European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T074414.20190115 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Januar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0744/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04008349.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01L 33/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Lichtabstrahlender Halbleiterchip und Lichtabstrahlendes Halbleiterbauelement und Verfahren zu dessen Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | OSRAM Opto Semiconductors GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ledon Lighting Jennersdorf GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) Änderungen - Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung Änderungen - mangelnde Stützung der unabhängigen Ansprüche durch die Beschreibung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP1434279 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2014 eingereichten zweiten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
Das Streitpatent beruht auf einer Teilanmeldung der europäischen (Stamm-)Anmeldung 97931666. Diese wiederum beruht auf der internationalen Anmeldung WO-A-9750132.
In Bezug auf das erteilte Patent enthält die angefochtene Entscheidung in Abschnitt 3. Einwände in Bezug auf Artikel 100(c) EPÜ (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ).
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf das folgende Dokument Bezug genommen, welches von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 als K19 eingereicht wurde:
K19: W.M.Yen, M.J.Weber, "Inorganic Phosphors", CRC Press 2004,, ISBN 0-8493-1949-8, Seiten 51 bis 80
III. Die Patentinhaberin beantragte schriftlich, die Entscheidung aufzuheben und das Patent wie ursprünglich erteilt aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Erteilung eines Patents nach einem der Hilfsanträge 1 bis 5, 5a und 6 bis 9.
Dabei wurden die Hilfsanträge 1 bis 5 und 6 bis 9 mit der Erwiderung vom 6. Februar 2015 auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereicht. Sie ersetzten die Hilfsanträge 1 bis 3, die die Patentinhaberin zusammen mit ihrer eigenen Beschwerdebegründung eingereicht hatte. Mit dieser wurde auch eine an diese Hilfsanträge angepasste Beschreibung eingereicht.
Den Hilfsantrag 5a reichte die Patentinhaberin mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 ein.
IV. Die Einsprechende beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Streitpatents.
Im Laufe des Verfahrens brachte sie unter anderem Einwände nach Artikel 100(c) EPÜ in Bezug auf Erweiterung gegenüber der früheren (Stammanmeldung) bzw. der ursprünglich eingereichten Anmeldung vor (Schreiben vom 28. November 2014, Abschnitt II.2.) sowie mangelnde Klarheit in Bezug auf unzureichende Anpassung der Beschreibung an den Erfindungsgegenstand (Beschwerdebegründung, Abschnitt VI.2.).
V. In einem die mündliche Verhandlung vorbereitenden Bescheid wies die Kammer unter anderem auf Probleme hinsichtlich ursprünglicher Offenbarung hin.
VI. Am 15. Januar 2019 fand die mündliche Verhandlung ohne die Patentinhaberin vor der Kammer statt. Die Patentinhaberin hatte ihre Abwesenheit mit Brief vom 11. Januar 2019 angekündigt.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlender Halbleiterkörper (1) zur Verwendung in einem Leuchtdioden-Gehäuse, der eine Halbleiterschichtenfolge (7) aufweist, die geeignet ist, im Betrieb elektromagnetische Strahlung eines ersten Wellenlängenbereiches auszusenden, der Strahlung zumindest aus dem blauen oder grünen Spektralbereich umfasst, wobei- auf die Halbleiterschichtenfolge eine Lumineszenzkonversionsschicht oder Lumineszenzkonversionsumhüllung aufgebracht ist, die für Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches zumindest teilweise transparent ist und mindestens einen Leuchtstoff enthält, der eine aus dem ersten Wellenlängenbereich stammende Strahlung in Strahlung eines vom ersten verschiedenen zweiten Wellenlängenbereiches umwandelt, derart, dass die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsschicht oder -umhüllung mischfarbiges Licht, bestehend aus Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches und Strahlung des zweiten Wellenlängenbereiches aussendet, und- eine Richtcharakteristik der von der Halbleiterschichtenfolge abgestrahlten elektromagnetischen Strahlung durch anorganische Leuchtstoffpartikel und/oder zusätzliche Licht streuende Partikel abgeschwächt ist, so dass die Farbhomogenität des mischfarbigen Lichts verbessert ist.
VIII. Anspruch 2 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlender Halbleiterkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
- die Lumineszenzkonversionsschicht oder -umhüllung mindestens einen anorganischen Leuchtstoff (6) enthält.
IX. Anspruch 3 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlender Halbleiterkörper nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass
- der anorganische Leuchtstoff aus der Gruppe umfassend die mit Seltenen Erden dotierten Granate, mit Seltenen Erden dotierte Erdalkali-Sulfide, mit Seltenen Erden dotierten Thiogallate, mit Seltenen Erden dotierten Aluminate, und mit Seltenen Erden dotierten Orthosilikate stammt.
X. Anspruch 15 des Hilfsantrags 1 hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlendes Halbleiterbauelement, bei dem eine Anordnung aus einer lichtabstrahlenden Halbleiterschichtenfolge und einer Lumineszenzkonversionsumhüllung in einer Ausnehmung eines lichtundurchlässigen Grundgehäuses angeordnet ist, wobei die Halbleiterschichtenfolge (7) geeignet ist, im Betrieb elektromagnetische Strahlung eines ersten Wellenlängenbereiches auszusenden, der Strahlung zumindest aus dem blauen Spektralbereich umfasst, wobei
- auf die Halbleiterschichtenfolge die Lumineszenzkonversionsumhüllung aufgebracht ist, die für Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches teilweise transparent ist und mindestens einen Leuchtstoff enthält, der nur einen Teil einer aus dem ersten Wellenlängenbereich stammenden Strahlung in Strahlung eines vom ersten verschiedenen, längerwelligen zweiten Wellenlängenbereiches umwandelt, derart, dass die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsumhüllung mischfarbiges Licht, bestehend aus Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches und Strahlung des zweiten Wellenlängenbereiches aussendet,
- eine Richtcharakteristik der von der Halbleiterschichtenfolge abgestrahlten elektromagnetischen Strahlung durch anorganische Leuchtstoffpartikel und/oder zusätzliche Licht streuende Partikel abgeschwächt ist, so dass die Farbhomogenität des mischfarbigen Lichts verbessert ist, und
der anorganische Leuchtstoff aus der Gruppe umfassend die mit Seltenen Erden dotierten Thiogallate, mit Seltenen Erden dotierten Aluminate, und mit Seltenen Erden dotierten Orthosilikate stammt.
XI. Anspruch 13 des Hilfsantrags 2 hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlendes Halbleiterbauelement, bei dem eine Anordnung aus einer lichtabstrahlenden Halbleiterschichtenfolge und einer Lumineszenzkonversionsumhüllung in einer Ausnehmung eines lichtundurchlässigen Grundgehäuses angeordnet ist, wobei die Halbleiterschichtenfolge (7) geeignet ist, im Betrieb elektromagnetische Strahlung eines ersten Wellenlängenbereiches aus dem blauen Spektralbereich mit einem Lumineszenz-Intensitätsmaximum zwischen 420 nm und 460 nm auszusenden, wobei
- auf die Halbleiterschichtenfolge die Lumineszenzkonversionsumhüllung aufgebracht ist, die für Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches teilweise transparent ist und mindestens einen Leuchtstoff enthält, der nur einen Teil einer aus dem ersten Wellenlängenbereich stammenden Strahlung in Strahlung eines vom ersten verschiedenen, längerwelligen zweiten Wellenlängenbereiches umwandelt, derart, dass die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsumhüllung mischfarbiges, weißes Licht, bestehend aus Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches und Strahlung des zweiten Wellenlängenbereiches aussendet,
- eine Richtcharakteristik der von der Halbleiterschichtenfolge abgestrahlten elektromagnetischen Strahlung durch anorganische Leuchtstoffpartikel oder durch anorganische Leuchtstoffpartikel zusammen mit zusätzlichen Licht streuenden Partikeln abgeschwächt ist, so dass die Farbhomogenität des mischfarbigen Lichts verbessert ist, und
der anorganische Leuchtstoff aus der Gruppe umfassend die mit Seltenen Erden dotierten Thiogallate und die mit Seltenen Erden dotierten Aluminate stammt.
XII. Die unabhängigen Ansprüche 12 der Hilfsanträge 3, 4, 5, 5a und 6 sowie der unabhängige Anspruch 11 des Hilfsantrags 7 enthalten alle, ebenso wie Anspruch 13 des Hilfsantrags 2, die beiden Merkmale, dass
- die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsumhüllung mischfarbiges, weißes Licht aussendet,
und dass
- der anorganische Leuchtstoff aus der Gruppe umfassend die mit Seltenen Erden dotierten Thiogallate und die mit Seltenen Erden dotierten Aluminate stammt,
in Kombination.
XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 hat den folgenden Wortlaut:
Lichtabstrahlender Halbleiterkörper (1) ohne Umhüllung zur Verwendung in einem Leuchtdioden-Gehäuse, der eine Halbleiterschichtenfolge (7) mit einer aktiven Halbleiterschicht aus GaxInl-xN aufweist, die geeignet ist, im Betrieb elektromagnetische Strahlung eines ersten Wellenlängenbereiches auszusenden aus dem blauen Spektralbereich mit einem Lumineszenz-Intensitätsmaximum zwischen 420 nm und 460 nm auszusenden, wobei
- direkt auf den Halbleiterkörper (1) auf die Halbleiterschichtenfolge eine Lumineszenzkonversionsschicht aufgebracht ist, die für Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches teilweise transparent ist und mindestens einen Leuchtstoff aus der Gruppe der Ce-dotierten Granate enthält, der nur einen Teil einer aus dem ersten Wellenlängenbereich stammenden Strahlung nur über einen spektralen Teilbereich des ersten Wellenlängenbereichs spektral selektiv absorbiert und in Strahlung eines vom ersten verschiedenen, längerwelligen zweiten Wellenlängenbereiches umwandelt, derart, dass die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsschicht mischfarbiges, weißes Licht, bestehend aus Strahlung des ersten Wellenlängenbereiches und Strahlung des zweiten Wellenlängenbereiches aussendet, und
- eine Richtcharakteristik der von der Halbleiterschichtenfolge abgestrahlten elektromagnetischen Strahlung durch durch [sic] anorganische Leuchtstoffpartikel zusammen mit zusätzlichen Licht streuenden Partikeln aus CaF2, Ti02, Si02, CaC03 oder BaS04 abgeschwächt ist, so dass die Farbhomogenität des mischfarbigen Lichts verbessert ist,
- wobei sich die Leuchtstoffpartikel in einen sie umhüllenden Stoff, der eine Matrix für die Leuchtstoffpartikel bildet, nicht lösen, und die anorganischen Leuchtstoffpartikel und der umhüllende Stoff voneinander verschiedene Brechungsindizes aufweisen.
XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 enthält wie Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 das Merkmal, dass
- eine Richtcharakteristik der von der Halbleiterschichtenfolge abgestrahlten elektromagnetischen Strahlung durch durch [sic] anorganische Leuchtstoffpartikel zusammen mit zusätzlichen Licht streuenden Partikeln aus CaF2 , Ti02 , Si02 , CaC03 oder BaS04 abgeschwächt ist, so dass die Farbhomogenität des mischfarbigen Lichts verbessert ist,
XV. Die Argumente der Patentinhaberin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Orthosilikate
Der Fachmann würde die gesamte Passage von Seite 10, Zeile 26 bis Seite 11, Zeile 6 der ursprünglichen Stammanmeldung so lesen, dass die Formel M2SiO5:Ce**(3+) nur als Beispiel und nicht als Einschränkung auf die dadurch definierte Untergruppe von Stoffen zu verstehen sei (Schreiben vom 6. Februar 2015, Seite 31, Absätze 3 und 4 und Schreiben vom 16. Oktober 2015, Seite 7, Absatz 2).
Die Verwendung des Plurals in der Formulierung "mit seltenen Erden dotierten Orthosilikaten" in Verbindung damit, dass nach der Formel M2SiO5:Ce**(3+) nur mit Cerium, also mit einer seltenen Erde dotiert werden kann, würde der Fachmann so deuten, dass die Formel M2SiO5:Ce**(3+) nur als Beispiel zu sehen sei (Seite 31, letzter Absatz des Schreibens vom 6. Februar 2015).
Selbst wenn die Formel in der ursprünglichen Stammanmeldung nicht als reines Beispiel gesehen werden sollte, würde ihr Streichen zu keiner unzulässigen Erweiterung führen, da ein solches Streichen im Einklang mit den Prüfungsrichtlinien des EPA, November 2014, H.V.3.1 stehe (Schreiben vom 16. Oktober 2015, Seite 7, vorletzter Absatz bis Seite 9, vierter Absatz).
b) Weißes Licht in Kombination mit den mit seltenen Erden dotierten Thiogallaten und Aluminaten
Der Schwerpunkt der Stammanmeldung liege bei der Erzeugung von weißem Licht. Der Fachmann würde daher bei der Lektüre von Seite 10, Zeile 33 bis Seite 11, Zeile 6 immer mitlesen, dass mit jedem der genannten Leuchtstoffe in jedem Fall auch weißes Licht erzeugt werden kann (Schreiben vom 6. Februar 2015, der die Seiten 32 und 33 überbrückende Absatz und Schreiben vom 8. April 2016, Punkt 4.(i))).
Entscheidungsgründe
1. Beide Beschwerden sind zulässig.
2. Hauptantrag, unzulässige Erweiterung
Nach Anspruch 3 in Verbindung mit den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags kann der anorganische Leuchtstoff ganz allgemein aus der Gruppe der mit seltenen Erden dotierten Orthosilikaten stammen. In der Stammanmeldung wie eingereicht (Seite 10, Zeile 35 bis Seite 11, Zeile 6) wird jedoch lediglich offenbart, dass der anorganische Leuchtstoff aus einer Untergruppe der Gruppe der mit seltenen Erden dotierten Orthosilikate stammen kann, wobei diese Untergruppe durch die chemische Formel M2SiO5:Ce**(3+) definiert ist, wie von der Einsprechenden vorgebracht (Punkt II.2.vi. des Schreibens vom 28. November 2014). Hierbei kann M für die Elemente Scandium (Sc), Yttrium (Y) oder Lanthan (La) stehen.
Dabei ist die diese Untergruppe definierende chemische Formel M2SiO5:Ce**(3+) und damit die Untergruppe als Ganze in der ursprünglichen Stammanmeldung gerade nicht als optional ("wie z.B.") gekennzeichnet.
Stattdessen wird nur ein bestimmter Stoff (Y2SiO5:Ce**(3+)) als Beispiel für die durch die Formel definierte Untergruppe genannt (Seite 11, Zeile 4). Die in Bezug auf die Orthosilikate verwendete Formulierung ist dabei auch anders als die in Bezug auf die anderen im selben Absatz genannten Gruppen von Verbindungen verwendeten Formulierungen (das heißt, die Formulierungen betreffend die mit seltenen Erden dotierten Thiogallaten und Aluminaten).
Daher würde der Fachmann, entgegen der Argumentation der Patentinhaberin (siehe Punkt XV.a) oben), die gesamte Passage von Seite 10, Zeile 26 bis Seite 11, Zeile 6, eben nicht so lesen, dass die Formel nur als Beispiel und nicht als Einschränkung auf die dadurch definierte Untergruppe von Stoffen zu verstehen ist.
Auch die Verwendung des Plurals in der Formulierung "mit seltenen Erden dotierten Orthosilikaten" in Verbindung damit, dass nach der Formel M2SiO5:Ce**(3+) nur mit Cerium, also mit einer seltenen Erde dotiert werden kann, würde der Fachmann entgegen der Argumentation der Patentinhaberin (siehe Punkt XV.a) oben) nicht so deuten, dass die Formel M2SiO5:Ce**(3+) nur als Beispiel zu sehen ist. Stattdessen würde der Fachmann dies bestenfalls als redaktionellen Fehler werten, ebenso wie die doppelte Nennung von Sc bei der Erläuterung der Bedeutung des Platzhalters M (M: Sc, Y, Sc), wobei hier ja offensichtlich als dritte Möglichkeit Lanthan (La) gemeint ist, wie aus Seite 11, Zeile 4 bis 6 hervorgeht.
Tests wie der Wesentlichkeitstest, der in der von der Patentinhaberin genannten Stelle der Prüfungsrichtlinien beschrieben wird (siehe Punkt XV.a) oben), können nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zwar unterstützend bei der Beurteilung der Gewährbarkeit von Änderungen angewendet werden, sie sind aber kein Ersatz für die notwendige Beantwortung der Frage, was der Fachmann der Beschreibung, den Patentansprüchen und den Zeichnungen einer europäischen Patentanmeldung am Anmeldetag objektiv entnehmen konnte (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, II.E.1.2.4).
Im vorliegenden Fall konnte der Fachmann der ursprünglichen Stammanmeldung objektiv lediglich entnehmen, dass die durch die Formel M2SiO5:Ce**(3+) definierte Untergruppe der mit seltenen Erden dotierten Orthosilikate geeignet ist, im Rahmen der Erfindung, auf die sich das Streitpatent bezieht, als Leuchtstoff eingesetzt zu werden.
Der Wegfall der Einschränkung auf diese Untergruppe stellt daher eine Erweiterung im Vergleich zur ursprünglichen Stammanmeldung dar.
Dies ist unabhängig davon, dass eine Vielzahl von mit seltenen Erden dotierten Orthosilikaten zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ganz allgemein als Leuchtstoffe bekannt waren, wie aus den Ausführungen der Patentinhaberin zum Wesentlichkeitstest hervorgeht (Schreiben vom 16. Oktober 2015, Seite 8, zweiter Absatz bis Seite 9, erster Absatz).
Aus diesen Gründen verstößt Anspruch 3 des Hauptantrags gegen die Bedingungen des Artikels 100(c) EPÜ 1973.
3. Hilfsantrag 1
Anspruch 15 des Hilfsantrags 1 enthält dieselbe Verallgemeinerung auf mit seltenen Erden dotierte Orthosilikate wie Anspruch 3 des Hauptantrags. Daher erfüllt dieser Anspruch aus denselben Gründen nicht die Erfordernisse des Artikels 76(1) EPÜ 1973.
4. Hilfsantrag 2
Anspruch 13 des zweiten Hilfsantrags enthält die Merkmale
(a) dass die Anordnung aus der Halbleiterschichtenfolge und der Lumineszenzkonversionsumhüllung mischfarbiges, weißes Licht aussendet, und
(b) dass der anorganische Leuchtstoff aus der Gruppe umfassend die mit Seltenen Erden dotierten Thiogallate und die mit Seltenen Erden dotierten Aluminate stammt.
Dass nach Merkmal (a) weißes Licht ausgesendet wird, ist nicht Bestandteil der Ansprüche der ursprünglichen Stammanmeldung. Dies gilt auch für die in Merkmal (b) genannten Leuchtstoffe.
In der Beschreibung der ursprünglichen Stammanmeldung werden die in Merkmal (b) genannten Leuchtstoffe in Verbindung mit der Farbe des erzeugten Lichtes nur auf Seite 10, Zeile 33 bis Seite 11, Zeile 6 genannt. Diese Passage bezieht sich jedoch ausdrücklich allgemein auf die Erzeugung von verschiedenartig mischfarbigem Licht, nicht auf die Erzeugung von weißem Licht.
Stattdessen bezieht sich der Absatz (Seite 10, Zeilen 16 bis 31) vor dieser Passage auf die Erzeugung von weißem Licht, wobei in diesem Absatz andere Leuchtstoffe, insbesondere YAG:Ce, genannt werden. Allgemein ist die Stammanmeldung auch nicht ausschließlich auf die Erzeugung von weißem Licht beschränkt, sondern erwähnt ausdrücklich, dass vielfältige Farbmischungen hervorgebracht werden können (Seite 4, erster Absatz).
Der Fachmann würde daher, anders als von der Patentinhaberin vorgebracht (siehe Punkt XV.b) oben) bei der Lektüre von Seite 10, Zeile 33 bis Seite 11, Zeile 6 nicht mitlesen, dass mit jedem der genannten Leuchtstoffe in jedem Fall auch weißes Licht erzeugt werden kann.
In diesem Zusammenhang stellt die Kammer zusätzlich fest, dass einer der in Seite 10, Zeile 33 bis Seite 11, Zeile 6 genannten Leuchtstoffe (Y2SiO5:Ce**(3+)) im violetten Spektralbereich emittiert (siehe K19, Seite 65). In Kombination mit blauem Anregungslicht kann mit diesem Stoff daher nach der Erfindung gar kein weißes Licht erzeugt werden.
Die Stammanmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung enthält daher keine Offenbarung dafür, dass im Rahmen der Erfindung weißes Licht unter Verwendung eines anorganischen Leuchtstoffes aus der Gruppe der mit Seltenen Erden dotierten Thiogallaten oder Aluminaten erzeugt werden kann.
Anspruch 13 des Hilfsantrags 2 erfüllt daher nicht die Bedingungen des Artikels 76(1) EPÜ 1973.
Die Kammer stellt fest, dass diese Problematik bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens diskutiert wurde (siehe Punkte 1 bis 4 des Protokolls der Verhandlung vom 20. Februar 2014, wie von der Einsprechenden vorgebracht (Punkt II.1.i. des Schreibens vom 28. November 2014).
5. Hilfsanträge 3 bis 5, 5a und 6 bis 7
Die unabhängigen Ansprüche 12 der Hilfsanträge 3 bis 5, 5a und 6 sowie 11 des Hilfsantrags 7 enthalten jeweils die Merkmale (a) und (b) wie oben definiert, für deren Kombination es keine Basis in der ursprünglichen Stammanmeldung gibt.
Diese Ansprüche erfüllen daher ebenfalls nicht die Anforderungen des Artikels 76(1) EPÜ 1973.
6. Hilfsanträge 8 und 9
Die Kammer ist zwar der Ansicht, dass die unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 8 und 9 die Anforderungen des Artikels 76(1) erfüllen, da die einzelnen Merkmale dieser Ansprüche jeweils individuell eine Basis in der ursprünglichen Stammanmeldung besitzen und der Fachmann auch wüsste, dass er diese kombinieren könnte (so ist es beispielsweise allgemein bekannt, dass mit einem Halbleiterkörper auf Basis von GaxIn1-xN bei entsprechender Wahl des Gallium-Inhalts Licht mit einem Maximum zwischen 420 nm und 460 nm erzeugt werden kann).
In diesen Ansprüchen wird jedoch auch gefordert, dass die zusätzlichen Licht streuenden Partikeln aus CaF2, TiO2, SiO2, CaCO3 oder BaSO4 bestehen.
Diese Materialien werden jedoch in der Beschreibung, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, als lediglich optional genannt (siehe die mit der Beschwerdebegründung eingereichte Beschreibung Absatz 71). Dasselbe gilt für die Beschreibung in der erteilten Fassung (siehe ebenfalls Absatz 71).
Weder Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 noch Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 ist daher entsprechend Artikel 84 EPÜ 1973 durch die Beschreibung gestützt, unabhängig davon, ob man die Beschreibung in der erteilten oder in der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Fassung zugrunde legt.
7. Die Kammer stellt fest, dass die mangelnde Stützung durch die Beschreibung im vorliegenden Fall durch die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in die unabhängigen Ansprüche verursacht wurde und die in G1/14 dargelegten Bedingungen für die Anwendung des Artikels 84 EPÜ im Einspruchsverfahren daher erfüllt sind.
Der Kammer ist bewusst, dass diese Einwände in Bezug auf mangelnde Stützung von unabhängigen Ansprüchen durch die Beschreibung im Prinzip durch eine Änderung der Beschreibung leicht aus dem Weg zu räumen gewesen wären.
Die Kammer hätte der Patentinhaberin im Laufe der mündlichen Verhandlung dazu auch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gelegenheit gegeben, wenn sie zu dem Schluss gekommen wäre, dass einer der unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 8 oder 9 die (anderen) Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Dieser Möglichkeit sah sich die Kammer durch die Abwesenheit der Patentinhaberin jedoch beraubt.
Dass die Kammer keine Befugnis hat, die Beschreibung ex officio anzupassen, hätte der Patentinhaberin dabei bekannt gewesen sein müssen (Artikel 113(2) EPÜ 1973). Eine schriftliche Fortsetzung des Verfahrens oder eine Vertagung der mündlichen Verhandlung schieden ebenfalls aus (Artikel 15(3) VOBK).
Da die Beschreibung wegen der Abwesenheit der Patentinhaberin bei der mündlichen Verhandlung vor der Kammer also in keinem Fall hätte angepasst werden können, um den Einwand der mangelnden Stützung durch die Beschreibung auszuräumen, erübrigte sich von vornherein eine Diskussion in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit.
8. Der Hauptantrag der Patentinhaberin geht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 100 c) EPÜ 1973). Keiner der Hilfsanträge der Patentinhaberin erfüllt die Anforderungen des EPÜ. Daher kann das Streitpatent nicht aufrechterhalten werden (Artikel 101(3)b) EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.