European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T078914.20190430 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 April 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0789/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01102576.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02J 3/01 H02H 9/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bedämpfungseinrichtung für wenigstens ein elektrisches Kabel | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Mobility GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bombardier Transportation GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja) Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 126 573 in geänderter Fassung.
II. Die Einspruchsabteilung war in der angefochtenen Zwischenentscheidung zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Streitpatent in geänderter Fassung) nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ sei. Die Einspruchsabteilung kam ferner zu dem Schluss, dass der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2013 überreichte Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
III. Eine mündliche Verhandlung fand am 30. April 2019 in Anwesenheit der Parteien vor der Kammer statt.
Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des am 29. Oktober 2013 eingereichten Hauptantrags aufrecht zu erhalten,
hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (erster Hilfsantrag),
weiter hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 1. April 2019 eingereichten Hilfsantrags 5 (zweiter Hilfsantrag)
aufrecht zu erhalten.
Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen, hilfsweise, die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents in der Fassung vom 29. Oktober 2013 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Bedämpfungseinrichtung (8) für wenigstens ein geschirmtes elektrisches Hochspannungskabel (1, 12, 13), die zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität (11) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) mit Induktivitäten anderer Einrichtungen im Mittelfrequenzbereich wenigstens eine Parallelschaltung aus wenigstens einer Induktivität (81) und wenigstens einem Widerstand (82) sowie wenigstens einer Kapazität (83) umfaßt, wobei die Parallelschaltung (8) zwischen einem Schirmpotential (Us) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) und einem dazu unterschiedlichen Bezugspotential (UM) angeordnet ist."
V. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ist identisch mit dem gemäß der angefochtenen Zwischenentscheidung für gewährbar erachteten Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags vom 29. Oktober 2013 und lautet wie folgt:
"Schienenfahrzeug mit einem geschirmten Hochspannungskabel (1, 12, 13), durch welches Wagen (2, 3) des Schienenfahrzeugs mit elektrischer Energie versorgbar sind und welches von einer Fahrleitung mit Strom versorgbar ist, und mit einer Bedämpfungseinrichtung (8) für das Hochspannungskabel (1, 12, 13), die zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität (11) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) mit Induktivitäten anderer Einrichtungen im Mittelfrequenzbereich wenigstens eine Parallelschaltung aus wenigstens einer Induktivität (81) und wenigstens einem Widerstand (82) sowie wenigstens einer Kapazität (83) umfaßt, wobei die Parallelschaltung (8) zwischen einem Schirmpotential (Us) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) und einem dazu unterschiedlichen Bezugspotential (UM) angeordnet ist."
VI. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem ersten Hilfsantrag sind durch Unterstreichung und Durchstreichung kenntlich gemacht):
"Schienenfahrzeug mit einem als eine koaxiale Hochspannungsleitung (1) ausgeführten elektrischen Kabel[deleted: geschirmten Hochspannungskabel (1, 12, 13)], durch welches bei Anlegen eines Stromabnehmers (4) an eine Fahrleitung (5) wenigstens ein Fahrzeugtransformator (6) sowie nachgeschaltete Traktionsumrichter und Bordnetzumrichter in Wagen (2, 3) des Schienenfahrzeugs mit elektrischer Energie versorgt werden[deleted: versorgbar sind und welches von einer Fahrleitung mit Strom versorgbar ist], und mit einer Bedämpfungseinrichtung (8) für [deleted: das Hochspannungskabel (1, 12, 13) ]die Hochspannungsleitung (1)[deleted: , die zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität (11) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) mit Induktivitäten anderer Einrichtungen im Mittelfrequenzbereich] umfassend wenigstens eine Parallelschaltung aus wenigstens einer Induktivität (81) und wenigstens einem Widerstand (82) sowie wenigstens einer Kapazität (83) [deleted: umfasst], wobei die Parallelschaltung (8) zwischen einem Schirmpotential (Us)[deleted: des Hochspannungskabels (1, 12, 13)] der Hochspannungsleitung (1) und einem [deleted: dazu unterschiedlichen Bezugspotential ]Massepotential (UM) eines Wagens (2, 3) angeordnet ist und wobei die Parallelschaltung (8) durch Wandlung des vorwiegend kapazitiven Verhaltens der Hochspannungsleitung in relevanten oder kritischen Frequenzbereichen in ein ohmsches-induktives Verhalten Resonanzen einer Leitungskapazität (11) der Hochspannungsleitung (1) mit Induktivitäten einschließlich des Fahrzeugtransformators (6) vermeidet, wobei die Resonanzen von den getaktet betriebenen Traktionsumrichter und Bordnetzumrichter erzeugte Störströme verstärken."
VII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag und erster Hilfsantrag der Patentinhaberin - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Das Merkmal "Vermeidung von Resonanzen ... im Mittelfrequenzbereich" in Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des ersten Hilfsantrags verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Lediglich Absatz [0002] der ursprünglichen Anmeldung offenbare den Begriff "Mittelfrequenzbereich". Dieser Absatz gehöre jedoch nicht zu der Beschreibung der Erfindung, sondern beziehe sich auf den Stand der Technik. Der in Absatz [0002] ausdrücklich in Bezug auf Störströme erwähnte Frequenzbereich von 2 kHz bis 15 kHz werde lediglich als Beispiel herangezogen, spiegele jedoch nicht den weiter oben in demselben Absatz genannten Mittelfrequenzbereich wider. Weiterhin offenbare Absatz [0017] der ursprünglichen Anmeldung "tonfrequente Störströme", worunter der Fachmann Störströme im hörbaren Bereich, also im Bereich von einigen Hertz bis 20 kHz verstehe. Dieser Bereich sei nicht deckungsgleich mit dem in Absatz [0002] genannten Frequenzbereich zwischen 2 kHz und 15 kHz. Absatz [0009] der ursprünglichen Anmeldung, der die einzige Offenbarungsstelle für das Merkmal der Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität des Kabels sei, habe keinen Bezug zu einem Mittelfrequenzbereich. Es sei dort lediglich die Rede von relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen. Es sei ferner zu beachten, dass keine Übereinstimmung zwischen den Frequenzbereichen der Störströme und denen der Resonanzen vorliegen müsse. Es sei daher insgesamt nicht ursprünglich offenbart, Resonanzen in einem nicht näher definierten Mittelfrequenzbereich zu vermeiden.
Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags diene die Bedämpfungseinrichtung zur Vermeidung von Resonanzen in einem Mittelfrequenzbereich. In der ursprünglichen Anmeldung komme der Begriff "vermieden" lediglich in Absatz [0009] vor, dies allerdings nur in Verbindung mit dem Merkmal, dass das vorwiegend kapazitive Verhalten von elektrischen Kabeln in den relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen in ein ohmsches-induktives Verhalten umgewandelt werde. Dies sei zwar eines von mehreren möglichen technischen Mitteln zur Vermeidung von Resonanzen, aber das einzige in der ursprünglichen Anmeldung offenbarte. Es handele sich dabei jedoch um ein wesentliches Merkmal, denn wenn das kapazitive Verhalten des Kabels nicht in ein ohmsches-induktives Verhalten umgewandelt werde, trete keine erhebliche Veränderung der Resonanzfrequenz des Systems ein und folglich finde auch keine Bedämpfung statt. Eine Bedämpfung könne jedenfalls in der beanspruchten Weise nur stattfinden, wenn die Frequenz der Störströme durch die Verschiebung in den ohmschen-induktiven Bereich in einem Frequenzbereich liege, der nicht zu dem Resonanzbereich gehört. Die Umwandlung des vorwiegend kapazitiven Verhaltens von elektrischen Kabeln in ein ohmsches-induktives Verhalten impliziere im Übrigen eine bestimmte Dimensionierung der Komponenten, denn kleine Bauelemente der Bedämpfungseinrichtung führten nicht zu einer Umwandlung in ein ohmsches-induktives Verhalten und daher auch nicht zu der Vermeidung von Resonanzen. Mit dem Weglassen des wesentlichen Merkmals der Umwandlung in ein ohmsches-induktives Verhalten sei daher die ursprüngliche Offenbarung entgegen den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig überschritten worden.
Zulassung des zweiten Hilfsantrags in das Beschwerdeverfahren
Der zweite Hilfsantrag sei nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die Einreichung desselben erst nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer sei ungerechtfertigt verspätet. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags werfe darüber hinaus neue komplexe Fragen auf.
Insbesondere sei das Merkmal "...durch welches bei Anlegen eines Stromabnehmers (4) an eine Fahrleitung (5) wenigstens ein Fahrzeugtransformator (6) sowie nachgeschaltete Traktionsumrichter und Bordnetzumrichter in Wagen (2, 3) des Schienenfahrzeugs mit elektrischer Energie versorgt werden" ursprünglich nicht offenbart. Die ursprüngliche Beschreibung in Absatz [0017] offenbare lediglich, dass die Wagen 2 und 3 des Schienenfahrzeugs durch die koaxiale Hochspannungsleitung mit elektrischer Energie versorgt würden. Dass die koaxiale Hochspannungsleitung auch den Traktionsumrichter und den Bordnetzumrichter mit Energie versorgen, ergebe sich weder aus der ursprünglichen Beschreibung noch aus Figur 1.
Weiterhin würden sich durch die Aufnahme des Merkmals des Fahrzeugtransformators in den Anspruch 1 Probleme hinsichtlich der Klarheit dieses Anspruchs im Sinne von Artikel 84 EPÜ ergeben. Der Transformator habe Auswirkungen auf das Resonanzverhalten, die jedoch von der Verschaltung desselben mit der Hochspannungsleitung abhängig seien. Da die Verschaltung nicht in Anspruch 1 definiert sei, ergebe sich ein Klarheitsmangel bezüglich der tatsächlichen Auswirkungen des Transformators auf das Resonanzverhalten des Systems.
Unklar im Sinne von Artikel 84 EPÜ sei darüber hinaus, auf welche Art von Störstrom sich Anspruch 1 bezieht und was unter einem "vorwiegend kapazitiven Verhalten" im Sinne des Anspruchs 1 zu verstehen sei.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag und erster Hilfsantrag der Patentinhaberin - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Der Begriff "Mittelfrequenzbereich" sei in Absatz [0002] der ursprünglichen Anmeldung eindeutig offenbart und beziehe sich auf die gesamte Anmeldung. Er sei in demselben Absatz ferner konkretisiert durch einen Frequenzbereich von 2 bis 15 kHz. Dieser Frequenzbereich stimme weitgehend überein mit dem in Absatz [0017] der ursprünglichen Anmeldung offenbarten "tonfrequenten" Bereich von einigen Hertz bis 20 kHz. Für den Fachmann ergebe sich eindeutig, dass der Begriff "Mittelfrequenzbereich" im Sinne des Streitpatents einen Frequenzbereich beschreibe, der weder im Niederfrequenzbereich noch im Hochfrequenzbereich liege. Speziell ausgeschlossen sei der Niederfrequenzbereich, in welchem die zum Betrieb von Schienenfahrzeugen relevanten Frequenzen von 16,7 Hz und 50 Hz angesiedelt seien. Der erfindungsgemäße Filter diene zum Schutz von Bahnsicherungssystemen und insbesondere von sogenannten "Gleisstromkreisen", die in einem Bereich von 6 kHz bis 14 kHz arbeiten und welche durch in diesem Frequenzbereich auftretende Störströme negativ beeinflusst werden könnten. Es sei daher aus dem Gesamtkontext der ursprünglichen Anmeldung ersichtlich, dass es um die Vermeidung von Resonanzen in eben diesem "Mittelfrequenzbereich" gehe. Der Begriff an sich sei dem Fachmann auf diesem Gebiet zwar möglicherweise nicht bekannt, er werde in dem Streitpatent jedoch klar definiert.
Es sei zwar korrekt, dass die Frequenzen der Störströme nicht mit den Frequenzen der Resonanzen übereinstimmen müssten, so dass die anregenden Ströme in einem höheren Frequenzbereich als dem Mittelfrequenzbereich liegen könnten. Im Sinne des Streitpatents sei der Begriff "Störstrom" jedoch so zu verstehen, dass darunter die bereits durch die Resonanzen verstärkten Ströme zu verstehen seien. Diese Ströme gelte es in dem besagten Mittelfrequenzbereich zu vermeiden.
Es treffe zwar zu, dass Absatz [0009] der ursprünglichen Anmeldung von einer Umwandlung in ein ohmsches-induktives Verhalten spreche. Der Fachmann wisse jedoch, dass dies nicht immer möglich sei. Abhängig von den Gesamtumständen könne sich auch ein ohmsches-kapazitives, ein rein induktives, oder bevorzugt ein rein ohmsches Verhalten ergeben. Das letztere - bevorzugte - Ziel könne nicht immer erreicht werden. Die Wirkung der Bedämpfungseinrichtung sei dem Fachmann jedenfalls klar, sodass die zusätzliche Aufnahme des Merkmals einer Umwandlung eines vorwiegend kapazitiven Verhaltens in ein ohmsches-induktives Verhalten nicht erforderlich sei. Ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ durch die Nichtaufnahme des besagten Merkmals liege daher nicht vor.
Zulassung des zweiten Hilfsantrags in das Beschwerdeverfahren
Der neue Vertreter der Patentinhaberin habe erst kürzlich den Fall übernommen. Nach dem Erhalt der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK habe er in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Kammer Handlungsbedarf gesehen und infolgedessen die neuen Hilfsanträge 2 bis 5 eingereicht. Weshalb nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Hilfsanträge auf die erneuten Einwände der Einsprechenden hin eingereicht wurden, sei nicht bekannt.
Sämtliche Änderungen seien der ursprünglichen Anmeldung wortwörtlich entnommen. Sie seien damit ursprünglich offenbart, gleichzeitig aber auch klar und ausführbar. Es sei lediglich das in Figur 1 gezeigte konkrete Ausführungsbeispiel in Anspruch 1 definiert worden, sodass der Abstraktionsgrad des Anspruchs 1 gering sei. Insbesondere ergebe sich das Merkmal der Energieversorgung der Traktionsumrichter und Bordnetzumrichter mittels der koaxialen Hochspannungsleitung unmittelbar und eindeutig aus Absatz [0017] und Figur 1. Die Offenbarung des Streitpatents sei im Übrigen kurz und nicht komplex, sodass sie sich ohne Weiteres durchdringen ließe. Die Zulassung des zweiten Hilfsantrags in das Beschwerdeverfahren sei daher gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Hauptantrag der Patentinhaberin - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Zu dem Merkmal "zur Vermeidung von Resonanzen .... im Mittelfrequenzbereich"
2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst gegenüber dem erteilten Anspruch 1 unter anderem das folgende neue Merkmal:
"zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität (11) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) mit Induktivitäten anderer Einrichtungen im Mittelfrequenzbereich".
Als Grundlage dieser Änderung wurden die Absätze [0002], [0009] und [0017] der ursprünglichen Beschreibung erörtert.
2.2 Die ursprüngliche Anmeldung nimmt in Absatz [0002] Bezug auf die Problematik des Standes der Technik, wonach "[E]elektrische, insbesondere Hochspannungskabel, ... im Mittelfrequenzbereich durch ihre hohen Kapazitätsbeläge das Resonanzverhalten der über die elektrischen Kabel gekoppelten Systeme [beeinflussen]" (Hervorhebung hinzugefügt). Im nachfolgenden Satz desselben Absatzes wird weiterhin offenbart, dass Störströme im Bereich von ca. 2 kHz bis 15 kHz in das Fahrleitungsnetz emittiert werden, welche durch die Hochspannungskabel (und dadurch verursachte Resonanzen) verstärkt werden.
2.3 Ferner offenbart Absatz [0017] eine "Störspannungsquelle 7, die tonfrequente Störströme erzeugt" (Hervorhebung hinzugefügt), wobei zur Verringerung derselben bislang Netzfilter eingesetzt wurden. Weiterhin wird dort offenbart, dass die Leitungskapazität mit Induktivitäten anderer Einrichtungen Resonanzen erzeugt. Schließlich enthält Absatz [0009] der Offenlegungsschrift als einzige Offenbarungsstelle einen Hinweis auf den Frequenzbereich, in dem die erfindungsgemäße Bedämpfungseinrichtung Resonanzen vermeiden soll, nämlich "in den relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen", in denen das kapazitive Verhalten von elektrischen Kabeln zu diesem Zweck in ein ohmsches-induktives Verhalten umgewandelt werden soll. Die Anmeldung bezieht sich somit auf die Vermeidung von durch elektrische Leitungen hervorgerufene Resonanzen in relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen, um eine hierdurch resultierende Anregung bzw. Verstärkung von Störströmen in einem unbestimmten Frequenzbereich zu vermeiden.
2.4 Das Argument der Patentinhaberin, wonach der in Absatz [0017] genannte Frequenzbereich ("tonfrequente Störströme") weitgehend übereinstimmt mit dem in Absatz [0002] genannten Mittelfrequenzbereich, hält die Kammer für nicht überzeugend. Die ursprüngliche Anmeldung bietet für diese Annahme keinerlei Grundlage. Die Patentinhaberin hat selbst angegeben, der "tonfrequente Bereich" liege zwischen einigen Hertz und ca. 20 kHz. Von einer weitgehenden Übereinstimmung zwischen dem in Absatz [0002] genannten Frequenzbereich zwischen 2 kHz und 15 kHz und einem Frequenzbereich zwischen einigen Hertz und 20 kHz kann ebenfalls keine Rede sein. Es ist daher insgesamt nicht erkennbar, dass der in Absatz [0017] genannte "tonfrequente" Bereich in Zusammenhang mit dem in Absatz [0002] in Bezug auf den Stand der Technik genannten Mittelfrequenzbereich steht und insbesondere nicht, dass sie einander entsprechen. Im Übrigen bemerkt die Kammer, dass sich Absatz [0017] lediglich auf einen Frequenzbereich der Störströme, nicht aber auf die Frequenzbereiche von Resonanzen einer Leitungskapazität mit Induktivitäten anderer Einrichtungen bezieht, die nach eigener Aussage der Patentinhaberin nicht übereinstimmen müssen.
2.5 Die einzige Bezugnahme auf die Vermeidung von Resonanzen ist, wie von der Einsprechenden vorgetragen wurde, in Absatz [0009] der ursprünglichen Anmeldung zu finden. Dort ist explizit die Umwandlung eines vorwiegend kapazitiven Verhaltens von elektrischen Kabeln in den "relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen" zur Vermeidung von Resonanzen der Leitungskapazität mit Induktivitäten anderer Einrichtungen offenbart. Die Patentinhaberin hat zugestanden, dass die Resonanzen nicht dem Frequenzbereich der Störströme entsprechenden müssen, und dass das Streitpatent auf die Vermeidung von (verstärkten) Störströmen im Mittelfrequenzbereich gerichtet ist. Die Kammer stellt fest, dass sich dieses Verständnis dem Anspruch 1 auch nicht indirekt entnehmen lässt, denn dieser ist auf die Vermeidung von Resonanzen in einem Mittelfrequenzbereich gerichtet.
2.6 Insgesamt kann die Kammer weder dem Argument der Patentinhaberin folgen, der Begriff "Mittelfrequenzbereich" sei in der Anmeldung eindeutig definiert und seine Bedeutung damit für den Fachmann ohne Weiteres nachvollziehbar noch ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung, dass sich der Begriff "Mittelfrequenzbereich" in Absatz [0002] auf die Vermeidung von Resonanzen bezieht. Die einzige Textstelle in Absatz [0009], in der die Vermeidung von Resonanzen offenbart ist, lässt jegliche Bezugnahme auf einen bestimmten Frequenzbereich, mithin auch auf einen Mittelfrequenzbereich, vermissen (s. o. unter Punkt 2.5).
2.7 Im Lichte der erörterten Offenbarungsstellen ist die Kammer daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Fachmann der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht unmittelbar und eindeutig eine Bedämpfungseinrichtung entnehmen kann, die zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität des Hochspannungskabels mit Induktivitäten anderer Einrichtungen speziell in einem nicht weiter definierten Mittelfrequenzbereich ausgelegt ist.
Unzulässige Zwischenverallgemeinerung
2.8 Darüber hinaus offenbart die ursprüngliche Anmeldung in Absatz [0009] die Vermeidung von Resonanzen in den relevanten bzw. kritischen Frequenzbereichen ausschließlich durch die Umwandlung eines kapazitiven Verhaltens von elektrischen Kabeln in ein ohmsches-induktives Verhalten. Die Patentinhaberin hat dargelegt, es ergebe sich nicht immer zwangsläufig eine Umwandlung in ein ohmsches-induktives Verhalten durch den Einsatz einer Bedämpfungseinrichtung. Insbesondere sei auch die Umwandlung in ein rein ohmsches Verhalten möglich und erstrebenswert. Der Fachmann sei sich dessen bewusst und das Merkmal einer Umwandlung in ein ohmsches-induktives Verhalten daher weder zwingend notwendig noch untrennbar mit den weiteren Merkmalen des Absatzes [0009] verbunden.
2.9 Die Kammer kann sich der Meinung der Patentinhaberin in diesem Punkt nicht anschließen. Wie von der Einsprechenden vorgetragen wurde, offenbart die ursprüngliche Anmeldung ausschließlich eine Bedämpfungseinrichtung, die eine Vermeidung von Resonanzen durch Umwandlung eines kapazitiven Verhaltens von elektrischen Kabeln in ein ohmsches-induktives Verhalten bewirkt. Damit einher gehen unzweifelhaft konkrete Dimensionierungsvorschriften der Elemente der Bedämpfungseinrichtung. Die Patentinhaberin hat nicht bestritten, dass die Umwandlung in andere Verhaltensweisen (rein ohmsch, rein induktiv oder ohmsch-kapazitiv) möglich ist. Das isolierte Herausgreifen des Merkmals einer Vermeidung von Resonanzen ohne die Benennung des hierfür konkret angewendeten Mittels der Umwandlung eines kapazitiven Verhaltens sowie des resultierenden Umwandlungsprodukts, nämlich ein ohmsch-induktives Verhalten, ist daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung.
2.10 Die Kammer vermag sich darüber hinaus dem Argument der Patentinhaberin nicht anzuschließen, der Fachmann wisse wie eine Bedämpfungseinrichtung wirke. Denn, wie die Patentinhaberin selber dargelegt hat, können sich unterschiedliche Wirkungen ergeben, von denen in der ursprünglichen Anmeldung jedoch lediglich eine beabsichtigte Wirkung offenbart ist.
2.11 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag geht damit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
3. Erster Hilfsantrag der Patentinhaberin - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
3.1 Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags umfasst ebenfalls das gegenüber dem erteilten Anspruch 1 neu aufgenommene Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags: "zur Vermeidung von Resonanzen einer Leitungskapazität (11) des Hochspannungskabels (1, 12, 13) mit Induktivitäten anderer Einrichtungen im Mittelfrequenzbereich".
3.2 Die Ausführungen der Kammer zu dem Hauptantrag gelten daher gleichermaßen für den ersten Hilfsantrag (siehe Abschnitt 2 der Gründe dieser Entscheidung).
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags geht damit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
4. Zulassung des zweiten Hilfsantrags in das Beschwerdeverfahren
4.1 Die Patentinhaberin hat vorgetragen, die späte Einreichung des zweiten Hilfsantrags weniger als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, sei einem Vertreterwechsel erst kurz vor der mündlichen Verhandlung geschuldet. Hierzu stellt die Kammer fest, dass ein Vertreterwechsel nicht als Rechtfertigung für die späte Einreichung von Anträgen akzeptiert werden kann, denn der neue Vertreter hat das Verfahren an dem Punkt fortzuführen, das es im Zeitpunkt der Übernahme von seinem Vorgänger erreicht hat (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.C.1.3.18).
4.2 Im Übrigen ergibt sich aus dem Protokoll zu der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, dass dort bereits eine Diskussion bezüglich der ursprünglichen Offenbarung des Merkmals "im Mittelfrequenzbereich" stattgefunden hat (siehe Abschnitt II auf Seite 3 des Protokolls zur mündlichen Verhandlung). Die Einspruchsabteilung hat dementsprechend in der angefochtenen Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Merkmals im Sinne des Artikel 123 (2) EPÜ entschieden (siehe Punkt 10.2 der Gründe der angefochtenen Zwischenentscheidung).
4.3 Weiterhin hat die Einsprechende ihren diesbezüglichen Einwand in ihrer Beschwerdebegründung wiederholt (siehe Seite 10, vorletzter Absatz). Die Patentinhaberin hat auf diese Einwände der Einsprechenden nicht reagiert, sondern den neuen Hilfsantrag (damals Hilfsantrag 5) erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK eingereicht. Die Eingabe der Patentinhaberin erfolgte dabei erst am 1. April 2019 und damit nach Ablauf der in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK hierfür gesetzten Frist von einem Monat vor der mündlichen Verhandlung, die mit Ablauf des 30. März 2019 endete (siehe Punkt 13 der Mitteilung).
4.4 Eine für die Patentinhaberin in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK zum Ausdruck gebrachte unvorteilhafte vorläufige Meinung der Kammer kann ebenfalls nicht als Rechtfertigung für die in einem sehr späten Verfahrensstadium erfolgte Einreichung neuer Anträge akzeptiert werden. Die Patentinhaberin dufte sich nicht darauf verlassen, dass die Kammer die Meinung der Einspruchsabteilung teilen würde und hätte daher zumindest nach dem erneuten Einwand der Einsprechenden gegen das in Rede stehende Merkmal in der Beschwerdebegründung vom 2. Juni 2014 unverzüglich einen oder mehrere Hilfsanträge zur Disposition stellen sollen.
4.5 Die Kammer bemerkt darüber hinaus, dass der zweite Hilfsantrag inhaltlich mit keinem Antrag übereinstimmt, der in dem erstinstanzlichen Verfahren von der Patentinhaberin zu irgendeinem Zeitpunkt gestellt wurde.
4.6 Weiterhin wurden umfangreiche Änderungen in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags vorgenommen, die ausnahmslos der Beschreibung entnommen sind. Welche Einwände die Änderungen überwinden sollen ist prima facie nicht erkennbar und die Patentinhaberin hat hierzu in ihrer schriftlichen Eingabe nichts weiter vorgetragen.
4.7 Selbst wenn der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags die Einwände gegen den Haupt- und ersten Hilfsantrag im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ überwinden sollte, werfen die zahlreichen der Beschreibung entnommenen neuen Merkmale komplexe Fragen auf, deren Zulassung in einem derart späten Verfahrensstadium dem in der Verfahrensordnung verankerten Grundsatz der Verfahrenökonomie zuwider laufen würden.
4.8 Insbesondere umfasst der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags das neue Merkmal, dass "die Resonanzen ... Störströme verstärken". Die Kammer kann nicht erkennen, welchen technischen Beitrag dieses Merkmal zu dem von Anspruch 1 beanspruchten Schienenfahrzeug leistet. Ferner ist unklar, wie der Fahrzeugtransformator das Resonanzverhalten beeinflusst, so dass das entsprechende Merkmal des Anspruchs 1 gegen die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ verstoßen dürfte. Weiterhin ist zweifelhaft, ob das Merkmal, dass bei Anlegen eines Stromabnehmers an eine Fahrleitung wenigstens ein Fahrzeugtransformator sowie nachgeschaltete Traktionsumrichter und Bordnetzumrichter in Wagen des Schienenfahrzeugs mit elektrischer Energie versorgt werden, unmittelbar und eindeutig der ursprünglichen Anmeldung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ zu entnehmen ist.
4.9 Die in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags vorgenommenen zahlreichen Änderungen werfen damit Fragen auf, deren Zulassung in diesem späten Verfahrensstadium dem Grundsatz der Verfahrensökonomie zu wider laufen würden. Die Kammer hat daher das ihr eingeräumte Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, den zweiten Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
5. Da der Hauptantrag sowie der erste Hilfsantrag nicht gewährbar waren, der zweite Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen war und die Patentinhaberin keine weiteren Anträge gestellt hat, war der Beschwerde der Einsprechenden stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.