrückt werden und dabei in eine Ringnut oder Rille bewegt werden, (siehe Paragraph [0023]). Diese Rastmittel haben zur Aufgabe, den Schwenkkörper axial zu fixieren, daher können auch die Aufnahmen an ihrer "in Verriegelungsrichtung weisenden Lauffläche mit einer Anlaufschräge versehen sein", die beim Anziehen der Kugelstange eine gezielt ausgerichtete Kraft in Verriegelungsrichtung bewirkt (vgl. D1, Spalte 7, Zeilen 43 ff.).

Die in der D1 offenbarte Vorrichtung unterscheidet sich somit konstruktiv von der des Streitpatents, da der Schwenk­lager­körper von der Blockier- in die Lösestellung (und zurück) axial verschoben wird. Diese Vorrichtung weist einerseits eine Blockierung des Schwenklagerkörpers in axialer Richtung auf, die durch die Rastmittel 39,40 gewährleistet wird; die Verriegelung des Kugelhalses in rotatorischer Richtung findet durch die Formschlusskonturen (Kugeln 20 und Kalotten 21) statt, siehe Spalte 8, Zeile 6 ff.

4.2 Die Einsprechende /Beschwerdeführerin führt aus, dass es für den Fachmann naheliegend sei, die Rastmittel 39, 40 ebenfalls zum Formschluss zur Erhöhung der Stabilität zu verwenden.

Die Kammer sieht den Fachmann nicht veranlasst, zur Erhöhung der Stabilität die Rastmittel in Betracht zu ziehen; sollte er veranlasst sein, die Stabilität zu verändern, würde er vielmehr weitere Kugeln 20 und Kalotten 21 vorsehen: Die als Rastmittel vorgesehene Rille lässt ein Spiel in rotatorischer Richtung solange zu, bis die Formschlußmittel 20, 21 die Kugelstange sicher fixieren. Aus diesem Grund kann auch die Lehre der Dokumente D7 und D13 in Kombination mit D1 nicht die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen. Die Argumentation der Einsprechenden, die Rastmittel ließen sich auch zu Formschlussmitteln umgestalten, beruht aus Sicht der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Ebenfalls beruht es auf einer rückschauenden Betrachtungsweise, die Rillen oder die Ringnut 40 aus Gründen der Fertigungstechnik gegen Bohrungen auszutauschen. Diese habe den Nachteil, dass hierbei die Anlaufschrägen verloren gingen, die D1 als vorteilhaft darstellt.

4.3 Da das Grundprinzip der aus D3 bekannten Anhängekupplung demjenigen gemäß D1 ähnelt, zumindest was die Verriegelung angeht, gilt das oben gesagte ebenfalls ausgehend von D3.

5. Auch die Argumentationslinien ausgehend von D8, D10, D12 und D2 sind nicht in der Lage, die erfinderische Tätigkeit des jeweiligen Gegenstands der unabhängigen Ansprüche 1, 8, 9, 11 und 18 in Frage zu stellen.

5.1 Das Dokument D8 offenbart eine Kupplungsstange in einer Führungseinrichtung (vgl. Figur 2: 42, 43 und Spalte 7, Zeilen 21 ff.), die mit zwei Dornen 55 in entsprechenden Aussparungen gehalten wird (vgl. Figur 3 und Spalte 9, Zeilen 59 ff.). Nach dem Lösen dieser Verriegelung 55 wird die Kupplungsstange bewegt, wobei durch die an ihrem fahrzeugseitigen Ende vorhandene Führungseinrichtung "gleichzeitig mit der Bewegung beim Ausfahren nach unten bzw. Hochfahren noch oben ein gleichzeitiges Verschwenken der Kupplungsstange 12 um die Längsachse 21 - zwangsweise gewährleistet ist" (Spalte 7, Zeilen 13-20). Es ist also keinesfalls so, wie es die Einsprechende darstellt, dass nach Lösen der Verriegelungsdorne 55 die Kupplungsstange "ungehindert frei" drehbar ist. Insofern ist es auch ohne Belang, ob es für den Fachmann fachüblich sei, die Verriegelungsdorne mit einem Keilantrieb zu versehen oder nicht. Selbst mit dieser von der Einsprechenden als naheliegend bezeichneten Maßnahme würde man nicht zu der Merkmalskombination der unabhängigen Ansprüche 1, 8, 9, 11 und 18 gelangen.

5.2 Auch das Dokument D10 offenbart eine Kupplungsstange für eine Anhängerkupplung, bei die Kupplungsstange in einer Kulissenführung über eine Spindel mit Motor axial verschoben und dabei verdreht wird, vgl. Figur 1 und Paragraph [0022]. Lediglich als eine "zusätzliche Sicherung" (vgl. Paragraph [0024]) erfolgt eine Verriegelung, über Bolzen (14), die auch als eine Dreikugelverriegelung ausgeführt werden kann. Auch hier ist es unerheblich, ob es für den Fachmann naheliegend ist, die aus Dokument D4 bekannte Kugelverriegelung mit einer Schiebehülse in die Vorrichtung gemäß D10 zu integrieren, wie es die Einsprechende behauptet. Selbst wenn der Fachmann diesen Schritt vollzöge, wäre in der Lösestellung der Kugelverriegelung der Schwenklagerkörpers nicht frei beweglich. Schon der Spindelantrieb, aber auch die vorgesehene Kulisse hindern daran. Selbst wenn man der Argumentation der Einsprechenden folgte, würde auch hier der Fachmann nicht zur Merkmalskombination des beanspruchten Gegenstand gelangen.

5.3 Aus dem im Prinzip selben Grund kann auch das Ausführungsbeispiel der D12, Figuren 14 und 15, den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche nicht nahelegen. Dort wird zum Lösen der Verriegelungsvorrichtung das Zahnrad über den Antriebsmotor rückwärts bewegt, bis ein in den Figuren nicht dargestellter Anschlag erreicht ist und die Kulissenführungen die Sperrkugeln wieder freigeben, vgl. Paragraph [0064]. Der Drehwinkel des Zahnrads ist begrenzt. In dieser Endstellung ist aber der Schwenkkörper - wie in den Vorrichtungen der Dokumente D8 und D10 - nicht ungehindert frei drehbar, denn erst eine weitere Antriebsbewegung des Motors bewirkt eine Drehung der Kugelstange um die Schwenk­achse.

5.4 Das Dokument D2 weist eine völlig andere Konstruktion auf, als das Streitpatent oder die Vorrichtungen gemäß D1 (bzw. D3), D8, D10 oder D12. So ist lediglich ein einziger Drehblockierkörper vorgesehen, der über einen Keil in eine Verriegelungsposition verschoben wird. Dieser Keil weist aber keine Rückzugsaufnahmen auf, in die der Drehblockierkörper eintauchen könnte. Es ist vor allem in der Argumentation der Einsprechenden, es sei naheliegend, mehrere Drehblockkörper vorzusehen, da der Fachmann wisse, dass ein einziger Drehblockkörper zu wenig sei, nicht nachzuvollziehen, wie dies mit einem naheliegenden konstruktiven Aufwand vollzogen werden könnte: somit müsste der Fachmann, um zur strittigen Erfindung zu gelangen, mehrere Drehblockkörper vorsehen, die über einen gemeinsamen Keil zu verschieben sein müssten. Selbst dann wären noch nicht alle Merkmale der unabhängigen Ansprüche vorhanden, da, dieser Keil keine Rückzugsaufnahmen aufweist, in die die Drehblockierkörper eintauchen können.

Das Patent hat somit in geänderter Fassung auf der Basis der Ansprüche gemäß Hauptantrag und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, angepassten Beschreibung sowie den erteilten Zeichnungen Bestand.| |

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2015 (Spalten 1-20);

Ansprüche 1-41 des Hauptantrags (früherer Hilfsantrag III, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. April 2015);

Zeichnungsblätter wie erteilt Fig. 1-27.

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