T 0742/14 () of 25.4.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T074214.20170425
Datum der Entscheidung: 25 April 2017
Aktenzeichen: T 0742/14
Anmeldenummer: 01107640.3
IPC-Klasse: B32B 27/36
B32B 27/08
B32B 27/30
B32B 17/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Transparenter Mehrschicht-Verbund
Name des Anmelders: Schorning, Martin
Name des Einsprechenden: BSA Luftfahrt- u. Sicherheitstechnik GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Anspruchsauslegung - Bedeutung der Formulierung "Gegenstand aus einem Material" (vorliegend "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff") (siehe Punkt 1.5.2)
Neuheit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers ("Beschwerdeführer") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 1 142 705 zu widerrufen.

II. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"1. Transparenter Mehrschicht-Verbund aus mindestens drei Schichten, umfassend eine Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff und zwei Außenschichten, deren Material ausgewählt ist aus Glas, Folien aus teilkristallinen Kunststoffen mit einer Transparenz für sichtbares Licht von mindestens 40%, Folien aus amorphen Kunststoffen und transparenten Beschichtungen zum Schutz gegen mechanische Einwirkungen, wobei mindestens eine der Außenschichten aus einer Folie aus einem thermoplastischen Kunststoff besteht, ausgewählt aus Polyalkylenterephthalat, Polyalkylen-2,6-naphthalat und Polyalkylen-4,4'-diphenyldicarboxylat, wobei der Alkylenrest ausgewählt ist aus 1,2-Äthylen, 1,2- und 1,3-Propylen, 1,4-Butylen und dem Rest, der durch Entfernen der Hydroxylgruppen von Cyclohexandimethanol (1,4-Bishydroxymethyl-cyclohexan) entsteht, sowie deren Mischungen, und wobei die Innenschicht und die Außenschichten durch eine Gas- oder Flüssigkeitsschicht voneinander·getrennt oder durch eine transparente Klebefolie, eine transparente Schicht eines Klebers oder durch Verschmelzen oder oberflächliche chemische Reaktion der benachbarten Schichten miteinander verbunden sind".

III. Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.

Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

A1: Schreiben des Herrn Seyffert, 6 Seiten;

A2: Gebrauchsmuster 91 07 120.8 U1;

A3: Gebrauchsmuster 91 07 121.6 U1;

A4: Gebrauchsmuster 91 07 122.4 U1;

A5: Anlagenkonvolut enthaltend Auftragsbestätigung, Lieferschein und Rechnung zu SEGE Sicherheitsfenstern, 3 Seiten;

A8: Zeichnung P1-26 zu SEGE Sicherheitsfenster mit Datum vom 29. Oktober 1999;

A11: Anlagenkonvolut enthaltend Prüfberichte zu SEGE Sicherheitsfenster, 5 Seiten;

A13: Anwendungsprofil Mylar® Type D der Firma DuPont, 6/97, 5 Seiten;

A14: Anlagenkonvolut zu der von der Bruxsafol Folien GmbH gelieferten Folie, 5 Seiten; und

A45: Eidesstattliche Erklärung des Herrn Seyffert, unterzeichnet am 21. März 2009.

IV. Der Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für nicht gewährbar befundenen Hauptantrags unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch dadurch, dass am Ende hinzugefügt wurde:

"wobei zwischen einer der Außenschichten und der Innenschicht eine Gasschicht als Trennschicht eingesetzt ist, und wobei die transparenten Kunststoffe für die Innenschicht ausgewählt sind aus amorphen Polymeren mit einem kristallinen Anteil von unter 10 %, ausgewählt aus dem Polcarbonat von Bisphenol A, Copolyestercarbonaten von Bisphenol A mit Kohlensäure und anderen Säurebausteinen ausgewählt aus Iso- und Terephthalsäure sowie aromatischen Sulfon- und Phosphonsäuren, die jeweils mindestens eine Sulfon- oder Phosphonsäuregruppe und eine zweite Säuregruppe ausgewählt aus Carbon-, Sulfon- und Phosphonsäuregruppen tragen, sowie (Co)Polyestern aus den genannten Säuren und aromatischen oder gemischt aromatisch-aliphatischen Hydroxyverbindungen mit mindestens zwei Hydroxylgruppen pro Molekül.".

V. Gemäß Einspruchsabteilung mangelte es dem Gegenstand dieses Anspruchs an Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung SdT-IIa. Im Rahmen dieser Vorbenutzung sei zweifelsfrei bewiesen, dass ein Sicherheitsfenster mit den Schichten Einscheibensicherheitsglas, Luftspalt, Polycarbonat mit Kratzfestbeschichtung und selbstklebend ausgerüstete PET-Folie vom Typ Mylar**(®) im Februar 1999 von der Firma SEGE an die Firma Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH geliefert wurde. Dieses Sicherheitsfenster stelle daher Stand der Technik dar. Hierbei entspreche das Glas und die PET-Folie den anspruchsgemäßen Außenschichten und das Polycarbonat der anspruchsgemäßen Innenschicht.

VI. Mit der Beschwerdebegründung reichte der Patentinhaber (Beschwerdeführer) die folgenden Dokumente ein:

A47: Internetauftritt der Firma SEGE, Unterpunkt "Zu unserem Unternehmen...", 1 Seite;

A48: Internetauftritt der Firma SEGE, Unterpunkt "Zum Thema Sicherheit", 1 Seite;

A49: Internetauftritt der Firma SEGE, Unterpunkt "Das Polycarbonat", 1 Seite;

A50: Prospekt Lexan**(®)Margard**(®) der Firma GE, 8 Seiten;

und

A51: Internetauftritt der Firma SEGE, Seite

"Komponenten" und "Mögliche Profile der Sege-Sicherheitsfenster" sowie die dazugehörigen Downloads, 3 Seiten.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes gemäß den erteilten Ansprüchen (Hauptantrag) oder einem der als Hilfsanträge 1 bis 4 bezeichneten, mit Schreiben vom 5. Juni 2013 als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3 eingereichten Anträge. Der Beschwerdeführer beantragte ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

VII. In der Beschwerdeerwiderung beantragte der Einsprechende (Beschwerdegegner) die Zurückweisung der Beschwerde sowie die Nicht-Zulassung der Anlagen A47 bis A51.

VIII. Mit Bescheid vom 23. März 2016 wurde den Parteien mitgeteilt, dass das Streitpatent in allen benannten Vertragsstaaten erloschen ist. Die Parteien wurden aufgefordert, mitzuteilen, ob sie eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens wünschten. Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 wurde vom Beschwerdeführer ein entsprechender Antrag gestellt.

IX. Mit Bescheid vom 11. August 2016 wurde den Parteien die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt.

X. Am 25. April 2017 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Der Beschwerdeführer zog seinen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurück und reichte als einzigen Hilfsantrag einen neuen Hilfsantrag 1 ein. Der Beschwerdegegner beantragte, diesen Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen. Ferner zog er seinen Antrag zurück, A47 bis A51 nicht in das Verfahren zuzulassen.

XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt (Unterschiede zum Anspruch 1 des Hauptantrages unterstrichen):

"1. Transparenter Mehrschicht-Verbund aus mindestens drei Schichten, umfassend eine Innenschicht bestehend aus einem transparenten Kunststoff und zwei Außenschichten, deren Material ausgewählt ist aus Glas, Folien aus teilkristallinen Kunststoffen mit einer Transparenz für sichtbares Licht von mindestens 40%, Folien aus amorphen Kunststoffen und transparenten Beschichtungen zum Schutz gegen mechanische Einwirkungen, wobei mindestens eine der Außenschichten aus einer Folie aus einem thermoplastischen Kunststoff besteht, ausgewählt aus Polyalkylenterephthalat, Polyalkylen-2,6-naphthalat und Polyalkylen-4,4'-diphenyldicarboxylat, wobei der Alkylenrest ausgewählt ist aus 1,2-Äthylen, 1,2- und 1,3-Propylen, 1,4-Butylen und dem Rest, der durch Entfernen der Hydroxylgruppen von Cyclohexandimethanol (1,4-Bishydroxymethyl-cyclohexan) entsteht, sowie deren Mischungen, und wobei die Innenschicht und die Außenschichten durch eine Gas- oder Flüssigkeitsschicht voneinander·getrennt oder durch eine transparente Klebefolie, eine transparente Schicht eines Klebers oder durch Verschmelzen oder oberflächliche chemische Reaktion der benachbarten Schichten miteinander verbunden sind, wobei zwischen einer der Außenschichten und der Innenschicht eine Gasschicht als Trennschicht eingesetzt ist, und wobei die transparenten Kunststoffe für die Innenschicht amorphe Polymere sind mit einem kristallinen Anteil von unter 10%, ausgewählt aus dem Polcarbonat von Bisphenol A, Copolyestercarbonaten von Bisphenol A mit Kohlensäure und anderen Säurebausteinen ausgewählt aus Iso- und Terephthalsäure sowie aromatischen Sulfon- und Phosphonsäuren, die jeweils mindestens eine Sulfon- oder Phosphonsäuregruppe und eine zweite Säuregruppe ausgewählt aus Carbon-, Sulfon- und Phosphonsäuregruppen tragen, sowie (Co)Polyestern aus den genannten Säuren und aromatischen oder gemischt aromatisch-aliphatischen Hydroxyverbindungen mit mindestens zwei Hydroxylgruppen pro Molekül".

Ansprüche 2 bis 13 und 15 sind abhängige Ansprüche. Anspruch 14 ist ein unabhängiger Anspruch, der die Verwendung eines Mehrschicht-Verbunds gemäß Anspruch 1 als Schutzscheibe in Maschinen betrifft.

XII. Die Argumente des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefasst werden:

Die vom Beschwerdegegner geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung Sdt-IIa durch die Firma SEGE - Sicherheitsfenster GmbH & Co. KG (nachfolgend "SEGE") sei für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neuheitsschädlich. Es sei zwar unbestritten, dass die in A5 genannten Sicherheitsfenster Stand der Technik darstellten und den in A8 gezeigten Schichtaufbau aufwiesen, wobei es sich bei der Lexan Margard Schicht der A8 um eine beidseitig kratzfest beschichtete Polycarbonatschicht handele. Jedoch sei die Neuheit dennoch anzuerkennen, da eine der Außenschichten eine PE-Folie, d. h. eine Folie aus Polyethylen sei, die nicht unter die in Anspruch 1 definierten Außenschichten falle. Die vom Zeugen Herrn Seyffert vorgenommene Umdeutung von PE zu dem unter die anspruchsgemäßen Außenschichten fallenden Polyethylenterephthalat sei allein von dessen Interesse getragen gewesen, das strittige Patent zu vernichten und widerspreche gängiger chemischer Nomenklatur. Die Vorbenutzung sei ferner auch deswegen nicht neuheitsschädlich, weil die Polycarbonatinnenschicht des vorbenutzten Sicherheitsfensters beidseitig mit einer kratzfesten Beschichtung versehen gewesen sei und damit nicht der anspruchsgemäße Schichtaufbau vorgelegen habe.

Hilfsantrag 1 sei in das Verfahren zuzulassen. Dieser sei eine Reaktion auf die in der mündlichen Verhandlung von der Kammer vorgenommene Interpretation des Ausdrucks "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff" und führe lediglich die vom Beschwerdeführer bereits im schriftlichen Verfahren vorgebrachte Argumentation fort. Die Änderung in Hilfsantrag 1, dass die Innenschicht aus Polycarbonat bestehe, sei auf Seite 4, Zeile 16 bis 17 sowie den Beispielen 2, 4 und 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldung basiert und erfülle daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Da nun die im vorbenutzten Produkt vorhandene kratzfeste Beschichtung der Polycarbonatschicht ausgeschlossen sei, sei die Neuheit gegeben.

XIII. Die Argumente des Beschwerdegegners können wie folgt zusammengefasst werden:

Die offenkundige Vorbenutzung durch die Firma SEGE nehme den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorweg. Insbesondere handele es sich bei der "PE-Folie" des vorbenutzten Produkts um eine der anspruchsgemäßen Außenschicht entsprechende Polyethylenterephthalatfolie, nämlich die von der Firma DuPont unter dem Markennamen Mylar**(®) hergestellte und von der Firma Bruxsafol unter dem Namen "701 h.c." bzw. "Antigraffiti klar innen" an die Firma SEGE gelieferte Folie. Da es sich hierbei um eine Polyesterfolie gehandelt habe, sei diese von der Firma SEGE als

"PE-Folie" bezeichnet worden. Ferner weise das vorbenutzte Produkt auch den anspruchsgemäßen Schichtaufbau auf. Insbesondere stelle die kratzfest beschichtete Polycarbonatschicht des vorbenutzten Produkts die anspruchsgemäße Innenschicht dar, die, wie anspruchsgemäß gefordert, von den beiden Außenschichten durch eine Gasschicht getrennt bzw. durch einen Kleber mit der Außenschicht verbunden sei.

Der Hilfsantrag 1 sei wegen verspäteten Vorbringens nicht in das Verfahren zuzulassen.

XIV. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes gemäß

- den erteilten Ansprüchen (Hauptantrag) oder

- den als Hilfsantrag 1 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Patentansprüchen 1 bis 15.

XV. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdegegner beantragte ferner, den Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Neuheit

1.1 Gemäß Beschwerdegegner mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an Neuheit gegenüber der Vorbenutzung SdT-IIa.

1.2 Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass im Februar 1999 die in A5 genannten 10 Sicherheitsfenster "950 x 650 x 28 mm 35 G" von der Firma SEGE an die Firma Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH geliefert und damit vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents öffentlich zugänglich wurden.

Es war ferner zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Sicherheitsfenster aus dem in A8 gezeigten Schichtverbund aufgebaut waren:

- "PE Folie 0 175" (Referenznummer (6)), daran angrenzend

- Lexan**(®) Margard**(®) (Referenznummer (2)), daran angrenzend

- ein Luftzwischenraum "LZR 4 mm" (Referenznummer (1)) und daran angrenzend

- ESG Glas (Referenznummer (3)).

Es war schließlich unstreitig, dass es sich bei der Lexan**(®) Margard**(®) Schicht (2) um eine beidseitig mit einer kratzfesten Beschichtung versehene Polycarbonatschicht handelte und somit folgender Schichtaufbau vorlag:

PE-Folie / kratzfeste Beschichtung / Polycarbonatschicht / kratzfeste Beschichtung / Luftspalt / Glas.

1.3 Es war zwischen den Parteien jedoch streitig, ob (i) es sich bei der "PE-Folie" um eine anspruchsgemäße Außenschicht handelte und ob (ii) das vorbenutzte Produkt die anspruchsgemäße Schichtfolge aufwies.

1.4 "PE-Folie"

1.4.1 Von dem von der Einspruchsabteilung gehörten Zeugen des Beschwerdegegners, Herrn Seyffert, wurde hierzu angegeben, dass es sich bei der "PE-Folie" nicht, wie es gängiger chemischer Nomenklatur entsprochen hätte, um eine Polyethylenfolie, sondern um eine der anspruchsgemäßen Außenschicht entsprechende Polyethylenterephthalatfolie gehandelt habe.

Insbesondere sei diese Folie von der Firma DuPont unter dem Markennamen Mylar**(®) hergestellt und von der Firma Bruxsafol unter dem Namen "701 h.c." bzw. "Antigraffiti klar innen" an die Firma SEGE geliefert worden (vierter Absatz der Seite 7, zweiter Absatz der Seite 11, erster Absatz der Seite 15 und letzter Absatz der Seite 19 des Protokolls der Zeugeneinvernahme und der die Seiten 1 und 2 überbrückende Absatz der eidesstattlichen Erklärung A45). Da es sich bei dieser Folie um eine Polyesterfolie gehandelt habe, sei sie von der Firma SEGE irrtümlich mit "PE-Folie" abgekürzt worden (fünfter Absatz der Seite 6 des Protokolls der Zeugeneinvernahme und fünfter Absatz der Seite 2 der A45).

1.4.2 Diese Aussagen stehen im Einklang mit den vorgelegten schriftlichen Beweismitteln:

Insbesondere wird durch die in A14 enthaltene Rechnung vom 1. Juli 1998 bestätigt, dass die vom Zeugen genannte Folie von der Firma SEGE kurz vor der Lieferung des vorbenutzten Produktes an die Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH tatsächlich von der Firma Bruxsafol bezogen worden war und dafür 968,16 DM in Rechnung gestellt wurden.

Ferner wird durch A13 und A14 bestätigt, dass es sich bei dieser Folie um eine Folie aus Polyester und insbesondere Polyethylenterephthalat handelte. So geht aus dem Titel des Anwendungsprofils A13 der Firma DuPont vom Juni 1997 hervor, dass es sich bei "Mylar**(®) Type D" um eine Polyesterfolie handelt. Auch gemäß D14 ist die von der Firma Bruxsafol gelieferte Folie ein Polyester-Film (Datenblatt auf Seite 2 der D14), insbesondere ein Schutzfilm aus Polyethylenterephthalat (Schreiben von Herrn Winfried Brux, dem Geschäftsführer der Bruxsafol, vom 5. August 2008 auf Seite 4 der D14).

1.4.3 Es erscheint der Kammer auch plausibel, dass sich die Firma SEGE, die ja nicht auf dem Gebiet der Chemie, sondern auf dem Gebiet der Machinenschutzverglasung tätig war, nicht für den genauen chemischen Aufbau der "PE-Folie" interessiert hat. Entsprechend ist auch plausibel, dass sie, da es sich, wie aus A13 vor dem Datum der Vorbenutzung bekannt, bei der in Frage stehenden Folie um eine Polyesterfolie handelte, diese einfach mit "PE-Folie" abgekürzt hat. Schließlich ist glaubhaft, dass die Firma SEGE hierbei nicht wusste, oder sich zumindest nicht daran störte, dass ihre Abkürzung nicht im Einklang mit gängiger chemischer Nomenklatur stand, da ihr das Gebiet der Chemie ja fachfremd war.

Dem steht auch nicht entgegen, dass, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, in dem durch A47, A48 und A49 belegten Internetauftritt der Firma SEGE die Norm EN DIN ISO 23125 genannt wird, und die Firma SEGE dieser Norm daher anscheinend eine große Bedeutung bemisst. Insbesondere befasst sich diese Norm mit Sicherheitserfordernissen von Drehmaschinen, welche klar nicht auf dem Gebiet der Chemie liegen. Daher kann der Nennung dieser Norm nicht entnommen werden, dass für die Firma SEGE Normen und Nomenklaturregeln auf dem chemischen Gebiet von Bedeutung waren.

1.4.4 Es besteht daher für die Kammer kein Zweifel, dass es sich bei der "PE-Folie" im vorbenutzten Produkt um eine der anspruchsgemäßen Außenschicht entsprechende Polyethylenterephthalatfolie gehandelt hat.

1.4.5 Vom Beschwerdeführer wurde versucht, die Aussagen des Zeugen generell in Zweifel zu ziehen. Insbesondere habe dieser bereits die erste bei der Zeugeneinvernahme an ihn gerichtete Frage, ob es für ihn mit irgendeinem konkreten Vorteil verbunden sei oder man ihm etwas versprochen habe, wenn er in die eine oder die andere Richtung aussage, nicht wahrheitsgemäß beantwortet. Hieraus folgerte der Beschwerdeführer, dass auch die Zeugenaussage zur Natur der PE-Folie nicht der Wahrheit entsprochen habe.

Dieses Argument kann jedoch nicht durchgreifen. Wie vom Beschwerdeführer selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Zeugen für eine bestimmte zum Widerruf des Patents führende Aussage etwas versprochen wurde. Auch von einem sonstigen Vorteil infolge eines Widerrufs des Streitpatents kann nicht unbedingt ausgegangen werden. Insbesondere brauchte der Zeuge, wenn das von seiner Firma verkaufte Fenster nicht anspruchsgemäß war, keine auf dem Streitpatent beruhende Verletzungsklage zu fürchten und konnte ihm entsprechend ein Widerruf des Patents gleichgültig sein. Das gleiche gilt im umgekehrten Fall, d. h. wenn das verkaufte Fenster anspruchsgemäß war, da sich die Firma SEGE in diesem Fall bei einer Verletzungsklage auf ein Vorbenutzungsrecht hätte berufen können, da sie dieses Fenster bereits vor dem Prioritätsdatum verkauft hat. In diesem Fall hätte der Zeuge sogar ein Interesse daran gehabt haben können, dass das Streitpatent gerade nicht widerrufen wird, da für die Firma des Einsprechenden, die ein Wettbewerber der Firma SEGE ist, die Möglichkeit, sich auf ein Vorbenutzungsrecht zu berufen, nicht bestanden zu haben scheint und sie damit durch das Streitpatent behindert war.

Auch hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, seinen Vorwurf bereits während der Zeugeneinvernahme vor der Einspruchsabteilung geltend zu machen. In diesem Zusammenhang scheint unerheblich, dass, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, seine Frage, ob ein Widerruf des Patents einen Einfluss auf den Umsatz der Firma SEGE haben könne, von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen wurde. Es hätte dem Beschwerdeführer freigestanden, die Frage eines möglichen Vorteils des Zeugen durch den Widerruf des Patents auch ohne Nachfrage nach dem Umsatz der Firma SEGE aufzuwerfen bzw. weiter zu behandeln. Auch hätte es dem Beschwerdeführer freigestanden, zu beantragen, dass der Zeuge seine Aussage vor einem nationalen Gericht unter Eid wiederholt, so dass er bei Falschaussage mit strafrechtlichen Konsequenzen hätte rechnen müssen.

In diesem Zusammenhang kann auch das Argument des Beschwerdeführers, dass das verkaufte Sicherheitsfenster eine wirtschaftlich vorteilhafte Weiterentwicklung gegenüber älteren, in den Gebrauchsmustern A2 bis A4 der Firma SEGE offenbarten Produkten sei, nicht durchgreifen. Insbesondere bleibt diese Weiterentwicklung ja, wie oben ausgeführt, vom Bestehen des Streitpatents unberührt, und kann daher ein Interesse des Zeugen an einem Widerruf des Patents nicht begründen.

1.4.6 Somit stehen die Argumente des Beschwerdeführers der Schlussfolgerung der Kammer, dass es sich bei der

PE-Folie des vorbenutzten Produkts um eine der anspruchsgemäßen Außenschicht entsprechende Polyethylenterephthalatfolie handelte, nicht entgegen.

1.5 Schichtfolge

1.5.1 Vom Beschwerdeführer wurde hierzu vorgetragen, dass durch Anwesenheit der beidseitigen, kratzfesten Beschichtung die Polycarbonatschicht des vorbenutzten Produkts nicht wie in Anspruch 1 gefordert direkt an Luft und Polyethylenterephthalat angrenze.

1.5.2 Dieses Argument ist nicht überzeugend. Gemäß Anspruch 1 umfasst das anspruchsgemäße Produkt eine "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff". Im Gegensatz zu dem Ausdruck "bestehend aus einem transparenten Kunststoff" schließt der Ausdruck "aus einem transparenten Kunststoff" nicht notwendigerweise aus, dass der transparente Kunststoff, im vorbenutzten Produkt das Polycarbonat, mit einer kratzfesten Beschichtung versehen ist. Dies steht im Einklang damit, dass die Außenschichten gemäß Anspruch 1 aus bestimmten Materialien ausgewählt sind, und dennoch laut Absatz [0021] des Streitpatents neben diesen Materialien noch weitere Materialien, nämlich einen Schutz gegen Verkratzen oder Abrieb aufweisen können. Dieser "Verbund" wird nach wie vor als Außenschicht bezeichnet. Auch wenn sich dies auf die Außenschichten und nicht die Innenschicht bezieht, zeigt es, dass gemäß der Terminologie des Streitpatents der Ausdruck "aus einem bestimmten Material" bzw. "aus einem bestimmen Material ausgewählt" nicht ausschließt, dass noch weitere Materialien anwesend sind. Somit ist das Polycarbonat des vorbenutzten Produkts, einschließlich seiner kratzfesten Beschichtung, als Innenschicht im Sinne des Anspruchs 1 aufzufassen. Dass der Fachmann eine solche beschichtete Polycarbonatschicht als Schicht aus Polycarbonat aufgefasst hätte, wird auch dadurch bestätigt, dass diese Schicht im Prüfbericht auf Seite 2 der A11 ohne Nennung der kratzfesten Beschichtung als Polycarbonatscheibe bezeichnet wird. Mit anderen Worten schließt eine Polycarbonatscheibe und damit auch eine Scheibe oder Schicht aus Polycarbonat das Vorhandensein einer kratzfesten Beschichtung nicht aus.

Die Innenschicht aus Polycarbonat ist im vorbenutzten Produkt von der Außenschicht aus Glas durch einen Luftzwischenraum getrennt und mit der auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen Außenschicht aus Polyethylenterephthalat, wie vom Beschwerdeführer anerkannt, mit einem Kleber verbunden. Die Trennung von Polycarbonatinnenschicht und Glas durch den Luftzwischenraum entspricht der Alternative des Anspruchs 1, dass die Innen- und Außenschicht durch eine Gasschicht voneinander getrennt sind. Die Verbindung der Polycarbonatinnenschicht mit der Außenschicht aus Polyethylenterephthalat durch einen Kleber entspricht der Alternative des Anspruchs 1, dass die Innen- und Außenschicht durch eine transparente Schicht eines Klebers miteinander verbunden sind. Somit ist die Schichtabfolge anspruchsgemäß.

1.6 Aus den oben genannten Gründen mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung SdT-IIa.

Hilfsantrag 1

2. Zulässigkeit

2.1 Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem im schriftlichen Verfahren eingereichten Hilfsantrag 1 und damit dem vor der Einspruchsabteilung befindlichen Hauptantrag neben der Streichung mehrerer Ansprüche substantiell dadurch, dass in Anspruch 1 die Formulierung "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff" zu "Innenschicht bestehend aus einem transparenten Kunststoff" geändert wurde. Mit dieser Änderung versuchte der Beschwerdeführer dem Einwand der Kammer gerecht zu werden, dass die im Anspruch verwendete Formulierung "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff" die im vorbenutzten Produkt vorhandene kratzfeste Beschichtung nicht ausschließt. Auch wenn ein Einwand hinsichtlich der Schichtabfolge von der Kammer in ihrer vorläufigen Meinung (Punkt 3.5) bereits erhoben wurde, ist dem Beschwerdeführer zugute zu halten, dass hinsichtlich dieser Schichtabfolge die Interpretation der Formulierung "Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff" erst während der mündlichen Verhandlung die zentrale Rolle eingenommen hat und die Anspruchsänderung als Reaktion hierauf aufgefasst werden kann.

Ferner spiegelt diese Änderung die vom Beschwerdeführer während des gesamten Beschwerdeverfahrens vertretene Auffassung wieder, dass Anspruch 1 das Vorhandensein einer kratzfesten Beschichtung auf der Polycarbonatschicht ausschließt. Entsprechend wirft diese Änderung, wie vom Beschwerdegegner nicht bestritten wurde, auch keine neuen Fragestellungen auf, die erstmals während der mündlichen Verhandlung hätten diskutiert werden müssen.

2.2 Aus diesen Gründen hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung entschieden, Hilfsantrag 1 in das Verfahren zuzulassen.

3. Änderungen - Artikel 123(2) und 84 EPÜ

3.1 Vom Beschwerdegegner wurden keine Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ erhoben. Das neue in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aufgenommene Merkmal, dass die Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff besteht, findet eine Basis auf Seite 4, Zeile 16 bis 17 sowie den Beispielen 2, 4 und 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Änderungen im Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügen.

Vom Beschwerdegegner wurden ferner keine Einwände unter Artikel 84 EPÜ erhoben, und auch die Kammer sieht die Erfordernisse dieses Artikels als erfüllt an.

4. Neuheit

4.1 Vom Beschwerdegegner wurden keine Einwände erhoben.

4.2 Anspruch 1 verlangt nun, dass die Innenschicht aus einem transparenten Kunststoff besteht und, gemäß einer Alternative des Anspruchs 1, dieser Kunststoff ein Polycarbonat von Bisphenol A ist. Im Gegensatz zu dem im Hauptantrag befindlichen Ausdruck "aus" (siehe Punkt 1.5.2 oben) impliziert die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gewählte Formulierung "bestehend aus", dass die Innenschicht neben dem Polycarbonat keine weiteren Materialien, und insbesondere nicht die im vorbenutzten Produkt anwesende kratzfeste Beschichtung, enthält.

Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1, und damit einhergehend aller übrigen Ansprüche, neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung SdT-IIa.

5. Zurückverweisung

Die erfinderische Tätigkeit, insbesondere die Frage, ob das oben identifizierte Unterscheidungsmerkmal zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann, wurde weder in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, noch von den Parteien im vorliegenden Beschwerdeverfahren diskutiert. Die Kammer hat daher in der mündlichen Verhandlung entschieden, die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 25. April 2017 eingereichten Hilfsantrags 1 (Patentansprüche 1 bis 15).

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