European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T076914.20180420 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 April 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0769/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08001681.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | G05B 19/19 G05B 19/416 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Betreiben von Maschinen mit anpassbaren Bewegungsprofilen | ||||||||
Name des Anmelders: | ROBERT BOSCH GMBH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin der europäischen Patentanmeldung Nr. 08001681.9 (Veröffentlichungsnummer EP 1 956 453 A1) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Anmeldung zurückgewiesen wurde.
II. Die angefochtene Entscheidung wurde u.a. damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung eines Hauptantrags sowie von Hilfsanträgen 1, 2a, 3a, 4a und 6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.
III. In der Beschwerdebegründung wurde substantiiert zum Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 2a, 3a und 6 vorgetragen. Zusätzlich wurden mit der Beschwerdebegründung weitere Hilfsanträge 7 und 8 eingereicht.
IV. In einer Mitteilung zur Ladung zur mündlichen Verhandlung nahm die Kammer vorläufig Stellung, u.a. zur erfinderischen Tätigkeit des mit dem Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 2a, 3a und 6 bis 8 beanspruchten Verfahrens des jeweiligen Anspruchs 1. Auf die folgenden Schriften wurde verwiesen:
D1: EP 1 148 398 A2;
D8: EP 1 220 069 A1; und
D9: Richtlinie 2006/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006, Amtsblatt der Europäischen Union L 157 vom 9. Juni 2006, Seiten 39 und 40.
V. Mit Schreiben vom 11. April 2018 reichte die Beschwerdeführerin die weiteren Hilfsanträge 9 bis 14 ein.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. April 2018 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen
auf der Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags,
- hilfsweise auf der Grundlage eines der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsanträge 2a, 3a und 6,
- hilfsweise auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 7 und 8,
- hilfsweise auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 11. April 2018 eingereichten Hilfsanträge 9 bis 14.
Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.
VII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Betreiben von gesteuerten Maschinen wobei eine Folgebewegung wenigstens eines bewegbaren Maschinenelements der Maschine unter Verwendung eines für diese Bewegung spezifischen Bewegungsprofils (11) gesteuert wird und wobei dieses Bewegungsprofil der Bewegung des Maschinenelements in mehrere Profilsegmente (11a, 11b, 11c) unterteilt wird,
wobei die Profilsegmente (11a, 11b, 11c) jeweils Leitgebern (10) zugeordnet sind, wobei die Leitgeber von vorgegebenen Führungsgrößen abhängen, und das Bewegungsprofil in den einzelnen Profilsegmenten jeweils von den jeweiligen Leitgebern abhängt, wobei wenigstens zwei Leitgeber (10) voneinander unterschiedlich sind und wenigstens zwei dem Bewegungsprofil zugeordnete Leitgeber von zueinander unterschiedlichen Führungsgrößen abhängen,
dadurch gekennzeichnet, dass
mittels wenigstens einem Zwischensegment (20d) ein Übergang zwischen zwei Profilsegmenten (20c, 20e), die von den unterschiedlichen Leitgebern abhängen, ermittelt wird, wobei die Bewegungsbahn dieses Zwischensegments in Echtzeit berechnet wird."
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das weitere Merkmal
"wobei die Bewegungsbahn dieses Zwischensegments in Echtzeit aufgrund vorher festgelegter Randwerte korrigiert und angepasst wird, wobei der Bewegungsverlauf innerhalb des Zwischensegments an die Prozessbedingungen angepasst wird um Ruck zu vermeiden".
IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a enthält gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a das weitere Merkmal
"und wobei Leitgeber miteinander verknüpft werden".
X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a durch die folgenden weiteren Merkmalsgruppen:
"und die Randwerte des Zwischensegments ebenfalls so angepasst werden, dass Geschwindigkeitssprünge bezüglich des zu bewegenden Maschinenelementes vermieden werden"
und
"wobei jedem der Profilsegmente (11a, 11b, 11c) wenigstens eine Bewegungsbedingung zugeordnet wird welche dieses Profilsegment (11a, 11b, 11c) beeinflusst und dass jede Bewegungsbedingung wenigstens ein auslösendes Ereignis und wenigstens ein diesem auslösenden Ereignis zugeordnetes und von dem auslösenden Ereignis ausgelöstes Aktionsereignis umfasst wobei das Aktionsereignis das Profilsegment (11a, 11b, 11c) beeinflusst."
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 enthält die Merkmale des Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a sowie das weitere Merkmal
"und wobei Leitgeber verschiedener Profilsegmente miteinander verknüpft werden".
XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a durch die weiteren Merkmale
"und wobei Leitgeber verschiedener Profilsegmente miteinander verknüpft werden,
wobei jedem der Profilsegmente (11a, 11b, 11c) wenigstens eine Bewegungsbedingung zugeordnet wird welche dieses Profilsegment (11a, 11b, 11c) beeinflusst und dass jede Bewegungsbedingung wenigstens ein auslösendes Ereignis und wenigstens ein diesem auslösenden Ereignis zugeordnetes und von dem auslösenden Ereignis ausgelöstes Aktionsereignis umfasst wobei das Aktionsereignis das Profilsegment (11a, 11b, 11c) beeinflusst,
wobei die Bewegungsbedingungen zum Ausführungszeitpunkt überwacht und in Echtzeit abgewickelt werden und die jeweiligen Bahnänderungen oder Änderungen des Bewegungsprofils, die durch die Bewegungsbedingungen ausgelöst werden, in Echtzeit neu berechnet werden."
XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei die Änderung des Profilsegments (11a, 11b, 11c) in Echtzeit berechnet wird."
XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei der Verlauf der Bahn auf Grundlage von Bewegungsgesetzen festgelegt wird und ein Bewegungsgesetz über die Parameter Hub, Leitgeberabschnitt, linke Randwerte (R1), rechte Randwerte (R2), Wendepunktverschiebungen sowie eine normierte Übertragungsfunktion eindeutig definiert wird, wobei als normierte Übertragungsfunktionen Polynome n-ten Grades, lineare Rast, modifizierte Sinoide und modifizierte Beschleunigungstrapeze in Betracht kommen."
XV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei die Abhängigkeit von einer zweiten Größe erst dann berücksichtigt wird, wenn die Abhängigkeit von einer ersten Größe zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat."
XVI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei wenigstens ein sich in einem Profilsegment (11a, 11b, 11c) ergebendes Bewegungsprofil (11) als Leitgeber für ein weiteres Profilsegment verwendet wird."
XVII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei Sprünge von einem Profilsegment (11a, 11b, 11c) zu einem anderen Profilsegment (11a, 11b, 11c) möglich sind."
XVIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 durch das weitere Merkmal
"wobei die auszulösenden Ereignisse Führungsgrößen sind."
Entscheidungsgründe
1. Die Anmeldung betrifft die Bewegungssteuerung bei Produktionsmaschinen. Als Beispiele für derartige Maschinen werden in Absatz [0001] der Anmeldung (Verweise auf die Anmeldung beziehen sich auf die A-Veröffentlichung), Verpackungs-, Textil-, Druckmaschinen oder Automatisierungsanlagen genannt. Bei derartigen Maschinen sind von den einzelnen Teilen der Maschine im Betrieb bestimmte Bewegungen auszuführen. Steuerungstechnisch werden diese Bewegungen durch sogenannte Bewegungsprofile beschrieben. Ein Bewegungsprofil spezifiziert dabei die von dem betreffenden Maschinenteil auszuführende Bewegung bzw. dessen Position in Abhängigkeit eines Leitgebers, welcher wiederum von einer jeweiligen Führungsgröße - typischerweise ein physikalische Parameter wie Position, Geschwindigkeit, Zeit oder Kraft - abhängt. Ein Verfahren zur Vorgabe von Bewegungsprofilen zur Steuerung der Bewegungen von Maschinenteilen ist in der Druckschrift D8, welche als Patentschrift auch in der vorliegenden Anmeldung zitiert wird, beschrieben. In D8 wird ein Bewegungsprofil eine Kurvenscheibenfunktion genannt. D8 befasst sich insbesondere mit der Erstellung eines aus einzelnen Bewegungssegmenten zusammengesetzten Bewegungsprofils, welches von einer einzigen Führungsgröße abhängt. Ausgehend von D8 wird in der Anmeldung die zu lösende technische Aufgabe dahingehend angegeben, eine Bewegungssteuerung in Abhängigkeit von mehreren voneinander unabhängigen und unterschiedlichen Führungsquellen zu ermöglichen (Absatz [0007]).
2. Hauptantrag, Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
2.1 Den Anspruch 1 des Hauptantrags betreffend offenbart D8 ein Verfahren zum Erstellen einer Kurvenscheibenfunktion zur Steuerung eines bewegbaren Maschinenelements (Absatz [0001]). Die Kurvenscheibenfunktion ist ein Bewegungsprofil gemäß dem Wortlaut der Anmeldung. Die Kurvenscheibenfunktion der Bewegung des Maschinenelements wird in mehrere Profilsegmente unterteilt (Einzelpunkte "A", Segmente "B", vgl. den Absatz [0023] sowie Fig. 1). Die Profilsegmente werden jeweils Leitgebern zugeordnet, welche von vorgegebenen Führungsgrößen abhängen, und das Bewegungsprofil in den einzelnen Profilsegmenten hängt jeweils von den jeweiligen Leitgebern ab. Beispielhaft ist hierzu in Absatz [0038] ein optimaler Gleichlauf zwischen einer Hauptachse und Folgeachsen einer Produktionsmaschine genannt. In D8 wird ein einzelner Leitgeber, z.B. die Leitachse, als gegeben angenommen, die Führungsgröße des Leitgebers ist dann die Variable x.
D8 offenbart weiterhin, dass mittels eines Interpolationssegments, in der Fig. 1 beispielsweise als "c1" bezeichnet, ein Übergang zwischen zwei Profilsegmenten, beispielsweise dem Punkt A im Abschnitt x1 und dem Polynomsegment B in dem Abschnitt x2, ermittelt wird (vgl. Absatz [0024]). Das Interpolationssegment in D8 ist ein Zwischensegment gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1.
2.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin offenbart D8 nicht die Berechnung der Bewegungsbahn des Zwischensegments in Echtzeit. Die Beschwerdeführerin argumentiert hierzu, der Absatz [0036] von D8 lehre zwar, dass bei der Erstellung einer Kurvenscheibenfunktion Parameter aus dem Prozess abgeleitet werden könnten. Dies bedeute jedoch lediglich, dass diese Parameter bei der Erstellung einer Kurvenscheibenfunktion aus dem Prozess übernommen werden könnten und nicht separat vom Benutzer eingegeben werden müssten. Eine Berechnung der Bewegungsbahn in Echtzeit werde dadurch jedoch nicht offenbart.
Die Kammer teilt nicht diese Auffassung der Beschwerdeführerin. Aus dem Absatz [0035] von D8 geht hervor, dass Parameter aus dem Produktionsprozess einer Produktionsmaschine nicht nur abgeleitet werden, sondern auch direkt zur prozessadaptiven Anpassung von Kurvenscheibenfunktionen herangezogen werden können. Weiterhin ist im Absatz [0036] und der Fig. 3 offenbart, dass die Steuerung Parameter aus dem Bearbeitungsprozess verarbeitet. Somit würde der Fachmann verstehen, dass eine Berechnung der Bewegungsbahn in der Steuerung in der Laufzeitumgebung und damit in "Echtzeit" im Sinne des Prozessablaufs erfolgt.
2.3 Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich folglich von dem aus D8 bekannten Verfahren dadurch, dass wenigstens zwei Leitgeber voneinander unterschiedlich sind und wenigstens zwei Leitgeber des Bewegungsprofils von zueinander unterschiedlichen Führungsgrößen abhängen.
2.4 Die sich dem Fachmann ausgehend von D8 stellende technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, ein auch für komplexe Produktionsprozesse, bei denen verschiedenartige Führungsfunktionen miteinander in Einklang zu bringen sind, geeignetes Steuerungsverfahren bereitzustellen.
2.5 Bei der Suche nach einer Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann D1 berücksichtigen, da diese Druckschrift sich insbesondere die Steuerung von Prozessen, bei denen ein Zusammenspiel von zwei oder mehr Achsen erforderlich ist, beschreibt. Der Fachmann würde angeleitet durch D1 vorsehen, dass eine Kurvenscheibenfunktion nicht nur segmentweise, sondern auch von verschiedenen Leitgebern ausgehend definiert wird, damit in jedem Segment sich ein gewünschtes Verhalten der Folgebewegung in Bezug auf die jeweils relevante Führungsgröße einstellt. Insbesondere würde der Fachmann durch die Fig. 5 von D1 dazu angeleitet, falls erforderlich die Zeit als Führungsgröße zu verwenden (vgl. die in Fig. 5 als "POS1" und "POS3" bezeichneten Segmente) oder in einem Gleichlaufabschnitt (das in der Fig. 5 als "GEAR" bezeichnete Segment) eine Masterachse als Leitgeber vorzusehen und die Position der Masterachse als Führungsgröße zu verwenden (vgl. Absatz [0036]).
Der Fachmann würde daher ausgehend von D8 und unter Berücksichtigung von D1 in naheliegender Weise zu dem Verfahren gemäß Anspruch 1 gelangen.
2.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Druckschrift D8 gebe keine Veranlassung, die Anzahl der Freiheitsgrade zu erhöhen. Folglich würde der von D8 ausgehende Fachmann die Druckschrift D1 nicht weiter betrachten.
2.7 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Für den Fachmann ergibt sich ein Anlass zu einer Erhöhung der Freiheitsgrade bereits aus der Art der zu steuernden Maschine und der Komplexität der von den Maschinenteilen auszuführenden Bewegungen im Hinblick auf den von der Maschine auszuführenden Prozess. Der Fachmann würde daher D1 allein schon berücksichtigen, sobald er sich mit der Erstellung einer Steuerung für eine komplexe Maschine befasst.
2.8 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
3. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
3.1 Das weitere Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2a, wonach die Bewegungsbahn des Zwischensegments in Echtzeit aufgrund vorher festgelegter Randwerte korrigiert und angepasst wird, wobei der Bewegungsverlauf innerhalb des Zwischensegments an die Prozessbedingungen angepasst wird um Ruck zu vermeiden, zielt darauf ab, eine ruckfreie Bewegung entlang der Bewegungsbahn während des bestimmungsgemäßen Betriebs zu gewährleisten.
3.2 Dieses Merkmal wird dem Fachmann durch D8 nahegelegt und trägt daher nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.
Insbesondere offenbart D8, dass die Bewegungsfunktion an Kurvenrändern, d.h. am Anfang und am Ende jedes Segments, hinsichtlich der Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung stetig (vgl. Absatz [0025]) und damit "ruckfrei" ist. Der Fachmann würde bei der Vorgabe der Bewegungsfunktion für Steuerungsverfahren darauf achten, dass eine Stetigkeit dieser Bewegungsgrößen in allen Bereichen der Kurvenscheibenfunktion, also auch in einem Zwischensegment gewährleistet ist und würde daher einen geeigneten Verlauf der Kurvenscheibenfunktion wählen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin würde der Fachmann nicht lediglich einen stetigen Verlauf vorgeben, sondern würde auch Sorge dafür tragen, dass die Stetigkeit der Bewegungsgrößen während des Betriebs gewährleistet ist, und würde daher vorsehen, dass die aus dem laufenden Prozess erhaltenen Parameter gemäß dem Hinweis im Absatz [0036] von D8 direkt im Laufzeitsystem auch zu diesem Zweck berücksichtigt werden. Der Fachmann würde daher vorsehen, dass ein Interpolationssegment während des Steuerungsprozesses so modifiziert wird, dass einerseits die Kurvenscheibenfunktion prozessadaptiv generiert wird, andererseits aber auch die Vorgabe der Stetigkeit der Bewegungsgrößen erfüllt bleibt, und würde so in naheliegender Weise zu einem Verfahren gelangen, bei dem der Bewegungsverlauf auch innerhalb eines Zwischensegments angepasst wird.
3.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
4.1 Das weitere Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3a, wonach Leitgeber miteinander verknüpft werden, bewirkt u.a., dass Profilsegmente ohne Lücken oder Knicke ineinander übergeführt werden (vgl. Absatz [0017] der Anmeldung) und damit eine stetige und "ruckfreie" Bewegung gewährleistet ist.
4.2 Der Fachmann würde zur Erfüllung dieser Vorgabe vorsehen, dass bei der Spezifizierung eines Profilsegments zwingend auch die Größen der Profilsegmente auf den beiden dem jeweiligen Profilsegment angrenzenden Seiten an der Segmentgrenze berücksichtigt werden. Der Fachmann würde daher in naheliegender Weise erwägen, den Leitgeber des aktuellen Profilsegments mit Leitgebern angrenzender Segmente so zu verknüpfen, dass die Stetigkeit der Bewegungsgrößen gewährleistet ist.
Daher trägt dieses Merkmal nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.
4.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, der Fachmann auf dem Gebiet der Produktionsmaschinen würde üblicherweise die Bewegungsbahnen von Profilsegmenten aufeinanderfolgender Teilprozesse eines Produktionsprozesses voneinander entkoppeln, und erläuterte die Entkopplung von Bewegungsbahnen beispielhaft anhand einer Produktionsmaschine für Flaschen. Eine Entkopplung stehe jedoch im Gegensatz zu einer Verknüpfung von Leitgebern. Der Fachmann würde daher, dem üblichen Handeln folgend, nicht zu dem betreffenden Merkmal gelangen sondern vielmehr davon weggeführt werden.
4.4 Die Kammer teilt nicht diese Auffassung. Ob Bewegungsbahnen und damit Leitgeber voneinander zu entkoppeln oder miteinander zu verknüpfen sind, wird durch die Natur des zu steuernden Produktionsprozesses vorgegeben. Eine Entkopplung mag im Fall der Flaschenproduktion für die sachgerechte Behandlung der Flaschen während des Produktionsprozesses durchaus erforderlich sein; jedoch ist fraglich, ob eine Entkopplung von Bewegungsbahnen bzw. Leitgebern überhaupt generell erwünscht ist. So ist beispielsweise bei Druck- oder Textilmaschinen, bei denen das zu produzierende Gut die gesamte Maschine typischerweise im Gleichlauf passiert, zu erwarten, dass eine Entkopplung aufgrund der Natur des Produktionsprozesses unzweckmäßig ist und womöglich sogar eine Verknüpfung von Leitgebern zwingend erforderlich ist. Daher würde der Fachmann, sofern der zu steuernde Produktionsprozess eine durchgehend spezifizierte, über alle Profilsegmente hinweg stetige Bewegungsbahn eines Maschinenteils erfordert, in naheliegender Weise erwägen, die Leitgeber in geeigneter Weise so zu koppeln, dass die Stetigkeit der Bewegungsbahn durch die Kopplung gewährleistet wird.
4.5 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
5. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
5.1 Die erste zusätzliche Merkmalsgruppe des Anspruchs 1 (siehe Punkt X oben) trägt aus den unter den Punkten 3 und 4 angegebenen Gründen nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei. Insbesondere würde der Fachmann bei der Anpassung der Bewegungsbahn des Zwischensegments auch die Randwerte des Zwischensegments einbeziehen, falls die Gewährleistung der Stetigkeit der Bewegungsbahn dies erfordert.
Die Beschwerdeführerin hat zum Beitrag erfinderischer Tätigkeit dieser Merkmalsgruppe nicht speziell vorgetragen.
5.2 Die zweite weitere Merkmalsgruppe (Punkt X oben) zielt darauf ab, dass das Steuerungsverfahren auf besondere Vorkommnisse ("auslösendes Ereignis") in einer gewünschten Art und Weise ("Aktionsereignis") reagieren kann.
Das Vorsehen einer Erkennung von besonderen Vorkommnissen und einer angemessenen Reaktion darauf trägt nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei. Insbesondere war dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt aus der Druckschrift D9 bekannt, dass das Auftreten einer Notsituation bei Produktionsmaschinen zwingend berücksichtigt werden muss und diese Maschinen deshalb mit einer Not-Aus-Funktion zu versehen sind. Durch die Betätigung der Not-Aus-Funktion wird ein gefährlicher Vorgang der Maschine zu Ende gebracht, indem gefährdende Teile der Produktionsmaschine stillgesetzt oder durch bestimmte Sicherungsbewegungen in einen gefahrlosen Zustand gebracht werden (siehe D9, den vierten und den fünften Spiegelstrich unter Punkt 1.2.4.3 "Stillsetzen im Notfall"). Die Betätigung des Not-Aus-Schalters ist ein "auslösendes Ereignis" und das Stillsetzen bzw. die genannten Sicherungsbewegungen sind ein "Aktionsereignis" im Wortlaut des Anspruchs 1.
Der Fachmann würde daher bei dem in D8 beschriebenen Verfahren während des gesamten Verlaufs der Bewegungsbahn die Möglichkeit einer Not-Ausschaltung vorsehen. Er würde daher gemäß dem Merkmalswortlaut jedem Profilsegment eine dieses Segment beeinflussende Bewegungsbedingung mit einem auslösenden Ereignis, nämlich die Betätigung der Not-Aus-Funktion zuordnen, und würde ein von diesem Ereignis ausgelöstes Ereignis, nämlich das sofortige oder kontrollierte Stillsetzen eines oder mehrerer Maschinenteile, zuordnen. Das Stillsetzen impliziert eine Beeinflussung des Profilsegments, indem die gemäß dem Profilsegment vorgegebene Bewegung ersetzt wird durch die zum Stillstand führende Bewegung. Somit würde der Fachmann in naheliegender Weise zu dem Verfahren gemäß Anspruch 1 gelangen.
5.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, der Fachmann würde eine Not-Aus-Funktion nicht als auslösendes Ereignis im Sinne des Wortlauts des Anspruchs 1 auffassen. Für den Fachmann sei die Implementierung einer Not-Aus-Funktion durch eine Echtzeitberechnung von Bewegungen, durch welche die Maschine in einen sicheren Zustand gebracht werde, aus Sicherheitsgründen nicht wünschenswert. Der Fachmann würde als Reaktion auf eine Betätigung des Not-Aus-Schalters vielmehr eine vorbestimmte feste Prozedur des Stillsetzens vorsehen und nicht, wie im Anspruch 1 spezifiziert, eine Beeinflussung des Profilsegments selbst.
5.4 Diese Argumente sind nicht stichhaltig. Da die vorzusehende Not-Aus-Funktion ein vom normalen Betrieb der Maschine abweichendes Bewegungsverhalten der bewegbaren Maschinenelemente erzwingt, ist die Not-Aus-Funktion entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin für den Fachmann ein auslösendes Ereignis gemäß dem Merkmalswortlaut. Weiterhin wird sich der Fachmann bei der Realisierung der Not-Aus-Funktion nicht zwingend auf ein vorbestimmtes Stillsetzen der Maschine beschränken, sondern abhängig von der Art der Maschine und den zu verhindernden Gefahren durchaus erwägen, dass abhängig vom momentanen Betriebszustand der Maschine oder einzelner Teilen eine kontrollierte Sicherungsbewegung bestimmter Teile der Maschine durchgeführt wird. Dies impliziert, dass durch das Ereignis "Not-Aus" das Profilsegment beeinflusst wird. Die Kammer bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Anmeldung kein konkretes Beispiel für ein "auslösendes Ereignis" oder ein "Aktionsereignis" beschreibt. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unterschied eines auslösenden Ereignisses oder eines Aktionsereignisses in der Bedeutung der Anmeldung zu einer bekannten Not-Aus-Funktion mit dadurch ausgelöstem Stillsetzen der Maschine ist daher nicht anhand von Angaben aus der Anmeldung selbst belegt.
5.5 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
6. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
6.1 Die Angabe, dass Leitgeber verschiedener Profilsegmente miteinander verknüpft werden, unterscheidet das Verfahren nicht weiter gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2a. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dieses Anspruchs (siehe Punkt 3 oben) wurde impliziert, dass voneinander verschiedenen Profilsegmenten auch verschiedene Leitgeber zugeordnet sind.
6.2 Daher beruht das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 aus den unter Punkt 3 angegebenen Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
7. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
7.1 Die weiteren Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 8 (siehe Punkt XII oben) unterscheiden das beanspruchte Verfahren nicht weiter gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 6. Der letzte Absatz unter Punkt XII oben legt lediglich in anderen Worten fest, dass eine Not-Aus-Funktion im Betrieb die Auslösebedingung permanent überwacht und bei Eintreten der Bedingung unmittelbar die erforderlichen Sicherungsbewegungen durchführt werden. Diese Vorgaben implizieren, dass jeweilige durch eine Bewegungsbedingung in der Art der Betätigung einer Not-Aus-Funktion ausgelöste Bahnänderungen in Echtzeit berechnet werden.
7.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
8. Die Hilfsanträge 9 bis 14
8.1 Die Hilfsanträge 9 bis 14 wurden mit Schreiben vom 11. April 2018 eingereicht.
8.2 Hinsichtlich der Zulässigkeit dieser neun Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge argumentierte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, die Anträge seien eine Reaktion auf die in der Mitteilung erstmals genannte Druckschrift D9. Für die Beschwerdeführerin habe sich erst aufgrund dieser Druckschrift die Notwendigkeit einer hilfsweisen Änderung ihres Patentbegehrens ergeben, denn der Einwand, es sei aus dem Stand der Technik bekannt, zur Notabschaltung einer Maschine bestimmte Sicherungsbewegungen auszulösen, sei erstmals in der Mitteilung der Kammer erhoben worden. Folglich sei es der Beschwerdeführerin erst nach Erhalt der Mitteilung möglich gewesen, auf diesen neuen Einwand zu reagieren.
8.3 Die Kammer teilt nicht diese Auffassung. Tatsächlich ist der Einwand, wonach Produktionsmaschinen mit einer Not-Aus-Funktion zu versehen sind und dass das Vorsehen einer Not-Aus-Funktion jedem Profilsegment eine ein auslösendes Ereignis (Betätigung des Not-Aus-Schalters) und ein Aktionsereignis (Stillsetzen der Achsen der Maschine) umfassende Bewegungsbedingung zuordnet, in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung umfassend erörtert worden, siehe Punkt 10.3 der Niederschrift, in dem es heißt:
"Das beanspruchte Unterscheidungsmerkmal stellt eine übliche Maßnahme dar, da es von den Notausschaltern, die nahezu alle Automatisierungssysteme aufweisen, implementiert wird. Ein konkretes Ausführungsbeispiel dieses Merkmals fand sich in D1, Absatz 41. Es würde somit für den Fachmann naheliegend sein, eine Notausschalterfunktion im Rahmen seiner üblichen Praxis im Verfahren bzw. in der Vorrichtung von D8 zu implementieren und damit zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
Der Anmelder argumentierte, dass sowohl beim üblichen Notausschalter als auch in D1 die "STOP"-Ereignis nicht zwangsläufig zu jedem Profilsegment zugeordnet sei."
Demnach wurde in der mündlichen Verhandlung sowohl das sofortige Stillsetzen als auch die Ausführung von Sicherungsbewegungen vor der Prüfungsabteilung als aus dem Stand der Technik bekannt befunden.
Durch die Nennung der Druckschrift D9 in der Mitteilung der Kammer wurde somit kein neuer Einwand begründet, sondern lediglich anhand einer druckschriftlichen Offenbarung belegt, was in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung als aus dem Stand der Technik bekannt befunden wurde.
Die Beschwerdeführerin hätte daher, insofern sie beabsichtigte, den Einwand der Prüfungsabteilung durch eine Beschränkung des beanspruchten Verfahrens durch eine genauere Spezifizierung der Bewegungsbedingungen, welche ihrer Art nach eindeutig keine Not-Aus-Funktion sind, zu entkräften, bereits bei Einreichung der Beschwerdebegründung Veranlassung gehabt, entsprechende Anspruchssätze vorzulegen.
8.4 Die Kammer lässt daher in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) die Hilfsanträge 9 bis 14 nicht in das Verfahren zu.
9. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.