T 0840/14 () of 26.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T084014.20181026
Datum der Entscheidung: 26 October 2018
Aktenzeichen: T 0840/14
Anmeldenummer: 07103031.6
IPC-Klasse: A01F 15/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuereinrichtung
Name des Anmelders: Deere & Company
Name des Einsprechenden: Octrooibureau Van der Lely N.V.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin/Einsprechende hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1832156 in geändertem Umfang, die am 7. Februar 2014 zur Post gegeben wurde, am 31. März 2014 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 5. Juni 2014 eingegangen.

Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, die am 7. Februar 2014 zur Post gegeben wurde, am 7. April 2014 ebenfalls Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 10. Juni 2014 eingegangen.

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Einspruchgründe des Artikels 100(a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ und Artikel 56 EPÜ und des Artikels 100(c) EPÜ gestützt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.

Sie hat unter anderem folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

(D1) EP 1 512 320 A2

(D2) EP 1 604 565 A1

(D20) JP 11 01 85 55

(D20T) Englische Übersetzung der D20

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 26. Oktober 2018 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin/Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1832156.

Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Grundlage des Hauptantrags, der als Hilfsantrag I mit Schreiben vom 11. September 2018 eingereicht wurde.

V. Die Fassung des Anspruchs 1 des Hauptantrags (der als Hilfsantrag I am 11. September 2018 eingereicht wurde) lautet wie folgt:

"Fahrzeug in der Art einer Rundballenpresse oder Ballenwickelvorrichtung, das rund-zylindrische Ballen auf den Boden abgibt, mit einer Steuereinrichtung (12) mit einem Neigungssensor (26), der aus der Neigung des Fahrzeugs (10) ein Signal bildet, das zum Positionieren des Fahrzeugs (10) in Bezug auf die Fahrtrichtung bestimmt ist, derart, dass eine Ausrichtung des Fahrzeugs gefordert wird bzw. automatisch erfolgt, in der der Ballen so abgelegt wird, dass seine Dreh- oder Längsmittenachse der Hangneigung direkt folgt."

VI. Die Beschwerdeführerin/Einsprechende hat zum Hauptantrag Folgendes vorgetragen:

Falls der geltende Hauptantrag (Hilfsantrag I vom 11. September 2018) zugelassen werde, beantrage sie, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei darüber hinaus im Lichte von D2 und des allgemeinen Fachwissens nicht erfinderisch.

VII. Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin hat zum Hauptantrag Folgendes vorgetragen:

Der geltende Hauptantrag (Hilfsantrag I vom 11. September 2018) sei zulässig. Sie sehe keinen Anlass, die Sache zur weiteren Bearbeitung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Lichte der von der Beschwerdeführerin/Einsprechenden zitierten Entgegenhaltungen neu und erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hintergrund

Das Patent betrifft Fahrzeuge in der Art einer Rundballenpresse oder Ballenwickelvorrichtung, die rund-zylindrische Ballen auf den Boden abgeben. Um ein Abrollen bei Abgabe auf einem Hang zu vermeiden, erfasst ein Neigungssensor die Neigung des Fahrzeugs. Daraus bildet eine Steuereinrichtung ein Signal, derart, dass eine Ausrichtung des Fahrzeugs gefordert wird bzw. automatisch erfolgt, in der der Ballen so abgelegt wird, dass seine Dreh- oder Längsmittenachse der Hangneigung direkt folgt.

3. Zulässigkeit des Hauptantrags (Hilfsantrag I vom 11. September 2018) - Antrag auf Zurückverweisung

3.1 Mit dem am 11. September 2018 eingereichten Hilfsantrag I (Hauptantrag dieser Entscheidung) wurde der Einwand unzulässiger Erweiterung im Bescheid der Kammer vom 6. August 2018 für den dann geltenden Hauptantrag durch Änderungen ausgeräumt, insbesondere dadurch, dass der Anspruch durch Streichung von nicht gewährbaren Alternativen (weil nicht ursprünglich offenbart oder nicht erfinderisch) auf nur ein Ausführungsbeispiel beschränkt worden ist. Zu diesem Ausführungsbeispiel hatte die Kammer im o. g. Bescheid eine positive vorläufige Meinung in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegeben. Die Kammer betrachtet also diesen neuen Antrag als eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer. Im Hinblick auf diese vorläufige Auffassung der Kammer sieht die Kammer darüber hinaus die Kriterien der eindeutigen Gewährbarkeit als erfüllt an. Daher entschied die Kammer, diesen Antrag in das Verfahren zuzulassen, Artikel 13 (3) VOBK.

3.2 Anders als die Beschwerdeführerin/Einsprechende sieht die Kammer keinen Anlass, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 war schon als Alternative im Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags enthalten. Dieser Gegenstand wurde darüber hinaus in der angefochtenen Entscheidung für die positive Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt, siehe Abschnitt 23.3 der angefochtenen Entscheidung. Nach Ansicht der Kammer wurde also die Beschwerdeführerin/Einsprechende schon durch die angefochtene Entscheidung veranlasst, diesen Gegenstand zu recherchieren und zu prüfen und darauf in ihrer Beschwerdebegründung einzugehen. Die Kammer sieht also keinen Anlass, die Sache aufgrund der Beschränkung des Gegenstands des geltenden Anspruchs 1 auf diese Alternative zurückzuverweisen.

4. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (Hilfsantrag I vom 11. September 2018)

4.1 Es ist unbestritten, dass D2 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit angesehen werden kann. D2 offenbart eine Ballenpresse, die aus der Erkennung des Bodenniveaus die Neigung ableiten kann, siehe D2, Absatz [0014]. Durch Erkennung des Bodenniveaus wird verhindert, dass ein Rundballen an einer rechnerisch zwar optimalen Stelle abgelegt wird, an der der Ballen jedoch aufgrund der Bodenneigung nach Ablage wegrollen würde, siehe Absatz [0014]. Es ist folglich auch unstreitig, dass D2 durch diesen beschriebenen Effekt ein aus der Neigung des Fahrzeugs gebildetes Signal implizit offenbart. Allerdings ist dieses aber nicht derart, dass eine Ausrichtung des Fahrzeugs gefordert wird bzw. automatisch erfolgt, sodass der Ballen mit der Rollachse parallel zur Hangneigung abgelegt wird. Diese unterscheidenden Merkmale haben den technischen Effekt zur Folge, dass der Ballen am Hang halb- oder vollautomatisch so abgelegt wird, dass ein Wegrollen des Ballens verhindert wird, siehe Absatz [0008] der Patentschrift.

4.2 Diesen unterscheidenden Merkmalen kann also die objektive technische Aufgabe zugrunde gelegt werden, ein Fahrzeug in der Art einer Rundballenpresse oder Ballenwickelvorrichtung wie aus D2 bekannt so weiterzuentwickeln, dass eine halb- oder vollautomatische Ablage eines Rundballens in Hanglage oder in unebenem Gelände ermöglicht wird, siehe Absatz [0008] der Patentschrift.

4.3 In diesem Sinne lehrt D2, aufgrund der erkannten Bodenneigung das Abladen des Ballens an diesem Ablageort zu verhindern, siehe D2, Absatz [0014]. Der Fachmann scheint also durch diese Lehre nicht darauf hingewiesen zu werden, das Fahrzeug anders auszurichten, sondern darauf, einen anderen Ablageort zu suchen. Eine Ausrichtung des Fahrzeugs wie im geltenden Anspruch 1 wird also durch diese Fundstelle nicht nahegelegt.

Die Beschwerdeführerin/Einsprechende weist in diesem Zusammenhang auf Absatz [0015] der D2 hin, wonach der Fahrer in den selbsttätigen Ablagemodus korrigierend eingreifen kann. Dieser Absatz sagt nach Sicht der Kammer jedoch nicht aus, in welchen Fällen und wie der Fahrer die Korrektur vornehmen soll. Insbesondere geht nicht daraus hervor oder wird dadurch nicht nahegelegt, dass er bei Hanglagen eingreifen muss, geschweige denn, dass das Fahrzeug nach Bildung eines Neigungssignals auszurichten ist, wie im geltenden Anspruch 1 gefordert. D2 weist also auf keine halb- oder vollautomatische Korrektur infolge eines Signals wie im Anspruch 1 des Hauptantrags hin, sondern im Gegensatz dazu auf eine rein manuelle Korrektur durch den Fahrer. D2 befasst sich zudem hauptsächlich mit einer optimalen Ballenablagestrecke, um Ballen so in unmittelbarer örtlicher Nähe zueinander abzulegen, dass die darauffolgende Ballenernte zeit- und kostenoptimiert vorgenommen werden kann, Absätze [0005] und [0007]. Dazu wird anhand tatsächlicher Feldbedingungen die optimale Ballenablagestrecke berechnet, Absatz [0008]. Es geht daher in erster Linie nur um die Feststellung der optimalen Ablagestelle bzw. des optimalen Ablageorts der einzelnen Ballen in Bezug auf einander. Soweit aus Absatz [0015] in seinem Zusammenhang gelesen eine Lehre über die Korrektur entnommen werden kann, betrifft diese die Möglichkeit für den Fahrer zu bestimmen, wo ein Ballen abgelegt werden kann. In Zusammenschau mit dem vorangehenden Absatz [0014] wird dem Fachmann somit höchstens vermittelt, bei einer Hanglage selbst einen anderen Ablageort auszuwählen. Die Kammer schließt aus diesen Gründen, dass D2 in Absatz [0015] keine Ausrichtung des Fahrzeugs wie im geltenden Anspruch 1 nahelegt.

4.4 Die Beschwerdeführerin/Einsprechende vertritt auch die Auffassung, dass die beanspruchte Lösung durch das allgemeine Fachwissen nahegelegt werde. Nach Auffassung der Kammer scheint jedoch der Fachmann ausgehend von D2 auch nicht durch sein Fachwissen angeregt zu werden, ein Neigungssignal wie im Anspruch 1 des Hauptantrags zu bilden. Es ist unbestritten, dass es zum allgemeinen Fachwissen gehört, einen Rundballen in Hanglage so abzulegen, dass er nicht wegrollt. Es mag dem Fachmann somit bekannt sein, ein Wegrollen zu verhindern, ihm ist jedoch nicht bekannt oder geläufig, dass er hierzu das Fahrzeug auszurichten hat, geschweige denn, dass diese Ausrichtung nach Bildung eines Signals aus der Neigung vorgenommen werden soll. Bekannte Maßnahmen sind, einen Ballen in Hanglage nicht abzulegen (D2), den Ballen bei Ablage durch Verstellen oder Verrücken auszurichten (D1) oder einen Rundballen auf der Stirnseite abzulegen. Darüber hinaus ist eine solche Ausrichtung nach Auffassung der Kammer mit dem Hauptziel der D2 - Ablage entlang einer vorkalkulierten optimalen Strecke, siehe Absatz [0005] - nicht vereinbar, da bei einer solchen Ausrichtung das Fahrzeug von der optimalen Strecke abweichen kann. Ferner kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Bildung eines Signals wie im angefochtenen Anspruch 1,derart, dass eine solche Ausrichtung gefordert oder automatisch vorgenommen wird, zum allgemeinen Fachwissen gehört.

4.5 Im Übrigen hat der Fachmann ausgehend von D2 keinerlei Anlass, aufgrund der Lehre der D1 oder der D20 eine Ausrichtung des Fahrzeugs zur Lösung der gestellten Aufgabe in Betracht zu ziehen, weil eine solche Ausrichtung weder in D1 noch in D20 angesprochen ist. In D1 wird die Ausrichtung des Ballens durch die Ablagevorrichtung des Fahrzeugs nach der Ablage vorgenommen, Absatz [0034]. In D20, siehe Absatz [0007] der englischen Übersetzung D20T, geht es darum, eine Landmaschine gegen Umkippen zu schützen, wozu mittels eines Neigungssensors ein Warnsignal abgegeben wird, um den Fahrer zur Korrektur der Neigung des Fahrzeugs zu bewegen.

4.6 Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Hilfsantrag I vom 11. September 2018) im Lichte der Dokumente D1, D2, D20/D20T und des allgemeinen Fachwissens auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, da zumindest eine Ausrichtung des Fahrzeugs (ob gefordert oder automatisch) aufgrund eines aus der Neigung der Fahrzeugs gebildeten Signals nach Anspruch 1 für den Fachmann nicht naheliegt.

5. Die Einwände der Klarheit und der unzulässigen Erweiterung, die in Bezug auf den zurückgezogenen Hauptantrag erhoben wurden, verfolgt die Beschwerdeführerin/Einsprechende für den geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag I vom 11. September 2018) nicht weiter. Die Kammer sieht von sich aus auch keinen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ oder des Artikels 123 (2) EPÜ.

6. Die Beschreibung ist an die Ansprüche angepasst worden. Da das Patent in der nach dem Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag I vom 11. September 2018) geänderten Fassung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, kann das Patent in dieser Fassung gemäß Artikel 101 (3) (a) EPÜ aufrechterhalten werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Ansprüche 1-5 des Hauptantrags, als Hilfsantrag 1 mit Schreiben vom 11. September 2018 eingereicht

Beschreibung:

Absätze 0001-0036, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer

Zeichnungen:

Einzige Figur der veröffentlichten Patentschrift

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