European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T108814.20180613 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 13 Juni 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1088/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09006978.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | E01C 19/48 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Straßenfertiger | ||||||||
Name des Anmelders: | Joseph Vögele AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BOMAG GmbH ABG Allgemeine Baumaschinen-Gesellschaft mbH |
||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Zwischenentscheidung vom 6. März 2014 hat die Einspruchsabteilung das Europäische Patent Nr. 2256248, auf der Grundlage der Europäischen Patentanmeldung
EP09006978.2 in geändertem Umfang in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 1 aufrechterhalten.
In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis:
- dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (damaliger Hauptantrag) auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht,
- dass der geänderte Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt und dass sein Gegenstand ausgehend von D13 und unter Heranziehen von D4, D7 oder D8 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
II. Gegen die vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende OI (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 6. Mai 2014 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und die Beschwerdebegründung am 7. Juli 2014 eingereicht.
III. Stand der Technik
D1: DE 21 12 327
D4: DE 20 316 481 U1
D7: Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau,
20. Auflage, 2001
D8: EP 1118 714 A2
D13: Joseph Vögele AG, D-66146 Mannheim;
"2375/5/5.96 Printed in Germany"
D15: DE 34 03 025 A1
D-OII: DE 10 2006 061 162 A1 wurde mit Schreiben vom
9. Mai 2018 von der beteiligten Partei
(Einsprechenden OII) vorgelegt
IV. Die Beteiligten haben folgende Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende OI) und die Einsprechende OII (im Folgenden: Beteiligte) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der Hilfsanträge I bis III oder VI, eingereicht mit dem Schreiben vom 27. Oktober 2014, oder der Hilfsanträge IV oder V, eingereicht mit dem Schreiben vom 18. Januar 2018, aufrechtzuerhalten.
V. Anspruch 1 lautet:
a) Gemäß Hauptantrag (entspricht Hilfsantrag 1 vom Einspruchsverfahren):
(Unterstreichung der zum erteilten Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale)
" Straßenfertiger (F) mit einem einen Verbrennungsmotor (M), insbesondere Dieselmotor, umfassenden Primärantriebsaggregat (P), mit von der Kurbelwelle (20) des Verbrennungsmotors (M) über ein Pumpenverteilergetriebe (19) und von diesem antreib- oder versorgbare hydraulisch Pumpen (23, 30 bis 33) antreibbaren Funktionsbaugruppen, einschließlich eines Fahrpumpenaggregats (23) zum Versorgen eines Fahrantriebs (16), und mit wenigstens einem Generator (G) zum Versorgen zumindest elektrischer Heizeinrichtungen (H) des Straßenfertigers (F) und/oder einer Einbaubohle (B) des Straßenfertigers (F),
dadurch gekennzeichnet,
dass der Generator (G) an das Pumpenverteilergetriebe
(19) angeflanscht ist und zwischen der Kurbelwelle (20) und dem Generator (G) eine permanente Antriebsverbindung mittels eines das Pumpenverteilergetriebe (19) durchsetzenden permanenten Abtriebsstrangs (22) vorgesehen und wenigstens eine Pumpe (23, 30 bis 33) mittels zumindest
einer schaltbaren Kupplung (K1, K2, K3) von der Kurbelwelle (20) abkuppelbar ist, wobei der Generator (G) und die Pumpen (23, 30 bis 33) über eine drehelastische Kupplung (21) von der Kurbelwelle (20) antreibbar sind."
b) Gemäß Hilfsantrag I:
(Unterstreichung der gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen)
" Straßenfertiger (F) ... [nach den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag],
dadurch gekennzeichnet,
dass der Generator (G) an das Pumpenverteilergetriebe
(19) angeflanscht ist und zwischen der Kurbelwelle (20) und dem Generator (G) eine permanente, direkte Antriebsverbindung mittels eines das Pumpenverteilergetriebe (19) durchsetzenden permanenten Abtriebsstrangs (22) vorgesehen ... antreibbar sind."
c) Gemäß Hilfsantrag II:
(Unterstreichung der gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen)
" Straßenfertiger (F) ... [mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag],
und wobei alle an dem Pumpenverteilergetriebe (19) angeordneten Pumpen (23, 30 bis 33), einschließlich des Fahrpumpenaggregats (2), gemeinsam über die schaltbare Kupplung (K2) abkuppelbar sind."
d) Gemäß Hilfsantrag III:
(Unterstreichung der gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen und hinzugefügte Merkmalsgliederung)
M1.1 " Straßenfertiger (F)
M1.2 mit einem einen Verbrennungsmotor (M), insbesondere
Dieselmotor, umfassenden Primärantriebsaggregat (P);
M1.3 mit von der Kurbelwelle (20) des Verbrennungsmotors (M)
über ein Pumpenverteilergetriebe (19) und von diesem antreib- oder versorgbare hydraulisch Pumpen (23, 30 bis 33) antreibbaren Funktionsbaugruppen, einschließlich eines Fahrpumpenaggregats (23) zum Versorgen eines Fahrantriebs (16), und
M1.4 mit wenigstens einem Generator (G) zum Versorgen
zumindest elektrischer Heizeinrichtungen (H) des Straßenfertigers (F) und/oder einer Einbaubohle (B)
des Straßenfertigers (F),
dadurch gekennzeichnet,
M1.5 dass der Generator (G) zentral an das
Pumpenverteilergetriebe (19) angeflanscht ist und
M1.6 zwischen der Kurbelwelle (20) und dem Generator (G)
eine permanente Antriebsverbindung mittels eines das Pumpenverteilergetriebe (19) durchsetzenden permanenten Abtriebsstrangs (22) vorgesehen und
M1.7 wenigstens eine Pumpe (23, 30 bis 33) mittels zumindest
einer schaltbaren Kupplung (K1, K2, K3) von der Kurbelwelle (20) abkuppelbar ist, wobei
M1.8 der Generator (G) und die Pumpen (23, 30 bis 33) über
eine drehelastische Kupplung (21) von der Kurbelwelle (20) antreibbar sind."
VI. Die Beschwerdeführerin und die Beteiligte haben im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:
a) Artikel 123(2) EPÜ
i) Merkmal "Anflanschen" (M1.5)
Das Merkmal M1.5 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, und per Analogie auch gemäß Hilfsanträgen I und II, stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, weil das Anflanschen des Generators ohne weitere Einschränkung beansprucht sei, obwohl die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen das Anflanschen des Generators stets als zentrales Anflanschen offenbaren.
ii) Merkmale M1.7 und M1.8
Eine weitere unzulässige Verallgemeinerungen bestehe darin, dass das im Zusammenhang mit den schaltbaren Kupplungen K2 oder K3 als wesentlich offenbarte Merkmal der Hohlwelle 26 im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie Hilfsanträgen I bis III weggelassen worden sei.
b) Artikel 84 EPÜ - Hilfsantrag III
Es sei im Streitpatent weder in der Beschreibung noch in den nur eine seitliche Ansicht darstellenden Figuren 2 und 3 erläutert, wie genau die "zentrale" Anflanschung des Generators an das Pumpenverteilergetriebe konkret auszuführen sei.
c) Artikel 56 EPÜ - Hilfsantrag III
Die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D13 unterscheidenden Merkmale M1.5 bis M1.8 beträfen aneinandergereihte Maßnahmen ohne synergetischen Zusammenhang. Anhand der einzelnen technischen Wirkungen dieser Unterscheidungen ergäben sich vier getrennte Teilaufgaben:
- Teilaufgabe 1 (M1.5): eine bauraumoptimierte Gesamtanordnung von Generator/Pumpenverteilergetriebe anzugeben;
- Teilaufgabe 2 (M1.6): den permanenten Antrieb des Generators alternativ zu gestalten;
- Teilaufgabe 3 (M1.7): Effizienz (Energiebilanz/Umweltverträglichkeit) des Straßenfertigers zu verbessern;
- Teilaufgabe 4 (M1.8): den Verbrennungsmotor gegenüber mechanischen Störkräften (Torsionsstößen) zu schützen.
Dem beanspruchte Gegenstand fehle die erfinderische Tätigkeit, da die vier Teilaufgaben jeweils in naheliegender Weise durch den Stand der Technik wie folgt gelöst seien:
- zur Teilaufgabe 1 lehre D8 bzw. D15 dem Fachmann, den Generator an dem Gehäuse des Pumpenverteilergetriebes anzuflanschen, wobei die zentrale Lage des Anflanschens lediglich eine reine Designwahl betreffe, der keinerlei technische Bedeutung zuzumessen sei und die zudem an sich bereits in D4 angeregt werde;
- in D13 bestehe bereits eine permanente Antriebsverbindung zwischen der Kurbelwelle und dem Generator, und in D4 finde der Fachmann die Anregung, derartige permanente Antriebsverbindungen mittels eines ein Pumpenverteilergetriebe durchsetzenden Abtriebsstrangs zu bilden, so dass auch die Teilaufgabe 2 in naheliegender Weise gelöst sei;
- was die Teilaufgabe 3 betreffe, so finde der Fachmann eine Lehre in D1, D4 oder D15, wo das Einsetzen einer Schaltkupplung zur Reduzierung der Schlepplasten und somit des Energieverbrauchs dem Fachmann nahegelegt werde;
- es gehöre zum allgemeinen Fachwissen (wie z.B. in D7 nachlesbar), drehelastische Kupplungen zwischen einem Motor und einer dadurch angetriebenen Vorrichtung zur Reduzierung der mechanischen Belastungen wie Schwingungen oder Stößen einzusetzen.
Ergänzend zu dem herangezogenen Stand der Technik werde noch auf die Entgegenhaltung D-OII verwiesen, welche in das Verfahren zuzulassen sei, da ihre Lehre eines permanenten durchgehenden Antriebsstrangs zwischen Motor und Generator prima facie höchstrelevant sei.
Da der Fachmann ausgehend von D13 für jede einzelne Aufgabe eine naheliegende technische Lösung im Stand der Technik finde, wobei die vier einzelnen technischen Lösungsmaßnahmen gänzlich den Merkmalen M1.5 bis M1.8 entsprechen, gelange er ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gemäß Hilfsantrag III.
Es sei diesbezüglich nicht angebracht nachzuprüfen, ob die allgemeinen Offenbarungsinhalte der zur Lösung der einzelnen Teilaufgabe herangezogenen Entgegenhaltungen miteinander kompatibel seien bzw. insgesamt zusammenwirken könnten, denn ansonsten würde gegen die ermittelte Ausgangslage des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes plötzlich und rückwirkend eine Synergie zwischen den Merkmalen M1.5 bis M1.8 eingeführt werden.
VII. Die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
a) Artikel 123(2) EPÜ
i) Merkmal "Anflanschen" (M1.5)
Das Fehlen des Adjektivs "zentral" im Merkmal M1.5 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, und per Analogie auch gemäß Hilfsanträgen I und II, stelle keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar. Das Anflanschen des Generators an dem Pumpenverteilergetriebe sei in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (vgl. Absatz [0028] und Ansprüche 3 und 11) ganz allgemein definiert und nicht zwingend auf eine zentrale Lage beschränkt.
ii) Merkmale M1.7 und M1.8
Es bestehe keine Notwendigkeit für die Aufnahme des Merkmals einer Hohlwelle im Merkmal M1.7, da die zitierte schaltbare Kupplung sowohl die gemeinsame Kupplung K2 als auch die für jede Pumpe individuelle Kupplung K3 betreffen könne.
b) Artikel 84 EPÜ - Hilfsantrag III
Das Merkmal M1.5 sei klar. Das Adjektiv "zentral" bedeute, dass das Anflanschen des Generators in mittiger Lage auf der von dem Motor abgewandeten Seite des Pumpenverteilergetriebes stattfinde.
c) Spätes Vorbringen
Das von der Beteiligten mit Schreiben vom 9. Mai 2018 zitierte Dokument D-OII sei verspätet vorgelegt worden und auch nicht prima facie relevant; dementsprechend sei es nicht zu berücksichtigen.
d) Artikel 56 EPÜ - Hilfsantrag III
Die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D13 unterscheidenden Merkmale M1.5 bis M1.8 stünden in Synergie zueinander, da sie gemeinsam zur Lösung der Aufgabe, nämlich die Energiebilanz des Straßenfertigers zu verbessern so wie in Absatz [0006] des Streitpatents bereits definiert, zusammenwirkten.
Durch die Merkmale M1.5 und M1.6 werde eine sehr kompakte Bauform der Antriebsvorrichtung mit Motor, Pumpenverteilergetriebe und Generator geschaffen und somit die Antriebsstrecke minimiert, so dass Energieverluste reduziert werden können. Das Ausschalten eines nicht benötigten Aggregats gemäß Merkmal M1.7 bewirke eine Reduzierung der Schlepplast und somit eine Energieeinsparung. Die Maßnahme gemäß Merkmal M1.8 ermögliche das Minimieren der Antriebsstrecke bzw. die kompakte Bauform und somit auch das Erhöhen der Energiebilanz, indem die drehelastische Kupplung die durch schlagartige Laständerungen beim Ein/Auskoppeln von Aggregaten bzw. beim Übergang Fahrbetrieb/Arbeitsbetrieb auftretenden und auf dem Motor ausgeübten mechanischen Stößen aufgefangen werden.
Zum Nachweis der einzelnen Merkmale M1.5 bis M1.8 seien von den Gegenparteien jeweils unterschiedliche Entgegenhaltungen genannt und dann alle in Zusammenschau mit dem in D13 offenbarten Ausgangspunkt kombiniert worden. Die Notwendigkeit, vier bis fünf Entgegenhaltungen zu kombinieren, sei an sich schon ein Nachweis dafür, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Selbst wenn man von der Annahme ausginge, dass die vier kennzeichnenden Merkmale nicht synergetisch zusammenwirken sollten und dass daher vier unterschiedliche Aufgabe getrennt von einander zu lösen seien, würde der Fachmann auch dann nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Dies sei darauf zurück zu führen, dass eine technische Lösung für eine erste Teilaufgabe, wie in einer ersten Entgegenhaltung gelehrt, von dem in einer weiteren Entgegenhaltung offenbarten Lösungsansatz für eine weitere Teilaufgabe wegführen würde. Sollte beispielsweise D4, wie von der Gegenseite behauptet, den Fachmann tatsächlich dazu anregen, schaltbare Kupplungen zum Antreiben von Aggregaten zu planen (Merkmal M1.7), dann würde er gemäß der Lehre von D4 auch den Antrieb eines Generators durch einen mit dem Motor abkoppelbaren Antriebsstrang vorsehen. Diese Lösung würde dann aber von der beanspruchten technischen Lösung des Merkmals M1.6 wegführen.
Es sei auch festzustellen, dass die Lehren von D4 und D15, welche zu unterschiedlichen Teilaufgaben zitiert worden seien, unter einander nicht kompatibel seien, da die Vorrichtung von D15 durch eine selektive Arbeit (jeweils nur ein einziges Aggregat angetrieben) gekennzeichnet sei, D14 dagegen dem Fachmann das zusätzliche Anschalten mehrerer Aggregaten lehre.
VIII. Am 13. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, am Ende welcher die Kammer ihre Entscheidung verkündet hat.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag, Hilfsanträge I und II - Artikel 123(2) EPÜ
1.1 Merkmal "zentrales Anflanschen" (M1.5; M1.5')
In dem von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Anspruch 1 (Hauptantrag) wurde u.a. das aus der Beschreibung hergeleitete Merkmal M1.5' mit folgendem Wortlaut aufgenommen:
dass der Generator (G) an das Pumpenverteilergetriebe (19) angeflanscht ist.
Wie in Absatz [0027] des Streitpatents bzw. der Veröffentlichungsschrift (EP-A) beschrieben, stellt das Merkmal M1.5' eine Alternative zu der im Absatz [0026] beschriebenen Ausführungsform, nach welcher das Fahrpumpenaggregat (im Weiteren: FPA) an das Pumpenverteilergetriebe (im Weiteren: PVG) zentral angeflanscht ist, dar.
Wenn anstelle des an das PVG zentral angeflanschte FPA nun der Generator anzuflanschen ist, dann liest der fachkundige Leser im Absatz [0027] mit, dass der Generator 1-zu-1 die Stelle des FPA übernimmt, also ebenfalls zentral an das PVG anzuflanschen ist.
Diesbezüglich teilt die Kammer also die Meinung der Beschwerdeführerin und der Beteiligten, dass das Fehlen des Adjektivs "zentral" in Merkmal M1.5' eine ursprünglich nicht offenbarte Zwischenverallgemeinerung (d.h. nach dieser Definition könnte der Generator auch an anderen, nicht offenbarten Stellen angeflanscht werden) und somit eine unzulässige Erweiterung im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ darstellt.
Per Analogie erfüllen somit auch die Hilfsanträge Hilfsanträge I und II nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
2. Hilfsantrag III - Artikel 84 und 123(2) EPÜ
2.1 Artikel 123(2) EPÜ
2.1.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags III unterscheidet sich von demjenigen des Hauptantrags durch die Aufnahme des Adjektivs "zentral" im Merkmal M1.5. Der bei dem Hauptantrag und bei den Hilfsanträgen I und II festgestellte Einwand unzulässiger Erweiterung ist damit behoben.
2.1.2 Die von der Beschwerdeführerin und der Beteiligten vorgebrachten zusätzlichen Einwände hinsichtlich Artikels 123(2) EPÜ treffen aus folgenden Gründen nicht zu. Die Begründung bezüglich weiterer unzulässiger Verallgemeinerungen, welche insbesondere auf dem Fehlen von detaillierten Merkmalen bezüglich der alternativen Ausführungsformen der einzusetzenden schaltbaren Kupplungen K2 oder K3 im Zusammenhang mit der Hohlwelle 26 in Anspruch 1 beruht, ist in der Tat nicht überzeugend. Die Kammer bestätigt hier vielmehr die Gründe der Einspruchsabteilung, siehe insbesondere Seite 10, letzter Absatz der Zwischenentscheidung, wo ausgeführt ist, dass keine Notwendigkeit für die Aufnahme des Merkmals einer Hohlwelle im Merkmal M1.7 besteht. Die Kammer schließt sich der Auffassung an, dass dem Streitpatent klar zu entnehmen ist, dass der permanente Antrieb des Generators (Merkmal M1.5) nicht zwangsläufig in Kombination mit einer Hohlwelle offenbart ist, zumal die weiteren Aggregaten entweder durch eine einzige gemeinsame Kupplung K2 oder, anstelle oder zusätzlich, durch individuelle Kupplungen K3 ankoppelbar sind.
2.1.3 Die Kammer gelangt daher zum Ergebnis, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügt.
2.2 Artikel 84 EPÜ
Wie bereits zum Einwand unzulässiger Erweiterung von der Kammer festgestellt, lehrt das Streitpatent in einer Variante zum zentralen Anflanschen des FPA an das PVG, alternativ den Generator zentral an das PVG anzuflanschen. Dabei bedeutet die Lehre des zentralen Anflanschens zweifellos, dass der Generator in mittiger Lage auf der von der Motor abgewandeten Seite des PVG und in zentraler Lage hinsichtlich der Lage der Antriebselemente, u.a. des Abtriebsstrangs (22) am PVG, angeflanscht ist, wie auch in Figuren 2 und 3 schematisch verdeutlicht.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III erfüllt somit auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
3. Hilfsantrag III - Artikel 56 EPÜ
3.1 Nächstliegender Stand der Technik : D13
3.1.1 Vorbemerkung: D10 nicht als Ausgangspunkt geeignet
Die Beschwerdeführerin hat zusätzlich zu D13 auch noch D10 als möglichen Ausgangspunkt zitiert und den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit darauf begründet.
In ihrer vorläufigen Meinung hat die Kammer die Ansicht vertreten, dass D10 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellen kann, da nur ein Teil des Merkmals M1.3 des Oberbegriffs in D10 verwirklicht wird. Anders als bei D13 und im Merkmal M1.3 stellt D10 als erfindungswesentlich dar, die Fahrantriebe 16 nicht mit Pumpen, sondern elektrisch anzutreiben, vgl. Spalte 2, Zeilen 1 bis 26.
Der Fachmann würde demnach davon absehen, von dem in D10 als wesentlich angesehenen Lösungsgedanken gänzlich abzuweichen und auf den dort explizit als nicht zufriedenstellend angesehenen hydraulischen Antrieb der Aggregate zurückzukehren. Die Würdigung von D10 als nächstliegender Stand der Technik im Rahmen des anzuwendenden Aufgabe-Lösungs-Ansatzes würde somit auf einer rückschauender Betrachtung beruhen.
Während der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführerin und die Beteiligte zu diesem Punkt auch nicht mehr vorgetragen.
3.1.2 D13
Der in D13 (siehe insbesondere Seite 4) offenbarte Straßenfertiger weist sämtliche Merkmale (M1.1 bis M1.4) des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf, nämlich:
- ein einen Dieselmotor 1 umfassendes Primärantriebsaggregat,
- von der Kurbelwelle des Dieselmotors 1 über ein Pumpenverteilergetriebe 2 und von diesem antreib- oder versorgbare hydraulisch Pumpen (10,14, 18-24) antreibbare Funktionsbaugruppen, einschließlich eines Fahrpumpenaggregats (Axialkolbenpumpe 5) zum Versorgen eines Fahrantriebs, und
- wenigstens einen Generator 25 zum Versorgen
zumindest elektrischer Heizeinrichtungen und/oder einer Einbaubohle des Straßenfertigers.
Darüber hinaus ist auch ein Teil des Merkmals M1.6 aus D13 bekannt, da der Generator 25 von der Kurbelwelle des Dieselmotors 1 durch einen Riemenantrieb und somit permanent angetrieben wird.
3.2 Unterschied gegenüber D13
Es ist unstreitig, dass der in Anspruch 1 definierte Gegenstand sich von D13 durch folgende Merkmale unterscheidet:
M1.5: der Generator ist zentral an das
Pumpenverteilergetriebe angeflanscht
M1.6: die permanente Antriebsverbindung zwischen der
Kurbelwelle und dem Generator erfolgt durch einen das Pumpenverteilergetriebe durchsetzenden
permanenten Abtriebsstrang
M1.7: wenigstens eine Pumpe ist mittels zumindest einer schaltbaren Kupplung von der Kurbelwelle abkuppelbar
M1.8: der Generator und die Pumpen sind über eine drehelastische Kupplung von der Kurbelwelle antreibbar
3.3 Keine Synergie
3.3.1 Die Kammer kann sich der Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass alle vier Unterscheidungsmerkmale zur Lösung der gemeinsamen Aufgabe, die Energiebilanz des Straßenfertigers zu verbessern, zusammenwirken sollen, aufgrund folgender Betrachtungen nicht anschließen.
3.3.2 Ansicht der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung:
- dass eine einheitliche Aufgabe vorliegt, nämlich, wie in Absatz [0006] des Streitpatents formuliert, im Hinblick auf spezifische Anforderungen beim Betrieb eines Straßenfertigers die Energiebilanz und Umweltverträglichkeit zu verbessern oder ein verbessertes Antriebskonzept zur Verfügung zu stellen; und
- dass die vier kennzeichnenden Merkmale M1.5 bis M1.8 durch Synergieeffekte in ihrer Kombination zur Lösung dieser Aufgabe beitragen.
Es wurde jedoch nicht detailliert vorgetragen, in welcher Weise die kennzeichnenden Merkmale synergetisch zusammenwirken und damit die Lösung der Aufgabe "Energiebilanz verbessern" herbeiführen.
Auch nach ausführlicher Erörterung dieses Problems in der mündlichen Verhandlung ist für die Kammer immer noch nicht nachvollziehbar, wie ein zentrales Anflanschen des Generators an das PVG beziehungsweise eine drehelastische Kupplung zwischen der Kurbelwelle und den anzutreibenden Aggregaten die Energiebilanz beeinflussen können, und noch weniger, ob diese zwei Maßnahmen miteinander kombiniert eine größere Wirkung als die Summe der Effekte der einzelnen Maßnahmen erzielen könnten. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Ausgestaltung des permanenten Antriebs des Generators mit einem Abtriebsstrang anstelle eines Antriebsriemens die Energiebilanz verbessern könnte.
Die Kammer teilt diesbezüglich die Ansicht der Beschwerdeführerin und der Beteiligten, dass ferner die von der Beschwerdegegnerin alternativ vorgetragene Definition einer völlig allgemeinen/übergeordneten Aufgabe, "ein verbessertes Antriebskonzept zur Verfügung zu stellen", im vorliegenden Fall keine Berechtigung findet. Die Kammer stimmt der Beteiligten zu, dass, ebenso wie die Spezifizierung einer Aufgabe dadurch begrenzt ist, dass sie keine Teile der Lösung enthalten darf, auch die Generalität einer Aufgabe begrenzt ist, und zwar derart, dass sie nicht allgemeiner sein darf, als der nächstliegende Stand der Technik es erlaubt. Für den vorliegenden Fall gilt aber, dass der Leser allein schon dem Titel "wo Leistung hohe Mobilität bedingt" der D13 ganz allgemein ein verbessertes Antriebskonzept für Straßenfertiger entnehmen kann.
3.3.3 Teilaufgaben
a) Ansicht der Einspruchsabteilung
In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung zwei Teilaufgaben (s. Punkt 21.3.1, Seite 13, vierter Absatz) definiert:
1.Teilaufgabe TA1: Platzsparende Bauweise
2.Teilaufgabe TA2 : Reduzierung der Schlepplasten zur
Verbesserung der Energiebilanz
Der Begründung der Einspruchsabteilung ist jedoch nicht ohne Weiteres zu entnehmen, wie die vier unterscheidenden Merkmale den zwei Teilaufgaben jeweils zuzuordnen sind.
Die Kammer kann diesbezüglich zwar noch annehmen, dass die Einspruchsabteilung die Ansicht vertrat, dass die Merkmale M1.5 und M1.6 zu einer kompakteren Bauweise führen und das Merkmal M1.7 die Schlepplasten reduzieren mag. Unklar bleibt dann aber, ob das Merkmal M1.8 zur Lösung von einer der Teilaufgaben überhaupt beitragen kann.
b) Ansicht der Beschwerdeführerin
In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin jedem Unterscheidungsmerkmal M1.5 bis M1.8 eine eigene Teilaufgabe A.I bis A.IV zugeordnet:
A.I: Bauraumoptimierung (M1.5)
A.II: Alternative Antriebsform für den Generator
(M1.6)
A.III: Verbesserung der Energiebilanz (M1.7)
A.IV: Verbrennungsmotor gegen Torsionskräfte
isolieren (M1.8).
c) Auffassung der Kammer
In Anbetracht der unterschiedlichen Ausführungen zum Thema Aufgabe/Teilaufgaben, und weil das Merkmal M1.8 keiner der von der Einspruchsabteilung definierten Teilaufgaben TA1 und TA2 supra zugeordnet werden kann, teilt die Kammer teilweise die Ansicht der Beschwerdeführerin und der Beteiligten dahingehend, dass auf der Basis des Merkmals M1.8 eine dritte separate Teilaufgabe TA3 zu definieren ist, nämlich:
TA3: den Verbrennungsmotor gegen mechanische
Störkräften, z.B. Torsionsstöße) zu schützen.
3.4 Keine naheliegende Lösung hinsichtlich D8, D15 oder D4
3.4.1 Zur Teilaufgabe TA1
a) D8
Anders als von der Beschwerdeführerin und Beteiligten vorgetragen, kann der Fachmann der Entgegenhaltung D8 kein zentrales Anflanschen des Generators an das PVG entnehmen. Absatz [0026] von D8 betrifft kein Anflanschen, sondern eine "Lagerung 26", welche gemäß Figur 5 auch nicht zentral angeordnet ist.
Außerdem beruht die wesentliche Lehre/Lösung in D8 darauf, den Generator von der Primärantriebsquelle getrennt anzuordnen und über einen Nebenantrieb anzutreiben, vgl. Kennzeichen des Anspruchs 1 und Absatz [0030]. Die Kammer kann sich daher den Argumenten der Beschwerdeführerin und der Beteiligten, dass die in den Merkmalen M1.5 und M1.6 beanspruchten Maßnahmen in naheliegender Weise von D8 herleitbar wären, nicht anschließen.
b) D15
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der auf dem Gebiet der Straßenfertiger tätige Fachmann für die Lösung der Aufgabe "platzsparende Bauweise" die Entgegenhaltung D15 nicht in Betracht ziehen würde, denn sie betrifft keinen Straßenfertiger, sondern ein Arbeitsfahrzeug, wie Stapler, Radlader, Dumper, Baggerlader und Schlepper (siehe Seite 4 sowie Seite 5, zweite Zeile). Es wurde auch nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Aggregatenträger 9 von D15 um ein PVG handelt.
Würde der Fachmann dennoch die Lehre von D15 in Betracht ziehen, würde ihn diese von den Merkmalen M1.5 und M1.6 gerade wegführen, weil die Generatoren 19, 20
in D15 entgegen Merkmal M1.5 nicht an ein PVG angeflanscht, sondern gemäß Figuren 2, 3 im Inneren des Aggregatenträgers 9 angeordnet sind. Weiter entgegen Merkmal M1.6 sind die Generatoren 19, 20 auch nicht permanent angetrieben, sondern jeweils über mechanisch von Hand schaltbaren Einzelschaltkupplungen 30 aktivierbar (Seite 9, Zeilen 22 und 23). Der Fachmann findet in D15 auch keine Lehre, den Abtriebsstrang in der Form der Verteilerwelle 10 durch den Aggregatenträger 9 zu führen, da sie vielmehr im letzteren endet.
c) D4
Bezüglich D4 ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann keine Anregung erhält, den Generator an das PVG anzuflanschen bzw. permanent anzutreiben, zumal die Vorrichtung von D4 auch nach der eigenen Auffassung der Beschwerdeführerin und Beteiligten keinen Generator umfasst. Die in D4 einzig offenbarte permanente Antriebsverbindung, die das Winkelgetriebe 20 gemäß Figur 5 durchsetzt, zwischen der Eingangswelle 23, 23a und der damit fluchtenden Ausgangswelle 23b vorgesehen ist, wobei der einzige permanent genutzte Abtriebsstrang 23b zum Fahrantrieb des Straßenfertigers führt. Alle anderen Ausgangswellen am Winkelgetriebe 20 sind über die schaltbare Kupplung 24 gemeinsam abkuppelbar. Die Angabe im Absatz [0029] von D4, dass das Ausgangsende 23b bevorzugt mit dem Fahrantrieb des Straßenfertigers verbunden ist, lässt zwar offen, welches andere Aggregat von dem Abtriebsstrang 23b angetrieben werden könnte.
Dies kann jedoch keine Anregung sein, einen in D4 nicht offenbarten Generator anstelle des Fahrantriebs anzuschließen. Diese Auslegung von D4 wird im Absatz [0011] bestätigt, wo im Hinblick auf die Ausführungsform mit einer schaltbaren Kupplung darauf verwiesen wird, dass die wirkungsmäßig durchgehende Welle als Hauptantrieb nur für den Fahrantrieb und zum hydraulischen Lenken (Transportfahrt) verwendet wird. Dies dürfte für den Fachmann auch durchaus erforderlich und sinnvoll erscheinen, weil der Fahrantrieb als einziges Aggregat sowohl während der Transportfahrt als auch während der Arbeitsfahrt genutzt wird.
Da in D4 der permanent betriebene Abtriebsstrang 23b also durch den Fahrantrieb belegt ist, kann es unter objektiver Betrachtung nicht nahegelegen haben, an dieser Stelle einen Generator anzubringen.
d) Kombination mit D13
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass in dem Straßenfertiger gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik D13 der Generator bereits permanent über einen Antriebsriemen vom Dieselmotor angetrieben wird.
Es ist der Kammer nicht ersichtlich, wieso der Fachmann ohne rückschauende Betrachtung und ohne Vorkenntnis der Erfindung von einer seitlichen Verlagerung/Lage des derart permanent angetriebenen Generators in D13 abweichen würde, zumal keine der zitierten Entgegenhaltungen einen zentral angeflanschten und durch einen das PVG durchsetzenden Abtriebsstrangs angetriebenen Generator offenbart.
e) Spätes Vorbringen - D-OII
Der Vortrag der Beteiligten, dass die erstmals mit Schreiben vom 9. Mai 2018 vorgebrachte Entgegenhaltung
D-OII in Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer nachgereicht wurde und deshalb in das Verfahren zuzulassen sei, kann nicht überzeugen. Die vorliegende Sache hatte schon seit dem Beginn des Einspruchsverfahrens bis jetzt unverändert die Frage des Anflanschens und des permanenten Antriebs des Generators zum Gegenstand. Zudem kann in einer Mitteilung der Kammer im Rahmen eines Ladungszusatzes für eine anberaumte mündliche Verhandlung keine Einladung zum Einreichen zusätzlich recherchierter Beweismittel gesehen werden. Da außerdem die Entgegenhaltung D-OII auch keinen Straßenfertiger betrifft, ist nicht erkennbar, ob bzw. weshalb dieser Stand der Technik dem beanspruchten Gegenstand näher als die bereits im Verfahren berücksichtigten Dokumente kommen könnte und damit prima facie relevant/relevanter wäre.
Aufgrund dieser Sachlage gelangt die Kammer zum Ergebnis, ihr Ermessen gemäß Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13(1) VOBK dahingehend auszuüben, das Dokument D-OII nicht in das Verfahren zuzulassen bzw. nicht zu berücksichtigen.
f) Teilaufgabe TA1 - Schlussfolgerung
Die Kammer gelangt somit zu dem Ergebnis, dass die Teilaufgabe TA1 nicht ohne Weiteres durch Heranziehen der Entgegenhaltungen D4, D8 und D15 in naheliegender Weise zu lösen ist bzw. dass eine naheliegende technische Lösung jedenfalls nicht in eine Ausgestaltung mit den in den Merkmalen M1.5 und M1.6 definierten technischen Mitteln münden würde.
3.4.2 Zu den Teilaufgaben TA2 und TA3
a) Bezüglich der Teilaufgabe TA2 (Merkmal M1.7:
Schaltkupplung für wenigstens eine Pumpe) wurden seitens der Beschwerdeführerin und der Beteiligten die Entgegenhaltungen D1, D4 und D15 herangezogen.
Bei objektiver Betrachtung lehrt D1 von einer schaltbaren Kupplung weg. Im ersten Absatz der Seite 2 (Nummerierung oben) verweist D1 auf einen Stand der Technik, wo eine Schaltkupplung über das Verteilergetriebe abkuppeln kann; gleichzeitig stellt D1 fest, dass diese Konstruktion verhältnismäßig teuer und mit einem großen Aufwand verbunden ist, vgl. Absatz 2 der Seite 2. Der Erfindungsgedanke in D1 löst sich somit eindeutig von diesem Stand der Technik, vgl. Seite 3, zweiter Satz.
In D4 erhält der Fachmann die Lehre, den Fahrantrieb mittels einer das Kegelrad-Winkelgetriebe 1 durchgehende Welle 11 (Fig.2) permanent anzutreiben und alle andere Aggregate anhand von schaltbaren Kupplungen bei Bedarf zuzuschalten (Absatz [0011]). Würde also der Fachmann die Lehre von D4, nämlich Kupplungen zum Zuschalten von Aggregaten einzusetzen, an dem aus D13 bekannten Straßenfertiger anwenden wollen, so würde er auch den Generator durch eine Schaltkupplung vom Motor antreiben. Diese Änderung würde dann jedoch gegen die andere Maßnahme gemäß Merkmal M1.6 verstoßen, welches einen permanenten Antrieb des Generators fordert.
Mit anderen Worten würde der aus D4 entnehmbare Lösungsansatz für die Teilaufgabe TA2 mit der Lösung für die Teilaufgabe TA1, und zum Teil auch mit der Lehre des permanenten Antriebs des Generators gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik D13, in direktem Konflikt stehen.
Die Kammer kann sich diesbezüglich dem Argument der Beschwerdeführerin und der Beteiligten nicht anschließen, dass die Berücksichtigung von nicht miteinander kompatiblen Teillösungen bedeuten würde, dass damit rückwirkend eine Synergie zwischen den als aufeinander folgend angeordnet anzusehenden Unterscheidungsmerkmalen M1.6und M1,7 eingeführt würde, die vorher nicht vorhanden war.
Vielmehr vertritt die Kammer die Auffassung, dass vorliegend einzelne/individuelle Teillösungen für getrennte Teilaufgaben in der Zusammenschau wiederum neue Fragen betreffend das angebliche Naheliegen der aus den einzelnen Lösungsmaßnahmen gebildeten Gesamtlösung aufwerfen. Insbesondere wurde nicht überzeugend vorgetragen, wie die einzelnen Teillösungen ohne weitere Änderung/Anpassung und ohne Angabe der genauen Reihenfolge, in der die einzelnen Lösungsmaßnahmen an D13 anzuwenden wären, kombiniert werden könnten, um unmittelbar und in naheliegender Weise zu einem Straßenfertiger gemäß Anspruch 1 zu kommen .
b) Zu Merkmal M1.8 einer drehelastischen Kupplung
stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin und Beteiligten zu, dass dem Fachmann eine elastische und insbesondere eine drehelastische Kupplung als solche und deren Einsatzbereiche allgemein bekannt sind. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob der Fachmann ausgehend von D13 in naheliegender Weise eine derartige Kupplung zwischen dem permanent angetriebenen Generator und der Kurbelwelle platziert hätte.
Im Fertiger gemäß D13 befinden sich der mittels eines Antriebriemens permanent angetriebene Generator und das PVG auf unterschiedlichen Seiten des Dieselmotors. Wie nun der Fachmann eine drehelastische Kupplung in diesem Antriebskonzept planen würde bzw. überhaupt könnte, bleibt unklar. Aber auch selbst dann, wenn der Fachmann eine drehelastische Kupplung zwischen dem Generator und der Antriebswelle von D13 einsetzen würde, würde eine Anregung fehlen, auch die Aggregatspumpen über diese drehelastische Kupplung anzutreiben.
3.5 Ergebnis
3.5.1 Die Kammer ist zu dem Zwischenergebnis gelangt, dass die Merkmale M1.5 und M1.6 zur Lösung der Teilaufgabe TA1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise herleitbar sind, so dass der beanspruchte Straßenfertiger allein schon deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.5.2 Aber auch dann, wenn der Fachmann im zitierten Stand der Technik eine Anregung für die Merkmale M1.5 und M1.6 erhalten hätte, würde der beanspruchte Gegenstand dennoch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Die Kammer hat nicht nur festgestellt, dass die Lösungen der gestellten Teilaufgaben TA1 bis TA3 durch die Unterschiedsmerkmale M1.5 bis M1.8 für den Fachmann ohne Vorkenntnis des beanspruchten Gegenstands nicht ohne weiteres naheliegend sind, sondern auch die Überzeugung gewonnen, dass die bloße Aneinanderreihung der einzelnen Lösungsansätzen - angenommen sie seien in der Tat naheliegend - angesichts der festgestellten relativen Inkompatibilität zwischen unterschiedlichen Lehren aus dem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise zur Erfindung führt.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III erfüllt die Erfordernisse des EPÜ; somit erübrigt sich eine Entscheidung über die nachrangigen Hilfsanträge IV bis VI.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf Basis der Ansprüche 1 bis 4 des Hilfsantrags III, eingereicht mit dem Schreiben vom 27. Oktober 2014, und einer anzupassenden Beschreibung sowie gegebenenfalls anzupassenden Figuren, aufrechtzuerhalten.