T 0884/14 () of 15.3.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T088414.20180315
Datum der Entscheidung: 15 März 2018
Aktenzeichen: T 0884/14
Anmeldenummer: 05728213.9
IPC-Klasse: F24C 7/08
F25D 29/00
D06F 39/00
F24D 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BEDIENBLENDE FÜR EIN ELEKTROGERÄT
Name des Anmelders: BSH Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: Electrolux Rothenburg GmbH Factory and Development
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 114
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: - Geltend gemachte offenkundige Vorbenutzungen: erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht, nicht berücksichtigt
- Spät eingereichte Entgegenhaltungen: zum Teil zugelassen
- Neuheit - Hauptantrag: nein
- Spät eingereichte Hilfsanträge in Reaktion auf neu berücksichtigten Stand der Technik: zugelassen
Orientierungssatz:

Ein seit längerer Zeit nicht mehr hergestelltes Erzeugnis aus dem eigenen Haus kann von der Einsprechenden als angeblich öffentliche Vorbenutzung jedenfalls dann nicht mehr in das Beschwerdeverfahren eingebracht werden, wenn eine Recherche nach diesem Erzeugnis von Anfang an unterlassen wurde, obwohl die Einsprechende den vorbenutzten Gegenstand kannte und sich eine rechtzeitige Recherche in den eigenen Firmenunterlagen hätte aufdrängen müssen. Eine irrtümlich angenommene Beweisnot kommt ihr insoweit nicht zugute. Das Verhalten kann einem Verfahrensmissbrauch jedenfalls mit dem Ergebnis der Nichtberücksichtigung des späten Einwands gleichgestellt werden.

Angeführte Entscheidungen:
T 0534/89
T 0017/91
T 0691/12
T 1955/13
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Februar 2014, mit der der Einspruch gegen das Patent Nr. EP-B- 1 728 026 zurückgewiesen wurde.

Insbesondere stellte die Einspruchsabteilung fest, dass die beanspruchte Bedienblende gemäß dem erteilten Patent gegenüber den Entgegenhaltungen E1, E2 und E3/E3' neu sei und bei Berücksichtigung des in E1 und E2 offenbarten Stands der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einspruchsabteilung hat ebenfalls entschieden, die nach der Einspruchsfrist eingereichte Übersetzung E3'' der Entgegenhaltung E3/E3' unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen.

II. Die Beschwerde wurde von der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 11. April 2014 eingelegt. Am gleichen Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 23. Juni 2014 eingegangen.

III. Vorgebrachte Beweismittel:

a) im Einspruchsverfahren:

E1: DE 19651821 A

E2: EP 0943283 A

E3': KR 200187699 Y

E3: Titelblatt der Offenlegungsschrift E3'

E3": Eine manuell erstellte englischsprachige Übersetzung von E3'

b) im Beschwerdeverfahren:

i) mit der Beschwerdebegründung

E3''' Übersetzungszertifikat zu E3"

E6 DE 88 14 253 U

E7 DE 100 37 250 A

E8 DE 197 37 524 A

E9 DE 88 03 219 U

eine geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung V / "SET Timer" auf der Basis eines Anlagenkonvoluts V, enthaltend unter anderem:

- V1 ein physisches Muster V1 einer Bedienblende

- V2 eine Fertigungszeichnung des Simple Electronic Timers (SET Timer II) mit der ANC 3304969 in der Version 00 mit Erstellungsdatum 12.02.2003 und letztem Änderungsdatum 26.09.2003 sowie Benennung des Zeugen J. Feser für die näheren Umstände der angeblichen Vorbenutzung

ii) Mit Schreiben vom 15. Februar 2018

eine geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung W / "Backofen AEG Competence B6871-4" auf folgender Basis:

- Anlagenkonvolut W

- angebotene Zeugenvernehmung von Herrn Feser und Frau Staub-Lemmer

- ein in der mündlichen Verhandlung zur Begutachtung zur Verfügung gestellter Backofen

IV. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1 oder

Hilfsantrags 2, eingereicht in der Verhandlung vor der Beschwerdekammer, aufrechtzuerhalten.

Die ursprünglich mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 nahm die Beschwerdegegnerin am Ende der mündlichen Verhandlung zurück.

V. Der unabhängige Anspruch 1 lautet:

a) nach Hauptantrag (wie erteilt)

"Bedienblende für ein Haushalts-Elektrogerät, insbesondere ein Haushalts-Kältegerät, mit einer zur Befestigung an einem Gehäuse des Elektrogeräts vorgesehenen Basisblende (1), einer auf einer Platine (3) angeordneten Steuerschaltung für das Elektrogerät und einem die Steuerschaltung in der Basisblende (1) halternden Adapter (2), dadurch gekennzeichnet,

dass der Adapter (2) an der Platine (3) angreifende Rastmittel (17) aufweist, dass die Platine (3) in einer Vertiefung (15) des Adapters (2) aufgenommen ist, und dass die Vertiefung (15) zu einer von der Sichtseite der Basisblende (1) abgewandten Rückseite des Adapters (2) hin offen ist."

Folgende Merkmalsgliederung des erteilten Anspruchs 1 wurde berücksichtigt:

M1.1 Bedienblende für ein Haushalts-Elektrogerät, insbesondere ein Haushaltskältegerät, mit

Ml.2 einer zur Befestigung an einem Gehäuse des Elektrogeräts vorgesehenen Basisblende (1),

Ml.3 einer auf einer Platine (3) angeordneten Steuerschaltung für das Elektrogerät und

Ml.4 einem die Steuerschaltung in der Basisblende (1) halternden Adapter (2),

dadurch gekennzeichnet,

M1.5 dass der Adapter (2) an der Platine (3) angreifende Rastmittel (17) aufweist,

Ml.6 dass die Platine (3) in einer Vertiefung (15) des Adapters (2) aufgenommen ist, und

Ml.7 dass die Vertiefung (15) zu einer von der Sichtseite der Basisblende (1) abgewandten Rückseite des Adapters (2) hin offen ist.

b) nach Hilfsantrag 1

(Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind durch Streichen bzw. Unterstreichen dargestellt)

"Bedienblende für ein [deleted: Haushalts-Elektrogerät, insbesondere ein] Haushalts-Kältegerät, mit einer zur Befestigung an einem Gehäuse des [deleted: Elektro]Haushalts-Kältegeräts vorgesehenen Basisblende (1), einer auf einer Platine (3) angeordneten Steuerschaltung für das [deleted: Elektro]Haushalts-Kältegerät und einem die Steuerschaltung in der Basisblende (1) halternden Adapter (2), dadurch gekennzeichnet,

dass der Adapter (2) an der Platine (3) angreifende Rastmittel (17) aufweist, dass die Platine (3) in einer Vertiefung (15) des Adapters (2) aufgenommen ist, und dass die Vertiefung (15) zu einer von der Sichtseite der Basisblende (1) abgewandten Rückseite des Adapters (2) hin offen ist, wobei die Bedienblende einen Einleger (4) aufweist, wobei die Basisblende (1) ein langgestreckter Hohlkörper aus Kunststoff ist welcher an einer einem Benutzer des Kältegeräts zugewandten Sichtseite eine Vertiefung (5) aufweist, die so bemessen ist, dass sie den Einleger (4) formschlüssig aufnimmt, so dass beide zusammen eine bündige und geschlossene Sichtseite der Basisblende (1) bilden."

c) nach Hilfsantrag 2

"Bedienblende ... [mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1],

wobei in der Vertiefung (5) ein langgestreckter Ausschnitt (6) gebildet ist, der sich über den größeren Teil der Rückseite des Einlegers (4) erstreckt und durch den bei fertig montierter Bedienblende Übertrager zwischen an Öffnungen (10) des Einlegers (4) angeordneten Tasten, Drehschaltern oder dergleichen sich durch den Adapter zu entsprechenden Schaltelementen (13) auf der Platine (3) der Steuerschaltung erstrecken, wobei der Ausschnitt (6) auch ein Fenster bildet, durch das Leuchtanzeigeelemente durch ein durchsichtiges oder durchscheinendes Fenster des Einlegers (4) hindurch für einen vor dem Kältegerät stehenden Benutzer erkennbar sind."

VI. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Zulassung der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen V und W

Die Vorbenutzung V (Bedienblende einer elektronischen Schaltuhr für Einbauherde) sei für alle Ansprüche des Patents wie erteilt unmittelbar neuheitsschädlich, was bei einer Inaugenscheinnahme leicht und unmittelbar erkennbar sei, jedenfalls aber im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit höchstrelevant. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, diese Bedienblende offenbare alle Merkmale der Ansprüche des Streitpatents, wie sie im Einzelnen weiter ausgeführt hat. Zur Frage des späten Einreichens trägt sie vor, sie habe die vorbenutzte Bedienblende nicht bereits im Einspruchsverfahren eingereichen können, da letztere nach dem Jahr 2004 nicht mehr in den von der Beschwerdeführerin hergestellten und vertriebenen Neugeräten verbaut worden und die Existenz dieses Bauteils den heutigen Mitarbeitern nicht bewusst gewesen sei. Das Auffinden dieser Vorbenutzung sei nur "einem glücklichen Zufall" zu verdanken, der in dem ungewöhnlichen Einfall zu sehen sei, die in den Computersystemen der Beschwerdeführerin in vereinzelter Form vorliegenden Kundendienstvorgänge in dem Konvolut V zusammenzuführen und damit die Vorbenutzung zu beweisen.

Die Vorbenutzung W (Backofen Typ AEG Competence B6871-4) weise, wie im Einzelnen weiter ausgeführt wird, alle Merkmale der Ansprüche des angegriffenen Patents wie erteilt auf. Dies ergebe auch hier eine Inaugenscheinnahme ohne weiteres. Dieser Backofen sei von der benannten Zeugin Frau Staub-Lemmer vor dem Prioritätszeitpunkt erworben worden und bis zum jetzigen Zeitpunkt in deren Küche eingebaut gewesen. Das späte Vorbringen stelle hier keinen Verfahrensmissbrauch dar. Ihr, der Beschwerdeführerin, sei zwar während des gesamten Verfahrens bewusst gewesen, dass von ihr im Jahr 2003 Geräte verschiedenen Typs hergestellt und verkauft worden seien, die die Merkmale des Streitpatens aufgewiesen hätten. Es sei ihr jedoch nicht möglich gewesen, ein solches Gerät nebst Unterlagen zurückzuerwerben, um es in das vorliegende Verfahren zu Beweiszwecken einbringen zu können. Dieser Beweisnot habe sie sich stellen müssen. Der Backofen sei bei der Suche nach einer Vorbenutzug für eine anderweitige Streitigkeit aufgefunden worden, wobei erst die Untersuchung des Geräts dessen Tauglichkeit zu Beweiszwecken für das vorliegende Verfahren ergeben habe. Dies habe die Beschwerdeführerin nicht gewusst und auch nicht wissen können.

b) Zulassung der Dokumente E3''/E3''' und E6 bis E9

Die mit dem Zertifikat E3''' bestätigte Übersetzung E3'' der bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigten Entgegenhaltung E3' sei zuzulassen.

Die Gründe der angefochtenen Entscheidung hätten Anlass gegeben, die neuen Druckschriften E6 bis E9 einzuführen, die dann so früh wie möglich, nämlich mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden seien.

Insbesondere sei das Gebrauchsmuster E6 zuzulassen, weil es weniger auslegungsbedürftig als der in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Stand der Technik und wegen seiner Neuheitsschädlichkeit wesentlich relevanter sei.

Die in der Einleitung des Streitpatents als gattungsbildender Stand der Technik genannte Entgegenhaltung E7 betreffe eine Bedienblende für ein Kältegerät und sei allein schon angesichts der Figuren höchstrelevant, da die in E7 dargestellte Bedienblende weitgehend identisch mit der im Streitpatent gezeigten Blende sei.

Die Dokumente E8 und E9 seien für die Frage der erfinderischen Tätigkeit relevant, da sie jeweils den nächstliegenden Stand der Technik darstellten.

c) Hauptantrag - Mangelnde Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit

Das in E6 offenbarte Bedienungsmodul stelle eine Bedienblende, wie im Anspruch 1 des Streitpatents definiert, dar. Es sei insbesondere hervorzuheben, dass eine Bedienblende in einem Gerät nicht zwangsläufig bündig mit diesem einzusetzen sei (Merkmal M1.1), und auch, dass das die Merkmalsgruppe M1.6 und M1.7 charakterisierende Adjektiv "offen" auch bei Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung des Streitpatents breit auszulegen sei. Die Beschwerdeführerin stützt sich außerdem auf die geltend gemachten Vorbenutzungen und trägt außerdem dazu vor, aus welchen Gründen die Einspruchsabteilung die Neuheit gegenüber E1 und E2 nicht zutreffend beurteilt habe.

Zu Unrecht habe die Einspruchsabteilung auch die Frage der erfinderischen Tätigkeit zugunsten der Beschwerdegegnerin beurteilt. Die Beschwerdeführerin trug hierzu umfassend vor und war insbesondere der Auffassung, dass nicht nur die bisher geführten Angriffslinien ausgehend von E1, E2 und E3', sondern auch ausgehend von E6 bis E9 der erfinderischen Tätigkeit entgegenstünden.

d) Zulassung der neuen Hilfsanträge

Die während der mündlichen Verhandlung eingereichten geänderten Anspruchssätze der beiden Hilfsanträge seien nicht in das Verfahren zuzulassen, weil sie erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und damit zum spätest möglichen Zeitpunkt vorgelegt worden seien und auf dem Hinzufügen zahlreicher Merkmale aus der Beschreibung im jeweiligen Anspruch 1 beruhten. Außerdem seien sie mit den bisherigen Hilfsanträgen nicht konvergent. Die Beschwerdegegnerin habe auch schon nach Erhalt des Ladungsbescheides der Kammer Veranlassung gehabt, andere Hilfsanträge zu formulieren, nicht erst im letzten Moment in der mündlichen Verhandlung.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Nichtzulassung der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen V und W

Die Beschwerdegegnerin trat dem Zulassungsantrag der Beschwerdeführerin mit detailliertem Vortrag entgegen. Sie bestritt nicht nur, dass die angeblichen Vorbenutzungen zum Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, da entsprechende Vorgänge durch die vorgelegten Kundendienstunterlagen nicht hinreichend belegt seien, sondern auch die Geeignetheit des Herrn Feser als Zeuge. Daneben zeigten die angeblichen Vorbenutzungen V und W auch nicht alle Merkmale des angegriffenen Patents, so dass sie schon nicht prima facie relevant seien. Die späte Einführung der Vorbenutzungen stelle einen Verfahrensmissbrauch dar, weil sie erst lange Zeit nach dem Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt worden seien. Es handele sich bei beiden Vorbenutzungen um Gegenstände, die sich von Anfang an im Einflussbereich der Beschwerdeführerin befunden hätten, die sie hätte kennen und rechtzeitig vorlegen müssen.

b) Nichtzulassung von E3''/E3''' und E6 bis E9

Die von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigte Übersetzung E3'' sowie die erstmals mit der Beschwerde eingereichten Unterlagen E3''' und E6 bis E9 seien nicht in das Verfahren zuzulassen.

Nach gängiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern könne im Einspruchsverfahren nur unter engen Voraussetzungen weiterer Stand der Technik auch noch nach der 9-monatigen Einspruchsfrist eingeführt werden. Im Beschwerdeverfahren seien diese Grenzen sogar noch enger gesetzt.

Im vorliegenden Fall gebe es keine ersichtlichen Gründe, warum die Beschwerdeführerin die Dokumente nicht schon hätte in der Einspruchsbegründung nennen können.

i) E3'''/E3''

Das Übersetzungszertifikat E3''' habe mit Vorlage der Übersetzung E3'' eingereicht werden sollen. Zudem sei durch den Begriff "the following" der Verweis auf die bereits im Einspruchsverfahren eingereichte Übersetzung E3'' nicht bestätigt.

ii) E6 bis E9

Die zur Patentliteratur gehörenden Entgegenhaltungen E6 bis E9, und insbesondere das im Streitpatent als Stand der Technik gewürdigte Dokument E7, hätten mit der Einspruchsbegründung vorgelegt werden müssen.

Der von der Beschwerdeführerin zum Nachweis mangelnder Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 vorgebrachten E6 fehle die prima facie Relevanz, da dort nicht einmal die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs offenbart seien.

Die nur im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit genannte Entgegenhaltung E7 sei im Prüfungsverfahren bereits berücksichtigt und als Stand der Technik im Absatz [0002] des Streitpatents als solcher gewürdigt worden und könne daher nicht prima facie relevant sein.

Die weiteren Dokumente E8 und E9, die lediglich zur Frage erfinderischer Tätigkeit zitiert worden seien, stellten keinen besseren Ausgangspunkt als der im Verfahren berücksichtigte Stand der Technik dar.

c) Hauptantrag - Neuheit

E6 betreffe ein Bedienmodul, welches mit einer Bedien- bzw. Basisblende nicht gleichzustellen sei (Merkmale M1.1, M1.2 und M1.4). Ferner fehle auch eine von der Platine aufgenommene Steuerschaltung (Merkmal M1.3).

Auch sei das Merkmal M1.7 in E6 nicht erfüllt, da die auf dem Adapter aufgesetzte Abschirmplatte einen Abschluss für die Vertiefung bilde (vgl. E6: Seite 10, Absätze 2 und 3 und Fig. 1).

Somit unterscheide sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 von E6 durch die Merkmale M1.1 bis M1,4 und M1.7.

d) Zulässigkeit der Hilfsanträge

Der Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sei durch Hinzufügen weiterer Merkmale zur Kennzeichnung der Basisblende beschränkt. Die jeweils vorgenommene Einschränkung des beanspruchten Gegenstands sei als legitime Reaktion auf die Entscheidung der Kammer in der mündlichen Verhandlung anzusehen, die Entgegenhaltung E6 in das Verfahren zuzulassen und den Hauptantrag wegen mangelnder Neuheit seines Gegenstands gegenüber dem in E6 offenbarten Stand der Technik abzulehnen, nachdem die Einspruchsabteilung diese Bedenken nicht gehabt und die Neuheit anerkannt habe.

VIII. Am Ende der am 15. März 2018 stattgefunden mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer ihre Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Geltend gemachte offenkundige Vorbenutzungen V und W

Gemäß Art 12(4) VOBK hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Insbesondere ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Aufl., IV.C.1.3.17) bei der Zulassung einer verspätet geltend gemachten Vorbenutzung ein strenger Maßstab für die Zulassung anzulegen.

Wie die Kammer bereits in ihrem Ladungsbescheid ausgeführt hatte, kann eine erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung nach der Entscheidung T 691/12 nur dann berücksichtigt werden, wenn zumindest drei Voraussetzungen erfüllt sind:

a) es darf sich nicht um einen erkennbaren Verfahrensmissbrauch handeln,

b) die Vorbenutzung muss prima facie so relevant sein, dass sie die Gültigkeit des Patents in Frage stellt,

c) die Vorbenutzung muss lückenlos nachgewiesen sein, so dass keine weiteren Ermittlungen zur Feststellung ihres Gegenstands bzw. ihrer Umstände notwendig sind.

Wenn mithin ein Verfahrensmissbrauch festgestellt werden kann, kommt es auf die mögliche Relevanz der offenkundigen Vorbenutzung nicht mehr an (siehe auch T 17/91, Punkt 5 der Entscheidungsgründe).

Als einen Verfahrensmissbrauch hat es die Kammer in der Entscheidung T 534/89 (ABl. 1994, 464, Punkt 2.6 der Gründe) angesehen, wenn die Einsprechende einen Einwand wegen Vorbenutzung durch sie selbst erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ vorbringt, obgleich sie den Sachverhalt kannte und ihn ohne weiteres innerhalb dieser Frist hätte vorbringen können.

Zwar kann der Beschwerdeführerin nach den konkreten Umständen nicht vorgeworfen werden, dass sie Beweismittel aus verfahrensstrategischen Gründen missbräuchlich und treuwidrig unterdrückt und erst mit dem Beschwerdeverfahren in das Verfahren einbringen wollte. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

1.1 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin es aber bewusst unterlassen, alle Einspruchsgründe, zu denen im Rahmen des Neuheitseinwands auch bekannte offenkundige Vorbenutzungen gehören, sowie die betreffenden Tatsachen und Beweismittel zum frühestmöglichen Termin in das Verfahren einzubringen.

Insoweit hat sie offen zugegeben, dass ihr zwar während des gesamten Verfahrens bewusst gewesen sei, dass von ihr im Jahr 2003 Geräte verschiedenen Typs hergestellt und verkauft worden seien, die eine öffentliche Vorbenutzung darstellten. Da sie aber nach ihrem Vorbringen ohne weiteres davon ausgegangen ist, dass sie dieses nicht werde beweisen können, unterliess sie im Einspruchsverfahren jeden Hinweis auf diesen Umstand. In dieser Hinsicht ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung zunächst lediglich vorgetragen hatte, dass ihre jetzigen Mitarbeiter keine Kenntnis von der Bedienblende als Gegenstand der Vorbenutzung V mehr hatten, weil diese bereits seit 2004 nicht mehr von ihr in Geräten verbaut und vertrieben worden sei.

Die beiden in einer gewissen Diskrepanz stehenden Behauptungen versteht die Beschwerdekammer dahin, dass jedenfalls die Beschwerdeführerin selbst eigenes Wissen davon hatte, dass es eigene, wenn auch scheinbar nicht beweisbare Vorbenutzunghandlungen in ihrem Hause gab.

Dass sie offenbar erst die zu ihren Ungunsten ergangene Entscheidung der Einspruchsabteilung zum Anlass genommen hat, diejenigen Recherchen in ihrem Haus durchzuführen, die schliesslich zu der Zusammenstellung von Unterlagen wie aus dem Anlagenkonvolut V ersichtlich geführt haben, beruht allein auf ihrer eigenen Entscheidung, das Verfahren wie geschehen zu führen und bis zum Ende des Einspruchsverfahren von einer Recherche im eigenen Haus Abstand zu nehmen, obwohl diese, wäre sie durchgeführt worden, das betreffende Material hätte zutage fördern können.

Sachgerecht, da verfahrensförderlich, wäre es gewesen, die Kundendienstdokumentation, wie sie in dem Konvolut V auszugsweise enthalten ist und die ihr nach ihrem eigenen Vorbringen bereits im Zeitpunkt der Vorbereitung des Einspruchs bzw. der Einspruchs selbst in Form von Computerunterlagen zur Verfügung gestanden haben, bereits zum damaligen Zeitpunkt auszuwerten und rechtzeitig in das Verfahren einzuführen.

Es mag sein, dass sie, wie sie ausgeführt hat, zum damaligen Zeitpunkt an diese Möglichkeit nicht gedacht hatte und vielmehr ohne weiteres von der Nichtbeweisbarkeit ihres Wissens ausgegangen ist.

Jedoch kann dies die Beschwerdeführerin nicht entschuldigen. Es ist keineswegs so, dass die Recherche in den eigenen Unterlagen eine, wie die Beschwerdeführerin meinte, untypische und nicht standardisierte Vorgehensweise sei, um den Nachweis einer Vorbenutzung führen zu können, die von der Beschwerdeführerin erst "entwickelt" werden musste.

Im Gegenteil gehört der Beweis durch Vorlage von Firmenunterlagen, untermauert durch entsprechende Beweisangebote durch Zeugenvernehmung, zu den gängigen Beweisarten, die typischerweise für den Nachweis einer öffentlichen Vorbenutzung mit eigener Beteiligung Verwendung finden, und zwar ungeachtet dessen, ob es sich um Kundendienstunterlagen oder andere firmeninterne Unterlagen handelt.

Die angebliche Beweisnot ist also nur deswegen entstanden, weil die Beschwerdeführerin die erforderlichen Recherchen im eigenen Haus unterlassen hat, obwohl ihr dies ohne weiteres zuzumuten gewesen wäre.

Eine - noch dazu vermeintliche - Beweisnot einer Beteiligten kann aber nicht zulasten der anderen Beteiligten geltend gemacht werden, wenn die Gründe dafür ausschließlich im Einflussbereich desjenigen liegen, der den Beweis zu führen hat, wie dies hier der Fall ist. Es ist der Beschwerdegegnerin nach einer mehrjährigen Verzögerung auch nicht mehr zuzumuten, ihrerseits nach Beweismitteln zu suchen, um die Behauptungen der Beschwerdeführerin ggf. zu widerlegen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Anträge während der gesamten Dauer des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung nicht geändert hatten.

Somit hatte die Beschwerdeführerin seit der Veröffentlichung des erteilten Patents hinreichend Zeit und Veranlassung, die Vorbenutzung V, derer sie sich nach ihrem eigenen Vorbringen bereits seit Beginn des Verfahrens bewusst gewesen war, in ihren Unterlagen zu recherchieren und zu belegen.

1.2 Nicht anders ist die Zulassung der Vorbenutzung W zu beurteilen. Der Backofen AEG Competence B6871-4 ist noch später in das Verfahren eingebracht worden, und zwar erst nach Zustellung des Ladungsbescheids durch die Kammer. Die Beschwerdeführerin hat dazu vorgetragen, die Existenz dieses Geräts, das ausweislich seiner Seriennummer in ihrem eigenen Werk in Rothenburg in der Kalenderwoche 46 des Jahres 2003 hergestellt worden sei, sei ihr zufällig im Jahr 2017 im Rahmen der Vorbereitung eines anderweitigen Verfahrens bekannt geworden.

Auch in diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, es sei ihr zwar bewusst gewesen, dass von ihr im Jahr 2003 Geräte verschiedenen Typs hergestellt und verkauft worden seien, die die Merkmale des Streitpatent aufgewiesen haben. Es sei ihr aber bis zum Auffinden dieses Backofens nicht möglich gewesen, ein entsprechendes Gerät zurückzuerwerben, wobei offen geblieben ist, welche Anstrengungen sie dazu unternommen hat. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer konnte die Beschwerdeführerin lediglich vortragen, dass es sich bei der Entdeckung des Backofens um einen reinen Zufall gehandelt habe. Auf einen tatsächlichen Rückkauf des Geräts kommt es jedoch vorliegend nicht an, wenngleich die Vorlage des betreffenden Geräts in physischer Form auch die Beweisführung generell erleichtern mag.

Da aber schon keinerlei Angaben dazu gemacht worden sind, ob die Beschwerdegegnerin überhaupt nach solchen Geräten bzw. dessen Vertriebs- und Bedienungsunterlagen im eigenen Haus ermittelt hat, mit welchen Mitteln sie ggf. der Sache zum Zwecke der erfolgreichen Führung ihres Einspruchsverfahrens nachgegangen ist und ob insofern Nachforschungen im eigenen Unternehmen, das seit Jahrzehnten Haushaltsgeräte in erheblichen Umfang herstellt und entsprechend dokumentiert haben muss, angestellt worden sind, gibt es keine Grundlage dafür, das späte Einreichen der Vorbenutzung W in Form des betreffenden Backofens zu entschuldigen.

Zwar ist von der Einsprechenden nicht zu verlangen, dass sie Einspruchsgründe angibt, für die sie keine Beweise hat. Darum geht es hier aber auch nicht. Vielmehr ist die Beschwerdeführerin ohne hinreichende Rechercheversuche im eigenen Haus davon ausgeangen, dass dies der Fall sei.

Wenn schon richtigerweise für eine Einsprechende, die wirtschaftlich auf demselben Gebiet wie die Patentinhaberin tätig ist, eine begründete Vermutung dafür besteht, dass ein kollidierender Stand der Technik im eigenen Haus vorhanden sein könnte, davon ausgegangen wird, dass sie deswegen versuchen wird, diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu recherchieren und darzulegen (vgl. Entscheidung T 1955/13, Punkt 4 der Gründe), gilt dies erst recht für eine solche Einsprechende, der sogar von Anfang an bewusst ist, dass sie entsprechende Geräte im eigenen Haus hergestellt und vertrieben hat.

Letzeres spricht noch mehr dafür, das Unterlassen notwendiger Recherchen, die sich nach den konkreten Umständen des Falls aufgedrängt hätten, einem Verfahrensmissbrauch jedenfalls im Ergebnis insoweit gleichzustellen, als daraus resultierend spät eingereichtes Vorbringen nebst Beweisantritt betreffend eine eigene öffentliche Vorbenutzung nicht in das Verfahren zugelassen wird (vgl. wiederum T 1955/13, Punkt 4 der Gründe, dort letztlich offen gelassen).

1.3 Die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Vorbenutzungen V und W sind von der Kammer daher nach Art. 12(4) und 13(1) VOBK nicht in das Verfahren zugelassen und somit nicht berücksichtigt worden.

2. Neu vorgebrachte Entgegenhaltungen

2.1 Zugelassen - E3'', E6 und E7

2.1.1 Dokument E3''(/E3''')

Soweit nach Artikel 12 (4) VOBK im Beschwerdeverfahren über die Zulassung von Vorbringen zu entscheiden ist, das bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen wurde (Artikel 114 (2) EPÜ), läuft dies nach gängiger Rechtsprechung auf eine Überprüfung der auf die Regel 116 (2) EPÜ gestützte Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung hinaus. Dabei ist es regelmäßig nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage des Falles nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte.

Im vorliegenden Fall fehlt in der angefochtenen Entscheidung jedoch eine Begründung, weshalb die Übersetzung E3" der koreanischen Entgegenhaltung E3' von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt wurde. Auf Seite 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat die Einspruchsabteilung lediglich die Argumente der Beteiligten zusammengefasst und ohne weitere Angaben ihre Entscheidung verkündet, die Schrift E3' zwar zuzulassen, aber ihre englischsprachige Übersetzung E3" nicht zu berücksichtigen.

Es bleibt somit vollkommen offen, nach welchen Maßgaben bzw. nach welchen Kriterien die Einspruchsabteilung ihr Ermessen bei der Prüfung der Relevanz von E3" ausgeübt hat.

Aufgrund der prima facie Relevanz der mit dem Zertifikat E3''' bestätigten Übersetzung E3" entscheidet die Kammer, diese in das Verfahren gemäß Artikel 114(1) EPÜ aufzunehmen.

2.1.2 Entgegenhaltung E6

Die Beschwerdeführerin konnte die Kammer davon überzeugen, dass die Gründe der angefochtenen Entscheidung Anlass gegeben konnten, neue Entgegenhaltungen mit der Beschwerdebegründung vorzulegen. Insbesondere ist die Kammer der Auffassung, dass das Gebrauchsmuster E6 bei der Merkmalsvergleichsanalyse mit dem erteilten Anspruch 1 weniger auslegungsbedürftig als der in der angefochtenen Entscheidung bereits berücksichtigte und abgehandelte Stand der Technik ist (vgl. insbesondere Punkt 1. bis 1.4 der Entscheidung), und dass der Offenbarungsinhalt von E6 daher prima facie auch relevanter als letzterer sein könnte.

Die Entgegenhaltung E6 wird nach Artikel 114(1) EPÜ

in das Verfahren zugelassen.

2.1.3 Entgegenhaltung E7

Nach Ausüben ihres Ermessens nach Artikel 114(1) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK kommt die Kammer zum Ergebnis, auch die Entgegenhaltung E7 in das Verfahren zuzulassen, da diese Schrift in der Einleitung des Streitpatents als gattungsbildender Stand der Technik zitiert ist und eine Bedienblende für ein Kältegerät betrifft, die allein schon angesichts der Figuren höchstrelevant erscheint, da die in E7 dargestellte Bedienblende weitgehend mit der im Streitpatent gezeigten Blende übereinstimmt.

2.2 Nicht zugelassen - E8 und E9

Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente E8 und E9 wurden von der Beschwerdeführerin lediglich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit und jeweils als nächstkommender Stand der Technik herangezogen. Es wurde jedoch nicht dargetan, inwiefern

die neu vorgelegten Entgegenhaltungen E8 und E9 relevanter als der bereits im Einspruchsverfahren vorhandene bzw. der in den neu eingeführten Entgegenhaltungen E6 und E7 dargestellte Stand der Technik für das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit sein sollten.

Die Dokumente E8 und E9 bleiben daher unberücksichtigt (Artikel 114(2) EPÜ, Artikel 12(4) VOBK.

3. Hauptantrag - Neuheit

Die Kammer ist aufgrund folgender Betrachtungen zum Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 aus dem in E6 offenbarten Stand der Technik bekannt ist und somit das Kriterium der Neuheit (Artikel 100(a) und 54(1) EPÜ) nicht erfüllt.

Im Folgenden beruht der Verweis auf Textstellen in E6 auf der oberen (abweichend von der unteren) Nummerierung der Beschreibungsseiten.

E6 betrifft eine Bedienungsmodul für eine elektrische Anlage mit Befestigungseinrichtungen zum lösbaren Befestigen des Moduls an einem Träger, insbesondere an einem Gerätegehäuse, siehe Seite 1, 1. Absatz und Seite 6, 2. Absatz, die Seiten 9 und 10 überbrückender Absatz.

Die Kammer kann dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass das eigenständige Modul gemäß E6 keine Blende im üblichen Sinne darstelle, nicht zustimmen, da das Bedienungsmodul nach E6 auch in ein Gerät eingebaut werden kann (vgl. die oben genannten Textstellen) und eine Bedienblende nicht zwangsläufig bündig mit dem Elektrogerät abschließen muss. Die Begriffe "bündig abschließend" im Absatz [0002] und "formschlüssig", "bündige und geschlossene Sichtseite" im Absatz [0014] des Streitpatents betreffen lediglich einen Stand der Technik bzw. eine bevorzugte Ausführungsform des Erfindungsgegenstands; sie dienen keineswegs zur einschränkenden Auslegung der Anspruchsmerkmale.

Somit ist das Kriterium nach Merkmal M1.1, nämlich eine Bedienblende für ein Haushalts-Elektrogerät, durch das Bedienungsmodul gemäß E6 erfüllt.

Ferner verfügt das Bedienungsmodul nach E6 über eine Basisblende in Form einer Abdeckhaube 12, welche u.a. zur Befestigung an einem Gehäuse des Elektrogeräts dient. Aus der Beschreibung, siehe Seite 5, letzter Absatz, Seite 6 und die Seiten 12 und 13 überbrückender Absatz, entnimmt der Leser, dass die Abdeckhaube 12 durch den Rahmenteil 10 mit seinen Rastelementen 10h an dem Gehäuse des Elektrogeräts befestigt wird. Das Merkmal Ml.2 ist somit auch verwirklicht.

Das Bedienmodul nach E6 offenbart zudem das Merkmal M1.3, da die Platine, vgl. Leiterplatte 20, mit einer Tastatur 18 und einer Anzeigeeinheit 14 (siehe unterer Teil der Seite 11 und Ansprüche 3, 5 und 6) in Kontakt steht und zusammenwirkt. Die Tastatur und die Anzeigeeinheit stellen die im Anspruch 1 nicht weiter definierte Steuerschaltung für das Elektrogerät nach Merkmal M1.3 dar.

Wie in Figur 1 dargestellt und im ersten und dritten Absatz der Seite 10 beschrieben, wird die die Tastatur 18 und die Anzeigeeinheit 14 umfassende Steuerschaltung in der Basisblende/Abdeckhaube 12 durch das als Adapter dienende Rahmenteil 10 gehalten (Merkmal M1.4).

Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sind also aus E6 bekannt.

Es ist außerdem unstreitig, dass die Merkmale M1.5 und M1.6 ebenfalls in E6 nachgewiesen werden können. Der Adapter bzw. der Rahmenteil 10 weist Rastmittel 10c, die an der Platine/Leiterplatte 20 angreifen, vgl. Seite 10, erster und dritter Absatz, sowie eine Vertiefung auf, in welcher die Leiterplatte 20 aufgenommen ist (Figuren 1 und 3).

Von der Beschwerdegegnerin wurde jedoch bestritten, dass die im Merkmal M1.7 definierte Bedingung, nämlich dass die Vertiefung zu einer von der Sichtseite der Basisblende abgewandten Rückseite des Adapters hin offen ist, durch das Bedienmodul von E6 erfüllt wird.

In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, vorab festzulegen, wie das Merkmal "zu ... abgewandten Rückseite ... hin offen" (im Weiteren: nach hinten offen) auszulegen ist. Geht man von der Annahme aus, dass, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, die Kennzeichnung "nach hinten offen" nicht nur produktinhärent den Adapter, sondern zusätzlich noch die Vertiefung des Adapters im voll montierten Zustand des Moduls definiert, so bleibt festzulegen, in welcher Art und Weise genau die Vertiefung nach Einsetzen der Platine nach hinten offen bleibt. In Figur 3 des Streitpatents ist die Vertiefung 15 nach Einsetzen der Platine 3 nach hinten (nach rechts in der Figur) allerdings nicht offen dargestellt; es ist lediglich ein durch das Endteil des Adapters 11 begrenzter Hohlraum ersichtlich. Eine ähnliche Konstruktion ergibt sich in Figur 3 von E6, wenn man die montierte Platine hinzudenkt. Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Vertiefung in E6 durch eine Abschirmplatte 22 geschlossen wird und daher nicht offen bleibt, kann nicht überzeugen, zumal die Vertiefung des Adapters nach dem Montieren der Bedienblende des Streitpatents in einem Elektrogerät zwangsläufig ebenfalls abgeschlossen wird.

Daraufhin und in Anbetracht der Offenbarung in Figuren 1 und 3 von E6 ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass im montierten Zustand des Bedienungsmoduls nach E6, also nach Einsetzen der Leiterplatte 20 in die Vertiefung des Adapters 10, zumindest der hinter der Leiterplatte 20 verbleibende Teil der Vertiefung ebenfalls noch offen bleibt, wie im Merkmal M1.7 verlangt.

Das während der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argument, dass ein seitlicher Teil der Vertiefung des Adapters 11 von der Platine 3 nicht abgedeckt werde und somit nach hinten offen bleibe (siehe Fig. 2 des Streitpatents unten, insbesondere das umkreiste Teil des Adapters, so wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung auch dargestellt), kann nicht überzeugen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Dieser Teil am äußeren Ende des Adapters 11 wird zwar in der Tat von der Platine 3 nicht abgedeckt, allerdings gehört der umkreiste, nach hinten offene Raum nicht zur Vertiefung. Laut Beschreibung des Streitpatents wird die Vertiefung gemäß Merkmal M1.7 durch die Wand 11 des Adapters definiert, vgl. Absatz [0017]:

- "Vertiefung..., die von einer umlaufenden, geringfügig verformbaren Wand 11 begrenzt ist";

- "Der Verlauf der Wand 11 folgt exakt dem Umriss der Platine 3".

Die von der Kammer umkreiste Stelle in Figur 2 befindet sich aber ganz offensichtlich außerhalb des von der Wand 11 begrenzten Raums und gehört daher nicht zu der Vertiefung im Sinne des Streitpatents.

Die Kammer gelangt zum Ergebnis, dass auch das Merkmal M1.7 keine Unterscheidung gegenüber dem in E6 offenbarten Stand der Technik darstellt.

Daher kann das Streitpatent entgegen der angefochtenen Entscheidung nicht mit den Ansprüchen wie erteilt aufrechterhalten werden.

4. Hilfsanträge

4.1 In das Verfahren zugelassen

Die Beschwerdegegnerin hat die geänderten Anspruchssätze nach den Hilfsanträgen 1 und 2 erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und damit spät vorgelegt.

Bei der Prüfung der Zulassung hat die Kammer zur Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4), 13 (1) und (3) VOBK folgende Aspekte in Betracht gezogen.

Die jeweils im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 vorgenommenen Änderungen beruhen auf dem Hinzufügen von Merkmalen aus der Beschreibung zur weiteren Kennzeichnung der Basisblende. Durch diese Merkmalsaufnahme wird der beanspruchten Gegenstand gegenüber dem von der Kammer während der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Dokument E6 offensichtlich beschränkt. Die jeweils vorgenommene Einschränkung des beanspruchten Gegenstands fügt prima facie unterscheidende Merkmale hinsichtlich des Typs der Bedienblende hinzu und stellt somit eine legitime Reaktion auf die Entscheidung der Kammer dar, die Entgegenhaltung E6 in das Verfahren zuzulassen und den Hauptantrag wegen mangelnder Neuheit seines Gegenstands gegenüber dem in E6 offenbarten Stand der Technik abzulehnen.

Anders als von der Beschwerdeführerin behauptet hatte die Beschwerdegegnerin auch nicht bereits nach Erhalt der vorläufigen Mitteilung der Kammer vom 3. Januar 2018 hinreichende Veranlassung, derartige Hilfsanträge zu formulieren. Im Gegenteil hatte die Kammer in dieser Mitteilung die vorläufige Einschätzung zum Ausdruck gebracht, die Entgegenhaltung E6 nicht als prima facie relevant anzusehen und sie nicht in das Verfahren zulassen bzw. nicht zu berücksichtigen, vgl. Punkte 2.2.1 und 2.3. Hierauf hatte die Beschwerdegegnerin keine Hilfsanträge zu formulieren, sondern durfte dies erst wie geschehen in der mündlichen Verhandlung tun, um deren Entwicklung Rechnung zu tragen.

Aufgrund dieser Überlegungen hat die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 1 und 2 in das Verfahren zuzulassen.

5. Zurückverweisung

Da jedoch der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 durch Hinzufügen von mehreren aus der Beschreibung entnommenen Merkmalen geändert wurde, und weil daraufhin der nächstliegende Stand der Technik womöglich nicht länger in E6 zu sehen, sondern neu zu ermitteln wäre, entscheidet die Kammer, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die weitere Prüfung schließt sämtliche im Einspruchsverfahren relevanten Rechtsnormen des EPÜ, u.a. auch Artikel 123 und 84 EPÜ, ein.

Die Kammer erklärt diesbezüglich, dass ihre Entscheidung, einerseits die Hilfsanträge zuzulassen und andererseits die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, im Rahmen des nicht ganz üblichen Ablaufs des Beschwerdeverfahrens auszulegen ist und als Ausnahme zu der ansonst laut gängiger Rechtssprechung strenger anzuwendenden Auslegung des Artikels 13 (3) VOBK, ein neues Vorbringen in der Regel nicht zuzulassen, wenn dadurch eine Verlegung der mündlichen Verhandlung erfolgen würde.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Verhandlung des Einspruchs auf Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bzw. 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am heutigen Tag, zurückverwiesen.

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