European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T082514.20150116 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Januar 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0825/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04029631.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B42D 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sicherheitselement mit mehreren funktionellen Merkmalen | ||||||||
Name des Anmelders: | Hueck Folien Ges.m.b.H | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 04 029 631.1 Beschwerde eingelegt.
Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass im Hinblick auf die Druckschrift D1 (US 2002/0113430) die Anmeldung den Erfordernissen des Artikels 54 (1) und (2) EPÜ 1973 nicht genüge.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder gemäß Hilfsantrag, ebenfalls eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder gegebenenfalls die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
III. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Sicherheitselement für Wertpapiere, Wertdokumente, Datenträger Verpackungen und dergleichen, das mindestens zwei funktionelle Merkmale aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Merkmale auf einer oder beiden Seiten eines Trägersubstrat nebeneinander oder ineinander als kontinuierliche Spuren angeordnet sind."
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich dadurch von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag, dass das Wort "kontinuierliche" durch den Ausdruck "metallische opake" ersetzt wurde.
IV. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 16. Januar 2015 statt.
V. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:
Die Änderung, die den Begriff "Spur" näher definiere, stütze sich auf die Zeichnungen 1 (Bezugsziffern 4, 9), 8 (Bezugsziffern 4, 3), 9 und 10 (Bezugsziffern 4, 5) und 7 und die zugehörige Beschreibung (A2-Schrift, Spalte 2, Zeile 16 bis Spalte 3, Zeile 15). Der Vergleich des Texts mit den - eindeutigen - Zeichnungen mache klar, dass mit "Spur" hier eine kontinuierliche Spur gemeint sei. Die Änderung entspreche also einer Einschränkung auf die kontinuierlichen Spuren. Die besondere Ausführungsform, die in Absatz [0021] offenbart ist, sei dadurch ausgeschlossen.
Der Ausdruck "kontinuierliche Spur" sei klar; es handle sich um eine nicht unterbrochene und durchgängige Spur, vergleichbar der Spur eines Skis im Schnee. Dem gegenüber sei eine "nicht kontinuierliche" Spur unterbrochen, wie z.B. die Spur eines Fußgängers im Schnee. Die Spuren der genannten Zeichnungen (Bezugsziffern 4, 3, 5, 9) seien nicht unterbrochen und daher kontinuierlich. Die Figur 10 (Bezugsziffer 8) hingegen zeige eine unterbrochene Spur.
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag sei klar. Das Merkmal "opak" bedeute, dass die Spuren undurchsichtig seien. Auf Anfrage der Kammer erklärte die Beschwerdeführerin, es handle sich dabei um die Durchsichtigkeit für sichtbares Licht.
Der Anspruch sei neu gegenüber der Druckschrift D5 (WO 03/059644 A1), da die funktionellen Merkmale der Figur 8 nicht nebeneinander sondern übereinander angebracht seien, wie aus der Figur 7 ersichtlich sei (siehe auch Beschreibung, Seite 13, Zeilen 27 bis 28: "... die hinter der Reflektorschicht R liegende und daher in Aufsicht nicht erkennbare Magnetschicht M ..."). Die Aussparung liege nicht in derselben Ebene wie die Spur 11. Die Aufgabenstellung der Anmeldung bestehe aber darin, ein möglichst dünnes Sicherheitselement zu herzustellen.
Das Merkmal "zwei funktionelle Merkmale" sei so zu verstehen, dass es sich um zwei unterschiedliche funktionelle Merkmale handle. Die Beschwerdeführerin hat angeboten, eine entsprechende Änderung des Anspruchs 1 vorzunehmen, um dies klarzustellen.
Entscheidungsgründe
1. Die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung wurde am 15. Dezember 2004 angemeldet. Deshalb sind in diesem Fall gemäß Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4, ABl. EPA 2007, 241) und dem Beschluss des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4, ABl. EPA 2007, 243) die Artikel 52 und 54 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Hauptantrag
2.1 Auslegung
2.1.1 "Spur"
Die Beschwerdeführerin (Schriftsatz vom 15. Dezember 2014, Punkt 1.1) definiert "Spuren" als "Beschichtungen in Form von sich über einen zusammenhängenden Bereich erstreckende Schichten, deren Längsausdehnung größer ist als deren Breitenausdehnung".
Das "Deutsche Wörterbuch" von Gerhard Wahrig (Mosaik Verlag, 1986) definiert "Spur" als "Abdruck von Füssen, Rädern, Schiern usw. im Boden oder Schnee ..."
Die Anmeldung selbst enthält keinerlei Definition des Begriffs. In der Regel (14 Mal) verwendet die Beschreibung den Ausdruck "Spuren oder Elemente". Gesondert als Spuren bezeichnet werden die Elemente 9 und 4 der Figur 1, das Element 5 der Figur 3, die Beschichtungen 2, 2a und 5 der Figur 7. Bei den Spuren 9, 4 und 5 handelt es sich um Streifen, die der Definition der Beschwerdeführerin entsprechen könnten, aber die "Spur in Form von Buchstaben" (Spalte 3, Zeile 5 der A2-Veröffentlichung) der Figur 8
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
zeigt, dass eine Spur auch ein Ensemble von isolierten Elementen (wie eben auch die Spur eines Fußgängers im Schnee) sein kann.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass eine "Spur" im Sinne der Anmeldung eine Reihe von - möglicherweise diskreten - Elementen darstellt.
2.1.2 "kontinuierliche Spur"
Das "Deutsche Wörterbuch" von Gerhard Wahrig (supra) definiert "kontinuierlich" als "ununterbrochen, stetig, zusammenhängend". Dem entspricht auch das Verständnis der Beschwerdeführerin, die unter einer "kontinuierlichen Spur" eine nicht unterbrochene Spur versteht. Die Kammer teilt diese Auffassung.
2.2 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Dem Begriff "kontinuierliche Spur" fehlt es an der gebotenen Klarheit. Es ist für den Fachmann nämlich nicht klar, was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist. Das belegt schon, dass die Beschwerdeführerin darunter eine Spur in der Form eines Streifens zu verstehen scheint (sie hat sich insbesondere auf die Zeichnungen 1 (Bezugsziffern 4, 9), 8 (Bezugsziffern 4, 3), 9 und 10 (Bezugsziffern 4, 5) und 7 bezogen und eine Analogie mit der Spur eines Skis im Schnee herangezogen), während die Kammer zu einem anderen Verständnis gekommen ist. Für die Kammer kann auch eine aus diskreten Elementen bestehende Spur kontinuierlich oder unterbrochen sein. Um bei der Analogie der Spuren im Schnee zu bleiben, kann die Spur eines Fußgängers im Schnee, die ja aus einzelnen Fußstapfen besteht, unterbrochen sein, zum Beispiel an einer Stelle, an der der Fußgänger einen Fluss durchquert hat.
Anders gesagt, macht der Ausdruck "kontinuierliche Spuren" nicht klar, ob die Elemente, die die Spur aufbauen, durchgängig miteinander verbunden sein müssen oder ob die Spur als Abfolge von Elementen nicht unterbrochen sein darf. Es ist also z.B. nicht klar, ob die "Spur in Form von Buchstaben" der Figur 8 als kontinuierlich zu gelten hat (jeder Buchstabe als solcher ist kontinuierlich, und der Schriftzug als solcher ist nicht unterbrochen) oder nicht, da die einzelnen Buchstaben voneinander isoliert sind.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags für den Fachmann nicht klar ist und daher den Erfordernissen des
Artikels 84 EPÜ nicht genügt.
3. Hilfsantrag
3.1 Auslegung
3.1.1 "nebeneinander"
Die Kammer versteht diesen Ausdruck so, dass die Merkmale "eins neben dem anderen" liegen müssen. Anders gesagt sind zwei Elemente, von denen eins seitlich vom anderen liegt als "nebeneinander" liegend anzusehen.
3.1.2 "opak"
Das Merkmal, dem zufolge die Spuren "opak", d.h. undurchsichtig sind, ist unklar, denn es ist nicht klar, wie zu bestimmen ist, ob ein gegebenes funktionelles Merkmal als opak einzustufen ist oder nicht. Dazu wäre erforderlich, zu definieren, unter welchen Bedingungen (Lichtquelle, Wellenlängenbereich etc.) eine Messung der Opazität durchzuführen ist und jenseits welcher Werte ein Merkmal als opak zu gelten hat. Weder die Ansprüche noch die Beschreibung gestatten eine solche Definition. Die Kammer sieht sich daher veranlasst, diesem Merkmal bei der Neuheitsprüfung die breiteste technisch sinnvolle Auslegung zu geben. Demzufolge ist jedes nicht durchsichtige Merkmal als opak anzusehen.
3.2 Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
Die Kammer ist zum Schluss gekommen, dass Anspruch 1 nicht neu ist gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D5.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Druckschrift D5 offenbart ein Sicherheitselement für Wertpapiere (Zusammenfassung: "Sicherheitselement ... für Wertdokumente"). Die Ausführungsform der Figuren 7 und 8 weist zwei funktionelle Merkmale (z.B. die Spur 11 und die links neben den Zeichen "PL" befindliche Spur) auf, die nebeneinander als Spuren angeordnet sind. Diese Spuren sind metallisch (es handelt sich um einen "magnetischen Strich-Code 11" (Seite 13, Zeile 18), der "vorzugsweise ... [aus] eine[r] magnetische[n] Metallschicht aus Nickel, Eisen, Kobalt oder eine Legierung ..." (Seite 9, Zeilen 16 bis 21) besteht. Da die Spuren metallisch sind, sind sie auch opak im Sinne von "nicht durchsichtig" (siehe Punkt 3.1.23.1.2 oben).
Obwohl der Anspruch nicht explizit verlangt, dass es sich um zwei unterschiedliche Merkmale handeln muss, ist anzumerken, dass die beiden obengenannten Spuren auch voneinander verschieden sind, da sie nicht dieselbe Breite aufweisen.
Selbst wenn der Anspruch so auszulegen wäre, dass die zwei funktionellen Merkmale unterschiedliche Funktionen besitzen müssen, wäre dies von der Druckschrift D5 offenbart, da es möglich ist, die Spur 11 und die von der Reihe von Buchstaben "PL" gebildete Spur als erfindungsgemäße Spuren aufzufassen. Auch die von der Reihe von Buchstaben "PL" gebildete Spur besteht aus einer Metallschicht (wie aus dem Vergleich der Figur 7 mit der Beschreibung, Seite 9, Zeilen 10 bis 12 hervorgeht), die als opak anzusehen ist. In Aufsicht (Figur 8) sind diese beiden Spuren nebeneinander angebracht. Dass die die von der Reihe von Buchstaben "PL" gebildete Spur und die Spur 11 nicht nebeneinander sichtbar sind, ist richtig, aber der Anspruch verlangt dies auch nicht; gemäß Anspruch 1 müssen die beiden Spuren nur nebeneinander angeordnet sein.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Tatsache, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, die Reflexionsschicht R, aus der die von der Reihe von Buchstaben "PL" gebildete Spur besteht, im Querschnitt teilweise unterhalb der Spur 11 liegt, tut dem keinen Abbruch, da der Anspruch 1 dies nicht ausschließt.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Aufgabenstellung der Anmeldung, nämlich möglichst dünne Sicherheitselemente herzustellen, ist im Zusammenhang mit der Neuheitsprüfung nicht relevant, sondern betrifft die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit, die aber die Neuheit des Anspruchsgegenstand voraussetzt.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht klar und nicht neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D5 ist und daher den Erfordernissen der Artikel 84 EPÜ
und 54 (1) EPÜ 1973 nicht genügt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.