T 0929/14 () of 4.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T092914.20180904
Datum der Entscheidung: 04 September 2018
Aktenzeichen: T 0929/14
Anmeldenummer: 08167095.2
IPC-Klasse: A61B 19/00
A61B 19/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Integration von chirurgischem Instrument und Anzeigevorrichtung zur Unterstützung der bildgeführten Chirurgie
Name des Anmelders: Brainlab AG
Name des Einsprechenden: Aesculap AG
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zulässigkeit - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. 2 179 703 in geändertem Umfang ist am 17. Februar 2014 zur Post gegeben worden.

II. In der Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen (im abhängigen Anspruch 4) das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen. Die Einspruchsabteilung entschied insbesondere, dass Anspruch 1 des erteilten Patents die Erfordernisse von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit erfüllt. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wurde unter anderem die Kombination folgender Dokumente berücksichtigt:

D2: DE-A-10 2004 032 939

D9: US-A-2008/0009697.

III. Die Einsprechende hat gegen diese Entscheidung am 17. April 2014 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die entsprechende Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 26. Juni 2014 eingereicht.

IV. Mit einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 11. Mai 2018 hob die Kammer einige zu diskutierenden Punkte hervor.

V. Am 4. September 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags.

VI. Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchssatzes (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"1. Chirurgisches Instrument (10, 20, ..., 60) mit einem Griff- oder Halterungsabschnitt (11, 21, ..., 61) und einem funktionellen Abschnitt bzw. einer Spitze (19, 29, ..., 69), wobei am Instrument eine Anzeigevorrichtung (13, 23, ..., 63) mit einer Bildanzeige vorgesehen ist, welche Anzeigen umfasst oder ermöglicht, die der Unterstützung der bildgeführten bzw. navigationsgestützten Chirurgie dienen, wobei die die Positionsdaten des Instruments im Rahmen einer medizintechnischen Navigation verarbeitende Datenverarbeitung des Navigationssystems und die Anzeigevorrichtung als integriertes, speziell tragbares Navigationssystem über einen Adapter an dem Instrument anbringbar sind, wobei die Position des Instruments zur 3D-Lokalisation mittels einer extern bereitgestellten Trackingkamera (2) bestimmt und verfolgt wird, dadurch gekennzeichnet, dass mittels der Datenverarbeitung die Verarbeitung der Navigations- und Trackingdaten der Kamera erfolgt."

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags von der Kammer hervorgehoben):

"1. Chirurgisches Instrument (10, 20, ..., 60) mit einem Griff- oder Halterungsabschnitt (11, 21, ..., 61) und einem funktionellen Abschnitt bzw. einer Spitze (19, 29 , ..., 69), wobei am Instrument eine Anzeigevorrichtung (13, 23, ..., 63) mit einer Bildanzeige vorgesehen ist, welche Anzeigen umfasst oder ermöglicht, die der Unterstützung der bildgeführten bzw. navigationsgestützten Chirurgie dienen, wobei die die Positionsdaten des Instruments im Rahmen einer medizintechnischen Navigation verarbeitende Datenverarbeitung des Navigationssystems und die Anzeigevorrichtung als integriertes, speziell tragbares Navigationssystem über einen Adapter an dem Instrument anbringbar sind, wobei die Position des Instruments zur 3D-Lokalisation mittels einer extern bereitgestellten Trackingkamera (2) bestimmt und verfolgt wird, [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass] wobei mittels der Datenverarbeitung die Verarbeitung der Navigations- und Trackingdaten der Kamera erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass eine eingebaute Inertialsensorik Trackinginformation liefert und die integrierte Datenverarbeitung im Instrument die Auswertung der Inertialsensorik in Verbindung mit der redundanten Trackinginformation übernimmt, um eine Verbesserung der 3D-Lokalisation zu erwirken."

VIII. Die von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hinsichtlich des Hauptantrags trug die Beschwerdeführerin die Argumente vor, auf die sich die unten aufgeführte Begründung stützt.

Der erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hilfsantrag sei nicht ins Verfahren zuzulassen. Die Beschwerdegegnerin habe im zurückliegenden Zeitraum von mehr als vier Jahren Gelegenheit gehabt, einen Hilfsantrag zu stellen. Für die Zulassung des Hilfsantrags zum jetzigen extrem verspäteten Zeitpunkt gebe es keinen erkennbaren Grund und sei nicht verfahrensfördernd und -ökonomisch.

IX. Die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

D2 offenbare kein chirurgisches Instrument, an dem eine Anzeigevorrichtung mit integriertem Navigationssystem über einen Adapter anbringbar ist. Die Anzeigevorrichtung aus D2 besitze nicht die beanspruchte Datenverarbeitung zur Verarbeitung der Navigations- und Trackingdaten der Kamera. Auch aus D9 sei kein Instrument mit einer derartigen Anzeigevorrichtung bekannt. In D9 finde die Datenverarbeitung für die Navigation in einem Computer (80) statt, der extern zu der am Instrument (500) angeordneten Bildanzeige (530) (Figur 16) platziert ist. Aus der Offenbarung in Absatz [0033] von D9, die Datenverarbeitung im chirurgischen Instrument anzuordnen, sei es für den Fachmann nicht naheliegend, diese in der Anzeigevorrichtung anzubringen, da es durchaus auch möglich sei, sie innerhalb des Gehäuses des Instruments anzubringen. Somit würde der Fachmann aus der Kombination der Dokumente D2 und D9 nicht direkt zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

Hilfsantrag

Die Patentinhaberin habe auf die Einreichung eines Hilfsantrags zunächst verzichtet, da sie sich aufgrund der positiven Entscheidung der Einspruchsabteilung in ihrer Auffassung sicher fühlte. Da die Kammer der Entscheidung der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit nicht gefolgt sei, sei die Beschwerdegegnerin überrascht gewesen, worauf sie sich veranlasst gesehen habe, einen Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung einzureichen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Erfindung

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents (bzw. des derzeitigen Hauptantrags) betrifft ein chirurgisches Instrument mit im Wesentlichen einer Anzeigevorrichtung (Figuren 4 bis 7) mit einer Bildanzeige und einer Datenverarbeitung eines Navigationssystems, wobei die Datenverarbeitung und die Anzeigevorrichtung als integriertes, speziell tragbares Navigationssystem über einen Adapter an dem Instrument anbringbar sind. Die Position des Instruments zur 3D-Lokalisation wird mittels einer extern bereitgestellten Trackingkamera bestimmt und verfolg. Wie im Absatz [0007] des Patents erläutert wird, zeigt ein derartiges Instrument Informationen für den Chirurgen an, die er während des Behandlungsablaufes benötigt, so dass der Chirurg nicht den Blick vom Instrument bzw. vom Patienten nehmen muss, um navigationsgestützt arbeiten zu können.

3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

3.1 Dokument D2 stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar. Es beschreibt ein chirurgisches Instrument (Bohrer 100) mit im Wesentlichen einer Anzeigevorrichtung (120) mit einer Bildanzeige (122), die über einen Adapter (Andockstruktur 152) an dem Instrument anbringbar ist (Figur 2; erste Hälfte des Absatzes [0039]). Figur 16 und Absatz [0041] offenbaren ferner ein (externes) Navigationssystem (500) mit einer Datenverarbeitung (504), die die Positionsdaten des Instruments (Bohrers 100) verarbeitet. Das Navigationssystem umfasst eine extern bereitgestellte Trackingkamera (502), mit der die Position des Instruments (100) zur 3D-Lokalisation bestimmt und verfolgt bzw. getrackt wird. Die Datenverarbeitung (504) verarbeitet die Navigations- und Trackingdaten der Kamera.

3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von dem Instrument aus D2 insoweit, dass die Datenverarbeitung des Navigationssystems in die Anzeigevorrichtung integriert ist.

3.3 Die Wirkung dieser Integration der Datenverarbeitung des Navigationssystems und der Anzeigevorrichtung kann darin gesehen werden, am Instrument ein tragbares Navigationssystem mit Anzeige und Datenverarbeitung bereit zu stellen, wie dies auch im Absatz [0016] der Patentschrift dargelegt wird.

3.4 Die objektive technische Aufgabe, die durch die erwähnten Unterscheidungsmerkmale gelöst wird, ist somit darin zu sehen, das aus D2 bekannte System platzsparender und handlicher zu gestalten.

3.5 Aus Dokument D9 ist ein weiteres chirurgisches Instrument offenbart (surgical tool 100 in Figur 1 bzw. 500 in Figuren 3 und 16) mit einem Navigationssystem mit einer Datenverarbeitung (Computer 80) und einer externen Trackingkamera (120) (Absätze [0033] und [0039]). Navigations- und Trackingdaten der Trackingkamera (120) werden von der Datenverarbeitung (80) im Rahmen einer medizintechnischen Navigation verarbeitet (Absatz [0039]). Im Beispiel der Figur 16 und Absatz [0144] ist am Instrument eine Anzeigevorrichtung (530) mit einer Bildanzeige vorgesehen, welche Anzeigen umfasst oder ermöglicht, die der Unterstützung der bildgeführten bzw. navigationsgestützten Chirurgie dienen.

Im Absatz [0033] wird das Ensemble aus der Datenverarbeitung 80, einer optional vorhandenen weiteren Datenverarbeitung 70 und dem Instrument 100 als "suite" oder "system" 50 bezeichnet. Die Datenverarbeitung 80 sowie, falls vorhanden, die Datenverarbeitung 70, bildet ein "micro-processing system" (Mikroprozessorsystem) des Systems 50. In den letzten drei Sätzen des Absatzes [0033] wird ferner erwähnt, dass das "micro-processing system" des Systems 50, das die Datenverarbeitung 80 beinhaltet, im Instrument (tool 100) selbst angeordnet sein kann. Somit lehrt Dokument D9, das "micro-processing system" eines chirurgischen Navigationssystems innerhalb des Instruments anzuordnen.

3.6 Zur Lösung der gestellten Aufgabe, das System aus D2 platzsparender und handlicher zu gestalten, würde der Fachmann die besagte Lehre aus D9 auf das System von D2 übertragen und folglich die Datenverarbeitung des Navigationssystems direkt im Instrument 100 in D2 anordnen.

Dabei ist es für den Fachmann naheliegend, diese Datenverarbeitung innerhalb der Anzeigevorrichtung 120 anzuordnen, da die Anzeigevorrichtung 120 in D2 bereits mit einer implizit vorhandenen Datenverarbeitungseinheit versehen ist, die von dem Navigationssystem 500 empfangene Daten verarbeitet (Absatz [0036]) und den Anzeigebildschirm 122 ansteuert (Absatz [0041]).

Die von Beschwerdegegnerin und in der angefochtenen Entscheidung erwähnten weiteren Möglichkeit, die Datenverarbeitung des Navigationssystems nicht an der Anzeigevorrichtung 120, sondern innerhalb des Gehäuses des Instruments 100 von D2 anzuordnen, ist zwar theoretisch denkbar und nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings würde der Fachmann die erwähnte Möglichkeit als umständlich und abwegig betrachten. In diesem Fall würde nämlich die Datenverarbeitung der Navigations- und Trackingdaten der Kamera auf zwei getrennt platzierte Datenverarbeitungseinheiten - im Instrumentengehäuse und in der daran anbringbaren Anzeigevorrichtung - aufgeteilt, da, wie oben erwähnt, die Anzeigevorrichtung in D2 bereits mit einer Datenverarbeitungseinheit versehen ist, die von dem Navigationssystem empfangene Daten verarbeitet und den Anzeigebildschirm ansteuert.

3.7 Demzufolge würde der Fachmann durch eine Kombination der Dokumente D2 und D9 auf naheliegende Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

3.8 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluss, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ erfüllt.

4. Hilfsantrag - Zulässigkeit

4.1 In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung hat die Beschwerdegegnerin lediglich die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Einen Hilfsantrag stellte sie zu dem Zeitpunkt nicht. Der vorliegende Hilfsantrag - bestehend im Wesentlichen aus einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 3 und 4 - wurde erst am Ende der mündlichen Verhandlung eingereicht, und zwar nachdem die Kammer ihren Schluss bekannt gegeben hatte, dass der von der Einspruchsabteilung als patentfähig erachtete Gegenstand das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.

Die Beschwerdegegnerin erläuterte in der mündlichen Verhandlung, dass sie auf die Einreichung eines Hilfsantrags zunächst verzichtet habe, da sie sich aufgrund der positiven Entscheidung der Einspruchsabteilung in ihrer Auffassung sicher fühlte. Da die Kammer der positiven Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit jedoch nicht gefolgt sei, sei die Beschwerdegegnerin überrascht gewesen, worauf sie sich veranlasst gesehen habe, einen Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung einzureichen.

4.2 Diese Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin steht jedoch aus folgenden Gründen nicht im Einklang mit der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern.

4.2.1 Gemäß Artikel 12(2) VOBK muss die Erwiderung auf die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdegegnerin enthalten.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beschwerdegegnerin lediglich auf die Verteidigung des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatz beschränkt. Dabei hat sie bewusst auf den rechtzeitigen Aufbau einer Rückfallposition für den Fall verzichtet, dass die Kammer bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung - und darum geht es vorwiegend bei einem Beschwerdeverfahren - zu einem von der angefochtenen Entscheidung abweichenden Ergebnis kommen sollte.

4.2.2 Gemäß Artikel 13(1) VOBK steht es dann im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung zuzulassen, wobei die Komplexität des Vorbringens, der Verfahrensstand und die Verfahrensökonomie zu berücksichtigen sind.

Die Kammer hatte in einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung sogar vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung eventueller weiterer Anträge gemäß Artikel 114(2) EPÜ sowie Artikel 12 und 13 VOBK im Ermessen der Kammer läge.

4.2.3 Im Verlauf des gesamten Beschwerdeverfahrens hat es keinerlei Änderung im Vorbringen der Gegenpartei oder gar Mitteilungen der Kammer gegeben, die der Beschwerdegegnerin einen Anlass hätten geben können, in gerechtfertigter Weise durch Änderung ihrer Anträge zu reagieren. Dass sich die Kammer nach der Debatte in der mündlichen Verhandlung der Sichtweise der Beschwerdegegnerin bezüglich aller erhobenen Einwände nicht anzuschließen vermochte, ist ebenfalls keine unerwartete oder überraschende Wendung des Verfahrens, sondern eine durchaus vorhersehbare Möglichkeit. Gerade um einer solchen Möglichkeit vorzubeugen, wäre der rechtzeitige Aufbau einer Rückfallposition durch Einreichung eines Hilfsantrags bereits mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung notwendig gewesen. Auf ein derartiges Vorgehen hat die Beschwerdegegnerin jedoch verzichtet, weil sie nach eigenem Bekunden erwartete, zunächst die Meinung der Kammer abwarten zu können. Diese Erwartungshaltung widerspricht allerdings der Bestimmung von Artikel 12(2) VOBK, wonach die Beschwerdegegnerin bereits mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung ihren vollständigen Sachvortrag vorzulegen hat.

Für die Einreichung des Hilfsantrags im äußerst späten Verfahrensstadium nach Erörterung des einzigen Anspruchssatzes in der mündlichen Verhandlung sind folglich nach Auffassung der Kammer keine stichhaltigen Gründe vorgebracht worden. Anspruch 1 des Hilfsantrags beinhaltet einen neuen, im Beschwerdeverfahren noch nicht erörterten Gegenstand (die Kombination der erteilten Ansprüche 1, 3 und 4), dessen erstmalige Beurteilung während der mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin und der Kammer nicht zuzumuten ist. Die Zulassung dieses überraschenden Antrags würde sowohl dem Gebot der Verfahrensökonomie als auch dem Grundsatz der Fairness im Verfahren zuwiderlaufen.

4.3 Folglich lässt die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13(1) VOBK den verspätet eingereichten Hilfsantrag nicht ins Verfahren zu.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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