T 1075/14 () of 23.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T107514.20180123
Datum der Entscheidung: 23 Januar 2018
Aktenzeichen: T 1075/14
Anmeldenummer: 07003279.2
IPC-Klasse: B66F 9/075
B66F 9/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flurförderzeug mit Nutzungsdatenerfassung
Name des Anmelders: Jungheinrich Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Toyota Material Handling Manufacturing Sweden AB
Linde Material Handling GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0199/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1829814 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 27. März 2014.

Die Einspruchsabteilung hat u.a. entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 im Hinblick auf die Kombination der Dokumente

US 6.952.680 B1 (D3) und

DE 100 15 009 A1 (E2)

auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

II. Gegen diese Entscheidung haben beide Einsprechenden Beschwerde eingelegt.

III. Am 23. Januar 2018 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerde­führerinnen 01 und 02 beantragten die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerde­gegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerden.

IV. Anspruch 1 der gemäß der angefochtenen Entscheidung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt:

Flurförderzeug, mit

- einem elektronischen Speicher (1) und/oder einer Datenübertragungseinheit (12);

- einer Einrichtung zum Erfassen von Nutzungsdaten, die eine Vorrichtung zum Messen der Hubhöhe einer Last umfasst;

- einer Steuereinheit (3), die mit der Einrichtung zum Erfassen von Nutzungsdaten und dem Speicher (1) und/oder der Datenübertragungseinheit (12) verbunden ist, wobei die Steuereinheit (3) aus den erfassten Nutzungsdaten fortlaufend ein Nutzungsprotokoll erstellt und in dem Speicher (1) ablegt oder an die Datenübertragungseinheit (12) übermittelt,

dadurch gekennzeichnet, dass

eine Datenauswerteeinheit (10) vorgesehen ist, die das Nutzungsprotokoll aus dem elektronischen Speicher (1) ausliest und/oder von der Datenübertragungseinheit (12) empfängt und ein Nutzungsentgelt vorgibt.

V. Die Argumente der Beschwerde­führerinnen 01 und 02 - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nahegelegt, ausgehend von D3. Dieses Dokument offenbare bereits alle Merkmale des strittigen Anspruchs 1 bis auf das Merkmal, dass die Hubhöhe der Last zu erfassen sei.

So würde in D3 bereits ein fahrzeugindividuelles Nutzungsprotokoll gespeichert und versendet, Spalte 7, Zeilen 2 ff. Anspruch 1 lasse es aufgrund der sehr breiten Formulierung offen, wie das Nutzungsprotokoll erstellt werde und welche Werte dort eingetragen würden. Somit sei auch schon die Übermittlung eines einzigen Wertes, etwa die übermittelten Betriebsstunden am Ende einer Nutzung, ein Protokoll im Sinne des strittigen Anspruchs 1.

Des Weiteren erkläre D3, dass der Umfang der Nutzung des Hubsystems (,,extent of fork usage") zu den aus Abrechnungs- und Wartungsgründen wichtigen technischen Größen gehöre, vgl. Spalte 6, Zeilen 56 ff.

Ob diese Größe in der Vorrichtung gemäß D3 tatsächlich in die Abrechnung mit einfließe, sei dabei unerheblich, da es auch der Wortlaut des strittigen Anspruchs 1 nicht fordere, dass die Hubhöhe bei der Berechnung des Nutzugsentgelts berücksichtigt werde.

Der Fachmann kenne aus E2 ein Verfahren zur Messung der Hubhöhe der Last. Mit dem Wissen aus E3, dass eben die ,,extent of fork usage" eine der wichtigen Betriebsgrößen sei, läge es für den Fachmann nahe, das System aus E2 in die Vorrichtung gemäß E3 zu integrieren, um in der Lage zu sein, ein Maß für die ,,extent of fork usage" zu generieren. Die Hubhöhe böte sich von daher quasi automatisch an, da auch andere Größen, die einen Rückschluss auf die Belastung zuließen, wie etwa die Hubleistung oder die Hubgeschwindigkeit, die Hubhöhe als Basisgröße erfassen müssten.

VI. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von D3.

Dieses Dokument offenbare keine Erfassung der Hubhöhe der Last. Aus der Beschreibung, die einen ,,extent of fork usage" erkläre, sei nicht zu entnehmen, was genau darunter zu verstehen sei. Insbesondere könne der D3 nicht entnommen werden, dass diese Größe etwas mit der Hubhöhe der Last zu tun habe und ob diese Größe überhaupt in die Berechnung des Nutzungsentgelts einfließe. Des Weiteren sei in D3 kein fortlaufend erstelltes Nutzungsprotokoll im Sinne der Erfindung offenbart. Dort würden Einzeldaten an eine Zentrale gesendet, die dann für alle Fahrzeuge eine Flottenberechnung durchführte und dann ein akkumuliertes Nutzungsentgelt berechne. Das erfindungsgemäße fortlaufendes Nutzungsprotokoll sei fahrzeugindividuell und bestehe aus eine Vielzahl von Daten für eine bestimmte technische Größe, wie z.B. die Fahrtstrecke. D3 hingegen offenbare lediglich einen summarischen Endstand. Dies aber stelle nach allgemeinen Verständnis kein Protokoll dar.

Die mit den Merkmalen zu lösende Aufgabe bestehe darin, für einzelne Flurförderfahrzeuge die Nutzung besser zu erfassen und dabei zusätzliche Nutzungsdaten mit zur Grundlage des Nutzungsentgelts zu machen.

Das Dokument E2 offenbare lediglich, u.a., die Messung der Hubhöhe und deren Darstellung auf einer Anzeige. Es sei nicht erkennbar, warum der Fachmann die Messung der Hubhöhe der E2 entnehmen sollte, um sie in die Vorrichtung der D3 zu integrieren. Schließlich sei es nicht selbstverständlich, dass der Fachmann unter ,,extent of fork usage" automatisch die Hubhöhe verstehe, dies könne auch jede andere technische Größe sein, die einen Einfluss auf die Belastung des Hubsystems habe, wie zum Beispiel die Hubgeschwindigkeit oder gerade auch die Hubleistung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1, der Basis des von der Einspruchsabteilung in geändertem Umfang aufrecht- erhaltenen Patents ist, beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von Dokument D3.

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung gemäß D3 dadurch, dass

die Einrichtung zum Erfassen der Nutzungsdaten eine Vorrichtung zum Messen der Hubhöhe einer Last umfasst.

2.2 Die Kammer folgt hierbei nicht dem Vorbringen der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin, dass der Gegenstand des Streitpatents eine fortlaufend geführtes und fahrzeugindividuelles Nutzungsprotokoll sei, während D3 lediglich Datenlisten für gesamte Fahrzeugflotten offenbare.

So erklärt D3 in Spalte 7, Zeilen 2 ff., dass die Datenerfassungseinrichtungen (32) für jeden einzelnen Gabelstapler Betriebsbedingungen erfassen und speichern (,,Thus, the data acquisition devices 32 sense and store the desired operating conditions for each of the forklifts 31 during use."). Diese gespeicherten ,,operation conditions" stellen mangels genauer Definition im strittigen Anspruch 1 ein Nutzungsprotokoll eines bestimmten Fahrzeugs im Sinne des angegriffenen Anspruchs 1 dar.

2.3 Auch teilt die Kammer nicht die Auffassung der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin, dass es sich bei den übermittelten Daten gemäß D3 nicht um ein fortlaufendes Protokoll handele, da lediglich akkumulierte Werte, wie etwa die Gesamtfahrstrecke oder die Gesamtnutzungsdauer übertragen würden, während ein fortlaufendes Protokoll gemäß der Erfindung mehrere zeitliche Stützstellen aufweise, wie dies auch in der Beschreibung des Streitpatents dargetan sei.

Anspruch 1 definiert nicht, in welchem Umfang Nutzungsdaten fortlaufend in einem Protokoll gespeichert werden. So sieht die Kammer in einem akkumulierten Wert, der bei jeder erneuten Benutzung aktualisiert wird, eine fortlaufende Protokollierung der Benutzung, ähnlich, wie jede gefahrene Strecke (fortlaufend) auf dem Kilometerzähler eines PKW protokolliert wird.

2.4 Die sich, ausgehend von Dokument D3, ergebende objektive Aufgabe besteht darin, für einzelne Flurförderfahrzeuge die Nutzung besser zu erfassen und dabei alternative oder zusätzliche Nutzungsdaten mit zur Grundlage des Nutzungsentgelts zu machen, vgl. auch Paragraph [0007] der Patentschrift.

Diese Aufgabe wird von den Parteien nicht bestritten.

2.5 Das Dokument D3 offenbart weiterhin unstrittig, dass zur Berechnung von Nutzungsentgelten der Umfang der Benutzung der Hubgabel eines Gabelstaplers erfasst wird (,,extent of fork usage"), vgl. auch Spalte 6, Zeilen 60 ff.

Damit ist aus Sicht der Kammer dem Fachmann bereits ein Hinweis darauf gegeben, dass die Gabelnutzung einen Einfluss auf die Belastung des Fahrzeugs hat und damit Teil einer Berechnung eines Nutzungsentgelts sein kann.

Hierbei kann es offenbleiben, ob gemäß D3 die ,,extent of fork usage" tatsächlich in die Berechnung des Nutzungsentgelts einfließt oder nicht. Letztlich lässt auch der Wortlaut des strittigen Anspruchs 1 offen, aus welchen Größen das Nutzungsentgelt berechnet wird und insbesondere, ob die Hubhöhe der Last darin einfließt.

2.6 Aus dem Dokument E2 ist dem Fachmann bekannt, wie eine Hubhöhe einer Last an einem Gabelstapler zu messen ist, siehe Figur 2. Weiterhin sind Aspekte einer statischen oder dynamischen Überlast des Fahrzeugs diskutiert, vgl. Spalte 5, Zeilen 1 ff.

Somit ist es für den Fachmann nahegelegt, die an sich bekannte Messung der Hubhöhe für die Erfassung der ,,extent of fork usage" heranzuziehen und damit die gestellte Aufgabe zu lösen.

Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin wendet ein, dass dies auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhe, da weder aus D3 noch aus E2 nahegelegt werde, dass ausgerechnet die Hubhöhe in die Berechnung des Entgelts einbezogen werde; ausgehend von D3 könne der Fachmann auch die Hubleistung oder die Hubgeschwindigkeit oder andere Größen des Hubsystems in Betracht ziehen.

Dem ist zu entgegnen, dass die Hubhöhe eine der zentralen Größen darstellt, die in irgendeiner Weise die Beanspruchung des Fahrzeugs über die Hubgabel zu bestimmen in der Lage ist. So ist auch für die Bestimmung der Hubgeschwindigkeit oder der Hubleistung zunächst die Erfassung der Hubhöhe vorteilhaft, da sie als Ausgangsgröße für die Bestimmung der Hubhöhe verwendet werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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