European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T065814.20161115 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 November 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0658/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08173077.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60D 1/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anhängekupplung | ||||||||
Name des Anmelders: | Scambia Holdings Cyprus Limited | ||||||||
Name des Einsprechenden: | WESTFALIA - Automotive GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 21. Januar 2014 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2095978 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.
II. Am 15. November 2016 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1a (nunmehr Hauptantrag) wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
III. Für die vorliegende Entscheidung wurde insbesondere der folgende Stand der Technik in Betracht gezogen:
EP 0430665 A1 (D6)
US 5,489,111 (D9)
DE 296 16 145 U1 (D7)
DE 601 29 115 T2 (D11)
EP 1840007 (D16)
DE 198 49 358 C2 (D36)
Offenkundige Vorbenutzung
Westfalia Anhängekupplung für Lexus RX300 u.a., angeblich nachgewiesen durch D22,
Montage- und Betriebsanleitung.
IV. Der Anspruch 1 gemäß dem einzigen Antrag lautet:
Anhängekupplung (10) umfassend einen quer zu einer Fahrtrichtung (12) eines Kraftfahrzeugs und insbesondere durch eine hintere Stoßfängereinheit (26) verdeckten Querträger (14), sich ausgehend von dem Querträger (14) in der Fahrtrichtung (12) erstreckende Seitenträger (18, 20) zur Verbindung des Querträgers (14) mit einer Fahrzeugkarosserie (22) und eine an dem Querträger (14) angeordnete Montagebasis (40), an welcher ein eine Kupplungskugel (44) tragender Kugelhals (42) gehalten ist, wobei der Querträger (14) mindestens ein Oberteil (60) und ein Unterteil (62) sowie ein das Oberteil (60) und das Unterteil (62) verbindendes Verstrebungselement (64, 66) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Seitenträger (18, 20) jeweils mindestens ein Flanschteil (70, 72) aufweisen, welches in einem parallel zu einer Längsrichtung (52) des Querträgers (14) verlaufenden Überlappungsbereich (84, 86) auf dem Oberteil (60) und/oder auf dem Unterteil (62) aufliegt und durch mindestens eine Lochschweißverbindung (170,172) mit diesem verbunden ist.
V. Die Patentinhaberin / Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Die Erfindung beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. So sei die prinzipielle erfinderische Idee darin zu sehen, dass eine Lochschweißnaht nicht mit dem Hebel des Querträgers beansprucht werde. Die höchste Last trete bei Anhängekupplungen in der Fahrzeuglängsrichtung auf, hervorgerufen durch Beschleunigung und Abbremsung des Zugfahrzeugs. Die Masse des Anhängers müsse dann als dynamische Last vom Querträger auf die Seitenteile übertragen werden. Im Stand der Technik geschehe dies durch Schweißnähe an gemeinsamen Bauteilkanten von Quer- und Seitenträgern. Dies allerdings führe zu Kerb- und Scherkräfte mit hohen punktuellen Belastungen im Bereich der Schweißnahtenden und in der Folge zur raschen Materialermüdung. Vorliegend würden aber die Kräfte näherungsweise in die Ebene eingeleitet, in der die Schweißnaht selbst liege. Daraus ergebe sich eine bessere Verteilung der eingeleiteten Kräfte. Dabei sei hilfreich, dass die Lochschweißnaht keine offenen Enden habe.
Keines der druckschriftlichen Dokumente im Verfahren zeige eine Lochschweißverbindung für die Verwendung an Anhängekupplungen. Ausgehend von D6 oder D9 sei auch eine Lochschweißverbindung nicht durch die Dokumente D7, D11, D16 oder D36 nahegelegt. Insbesondere bestünde ausgehend von D9 überhaupt keine Veranlassung, eine Lochschweißung vorzunehmen, da die Konstruktion mit sogenannten Reinforcing Plates verstärkt sei. Dazu hätte der Fachmann die gesamte Konstruktion der D9 umgestalten müssen.
D7 offenbare ja nicht mal ein Lochschweißverfahren, sondern erkläre lediglich lapidar, dass als Verbindungstechnik auch Schweißen verwendet werden könne.
Die Öffnungen, die in den Figuren der D11 am Querträger zu erkennen sind, sind weder bezeichnet noch in der Beschreibung erwähnt. So sei es völlig offen, was der Zweck dieser Löcher sei. Insbesondere gäbe es keinen Anhaltspunkt, dass diese Öffnungen für Lochschweißungen verwendet würden.
Der Fachmann würde D16 nicht in Betracht ziehen, da dieses Dokument aus einem völlig anderen Bereich des Automobilbaus stamme und die Aufgabenstellung vorliegend eine völlig andere sei. Des Weiteren offenbare auch D16 nicht das beschriebene Grundprinzip der Erfindung.
D36 offenbare einen Stoßfänger, der mit Lochschweißnähten, die in der vertikalen Ebene lägen, mit seiner Rückseite an der Fahrzeugkarosserie befestigt sei. Die Krafteinwirkung wäre hier bei einem Aufprall ebenfalls in Fahrzeuglängsrichtung. Durch die Lage der Schweißnaht werde diese aber mit einem Hebel auf Zug beansprucht. Genau dies aber versuche die vorliegende Erfindung zu vermeiden.
Aus demselben Grund würde der Fachmann D36 nicht mit D6 als nächstem Stand der Technik kombinieren. Keinesfalls aber könnten die Schraublöcher der D6 als Ausgang für eine Lochschweißung verwendet werden, da der Querträger auch ein Schraubloch aufweise; dieser müsse also erst umgestaltet werden. Des Weiteren hätten die Entwickler des Anhängekupplung-Nachrüstsatzes gemäß D6 genau überlegt, und bewusst eine Lösung vorgeschlagen, bei der ein nachzurüstender Querträger lediglich in bereits vorhandene Seitenteile eingeschraubt werde, da ein Einschweißen von Trägern in betriebsfertig ausgestatteten Fahrzeugen als problematisch anzusehen sei. Somit fehle dem Fachmann, ausgehend von D6, die Motivation den Querträger überhaupt zu schweißen.
Auch ausgehend von D6 legten die Dokumente D7, D11 und D16 den Gegenstand aus den genannten Gründen nicht nahe.
Was die offenkundige Vorbenutzung betreffe, so werde die öffentliche Zugänglichkeit bestritten. Weiterhin sei nicht offenbart, dass die geschlossene Linie im Bereich der Kugelkopfaufnahme eine Lochschweißung darstelle. Selbst wenn es sich derart verhalten sollte, dann sei immer noch nicht klar, warum dort eine Lochschweißnaht angebracht sei, es könne nämlich durchaus sein, dass auf eine andere Art aus Platzgründen die Aufnahme nicht an den Flanschen des Querträgers hat befestigt werden können.
VI. Die Einsprechende / Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Dokumente D9 oder D6 stellten den nächsten Stand der Technik dar, da sie alle Merkmale des Anspruchs offenbarten, bis auf das Merkmal, dass der Querträger und die Flansche der Seitenträger mit einem Lochschweißverfahren miteinander verbunden sind.
Lochschweißverfahren indes seien im Stand der Technik wohlbekannt.
So offenbare D7 eine Anhängekupplung, die - ausweislich der Beschreibung - auch verschweißt werden könne. Das Dokument D11 offenbare sogar am Querträger und an dessen Flanschen kreisrunde Öffnungen (ohne Bezeichnung, in den Figuren auf der Oberseite sichtbar). Diese seien dazu vorgesehen, die betroffenen Elemente mit einem Lochschweißverfahren zu verbinden.
Das Dokument D16 offenbare zwei Träger der Fahrzeug-karosserie mit zwei Lochschweißnähten zu verbinden. Das Lochschweißverfahren sei hier auch explizit in der Beschreibung genannt. Da dieses Dokument aus dem Bereich des Karosseriebaus käme, wäre es naheliegend und der Fachmann würde es zur Kombination zu Rate ziehen. Ebenfalls sähe sich der Fachmann das Dokument D36 an. D36 beschreibe eine Stoßstange die jeweils mit einer Lochschweißnaht rechts und links an der Karosserie angeschweißt ist. Wie in der strittigen Erfindung träten auch hier große Kräfte in Fahrzeuglängsrichtung auf, so dass der Fachmann die Lehre von D36 einfach auf D6 oder D9 übertragen könne.
Insbesondere böte sich die Konstruktion gemäß D6 an, um den Querträger mit einer Lochschweißnaht an den Seitenteilen zu befestigen. Dazu könnten sogar die vorhandenen Schraublöcher verwendet werden. Dies sei also eine Alternative zu der Schraubbefestigung des Querträgers am Fahrzeug, die der Fachmann ohne erfinderische Zutun in Betracht zöge.
Somit sei der Gegenstand ausgehend von D6 oder D9 durch die Dokumente D7 oder D11 oder D16 oder D36 nahegelegt.
Auch durch die offenkundige Vorbenutzung sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt. So offenbare die D22 einen Querträger einer Nachrüst-Anhängekupplung, bei der eine Kugelkopfaufnahme mittels Flansche an dem Querträger befestigt sind. Die Zeichnung der D22 zeige Ovale an der Kugelkopfaufnahme. Dabei handele es sich um Lochschweißnähte, mit denen die Kugelkopfaufnahme an den Flanschen fixiert sei. Somit müsse der Fachmann nur das was er an der Kugelkopfaufnahme erkenne auf die Fixierung von Quer- und Seitenträgern anwenden.
Des Weiteren sei die Erfindung nicht so umfassend und deutlich beschrieben, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Anspruch definiere mindestens einen Flansch an einem Seitenträger. Dieser solle dem Wortlaut des Anspruchs 1 folgend am Oberteil und/oder Unterteil aufliegen. Es sei aber nicht ausführbar, dass ein Flansch nicht am Oberteil und gleichzeitig am Unterteil aufliegen könne. Dies sei auch nicht beschrieben. Der Fachmann wisse damit nicht, wie er die Erfindung umsetzen könne.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag der Beschwerdeführerin beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er durch den Stand der Technik dem Fachmann nicht nahegelegt ist, Artikel 56 EPÜ.
Die Neuheit des Gegenstands wurde nicht bestritten.
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik gemäß D6 oder D9 mindestens dadurch, dass das auf dem Oberteil(60) und/oder Unterteil (62) des Querträgers (14) aufliegende Flanschteil (70,72) des Seitenträgers
- durch mindestens eine Lochschweißverbindung mit diesem verbunden ist.
Da dieses Merkmal alleine die erfinderische Tätigkeit begründet, muss nicht entschieden werden, ob der Stand der Technik gemäß D6 oder D9 weitere Unterschiede zur strittigen Erfindung aufweist.
2.2 Die mit dem unterscheidenden Merkmal zu lösende Aufgabe besteht darin, Anhängekupplungen mit geringem Gewicht herzustellen, bei denen die Kraftübertragung zwischen Querträger und Seitenträgern verbessert ist, derart, dass die Krafteinleitung in den Seitenträger punktuelle Belastungen durch die Schweißnaht vermeidet, vgl. Paragraph [0006] und [0015] der Patentschrift.
2.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Anwendung des Lochschweißverfahrens im Automobilbau für den Fachmann eine übliche Maßnahme sei.
So offenbarten die Dokumente D7, D11, D16 und D36 Schweißverbindungen oder Lochschweißverbindungen im Kraftfahrzeug.
Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von D9 oder D6 nahegelegt. Auch sei es bekannt, dass Lochschweißnähte durch ihre geschlossene Form Kerbkräfte zu vermeiden in der Lage sind.
2.4 Die Kammer stellt dazu fest, dass der erfinderische Gedanke gemäß der o.g. Aufgabenstellung (vgl. Punkt 2.2) darin liegt, die Schweißverbindung des Seitenträgers mit dem Querträger derart auszuführen, dass diese möglichst wenig belastet wird. Dies wird gemäß der strittigen Erfindung dadurch erreicht, dass Querträger und Flansch des Seitenteils über eine Lochschweißung verbunden sind. Dabei folgt die Kammer der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass vorliegend nicht nur der bekannte Vorteil einer Lochschweißverbindung, wie etwa die Vermeidung von Kerbkräften, zum Tragen kommt, sondern dass die Lochschweißung zur Verbindung von Quer- und Seitenträger den Vorteil aufweist, dass die Schweißnaht der Lochschweißung in der näherungsweise selben horizontalen Ebene liegt, in der die höchsten Kräfte auf die Anhängekupplung auftreten, nämlich die aufgrund der dynamischen Lasten in Fahrzeuglängsrichtung durch Beschleunigung oder Abbremsen des Zugfahrzeugs.
Der Punkt der Drehung der Querträgerhälfte, die durch Zug oder Schub auf den Kugelkopf der Anhängekupplung durch Elastizität der Bauteile entsteht, liegt damit im Zentrum der Lochschweißung. Die Lochschweißnaht selbst ist bei dieser Belastungssituation nur auf Torsion beansprucht.
Damit aber liegt mit der Lochschweißverbindung von Seiten- und Querträger nicht einfach eine alternative Befestigungsmethode vor, wie es die Beschwerdegegnerin behauptet, sondern die Gestaltung der erfindungsgemäßen Verbindung berücksichtigt die vorherrschende Belastung.
Die Kammer erachtet die Erkennung der geschilderten Belastungssituation und deren Begegnung in Form der Verbindung von Seiten- und Querträger einer Anhängekupplung mit einer Lochschweißung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
2.5 Eine derartige Lehre ist nämlich im von der Beschwerdegegnerin zitierten Stand der Technik nicht offenbart oder nahegelegt.
Keines der Dokumente D6, D9, D7, D11, D16 oder D36 geben einen Hinweis auf die Anwendung des beschriebenen Wirkungsprinzips:
2.5.1 Eine erste Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin geht von D9 aus. Dieses Dokument zeigt eine Retrofit-Anhängerkupplung gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1. Der dort offenbarte Querträger ist an die Seitenträger angeschweißt. Zur Stabilisierung werden weiterhin Verstärkungsplatten verwendet (34,36,44,46; reinforcement plates, gussets, vgl. Spalte 5, Zeilen 61 ff.). Von daher besteht für den Fachmann keine Veranlassung, diese Konstruktion zu verändern.
2.5.2 In den Dokumenten D7, D11, D16 und D36 ist ferner kein Hinweis enthalten, in D9 eine Lochschweißung im Sinne der Erfindung vorzusehen. So ist in Dokument D7 Lochschweißen überhaupt nicht erwähnt. So auch in Dokument D11. Die beiden obenliegenden Löcher des Querträgers 7 in D11 sind keine Lochschweißnähte. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt auf ein Lochschweißverfahren in D11, wie es die Einsprechende/Beschwerdegegnerin behauptet. Diese Löcher sind weder in den Figuren bezeichnet, noch in der Beschreibung erwähnt. Das Dokument D16 offenbart zwar ein Lochschweißverfahren zur Anwendung an der Fahrzeugkarosserie, allerdings ist es fraglich, ob der Fachmann D16 zu Rate zöge, da D16 die Lochschweißverbindung im Karosseriebau als vorteilhafthaft bei einem Fahrzeugaufprall, also bei Deformationen von Trägern der Karosserie darstellt. Ebenfalls erklärt D16 nicht den oben unter Punkt 2.4 beschriebenen Funktionsmechanismus.
Auch das Dokument D36 gibt keinen Hinweis auf die erfinderische Idee (siehe dazu unten, 2.5.4).
2.5.3 Die Einsprechende / Beschwerdegegnerin argumentiert, dass auch ausgehend von Dokument D6 der Gegenstand des Anspruchs 1 nahegelegt sei, insbesondere in Kombination mit Dokument D36. Dazu müsse lediglich die Schraubverbindung der Seitenteile 8 mit dem Querträger 6 durch eine Schweißverbindung ersetzt werden.
Aus Sicht der Kammer beruht diese Argumentationslinie auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Zunächst ist fraglich, woher der Fachmann die Motivation nehmen sollte, die Schraubkonstruktion gemäß D6 zu verändern: D6 lehrt, in bereits im Fahrzeug vorhandene Seitenträger zur Nachrüstung einer Anhängekupplung einen Querträger einzuschrauben. Diese Befestigungstechnik ist dort aus Sicht der Kammer bewusst gewählt worden und hat bei der Nachrüstung eines Trägers Vorteile gegenüber einer Schweißung im Karosseriebereich eines betriebsfertig ausgestatteten Fahrzeugs. Zum anderen widerspricht die Kammer auch dem Argument, dass die Löcher im Seitenteil direkt für die Lochschweißung verwendet werden könnten insofern, als dass der Querträger für eine Lochschweißung anders gestaltet sein müsste: dieser darf dann keine Löcher aufweisen.
2.5.4 Letztlich stellt die Kammer fest, dass auch in D36 das Prinzip der Krafteinleitung in die dort offenbarte Schweißnaht nicht dem des Streitpatents entspricht und somit nicht dessen prinzipielle Lehre offenbart. Der in D36 gezeigte Stoßfänger (ein sogenannter Biegeträger) ist auf seiner Rückseite in Fahrzeuglängsrichtung gesehen mit einer Lochschweißung am Fahrzeug befestigt. Somit ist bei der zu erwartenden Kraftbeanspruchung des Stoßfängers in Fahrzeuglängsrichtung die Lochschweißnaht in den außenliegenden Bereichen auf Zug beansprucht: es entsteht nämlich ein Hebel zwischen dem Angriffspunkt der Krafteinleitung auf den Stoßfänger und den Auflagepunkten des Stoßfängers an der Karosserie. Auf die Lochschweißnaht wirken in diesem Fall die Kräfte des kurzen Hebelarms zwischen jenen Auflagepunkten und der Lochschweißnaht, und zwar in Fahrzeuglängsrichtung. Wie oben ausgeführt, wird jedoch die erfindungsgemäße Lochschweißnaht in der Hauptbelastungsrichtung lediglich in der Ebene auf Torsion beansprucht, in der die Lochschweißnaht selbst liegt. Damit wirken bei Belastung der Anhängekupplung in Fahrzeuglängsrichtung erfindungsgemäß keine Hebelkräfte auf die Schweißnaht.
2.5.5 Aus den oben beschriebenen Gründen können auch D7, D11 und D16 nicht den Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von D6, nahelegen.
2.6 Die Einsprechende/Beschwerdegegnerin trägt weiter vor, dass die offenkundige Vorbenutzung, nachgewiesen u.a. durch Dokument D22, den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelege. Dort sei nämlich im Bereich der Kugelkopfaufnahme ein Loch (Oval) zu sehen, welches mittels einer Lochschweißverbindung an den Flanschen des Querträgers fixiert sei.
Selbst unterstellt, dass die von der Beschwerdegegnerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Behauptung, bei der ovalförmigen Linie im Bereich der Kugelkopfaufnahme handele es sich um eine Lochschweißnaht, sei korrekt, kann dies ebenfalls nicht die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage stellen. Insbesondere ist dem Dokument D22 nicht entnehmbar, zu welchem Zweck dort eine derartige Schweißverbindung vorgesehen ist, so dass der Fachmann nicht in der Lage ist, bei Betrachtung der Anhängekupplung gemäß der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung eine übertragbare Lehre zu ziehen. So könnte diese Lochschweißverbindung auch dazu dienen, die Kugelkopfaufnahme überhaupt mit einer Schweißverbindung mit den Flanschen des Querträgers zu verbinden, da die gemeinsamen Kanten von Kugelkopfaufnahme und Flansch nicht uneingeschränkt einem konventionellen Schweißwerkzeug zugänglich sind. Somit kann der Fachmann aus der Tatsache, dass im Bereich der Kugelkopfaufnahme eine Schweißverbindung vorgesehen ist, nicht eine auf allgemeine erfinderische Idee (siehe oben, 2.4) schließen.
2.7 Da die offenkundige Vorbenutzung, angeblich nachgewiesen durch das Dokument D22, nicht in der Lage ist, die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage zu stellen, kann es offen bleiben, ob die offenkundige Vorbenutzung einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ darstellt.
3. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 100 b) EPÜ.
3.1 Die Kammer schließt sich dabei nicht dem Vortrag der Einsprechenden / Beschwerdegegnerin an, die behauptet, der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei nicht ausführbar, da ein (einziges) Flanschteil, wie es durch den Wortlaut des Anspruchs 1 umfasst sei, nicht gleichzeitig auf dem Oberteil und dem Unterteil des Querträgers aufliegen könne. Der Fachmann, so die Beschwerdegegnerin, wisse nicht, wie das erfindungsgemäße Flanschteil aussehe.
Dazu stellt die Kammer fest, dass Anspruch 1 mindestens ein Flanschteil definiert und dieses - gemäß der Formulierung des Anspruchs 1 - auf dem Oberteil und/oder auf dem Unterteil aufliegt. Es ist dem Fachmann bei der Lektüre des Anspruchs unmittelbar klar, dass im Falle eines einzigen Flanschteils die ,,oder"-Variante des Anspruchs 1 gelten muss und bei zwei Flanschteilen die ,,und"-Variante.
Des Weiteren wird die Erfindung auch unmissverständlich und klar in der Beschreibung und den Figuren dargestellt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1a (jetzt Hauptantrag) wie heute eingereicht;
- Beschreibung: Spalten 1 bis 11 wie heute eingereicht;
- Figuren 1 bis 15 der Patentschrift.