T 1004/14 (Automatische Erkennung einer Schnittstelle/HEIDENHAIN) of 31.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T100414.20180131
Datum der Entscheidung: 31 Januar 2018
Aktenzeichen: T 1004/14
Anmeldenummer: 09756280.5
IPC-Klasse: G05B 19/042
H04L 29/10
H04L 29/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zur automatisierten Erkennung einer Schnittstelle
Name des Anmelders: Dr. Johannes Heidenhain GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäischen Patentanmeldung Nr. 09756280.5 (Internationale Veröffentlichungsnummer WO 2010/069664 A1) zurückzuweisen, da der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags und des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

Das folgende Dokument, auf das in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wurde, ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D2: US 2006/0282580 A.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Anmelderin Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Ansprüche eines am 25. Januar 2012 eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags. Die Anträge im Beschwerdeverfahren entsprechen den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anträgen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung folgenden Mitteilung nahm die Kammer zum Sachverhalt vorläufig Stellung.

IV. Am 31. Januar 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Vorrichtung zur automatisierten Erkennung einer Schnittstelle zwischen einem Positionsmessgerät (10) und einer Folgeelektronik (110), die über einen Datenübertragungskanal (100) miteinander verbunden sind, wobei das Positionsmessgerät (10) eine Schnittstelleneinheit (20) und eine Positionsmesseinheit (30) umfasst, die Schnittstelleneinheit (20) zum einen mit dem Datenübertragungskanal (100) und zum andern zum Zwecke eines Datenaustauschs mit der Positionsmesseinheit (30) verbunden ist, wobei in der Schnittstelleneinheit (20) die Schnittstelle zur Folgeelektronik (110) aus wenigstens zwei Schnittstellen auswählbar ist und im Positionsmessgerät (10) weiter eine Schnittstellenerkennungseinheit (200) angeordnet ist, der wenigstens ein Eingangssignal (E1, E2), das von der Folgeelektronik (110) über den Datenübertragungskanal (100) eintrifft, zugeführt ist und die Mittel zur Feststellung der zeitlichen Abfolge von Signalflanken des wenigstens einen Eingangssignals (E1, E2) in Verbindung mit dem Signalzustand umfasst, sowie eine Auswerteeinheit (260), in der durch Auswertung der festgestellten zeitlichen Abfolge die verwendete Schnittstelle zur Folgeelektronik (110) erkennbar und in der Schnittstelleneinheit (20) auswählbar ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Positionsmessgerät ein Slave ist und die Folgeelektronik ein Master ist.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag (Anspruch 1): erfinderische Tätigkeit

(Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)

1.1 Die Kammer geht von D2 als nächstliegendem Stand der Technik aus. D2 richtet sich auf die automatische Erkennung des Typs eines Datenübertragungskanals ("process communication loop") zwischen einer Schnittstelle ("multi-protocol interface") und einer Feldvorrichtung ("field device") beziehungsweise einem Sensor (Absatz [0006] in Verbindung mit Absatz [0002], Zeilen 2 bis 6).

Insbesondere offenbart D2 unter Verwendung des Wortlauts des Anspruchs 1 des Hauptantrags eine Vorrichtung zur automatisierten Erkennung einer Schnittstelle (Titel) zwischen einem Sensor ("field device" für Messzwecke, Absatz [0002], Zeilen 2 bis 6) und einer Folgeelektronik ("multi-protocol interface 10", Absatz [0011], Zeilen 1 bis 6), die über einen Datenübertragungskanal ("process communication loop 16", Absatz [0011], Zeilen 6 bis 10, FIG. 1) miteinander verbunden sind,

wobei die Folgeelektronik eine Schnittstelleneinheit ("network connection circuitry 18") und ein Anschlussmodul ("connector module 20", Absatz [0011], Zeilen 10 bis 14) umfasst, die Schnittstelleneinheit zum einen mit dem Datenübertragungskanal und zum andern zum Zwecke eines Datenaustauschs mit dem Anschlussmodul verbunden ist (FIG. 1),

wobei in der Schnittstelleneinheit die Schnittstelle ("protool interface module 26" beziehungsweise "protool interface module 28") zum Sensor aus wenigstens zwei Schnittstellen auswählbar ist (Absatz [0006], Zeilen 6 bis 8, Absatz [0012], Zeilen 11 bis 25, FIG. 2) und

in der Folgeelektronik weiter eine Schnittstellenerkennungseinheit ("measurement circuitry 32", Absatz [0012], Zeilen 7 und 8, Absatz [0013], Zeilen 12 bis 16, FIG. 2) angeordnet ist, der wenigstens ein Eingangssignal, das von dem Sensor über den Datenübertragungskanal eintrifft, zugeführt ist (Absatz [0013], Zeilen 8 bis 16).

Weiter ist in der Folgeelektronik eine Auswerteeinheit ("microprocessor 38", der Mikroprozessor 38 steuert die Folgeelektronik und die von ihr ausgeführten Funktionen) angeordnet, in der durch Auswertung von Messungen die verwendete Schnittstelle zur Folgeelektronik erkennbar und in der Schnittstelleneinheit auswählbar ist (Absatz [0013], Zeilen 12 bis 16, Absatz [0018], letzte vier Zeilen).

1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Anordnung gemäß D2 somit darin, dass

a) der Sensor ein Positionsmessgerät mit einer Positionsmesseinheit ist,

b) die Schnittstelleneinheit und die Schnittstellenerkennungseinheit statt in der Folgeelektronik im Sensor angeordnet sind und die Schnittstelleneinheit mit der Positionsmesseinheit zum Zwecke des Datenaustauschs verbunden ist und

c) die Schnittstellenerkennungseinheit Mittel zur Feststellung der zeitlichen Abfolge von Signalflanken des Eingangssignals in Verbindung mit dem Signalzustand aufweist.

1.2.1 In Bezug auf Unterscheidungsmerkmal a) ist die Kammer der Ansicht, dass die Messung der Position mittels einer Positionsmesseinheit eine übliche Sensoranwendung ist und nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beiträgt.

1.2.2 Unterscheidungsmerkmal b) beschreibt die Verlagerung der automatischen Schnittstellenerkennung und -auswahl von der Folgeelektronik in den Sensor. Der Vorteil der automatischen Schnittstellenerkennung und -auswahl, nämlich die universelle Einsetzbarkeit an Datenübertragungskanälen unterschiedlichen Typs, stellt sich dabei unabhängig davon ein, ob sie in der Folgeelektronik oder im Sensor implementiert ist. Der Ort der Implementierung kann daher davon abhängig gemacht werden, ob ein Sensor mit universellem Datenübertragungskanal für eine Folgeelektronik mit festgelegtem Datenübertragungskanal bereitgestellt werden soll oder umgekehrt. Da für die Kammer keine Gründe ersichtlich sind, die gegen eine Implementierung im Sensor sprechen, würde der Fachmann auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, die automatische Schnittstellenerkennung und -auswahl im Sensor vorzusehen, ohne dass hierfür eine erfinderische Tätigkeit nötig wäre.

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Fachmann eine komplexe Funktion wie die Schnittstellenerkennung aus Platzgründen nicht in den Sensor verlagern würde. Außerdem würden die Umgebungsbedingungen eines Sensors gegen die Verlagerung in den Sensor sprechen.

Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. D2 offenbart als Datenübertragungskanal den FOUNDATION-Bus (Absatz [0017], Zeilen 1 bis 3), der ein digitaler bidirektionaler Bus ist und zu seiner Implementierung digitale Datenverarbeitungsmittel erfordert, deren Komplexität nicht wesentlich geringer ist als die, die für eine automatische Schnittstellenerkennung und -auswahl erforderlich sind. Wenn weiter die Umgebungsbedingungen des Sensors die Implementierung einer Schnittstelle für den FOUNDATION-Bus zulassen, ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch eine automatische Schnittstellenerkennung und -auswahl in den Sensor verlagert werden kann.

Dass bei einer Verlagerung der automatischen Schnittstellenerkennung und -auswahl in den Sensor die Schnittstelleneinheit zum Zweck des Datenaustauschs mit der Positionsmesseinheit verbunden ist, ist eine zwangsläufige Folge dieser Verlagerung.

1.2.3 In Bezug auf das Unterscheidungsmerkmal c) argumentierte die Beschwerdeführerin, dass D2 nur die Auswertung von statischen Gleichspannungen offenbare und verwies dabei insbesondere auf Absatz [0016], Zeilen 29 bis 31. Die Kammer merkt dazu an, dass D2 weiter offenbart, dass anhand der Gleichspannung allein der HART und der FOUNDATION-Bus nicht voneinander zu unterscheiden sind und daher die Gleichspannungsimpedanz des Datenübertragungskanals gemessen wird (Absatz [0017], Zeilen 1 bis 9). D2 lehrt somit bereits, zusätzlich zur Gleichspannung weitere Parameter des Datenübertragungskanals auszuwerten, um verschiedene Protokolle voneinander unterscheiden zu können. Dies wird auch an einer anderen Stelle der D2 deutlich, gemäß der die Messungen solange fortgesetzt werden, bis die Art des Datenübertragungskanals unterschieden werden kann oder alle verfügbaren Messungen ausgeschöpft sind (Absatz [0018], Zeilen 18 bis 20).

Da sich digitale Protokolle, wie die der in D2 genannten HART- und FOUNDATIONS-Busse, auch in Bezug auf die digitalen Merkmale der Datenübertragung unterscheiden, die insbesondere durch die zeitliche Abfolge der Signalflanken in Verbindung mit dem Signalzustand gekennzeichnet sind, liegt es für den Fachmann nahe, als weiteren Parameter auch diese auszuwerten, um unterschiedliche Digitalschnittstellen voneinander unterscheiden zu können.

Daher beruht der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

1.3 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus den obigen Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ), kann der Antrag nicht gewährt werden.

2. Hilfsantrag (Anspruch 1): erfinderische Tätigkeit

(Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)

Der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags und dem des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist, dass das Positionsmessgerät ein Slave und die Folgeelektronik ein Master ist.

Dieses Merkmal steht in keiner Wechselwirkung mit den übrigen Merkmalen des beanspruchten Gegenstands, entwickelt mit diesen keinen Synergieeffekt und trägt daher nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit bei.

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass mit dieser Einschränkung deutlicher gemacht werden sollte, dass die automatische Schnittstellenerkennung im Sensor, einem passivem Gerät, implementiert ist. Die Kammer folgt dem Argument nicht. Die Ausgestaltung des Sensors als Slave bedeutet nur, das er Daten auf Anforderung eines Master sendet. Dies berührt nicht die automatische Schnittstellenerkennung und -auswahl.

Der beanspruchte Gegenstand beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

2.1 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags aus den obigen Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ), kann der Antrag nicht gewährt werden.

3. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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