T 0686/14 () of 7.5.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T068614.20180507
Datum der Entscheidung: 07 Mai 2018
Aktenzeichen: T 0686/14
Anmeldenummer: 03706485.4
IPC-Klasse: B42D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sicherheitselement und Sicherheitsdokument mit einem solchen Sicherheitselement
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Hueck Folien GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 und 3 (nein)
Änderungen im Anspruch
Änderungen - Hilfsantrag 2
Änderungen - mangelnde Klarheit
Spät eingereichte Druckschrift - zugelassen (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag 3a - zugelassen (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Ent­schei­dung der Einspruchsabteilung, mit der der Ein­spruch gegen das europäische Patent Nr. 1 476 315 zurückgewie­sen worden ist.

II. Der Einspruch stützte sich auf die Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Artikels 100 a) EPÜ 1973 sowie auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ 1973.

III. Am 7. Mai 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Beschwerde zurückzuweisen und hilfs­weise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der mit der Erwiderung auf die Beschwerde eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5, oder der in der mündlichen Ver­handlung eingereichten Hilfsanträge 3a oder 3b. Sie beantragte zudem, dass das Dokument D15 nicht in das Verfahren zugelassen werden soll sowie die Zurückver­wei­sung der Angelegenheit an die erste Instanz.

VI. Im Beschwerdeverfahren wurde auf folgende Druckschrif­ten Bezug genommen:

D1: WO 00/31571;

D15: US 5,281,480.

VII. Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) lautet wie folgt:

"Sicherheitselement (2, 4) zur Einlagerung in oder Applikation auf einem Sicherheitsdokument (1), ins­be­sondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Bank­note, wobei das Sicherheitselement ein Substrat (S) mit mindestens einer Reflexionsschicht (R) sowie ein Interferenzele­ment (I1, I2) mit Farbkippeffekt auf­weist, dadurch gekennzeichnet, dass das Sicher­heits­ele­ment (2, 4) zu jeder Seite der Reflek­tions­schicht (R) ein Interferenz­ele­ment (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist oder zu jeder Seite des Substrats (S) jeweils eine Reflexions­schicht (R1, R2) und jeweils ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist."

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nur dadurch, dass der Text "dadurch gekennzeichnet, dass" durch "wobei" ersetzt ist und dass folgende Ergänzung hinzugefügt ist:

"dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheits­ele­ment eingerichtet ist,

auf einer der beiden Oberflächen des Sicher­heits­do­ku­ments appliziert zu werden und ein Loch (3) oder einen durchsichtigen Bereich des Sicher­heits­dokuments zu überspannen, oder

zumindest teilweise in dem Sicherheitsdokument ein­gelagert zu werden und ein Loch oder einen durch­sich­tigen Bereich des Sicherheitsdokuments zu über­span­nen, oder

in dem Sicherheitsdokument derart eingelagert zu werden, dass es in ersten Bereichen an einer ersten Oberfläche und in von den ersten Bereichen verschiedenen zweiten Bereichen an einer zweiten Oberfläche des Sicherheitsdokuments visuell erkennbar ist."

IX. Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur dadurch, dass folgende Ergän­zung hinzugefügt ist:

"wobei das Sicherheitselement als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument im Transferverfahren ausgebildet ist".

X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur dadurch, dass der Text "im eingelagerten oder applizierten Zustand" vor "ein Substrat" im Oberbegriff eingefügt ist.

XI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Auslegung des erteilten Anspruchs 1

Die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Sub­strat Teil des Sicherheitselements des Streitpatents bleibe, sei nicht korrekt: Im Absatz [0022] der Patent­schrift werde explizit beschrieben, dass das Sub­strat auch lediglich als Zwi­schen­träger dienen könne und spätestens bei der Applikation des Sicherheits­ele­ments in oder auf einen Gegenstand entfernt werde. Diese Of­fen­barung finde ebenfalls in den erteilten Ansprü­chen 24, 25 und 26 ihren Niederschlag. Der im erteilten Anspruch 1 verwendete Begriff "aufweisen" bedinge nicht, dass das Substrat ein ständiger oder zwingender Bestandteil des Sicherheitselements gemäß der ersten Alternative des Anspruchs sei.

Erteilter Anspruch 1 - Neuheit gegenüber der Druck­schrift D1

Die Figur 1 der Druckschrift D1 stelle einen symme­tri­schen Aufbau der Interferenzschichten auf beiden Seiten einer einzigen Reflexionsschicht dar, der auf einem Sub­strat angeordnet sei: Das Streitpatent stelle keine An­for­derungen an etwaige Eigenschaften des "Substrats". Die flexible Folie ("flexible web") der Druckschrift D1 sei daher ein Substrat des Sicherheitselements im Sinne des erteilten Anspruchs 1.

Damit sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, er­ste Alter­native nicht neu gegenüber der Druckschrift D1.

Hilfsantrag 1

Die in der Beschreibung oder in den abhängigen Ansprü­chen vorgenommenen Änderungen betreffen nicht den Ge­gen­stand des erteilten Anspruchs 1, welcher im Hilfs­antrag 1 nicht geändert wurde.

Hilfsantrag 2

Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 des Hilfsan­trags 2 sei lediglich aufgabenhaft formuliert, nämlich dass das Sicherheitselement "eingerich­tet" sei, um auf verschiedene Arten mit einem Sicherheitsdoku­ment ver­bun­den zu werden. Welche Merkmale notwendig seien, um das Sicherheitselement für die im kennzeich­nenden Teil des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ange­führ­ten Aufgaben geeignet zu machen, sei nicht angegeben. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher unklar.

Zulassung der Druckschrift D15

Die Meinung, dass die Druckschrift D1 kein Substrat im Sinne des Streitpatents offenbare, wurde von der Ein­spruchsabteilung erst im Rahmen der mündlichen Ver­hand­lung kundgetan, sodass die Druckschrift D15 als Reak­tion auf diese Entscheidung mit der Beschwerde­be­grün­dung vorgelegt worden sei. Die Druckschrift D15 bringe keine komplizierten technischen Sachverhalte ein und es sei der Pat­ent­inhaberin zuzumuten, sich mit dieser neu einge­führ­ten Druckschrift auseinanderzusetzen. Eine Verzö­gerung des Verfahrens sei nicht zu erwarten.

Die Druckschrift D15 sei prima facie relevant und of­fen­bare nicht nur op­tisch variable Dünnschicht-Flakes für Druckfarben, son­dern auch optisch variable Be­schich­tungen, die für Si­cherheitsanwendungen geeignet seien (Spalte 1, Zeilen 17 bis 21). Insbeson­dere offenbare die Druckschrift D15 in Figur 3C (Spalte 9, Zeilen 17 bis 53) eine mehr­schich­tige optisch variable Be­schichtung 160 mit dem Schichtaufbau gemäß der ersten Alternative des erteil­ten Anspruchs 1. Die be­schichtete Folie sei dazu geeignet auf einen Träger appliziert zu werden, wobei die Folie entweder mittels einer Klebe­schicht oder eines Heißprägeverfahrens auf dem Substrat verankert werde (Figuren 1F und 1G, Figuren 2A bis 2D, Spalte 4, Zeilen 22 bis 28, Spalte 7, Zeilen 1 bis 5 und Zeilen 12 bis 26). Damit offenbare die Druckschrift D15 alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 sowie des Anspruchs 3 des Hilfsantrags 3. Die Druckschrift D15 gehe somit über die Offenbarung der Druckschrift D1 hinaus. Die Druckschrift D15 sei daher zum Verfahren zuzulassen.

Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung

Gegen eine Zurückverweisung sei grundsätzlich nichts ein­zu­wenden. Die Druckschrift D15 könne jedoch im Ver­fahren vor der Be­schwer­dekammer abschließend gewür­digt werden und eine Zurück­verweisung an die erste Instanz sei nicht erforderlich (Schreiben vom 19. Februar 2015, Seite 3, dritter Absatz).

Hilfsantrag 3

Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 beanspruche die Ausfüh­rung des Sicherheitselements als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument. Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 beanspruche kein transparentes Substrat und auch kein Substrat, welches mittransferiert werde. Der Gegenstand des Anspruchs 3 des Hilfs­antrags 3 sei gegenüber der Druck­schrift D15 nicht neu.

Hilfsantrag 3a

Die Grundlage für die Änderungen im Anspruch 1 in den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei nicht ange­geben worden. Der Hilfsantrag sei nicht zuzulassen.

Im Hinblick auf die Erfordernisse des EPÜs würden hingegen keine Einwände erhoben.

XII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Auslegung des erteilten Anspruchs 1

Das Substrat sei ein wesentlicher Bestandteil des beanspruchten Sicherheitselements, weil dieses zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument vorgesehen sei (Absatz [0001] der Beschreibung). Sämtliche im Streit­patent beschriebenen Anwendungen erforderten es, dass das Sicherheitselement auch im applizierten oder in­tegrierten Zustand ein das Sicherheitselement stüt­zen­des Substrat umfasse. Keine der spezifischen Ausfüh­rungs­formen komme ohne das stützende Substrat aus. Dies liege daran, dass eine Anwendung als Sicher­heits­faden oder als Patch oder Etikett, welche jeweils ein­gerichtet seien, ein Loch oder einen durchsichtigen Be­reich des Sicherheitsdoku­ments zu überspannen oder, im Falle eines Sicher­heits­fadens, derart in das Sicher­heits­dokument eingewoben zu werden, dass es an ver­schiedenen Oberflächenbereichen des Sicherheitsdoku­ments visuell erkennbar sei (vgl. die erteilten Ansprüche 21 bis 23 des Streitpatents), tech­nisch nur möglich sei, wenn das Sicherheitselement auch im applizierten oder integrierten Zustand noch das Sub­strat umfasse. Die den Farbkippeffekt bewirkenden und sichtbar machenden Schichten, d.h. die Interfe­renz­elemente und die Reflektionsschicht, besäßen aufgrund der sehr geringen Schichtdicken keine hinreichende Sta­bilität zum Bilden eines selbsttragenden Si­cher­heitsele­ments einer derartigen Größe. Ferner sei es im­plizit notwendig, dass das Substrat transparent sei.

Erteilter Anspruch 1 - Neuheit gegenüber Druckschrift D1

Dem Sicherheitselement der Druckschrift D1 fehle das wesentliche Merkmal, wonach das Sicherheitselement ein Substrat umfasse. Die Anordnung gemäß der Figur 1 der Druckschrift D1 eigne sich nicht dazu, als Sicherheits­element auf ein Sicherheits­dokument appliziert oder in ein Sicherheits­do­ku­ment integriert zu werden. Gemäß der Druckschrift D1 sei das Dünnschichtelement von dem Trä­ger, d.h. dem "flexible web" leicht lösbar ("release layer 16"). Die Einspruchsabteilung habe diese Gründe in den Ent­scheidungs­gründen unter Punkt 4 a) detail­liert darge­legt, weshalb die Druckschrift D1 den Gegen­stand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorweg­nehmen könne: Die Druckschrift D1 beschreibe lediglich eine Bahn, auf welche das Dünnschichtelement aufge­bracht werde, nicht aber die Konfektionierung in Fäden oder Patches. Die Druckschrift D1 lehre, dass das ge­bil­dete Dünnschichtelement von der zur Herstellung verwendeten Folie entfernt werde (vgl. Seite 11, Zeilen 17, 18). Die Dünnschichtelemente gemäß der Druck­schrift D1 würden kein Substrat umfassen. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei somit neu.

Hilfsantrag 1

Durch die Änderungen in der Beschreibung und in den abhängigen Ansprüchen könne der Gegenstand des An­spruchs 1 nicht mehr so ausgelegt werden, dass das Sub­strat kein zwingender Teil des Sicherheits­elements nach der ersten Alternative sei.

Hilfsantrag 2

Die den Hilfsantrag 2 charakterisierenden Änderungen des Anspruchs 1 stellten klar, dass das Merkmal, wonach das Sicherheitselement ein Substrat umfasse, ein we­sent­liches Merkmal des Gegenstandes des Anspruchs 1 sei, welches diesen Gegenstand insbesondere von der Druckschrift D1 abgrenze. Das Substrat diene als Träger und verleihe dem Sicherheitselement Stabilität, welche notwendig sei, wenn das Sicherheitselement auf das Sicherheitsdokument appliziert oder in das Sicherheits­dokument eingelagert werden solle. Diese Merkmale seien durch die ursprünglichen Ansprüche 19 bis 21 gestützt und stellten klar, dass das Substrat ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitselements bleibe, wenn dieses in der beanspruchten Weise mit einem Sicherheitsdoku­ment verbunden werde. Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "eingerichtet" bedeute, dass sich dass Sicher­heitselement für die nachfolgenden Verwendungen eignen müsse.

Zulassung der Druckschrift D15

Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Druck­schrift D15 explizit die Anwendung des Sicherheits­ele­ments als Beschichtung bzw. zum Aufbringen auf ein zu sicherndes Substrat zeige, könne nicht greifen: Wesent­lich sei, dass auch das Sicherheitselement gemäß der Druckschrift D15 weiterhin kein Substrat im Sinne des Streitpatents aufweise. Der Gegenstand des An­spruchs 3 des Hilfsantrags 3 unterscheide sich davon dadurch, dass das Substrat im Sicherheits­ele­ment verbleibe und dass das Substrat (implizit) transparent sei. Die Druck­schrift D15 sei somit nicht prima facie relevant.

Die Druckschrift D15 hätte bereits mit dem Einspruch vorgelegt werden müssen. Sie sei nicht als Reak­tion auf eine Änderung im Verfahren, insbesondere auf Argumente, die erstmals in den Ent­scheidungsgründen vorgebracht worden seien, eingebracht worden. Die Ein­spruchsabtei­lung sei nämlich in ihrer Ent­schei­dung dem Vortrag der Patentin­habe­rin gefolgt.

Bei einer Zulassung des Dokuments Dl5 sei eine Ver­zö­gerung des Verfahrens zu erwarten, insbesondere wenn auf­grund des Antrags der Patentinhaberin auf Zu­rück­ver­wei­sung an die erste Instanz einer solchen statt­gegeben werde.

Die Druckschrift D15 sei daher nicht zum Verfahren zuzulassen.

Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung

Die Sache solle zur Prüfung an die erste Instanz zu­rück­verwiesen werden, damit der Patentinhaberin zwei Instanzen bei der Prüfung der vermeintlich relevanteren Druckschrift D15 zur Verfügung stünden.

Hilfsantrag 3

Hilfsantrag 3 beinhalte drei nebengeordnete Ansprüche 1 bis 3, welche jeweils auf ein Sicherheitselement ge­richtet seien und dabei durch die Merkmale der ur­sprünglichen Ansprüche 23 bis 25, entsprechend den er­teilten Ansprüchen 17 bis 19, eingeschränkt seien. Nach Anspruch 3 sei das Sicherheitselement "als Trans­fer­element zur Applikation auf ein Sicherheitsdo­kument im Transfer­ver­fahren" ausgebildet.

Hilfsantrag 3a

Hilfsantrag 3a sei eine weitere Reaktion auf die Ein­füh­rung der Druckschrift D15 und auf die Nicht-Zurück­ver­weisung an die Einspruchsabteilung. Hilfs­antrag 3a solle zum Verfahren zugelassen werden. Diese Änderung entspreche einer der Alternativen des Absatzes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich eingereichten Be­schrei­bung.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a stelle klar, dass das Substrat Teil des Sicherheitselements im eingelagerten bzw. applizierten Zustand in bzw. auf dem Sicherheits­do­kument sei.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1)

Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) beinhaltet zwei Alternativen. Bei der ersten weist "das Sicherheitselement (2, 4) zu jeder Seite der Re­flek­tionsschicht (R) ein Interferenz­ele­ment (I1, I2) mit Farbkippeffekt auf". Für die Frage der Neuheit kommt es wesentlich darauf an, ob das im Oberbegriff erwähnte Substrat ein zwingender Be­stand­teil des Sicher­heitselements nach der ersten Alternative ist oder nicht.

Gemäß EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird (Artikel 84 EPÜ 1973 erster Satz).

Es ist somit auf die Wortwahl im Anspruch abzustellen. In Bezug auf die erste Alternative wird das Substrat nur im Oberbegriff erwähnt:

"Sicherheitselement (2, 4) zur Einlagerung in oder Applikation auf einem Sicherheitsdokument (1), ins­be­sondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Banknote, wobei das Sicherheitselement ein Substrat (S) mit mindestens einer Reflexionsschicht (R) sowie ein Interferenzele­ment (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist".

Nach dem Wortlaut des Anspruchs genügt es, dass das Sicher­heitselement "ein Substrat (S) ... aufweist". Der erteil­te Anspruch enthält dabei keine weiteren Angaben bezüg­lich der Anordnung des Sicherheitselements, bzw. des Substrats im Sicherheitselement und auch keine Anfor­de­rungen an das Substrat selbst: Der erteil­te Anspruch ist dadurch breit gefasst, aber klar. Eine weitere Auslegung an Hand der Beschrei­bung ist bei dieser Sach­lage nicht not­wendig.

2. Neuheit des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) gegenüber der Druckschrift D1

2.1 Die Druckschrift D1 offenbart mehrschichtige Inter­fe­renzfilme, die verwendet werden können, um Plättchen (Seite 8, Zeile 5) mit Farbverschiebungseigenschaften zu erzeugen. Die Plättchen (oder Flocken) können in flüssigen Medien, wie Farben oder Tinten, ein­gebracht werden, die anschließend auf Gegenstände oder Papier aufgetragen werden können, um Farbverän­derun­gen bei Verschiebungen des Winkels des einfallenden Lichts oder bei Ver­schie­bungen des Betrachtungswinkels durch einen Beobachter zu erzielen (Seite 4, Zeilen 19 bis 23).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Figur 1 zeigt den Querschnitt eines die Plättchen bil­denden Interferenzfilms 10 mit einer symme­tri­schen Mehr­schichtstruktur auf gegenüber­liegenden Seiten der Reflektorschicht 22 (Seite 7, Zeilen 1 bis 3). Der Interferenzfilm 10 ist auf einer Bahn 12 aus einem flexiblen Material wie einem Polyes­termaterial (z.B. Polyethylenterephthalat) ausgebildet (Seite 5, Zeilen 1 und 2).

Die farbverschiebenden Plättchen können in Farben und Tinten auf unterschiedlichen Papieren angewendet wer­den, z.B. Währungs- und Sicherheitsdokumente (Seite 9, Zeilen 15 bis 20).

2.2 Somit offenbart die Druckschrift D1 ein Sicherheitsele­ment 10 zur Ein­lagerung in oder Applikation auf einem Sicherheits­doku­ment (z.B. als Plättchen in einer Farbe oder Tinte), ins­be­sondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Banknote, wo­bei das Sicherheitselement in dem in der Figur 1 gezeigten Zustand ein Subs­trat 12 mit min­des­tens einer Reflexionsschicht 22 sowie ein Interfe­renz­ele­ment (18-20; 24-26) mit Farb­kip­pef­fekt aufweist, wobei das Sicher­heitselement 10 zu jeder Seite der Ref­lek­tions­schicht 22 ein Inter­ferenz­ele­ment (18-20; 24-26) mit Farbkippeffekt auf­weist.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) ist demgegen­über nicht neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

2.3 Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Argumen­ta­tion, dass das Sicherheitsele­ment 10 in der Figur 1 der Druckschrift D1 gezeigten Zustand kein Substrat im Sin­ne des Streitpatents aufweise, kann die Kammer nicht über­zeugen, weil im Ausfüh­rungs­beispiel der Figur 1 ein Substrat 12 eindeutig offen­bart ist: Wie bereits darge­legt, sind im erteilten Anspruch 1 bezüglich des Subs­trats in der ersten Alternative keine weiteren Anfor­de­run­gen enthalten, so dass nur in der Beschreibung of­fen­bar­te, angestrebte Eignung

- als Sicherheitsfaden, Etikett oder Patch, bzw. als Transferelement,

- ein Loch oder einen durchsichtigen Be­reich des Sicherheitsdoku­ments zu überspannen,

- im Falle eines Sicher­heits­fadens derart in das Sicher­heits­dokument eingewoben zu werden, dass es an ver­schiedenen Oberflächenbereichen des Sicher­heitsdoku­ments visuell erkennbar ist, oder

- transparent ausführbar zu sein,

nicht das bean­spruch­te Substrat des Sicherheitselement nach erteiltem Anspruch 1 zwingend kennzeichnet.

Die Änderungen in der Beschreibung und in den abhängi­gen An­sprüchen gemäß Hilfsantrag 1 haben deshalb keine Aus­wirkungen auf die voranstehende Begründung bezüg­lich des erteilten Anspruchs 1, weil sich diese nicht auf die Beschreibung bezieht, sondern auf den Wortlaut des unabhängigen Anspruchs.

3. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

3.1 Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfs­antrags 2 beziehen sich lediglich auf mögliche weitere Verwendungen des im Anspruch 1 definierten Sicherheits­merkmals in Bezug auf einen nicht mit beanspruchten Gegenstand, nämlich das Sicherheitsdokument.

3.2 Die als Grundlage der Änderungen angegebenen ursprüng­li­chen Ansprüche 19 bis 21 sind auf den ursprünglichen, ein Sicherheitsdokument betreffenden Anspruch 1 rück­be­zo­gen. Die entsprechenden erteilten Ansprüche 21 bis 23 sind ebenso auf den das Sicher­heits­doku­ment betref­fen­den erteilten Anspruch 20 rückbezo­gen.

Das Einfügen der Merkmale der erteilten Ansprüche 21 bis 23 in den auf das Sicherheitselement gerichteten Anspruch 1 lässt das Merkmal des Sicherheitsdokuments aus und stellt somit eine Änderung des Anspruchsgegen­stands der erteilten An­sprüche dar. Diese Änderung ist nach der Entscheidung G 3/14 (Abl. EPA 2015, A102) auch auf Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ 1973 zu prüfen.

Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vorgenommene Än­de­rung ist unklar, weil nur derart aufgabenhaft formu­liert, dass das Sicherheitselement "eingerich­tet" ist, auf verschiedene Arten mit einem nicht mit­bean­spruch­ten Sicherheitsdo­ku­ment ver­bun­den zu werden. Welche kon­kreten strukturellen Merkmale des Sicherheitsele­ments dafür not­wen­dig sind, um es für die ange­führ­ten Auf­gaben geeig­net zu machen, geht nicht aus dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hervor. Dass es sich hierbei - wie seitens der Beschwerdegeg­ne­rin argumen­tiert - zwingend um Merkmale eines Substrats handeln soll, ist nicht ein­deutig aus den aufgabenhaften For­mulierungen er­sicht­lich.

Die in dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 eingebrachte Änderung erfüllt nicht die Klarheitsanforderungen des Artikels 84 EPÜ 1973.

4. Zulassung der Druckschrift D15

4.1 Nach Artikel 13 (1) VOBK liegt es im Ermessen der Kam­mer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder der Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbring­ens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfah­rensökonomie berück­sichtigt. Weitere Faktoren bei der Ausübung dieses Ermessens sind unter anderem, ob gute Gründe für das späte Vorbringen vorliegen und ob das späte Vorbringen für die Lösung der in der mündlichen Verhandlung zu diskutierenden Punkte zielführend ist.

Gemäß Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vor­bring­ens nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Betei­lig­ten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

Nach Artikel 12 (4) VOBK hat die Kammer die Befugnis Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

4.2 Die Druckschrift D15 wurde von der Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerdeverfahren mit der Beschwerde­be­gründung genannt. Die Einreichung erfolgte im Anschluss an die für die Beschwerdeführerin negative Entscheidung der Einspruchsabteilung und zu Beginn des Beschwerde­verfahrens.

Die Auffassung, dass die Druckschrift D1 kein Substrat im Sinne des Streitpatents offenbart, wurde von der Ein­spruchsabteilung erst im Rahmen der mündlichen Ver­hand­lung kundgetan. Die Beschwerdeführerin hatte somit keine konkrete Veranlassung diese Schrift früher vorzu­legen. Selbst wenn dieses Argument von der Patentinha­berin stammen sollte, betrifft es ein Merkmal ("Sub­strat"), welches die Einsprechende bereits mit der Druckschrift D1 substantiiert hatte. Die Druck­schrift D15 kann somit als angemessene Reak­tion auf die Ent­schei­dung der Einspruchs­abtei­lung gewertet werden.

Die Druck­schrift D15 wurde bereits mit der Beschwerde­be­gründung vorgelegt. Die Beschwerdegegnerin konnte sich deshalb mit dieser Druck­schrift auseinander setzen, was sie auch getan hat. Die Einführung dieser Druckschrift bringt keine Verfahrenskomplikationen mit sich.

4.3 Im Übrigen ist die Druckschrift D15 aus folgenden Gründen prima facie relevant.

Die Druckschrift D15 beschäftigt sich mit der Fäl­schungssicherung (Spalte 1, Zeilen 17 bis 21). Eine optische variable Beschichtung ist auf eine lösliche oder ablösbaren flexiblen Bahn aufgebracht, wobei die Beschichtung zur Herstellung optisch varia­bler Tinten, Lackflocken und replizierten optischen Beschichtungen geeignet ist (Spalte 2, Zeilen 35 bis 45 und Zeilen 60 bis 65).

Figur 3C offenbart eine fünfschichtige symmetrisch auf­gebaute dichroitische optische Beschichtung 160: Bei zunehmenden Betrach­tungswinkel wechselt die Farbe der Beschichtung von einem tiefen Grün zu Purpur (Spalte 9, Zeile 60 bis Spalte 10, Zeile 15). Auf der Bahn 110 ist eine dünne, halb-opake Metall­schicht 161 ausgebildet, gefolgt von einer dielek­tri­schen Schicht 162, einer dicken Metallreflexionsschicht 163, einer weiteren Schicht aus dielektrischem Material 164 und einer abschließenden dünnen, halb-opaken Metall­schicht 165 (Spalte 9, Zeilen 17 bis 53, Figur 3C). In dem in Figur 3C gezeigten Zustand weist das Sicherheitselement 160 (161 bis 165) ein Substrat 110 auf.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Ein Abschnitt 20A der optischen Beschichtung kann mittels des Heißpräge­pro­zesses auf ein Substrat 50 aufgebracht werden (Spalte 7, Zeilen 1 bis 5, Figuren 1F und 1G). Die lösliche Bahn 10 wird dann aufgelöst. Im Falle einer unlöslichen Bahn mit einer Trenn­be­schichtung wird die Bahn physisch abgestreift, wobei der anhaftende Abschnitt 20A der Beschichtung zurück­bleibt (Spalte 7, Zeilen 5 bis 9 und Zeilen 27 bis 32). Die Druckschrift D15 offenbart somit, dass das Sicher­heitselement als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument im Transferverfahren aus­ge­bil­det ist.

Wie bereits dargelegt, sind im Anspruch 1 bezüglich des Substrats der ersten Alternative keine weiteren Anfor­de­rungen enthalten, so dass die nur in der Beschrei­bung offenbarten weiteren Merkmale, wonach ein Substrat im Sicher­heits­ele­ment verbleiben könne und/oder das Substrat transparent ausgebildet sein könne, das bean­spruch­te Substrat des Sicher­heitselements gemäß An­spruch 3 des Hilfsantrags 3 nicht zwingend kennzeich­nen.

Damit offenbart die Druckschrift D15 alle Merkmale des Anspruchs 3 des Hilfs­antrags 3.

4.4 Die Druckschrift D15 geht damit über die Offenbarung der Druckschrift D1 hinaus.

4.5 Aus diesen Gründen lässt die Kammer die Druckschrift D15 zum verfahren zu (Artikel 13 (1) VOBK).

5. Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung

Nach Artikel 111 (1) EPÜ hat die Kammer ein Ermessen, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin hat einerseits beantragt, die Sache zur Prüfung an die erste Instanz zurückzuweisen, damit ihr beide Instanzen zur Verfügung stehen aber andererseits befürchtet, dass dies zu einer Verzö­gerung des Verfahrens führe.

Nach Meinung der Kammer ist im vorliegenden Fall die zusätzliche Offenbarung der Druckschrift D15 nicht übermäßig komplex und kann daher im Ver­fahren vor der Beschwer­dekammer abschließend gewürdigt werden. Zudem hat sich die Beschwerdegegnerin bereits zu dieser Druckschrift geäußert und möchte ihre Hilfsanträge als Reaktion auf das Einbringen der Druckschrift D15 verstanden haben (Schreiben vom 15. September 2014, Seite 15, Punkt E.I.2.). Eine Zurück­verweisung an die erste Instanz ist somit nicht erforderlich. Die abschließende Würdigung der Druckschrift D15 durch die Kammer vermeidet eine mit einer Zurück­verweisung ver­bundene weitere Verzö­gerung des Verfahrens.

6. Hilfsantrag 3

Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 3 ist aus den voranstehenden Gründen (siehe Punkt 4.3) nicht neu gegenüber der Druckschrift D15.

7. Hilfsantrag 3a

7.1 Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a vorgenommenen Änderungen schränken den Anspruchsgegenstand dahinge­hend ein, dass das Substrat ein Bestandteil des Sicher­heits­elements "im eingelagerten oder applizierten Zustand" ist.

Diese Änderung:

- entspricht einer der Alternativen des Absatzes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich einge­reichten Be­schrei­bung;

- entspricht dem Vortrag der Beschwerde­gegnerin seit Begin des Einspruchsverfahrens und kann daher die Beschwerdeführerin nicht überraschen;

- unterscheidet den Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Stand der Technik der Druckschriften D1 und D15, bei denen ein Interferenzschichtaufbau ohne permanentes, eigenes Substrat verwendet wird.

Der Hilfsantrag ist somit prima facie zielführend und wirft keine neuen Probleme auf.

Die Kammer lässt den Hilfsantrag 3a zum Verfahren zu (Artikel 13 (1) VOBK).

7.2 Die einschränkende Änderung im Anspruch 1 gemäß Hilfs­antrag 3a entspricht einer der Alternativen des Absat­zes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich einge­reichten Be­schrei­bung und erfüllt somit die Anfor­derungen der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

Die Beschreibung wurde an die Ansprüche des Hilfs­an­trags 3a angepasst.

Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände bezüglich des Hilfsantrags 3a vorgebracht. Auch die Kammer sieht keinen Grund den vorliegenden Hilfsantrag 3a zu beanstanden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückver­wiesen mit der Anordnung das Patent im geänderten Um­fang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten :

- Ansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag 3a eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibung Absätze 1 bis 21 und 23 bis 56 der Patentschrift und Absatz 22 eingereicht mit Schreiben vom 15. September 2014;

- Figuren 1 bis 9 der Patentschrift.

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