European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T068614.20180507 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Mai 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0686/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03706485.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B42D 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sicherheitselement und Sicherheitsdokument mit einem solchen Sicherheitselement | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hueck Folien GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 und 3 (nein) Änderungen im Anspruch Änderungen - Hilfsantrag 2 Änderungen - mangelnde Klarheit Spät eingereichte Druckschrift - zugelassen (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz - (nein) Spät eingereichter Hilfsantrag 3a - zugelassen (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 476 315 zurückgewiesen worden ist.
II. Der Einspruch stützte sich auf die Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Artikels 100 a) EPÜ 1973 sowie auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ 1973.
III. Am 7. Mai 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der mit der Erwiderung auf die Beschwerde eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5, oder der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 3a oder 3b. Sie beantragte zudem, dass das Dokument D15 nicht in das Verfahren zugelassen werden soll sowie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.
VI. Im Beschwerdeverfahren wurde auf folgende Druckschriften Bezug genommen:
D1: WO 00/31571;
D15: US 5,281,480.
VII. Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) lautet wie folgt:
"Sicherheitselement (2, 4) zur Einlagerung in oder Applikation auf einem Sicherheitsdokument (1), insbesondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Banknote, wobei das Sicherheitselement ein Substrat (S) mit mindestens einer Reflexionsschicht (R) sowie ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheitselement (2, 4) zu jeder Seite der Reflektionsschicht (R) ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist oder zu jeder Seite des Substrats (S) jeweils eine Reflexionsschicht (R1, R2) und jeweils ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist."
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nur dadurch, dass der Text "dadurch gekennzeichnet, dass" durch "wobei" ersetzt ist und dass folgende Ergänzung hinzugefügt ist:
"dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheitselement eingerichtet ist,
auf einer der beiden Oberflächen des Sicherheitsdokuments appliziert zu werden und ein Loch (3) oder einen durchsichtigen Bereich des Sicherheitsdokuments zu überspannen, oder
zumindest teilweise in dem Sicherheitsdokument eingelagert zu werden und ein Loch oder einen durchsichtigen Bereich des Sicherheitsdokuments zu überspannen, oder
in dem Sicherheitsdokument derart eingelagert zu werden, dass es in ersten Bereichen an einer ersten Oberfläche und in von den ersten Bereichen verschiedenen zweiten Bereichen an einer zweiten Oberfläche des Sicherheitsdokuments visuell erkennbar ist."
IX. Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur dadurch, dass folgende Ergänzung hinzugefügt ist:
"wobei das Sicherheitselement als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument im Transferverfahren ausgebildet ist".
X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur dadurch, dass der Text "im eingelagerten oder applizierten Zustand" vor "ein Substrat" im Oberbegriff eingefügt ist.
XI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Auslegung des erteilten Anspruchs 1
Die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Substrat Teil des Sicherheitselements des Streitpatents bleibe, sei nicht korrekt: Im Absatz [0022] der Patentschrift werde explizit beschrieben, dass das Substrat auch lediglich als Zwischenträger dienen könne und spätestens bei der Applikation des Sicherheitselements in oder auf einen Gegenstand entfernt werde. Diese Offenbarung finde ebenfalls in den erteilten Ansprüchen 24, 25 und 26 ihren Niederschlag. Der im erteilten Anspruch 1 verwendete Begriff "aufweisen" bedinge nicht, dass das Substrat ein ständiger oder zwingender Bestandteil des Sicherheitselements gemäß der ersten Alternative des Anspruchs sei.
Erteilter Anspruch 1 - Neuheit gegenüber der Druckschrift D1
Die Figur 1 der Druckschrift D1 stelle einen symmetrischen Aufbau der Interferenzschichten auf beiden Seiten einer einzigen Reflexionsschicht dar, der auf einem Substrat angeordnet sei: Das Streitpatent stelle keine Anforderungen an etwaige Eigenschaften des "Substrats". Die flexible Folie ("flexible web") der Druckschrift D1 sei daher ein Substrat des Sicherheitselements im Sinne des erteilten Anspruchs 1.
Damit sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, erste Alternative nicht neu gegenüber der Druckschrift D1.
Hilfsantrag 1
Die in der Beschreibung oder in den abhängigen Ansprüchen vorgenommenen Änderungen betreffen nicht den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, welcher im Hilfsantrag 1 nicht geändert wurde.
Hilfsantrag 2
Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei lediglich aufgabenhaft formuliert, nämlich dass das Sicherheitselement "eingerichtet" sei, um auf verschiedene Arten mit einem Sicherheitsdokument verbunden zu werden. Welche Merkmale notwendig seien, um das Sicherheitselement für die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 angeführten Aufgaben geeignet zu machen, sei nicht angegeben. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher unklar.
Zulassung der Druckschrift D15
Die Meinung, dass die Druckschrift D1 kein Substrat im Sinne des Streitpatents offenbare, wurde von der Einspruchsabteilung erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung kundgetan, sodass die Druckschrift D15 als Reaktion auf diese Entscheidung mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden sei. Die Druckschrift D15 bringe keine komplizierten technischen Sachverhalte ein und es sei der Patentinhaberin zuzumuten, sich mit dieser neu eingeführten Druckschrift auseinanderzusetzen. Eine Verzögerung des Verfahrens sei nicht zu erwarten.
Die Druckschrift D15 sei prima facie relevant und offenbare nicht nur optisch variable Dünnschicht-Flakes für Druckfarben, sondern auch optisch variable Beschichtungen, die für Sicherheitsanwendungen geeignet seien (Spalte 1, Zeilen 17 bis 21). Insbesondere offenbare die Druckschrift D15 in Figur 3C (Spalte 9, Zeilen 17 bis 53) eine mehrschichtige optisch variable Beschichtung 160 mit dem Schichtaufbau gemäß der ersten Alternative des erteilten Anspruchs 1. Die beschichtete Folie sei dazu geeignet auf einen Träger appliziert zu werden, wobei die Folie entweder mittels einer Klebeschicht oder eines Heißprägeverfahrens auf dem Substrat verankert werde (Figuren 1F und 1G, Figuren 2A bis 2D, Spalte 4, Zeilen 22 bis 28, Spalte 7, Zeilen 1 bis 5 und Zeilen 12 bis 26). Damit offenbare die Druckschrift D15 alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 sowie des Anspruchs 3 des Hilfsantrags 3. Die Druckschrift D15 gehe somit über die Offenbarung der Druckschrift D1 hinaus. Die Druckschrift D15 sei daher zum Verfahren zuzulassen.
Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung
Gegen eine Zurückverweisung sei grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Druckschrift D15 könne jedoch im Verfahren vor der Beschwerdekammer abschließend gewürdigt werden und eine Zurückverweisung an die erste Instanz sei nicht erforderlich (Schreiben vom 19. Februar 2015, Seite 3, dritter Absatz).
Hilfsantrag 3
Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 beanspruche die Ausführung des Sicherheitselements als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument. Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 beanspruche kein transparentes Substrat und auch kein Substrat, welches mittransferiert werde. Der Gegenstand des Anspruchs 3 des Hilfsantrags 3 sei gegenüber der Druckschrift D15 nicht neu.
Hilfsantrag 3a
Die Grundlage für die Änderungen im Anspruch 1 in den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei nicht angegeben worden. Der Hilfsantrag sei nicht zuzulassen.
Im Hinblick auf die Erfordernisse des EPÜs würden hingegen keine Einwände erhoben.
XII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Auslegung des erteilten Anspruchs 1
Das Substrat sei ein wesentlicher Bestandteil des beanspruchten Sicherheitselements, weil dieses zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument vorgesehen sei (Absatz [0001] der Beschreibung). Sämtliche im Streitpatent beschriebenen Anwendungen erforderten es, dass das Sicherheitselement auch im applizierten oder integrierten Zustand ein das Sicherheitselement stützendes Substrat umfasse. Keine der spezifischen Ausführungsformen komme ohne das stützende Substrat aus. Dies liege daran, dass eine Anwendung als Sicherheitsfaden oder als Patch oder Etikett, welche jeweils eingerichtet seien, ein Loch oder einen durchsichtigen Bereich des Sicherheitsdokuments zu überspannen oder, im Falle eines Sicherheitsfadens, derart in das Sicherheitsdokument eingewoben zu werden, dass es an verschiedenen Oberflächenbereichen des Sicherheitsdokuments visuell erkennbar sei (vgl. die erteilten Ansprüche 21 bis 23 des Streitpatents), technisch nur möglich sei, wenn das Sicherheitselement auch im applizierten oder integrierten Zustand noch das Substrat umfasse. Die den Farbkippeffekt bewirkenden und sichtbar machenden Schichten, d.h. die Interferenzelemente und die Reflektionsschicht, besäßen aufgrund der sehr geringen Schichtdicken keine hinreichende Stabilität zum Bilden eines selbsttragenden Sicherheitselements einer derartigen Größe. Ferner sei es implizit notwendig, dass das Substrat transparent sei.
Erteilter Anspruch 1 - Neuheit gegenüber Druckschrift D1
Dem Sicherheitselement der Druckschrift D1 fehle das wesentliche Merkmal, wonach das Sicherheitselement ein Substrat umfasse. Die Anordnung gemäß der Figur 1 der Druckschrift D1 eigne sich nicht dazu, als Sicherheitselement auf ein Sicherheitsdokument appliziert oder in ein Sicherheitsdokument integriert zu werden. Gemäß der Druckschrift D1 sei das Dünnschichtelement von dem Träger, d.h. dem "flexible web" leicht lösbar ("release layer 16"). Die Einspruchsabteilung habe diese Gründe in den Entscheidungsgründen unter Punkt 4 a) detailliert dargelegt, weshalb die Druckschrift D1 den Gegenstand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen könne: Die Druckschrift D1 beschreibe lediglich eine Bahn, auf welche das Dünnschichtelement aufgebracht werde, nicht aber die Konfektionierung in Fäden oder Patches. Die Druckschrift D1 lehre, dass das gebildete Dünnschichtelement von der zur Herstellung verwendeten Folie entfernt werde (vgl. Seite 11, Zeilen 17, 18). Die Dünnschichtelemente gemäß der Druckschrift D1 würden kein Substrat umfassen. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei somit neu.
Hilfsantrag 1
Durch die Änderungen in der Beschreibung und in den abhängigen Ansprüchen könne der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht mehr so ausgelegt werden, dass das Substrat kein zwingender Teil des Sicherheitselements nach der ersten Alternative sei.
Hilfsantrag 2
Die den Hilfsantrag 2 charakterisierenden Änderungen des Anspruchs 1 stellten klar, dass das Merkmal, wonach das Sicherheitselement ein Substrat umfasse, ein wesentliches Merkmal des Gegenstandes des Anspruchs 1 sei, welches diesen Gegenstand insbesondere von der Druckschrift D1 abgrenze. Das Substrat diene als Träger und verleihe dem Sicherheitselement Stabilität, welche notwendig sei, wenn das Sicherheitselement auf das Sicherheitsdokument appliziert oder in das Sicherheitsdokument eingelagert werden solle. Diese Merkmale seien durch die ursprünglichen Ansprüche 19 bis 21 gestützt und stellten klar, dass das Substrat ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitselements bleibe, wenn dieses in der beanspruchten Weise mit einem Sicherheitsdokument verbunden werde. Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "eingerichtet" bedeute, dass sich dass Sicherheitselement für die nachfolgenden Verwendungen eignen müsse.
Zulassung der Druckschrift D15
Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Druckschrift D15 explizit die Anwendung des Sicherheitselements als Beschichtung bzw. zum Aufbringen auf ein zu sicherndes Substrat zeige, könne nicht greifen: Wesentlich sei, dass auch das Sicherheitselement gemäß der Druckschrift D15 weiterhin kein Substrat im Sinne des Streitpatents aufweise. Der Gegenstand des Anspruchs 3 des Hilfsantrags 3 unterscheide sich davon dadurch, dass das Substrat im Sicherheitselement verbleibe und dass das Substrat (implizit) transparent sei. Die Druckschrift D15 sei somit nicht prima facie relevant.
Die Druckschrift D15 hätte bereits mit dem Einspruch vorgelegt werden müssen. Sie sei nicht als Reaktion auf eine Änderung im Verfahren, insbesondere auf Argumente, die erstmals in den Entscheidungsgründen vorgebracht worden seien, eingebracht worden. Die Einspruchsabteilung sei nämlich in ihrer Entscheidung dem Vortrag der Patentinhaberin gefolgt.
Bei einer Zulassung des Dokuments Dl5 sei eine Verzögerung des Verfahrens zu erwarten, insbesondere wenn aufgrund des Antrags der Patentinhaberin auf Zurückverweisung an die erste Instanz einer solchen stattgegeben werde.
Die Druckschrift D15 sei daher nicht zum Verfahren zuzulassen.
Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung
Die Sache solle zur Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen werden, damit der Patentinhaberin zwei Instanzen bei der Prüfung der vermeintlich relevanteren Druckschrift D15 zur Verfügung stünden.
Hilfsantrag 3
Hilfsantrag 3 beinhalte drei nebengeordnete Ansprüche 1 bis 3, welche jeweils auf ein Sicherheitselement gerichtet seien und dabei durch die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 23 bis 25, entsprechend den erteilten Ansprüchen 17 bis 19, eingeschränkt seien. Nach Anspruch 3 sei das Sicherheitselement "als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument im Transferverfahren" ausgebildet.
Hilfsantrag 3a
Hilfsantrag 3a sei eine weitere Reaktion auf die Einführung der Druckschrift D15 und auf die Nicht-Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung. Hilfsantrag 3a solle zum Verfahren zugelassen werden. Diese Änderung entspreche einer der Alternativen des Absatzes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a stelle klar, dass das Substrat Teil des Sicherheitselements im eingelagerten bzw. applizierten Zustand in bzw. auf dem Sicherheitsdokument sei.
Entscheidungsgründe
1. Auslegung des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1)
Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) beinhaltet zwei Alternativen. Bei der ersten weist "das Sicherheitselement (2, 4) zu jeder Seite der Reflektionsschicht (R) ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt auf". Für die Frage der Neuheit kommt es wesentlich darauf an, ob das im Oberbegriff erwähnte Substrat ein zwingender Bestandteil des Sicherheitselements nach der ersten Alternative ist oder nicht.
Gemäß EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird (Artikel 84 EPÜ 1973 erster Satz).
Es ist somit auf die Wortwahl im Anspruch abzustellen. In Bezug auf die erste Alternative wird das Substrat nur im Oberbegriff erwähnt:
"Sicherheitselement (2, 4) zur Einlagerung in oder Applikation auf einem Sicherheitsdokument (1), insbesondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Banknote, wobei das Sicherheitselement ein Substrat (S) mit mindestens einer Reflexionsschicht (R) sowie ein Interferenzelement (I1, I2) mit Farbkippeffekt aufweist".
Nach dem Wortlaut des Anspruchs genügt es, dass das Sicherheitselement "ein Substrat (S) ... aufweist". Der erteilte Anspruch enthält dabei keine weiteren Angaben bezüglich der Anordnung des Sicherheitselements, bzw. des Substrats im Sicherheitselement und auch keine Anforderungen an das Substrat selbst: Der erteilte Anspruch ist dadurch breit gefasst, aber klar. Eine weitere Auslegung an Hand der Beschreibung ist bei dieser Sachlage nicht notwendig.
2. Neuheit des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) gegenüber der Druckschrift D1
2.1 Die Druckschrift D1 offenbart mehrschichtige Interferenzfilme, die verwendet werden können, um Plättchen (Seite 8, Zeile 5) mit Farbverschiebungseigenschaften zu erzeugen. Die Plättchen (oder Flocken) können in flüssigen Medien, wie Farben oder Tinten, eingebracht werden, die anschließend auf Gegenstände oder Papier aufgetragen werden können, um Farbveränderungen bei Verschiebungen des Winkels des einfallenden Lichts oder bei Verschiebungen des Betrachtungswinkels durch einen Beobachter zu erzielen (Seite 4, Zeilen 19 bis 23).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 1 zeigt den Querschnitt eines die Plättchen bildenden Interferenzfilms 10 mit einer symmetrischen Mehrschichtstruktur auf gegenüberliegenden Seiten der Reflektorschicht 22 (Seite 7, Zeilen 1 bis 3). Der Interferenzfilm 10 ist auf einer Bahn 12 aus einem flexiblen Material wie einem Polyestermaterial (z.B. Polyethylenterephthalat) ausgebildet (Seite 5, Zeilen 1 und 2).
Die farbverschiebenden Plättchen können in Farben und Tinten auf unterschiedlichen Papieren angewendet werden, z.B. Währungs- und Sicherheitsdokumente (Seite 9, Zeilen 15 bis 20).
2.2 Somit offenbart die Druckschrift D1 ein Sicherheitselement 10 zur Einlagerung in oder Applikation auf einem Sicherheitsdokument (z.B. als Plättchen in einer Farbe oder Tinte), insbesondere für Wertpapiere, wie z.B. eine Banknote, wobei das Sicherheitselement in dem in der Figur 1 gezeigten Zustand ein Substrat 12 mit mindestens einer Reflexionsschicht 22 sowie ein Interferenzelement (18-20; 24-26) mit Farbkippeffekt aufweist, wobei das Sicherheitselement 10 zu jeder Seite der Reflektionsschicht 22 ein Interferenzelement (18-20; 24-26) mit Farbkippeffekt aufweist.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) ist demgegenüber nicht neu (Artikel 54 EPÜ 1973).
2.3 Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Argumentation, dass das Sicherheitselement 10 in der Figur 1 der Druckschrift D1 gezeigten Zustand kein Substrat im Sinne des Streitpatents aufweise, kann die Kammer nicht überzeugen, weil im Ausführungsbeispiel der Figur 1 ein Substrat 12 eindeutig offenbart ist: Wie bereits dargelegt, sind im erteilten Anspruch 1 bezüglich des Substrats in der ersten Alternative keine weiteren Anforderungen enthalten, so dass nur in der Beschreibung offenbarte, angestrebte Eignung
- als Sicherheitsfaden, Etikett oder Patch, bzw. als Transferelement,
- ein Loch oder einen durchsichtigen Bereich des Sicherheitsdokuments zu überspannen,
- im Falle eines Sicherheitsfadens derart in das Sicherheitsdokument eingewoben zu werden, dass es an verschiedenen Oberflächenbereichen des Sicherheitsdokuments visuell erkennbar ist, oder
- transparent ausführbar zu sein,
nicht das beanspruchte Substrat des Sicherheitselement nach erteiltem Anspruch 1 zwingend kennzeichnet.
Die Änderungen in der Beschreibung und in den abhängigen Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 1 haben deshalb keine Auswirkungen auf die voranstehende Begründung bezüglich des erteilten Anspruchs 1, weil sich diese nicht auf die Beschreibung bezieht, sondern auf den Wortlaut des unabhängigen Anspruchs.
3. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2
3.1 Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beziehen sich lediglich auf mögliche weitere Verwendungen des im Anspruch 1 definierten Sicherheitsmerkmals in Bezug auf einen nicht mit beanspruchten Gegenstand, nämlich das Sicherheitsdokument.
3.2 Die als Grundlage der Änderungen angegebenen ursprünglichen Ansprüche 19 bis 21 sind auf den ursprünglichen, ein Sicherheitsdokument betreffenden Anspruch 1 rückbezogen. Die entsprechenden erteilten Ansprüche 21 bis 23 sind ebenso auf den das Sicherheitsdokument betreffenden erteilten Anspruch 20 rückbezogen.
Das Einfügen der Merkmale der erteilten Ansprüche 21 bis 23 in den auf das Sicherheitselement gerichteten Anspruch 1 lässt das Merkmal des Sicherheitsdokuments aus und stellt somit eine Änderung des Anspruchsgegenstands der erteilten Ansprüche dar. Diese Änderung ist nach der Entscheidung G 3/14 (Abl. EPA 2015, A102) auch auf Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ 1973 zu prüfen.
Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vorgenommene Änderung ist unklar, weil nur derart aufgabenhaft formuliert, dass das Sicherheitselement "eingerichtet" ist, auf verschiedene Arten mit einem nicht mitbeanspruchten Sicherheitsdokument verbunden zu werden. Welche konkreten strukturellen Merkmale des Sicherheitselements dafür notwendig sind, um es für die angeführten Aufgaben geeignet zu machen, geht nicht aus dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hervor. Dass es sich hierbei - wie seitens der Beschwerdegegnerin argumentiert - zwingend um Merkmale eines Substrats handeln soll, ist nicht eindeutig aus den aufgabenhaften Formulierungen ersichtlich.
Die in dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 eingebrachte Änderung erfüllt nicht die Klarheitsanforderungen des Artikels 84 EPÜ 1973.
4. Zulassung der Druckschrift D15
4.1 Nach Artikel 13 (1) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder der Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Weitere Faktoren bei der Ausübung dieses Ermessens sind unter anderem, ob gute Gründe für das späte Vorbringen vorliegen und ob das späte Vorbringen für die Lösung der in der mündlichen Verhandlung zu diskutierenden Punkte zielführend ist.
Gemäß Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Nach Artikel 12 (4) VOBK hat die Kammer die Befugnis Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
4.2 Die Druckschrift D15 wurde von der Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerdeverfahren mit der Beschwerdebegründung genannt. Die Einreichung erfolgte im Anschluss an die für die Beschwerdeführerin negative Entscheidung der Einspruchsabteilung und zu Beginn des Beschwerdeverfahrens.
Die Auffassung, dass die Druckschrift D1 kein Substrat im Sinne des Streitpatents offenbart, wurde von der Einspruchsabteilung erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung kundgetan. Die Beschwerdeführerin hatte somit keine konkrete Veranlassung diese Schrift früher vorzulegen. Selbst wenn dieses Argument von der Patentinhaberin stammen sollte, betrifft es ein Merkmal ("Substrat"), welches die Einsprechende bereits mit der Druckschrift D1 substantiiert hatte. Die Druckschrift D15 kann somit als angemessene Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung gewertet werden.
Die Druckschrift D15 wurde bereits mit der Beschwerdebegründung vorgelegt. Die Beschwerdegegnerin konnte sich deshalb mit dieser Druckschrift auseinander setzen, was sie auch getan hat. Die Einführung dieser Druckschrift bringt keine Verfahrenskomplikationen mit sich.
4.3 Im Übrigen ist die Druckschrift D15 aus folgenden Gründen prima facie relevant.
Die Druckschrift D15 beschäftigt sich mit der Fälschungssicherung (Spalte 1, Zeilen 17 bis 21). Eine optische variable Beschichtung ist auf eine lösliche oder ablösbaren flexiblen Bahn aufgebracht, wobei die Beschichtung zur Herstellung optisch variabler Tinten, Lackflocken und replizierten optischen Beschichtungen geeignet ist (Spalte 2, Zeilen 35 bis 45 und Zeilen 60 bis 65).
Figur 3C offenbart eine fünfschichtige symmetrisch aufgebaute dichroitische optische Beschichtung 160: Bei zunehmenden Betrachtungswinkel wechselt die Farbe der Beschichtung von einem tiefen Grün zu Purpur (Spalte 9, Zeile 60 bis Spalte 10, Zeile 15). Auf der Bahn 110 ist eine dünne, halb-opake Metallschicht 161 ausgebildet, gefolgt von einer dielektrischen Schicht 162, einer dicken Metallreflexionsschicht 163, einer weiteren Schicht aus dielektrischem Material 164 und einer abschließenden dünnen, halb-opaken Metallschicht 165 (Spalte 9, Zeilen 17 bis 53, Figur 3C). In dem in Figur 3C gezeigten Zustand weist das Sicherheitselement 160 (161 bis 165) ein Substrat 110 auf.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Ein Abschnitt 20A der optischen Beschichtung kann mittels des Heißprägeprozesses auf ein Substrat 50 aufgebracht werden (Spalte 7, Zeilen 1 bis 5, Figuren 1F und 1G). Die lösliche Bahn 10 wird dann aufgelöst. Im Falle einer unlöslichen Bahn mit einer Trennbeschichtung wird die Bahn physisch abgestreift, wobei der anhaftende Abschnitt 20A der Beschichtung zurückbleibt (Spalte 7, Zeilen 5 bis 9 und Zeilen 27 bis 32). Die Druckschrift D15 offenbart somit, dass das Sicherheitselement als Transferelement zur Applikation auf ein Sicherheitsdokument im Transferverfahren ausgebildet ist.
Wie bereits dargelegt, sind im Anspruch 1 bezüglich des Substrats der ersten Alternative keine weiteren Anforderungen enthalten, so dass die nur in der Beschreibung offenbarten weiteren Merkmale, wonach ein Substrat im Sicherheitselement verbleiben könne und/oder das Substrat transparent ausgebildet sein könne, das beanspruchte Substrat des Sicherheitselements gemäß Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 nicht zwingend kennzeichnen.
Damit offenbart die Druckschrift D15 alle Merkmale des Anspruchs 3 des Hilfsantrags 3.
4.4 Die Druckschrift D15 geht damit über die Offenbarung der Druckschrift D1 hinaus.
4.5 Aus diesen Gründen lässt die Kammer die Druckschrift D15 zum verfahren zu (Artikel 13 (1) VOBK).
5. Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung
Nach Artikel 111 (1) EPÜ hat die Kammer ein Ermessen, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin hat einerseits beantragt, die Sache zur Prüfung an die erste Instanz zurückzuweisen, damit ihr beide Instanzen zur Verfügung stehen aber andererseits befürchtet, dass dies zu einer Verzögerung des Verfahrens führe.
Nach Meinung der Kammer ist im vorliegenden Fall die zusätzliche Offenbarung der Druckschrift D15 nicht übermäßig komplex und kann daher im Verfahren vor der Beschwerdekammer abschließend gewürdigt werden. Zudem hat sich die Beschwerdegegnerin bereits zu dieser Druckschrift geäußert und möchte ihre Hilfsanträge als Reaktion auf das Einbringen der Druckschrift D15 verstanden haben (Schreiben vom 15. September 2014, Seite 15, Punkt E.I.2.). Eine Zurückverweisung an die erste Instanz ist somit nicht erforderlich. Die abschließende Würdigung der Druckschrift D15 durch die Kammer vermeidet eine mit einer Zurückverweisung verbundene weitere Verzögerung des Verfahrens.
6. Hilfsantrag 3
Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 3 ist aus den voranstehenden Gründen (siehe Punkt 4.3) nicht neu gegenüber der Druckschrift D15.
7. Hilfsantrag 3a
7.1 Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a vorgenommenen Änderungen schränken den Anspruchsgegenstand dahingehend ein, dass das Substrat ein Bestandteil des Sicherheitselements "im eingelagerten oder applizierten Zustand" ist.
Diese Änderung:
- entspricht einer der Alternativen des Absatzes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich eingereichten Beschreibung;
- entspricht dem Vortrag der Beschwerdegegnerin seit Begin des Einspruchsverfahrens und kann daher die Beschwerdeführerin nicht überraschen;
- unterscheidet den Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Stand der Technik der Druckschriften D1 und D15, bei denen ein Interferenzschichtaufbau ohne permanentes, eigenes Substrat verwendet wird.
Der Hilfsantrag ist somit prima facie zielführend und wirft keine neuen Probleme auf.
Die Kammer lässt den Hilfsantrag 3a zum Verfahren zu (Artikel 13 (1) VOBK).
7.2 Die einschränkende Änderung im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3a entspricht einer der Alternativen des Absatzes Seite 6, Zeilen 17 bis 22 der ursprünglich eingereichten Beschreibung und erfüllt somit die Anforderungen der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Die Beschreibung wurde an die Ansprüche des Hilfsantrags 3a angepasst.
Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände bezüglich des Hilfsantrags 3a vorgebracht. Auch die Kammer sieht keinen Grund den vorliegenden Hilfsantrag 3a zu beanstanden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent im geänderten Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten :
- Ansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag 3a eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Absätze 1 bis 21 und 23 bis 56 der Patentschrift und Absatz 22 eingereicht mit Schreiben vom 15. September 2014;
- Figuren 1 bis 9 der Patentschrift.