T 0558/14 () of 12.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T055814.20180412
Datum der Entscheidung: 12 April 2018
Aktenzeichen: T 0558/14
Anmeldenummer: 07724419.2
IPC-Klasse: A61L 15/60
C08F 8/44
C08J 3/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HERSTELLUNG VON HOCHPERMEABLEN, SUPERABSORBIERENDEN POLYMERGEBILDEN
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 137(5)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Änderungen der Anmeldung
Änderungen - geänderte Ansprüche mit Bezug auf nicht recherchierte Gegenstände
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 22. August 2013, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07 724 419.2 zurückgewiesen wurde.

II. Die angefochtene Entscheidung bezog sich auf die Ansprüche wie eingereicht am 3. August 2011 vor der Prüfungsabteilung. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß des damaligen Hauptantrages lautet:

"1. Eine Superabsorberzusammensetzung, beinhaltend

- ein zumindest oberflächenvernetztes wasserabsorbierendes Polymergebilde mit einer Gebildeoberfläche,

- eine auf der Gebildeoberfläche mindestens teilweise immobilisierte Vielzahl von Feinstteilchen,

wobei die Feinstteilchen über einen Binder immobilisiert sind,

wobei der Binder als eine Binderhauptkomponente eine organische Verbindung beinhaltet,

wobei die organische Verbindung ein lineares Polymer ist,

wobei die organische Verbindung ein Polyalkylenglykol ist und

wobei die Feinstteilchen ein mindestens zweiwertiges Metallkation aufweisen."

III. In ihrer Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung festgestellt, dass der in den Ansprüchen beanspruchte Gegenstand nicht das Erfordernis der Einheitlichkeit erfüllte. Dies sei bereits bei der Recherche der Anmeldung beanstandet worden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch der damaligen Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchegebühren nicht nachgekommen, so dass nur die im Recherchebericht als erste genannte Erfindung recherchiert worden sei. In der Prüfungsphase sei die Beschwerdeführerin erneut auf den weiter bestehenden Mangel nach Artikel 82 EPÜ hingewiesen und aufgefordert worden, die Ansprüche auf die recherchierte erste Erfindung zu beschränken. Die mit Schriftsatz vom 3. August 2013 eingereichten Ansprüche gemäß damaligem Hauptantrag seien jedoch nicht auf die erste Erfindung beschränkt. Folglich sei die Anmeldung zurückzuweisen.

IV. Im Beschwerdeverfahren reichte die Beschwerdeführerin als Anhang zur Beschwerdebegründung vom 23. Dezember 2013 einen Hauptantrag, sowie drei Hilfsanträge ein. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12. April 2018 stellte sie klar, dass sie die mit Schriftsatz vom 3. August 2013 eingereichten Ansprüche, auf denen die angefochtene Entscheidung basierte, weiterhin als Hauptantrag verfolge und die im Anhang zur Beschwerdebegründung als "Hauptantrag" bezeichneten Ansprüche zurückziehe. Zusätzlich reichte sie einen weitern Hilfsantrag 4 ein.

a) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag basiert auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei die organische Verbindung, welche der Binder als Binderhauptkomponente enthält, zusätzlich durch "ein Gewichtsmittel des Molekulargewichts Mw in einem Bereich von 100 bis 1.000.000 g/mol" gekennzeichnet ist und "die Feinstteilchen ein mindestens dreiwertiges Metallkation aufweisen".

b) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 2. Hilfsantrag basiert auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, wobei die Feinstteilchen, die über einen Binder immobilisiert sind, zusätzlich dadurch gekennzeichnet sind, dass sie "bevorzugt einen mittleren Teilchendurchmesser von 200µm bis 400µm aufweisen" und die organische Verbindung, welche der Binder als Binderhauptkomponente enthält, zusätzlich dadurch gekennzeichnet ist, dass sie "bei 20°C ein Feststoff ist".

c) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 3. Hilfsantrag basiert auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 2. Hilfsantrag, wobei die Feinstteilchen zusätzlich dadurch gekennzeichnet werden, dass sie "organische oder anorganische Feinstteilchen" sind.

d) Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß 4. Hilfsantrag basiert auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, bei welchem das Merkmal "wobei die Feinstteilchen ein mindestens zweiwertiges Metallkation aufweisen" ersetzt wurde durch "wobei es sich bei dem auf der Gebildeoberfläche mindestens teilweise immobilisierten Feinstteilchen um ein organisches Feinstteilchen handelt".

V. Die Beschwerdeführerin brachte u.a. vor, dass die Ansprüche aller Anträge einheitlich seien, da die Feinstteilchen entweder organisch oder anorganisch sein könnten. Beide Möglichkeiten seien als miteinander zusammen hängend erkennbar.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patentes auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 24, eingereicht im Verfahren vor der Prüfungsabteilung mit Schreiben vom 3. August 2011 (Hauptantrag), oder hilfsweise auf der Grundlage des ersten, zweiten oder dritten Hilfsantrag (jeweils in der Fassung mit Kennzeichnung wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 23. Dezember 2013), oder weiter hilfsweise auf der Grundlage des Hilfsantrags 4, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 12. April 2018.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 12. April 2018 vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Die Prüfungsabteilung hatte in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Ansprüche nicht einheitlich im Sinne von Artikel 82 EPÜ seien. Da nur die im Recherchebericht als erste Erfindung bezeichnete Erfindung recherchiert worden sei, die Ansprüche gemäß Hauptantrag vom 3. August 2011 sich jedoch auf eine andere Erfindung bezögen, sei die Anmeldung zurückzuweisen.

2.2 Regel 137(5) EPÜ sieht vor, dass sich geänderte Patentansprüche nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen dürfen, die mit der ursprünglich beanspruchten Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind. Sie dürfen sich auch nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen.

2.3 Im vorliegenden Fall wurde während der Recherchephase die mangelnde Einheitlichkeit der Ansprüche (Artikel 82 EPÜ) gerügt und mangels Zahlung weiterer Recherchegebühren nur die im Recherchebericht als erste angegebene Erfindung recherchiert. Als erste Erfindung wurde dabei eine Superabsorberzusammensetzung gesehen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Feinstteilchen organische Feinstteilchen sind.

2.4 Im anschließenden Prüfungsverfahren wurde der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit weiter aufrechterhalten und die Anmelderin aufgefordert, die Ansprüche auf den im Recherchebericht als erste Erfindung genannten Gegenstand zu beschränken.

2.5 Die Ansprüche gemäß Hauptantrag vom 3. August 2011 beziehen sich jedoch auf Superabsorberzusammensetzungen, wobei die Feinstteilchen ein mindestens zweiwertiges Metallkation aufweisen. Die Ansprüche sind folglich nicht auf die erste Erfindung beschränkt und betreffen nicht recherchierte Gegenstände.

2.6 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Hauptantrag zurückzuweisen ist, da die Ansprüche nicht den Erfordernissen der Regel 137(5) EPÜ genügen.

3. Hilfsanträge 1 bis 3

3.1 Der Gegenstand der Ansprüche gemäß der Hilfsanträge 1 bis 3 bezieht sich auf Superabsorberzusammensetzungen, in welchen die Feinstteilchen ein mindestens dreiwertiges Metallkation aufweisen (Hilfsantrag 1), bevorzugt einen mittleren Teilchendurchmesser von 200µm bis 400µm aufweisen (Hilfsantrag 2), oder organische oder anorganische Feinstteilchen sind (Hilfsantrag 3). Somit ist auch im Falle der Hilfsanträge 1 bis 3 der dort beanspruchte Gegenstand nicht auf die recherchierte erste Erfindung, nämlich auf Superabsorberzusammensetzungen, in welchen die Feinstteilchen organische Feinstteilchen sind, beschränkt.

3.2 Daher ist die Kammer der Auffassung, dass auch die Hilfsanträge 1 bis 3 unter Regel 137(5) EPÜ nicht zulässig sind.

4. Hilfsantrag 4

4.1 Zu einem sehr späten Zeitpunkt des Verfahrens, nämlich während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, hat die Beschwerdeführerin erstmals den neuen Hilfsantrag 4 vorgelegt. Es bleibt daher zu entscheiden, ob die Kammer unter Artikel 12 und 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) diesen Hilfsantrag in das Beschwerdeverfahren zulassen kann.

4.2 Gemäß Artikel 12(4) VOBK hat die Kammer die Befugnis, Anträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, die schon durch den Verlauf des Verfahrens in der ersten Instanz veranlasst gewesen wären.

4.3 Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin bereits zu Beginn des Prüfungsverfahrens in einer schriftlichen Mitteilung vom 24. Januar 2011 darauf hingewiesen worden, dass die damals vorliegenden Ansprüche mehrere Erfindungen beinhalte (Artikel 82 EPÜ) und die Recherche nur für die im Recherchebericht als erste genannte Erfindung durchgeführt worden sei. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, ihre Ansprüche auf die recherchierte Erfindung beschränken, damit hierfür eine Sachprüfung durchgeführt werden könne. Daher war der Beschwerdeführerin von Beginn des Prüfungsverfahrens klar, welche Einwände gegen die Anmeldung vorlägen und wie diese zu beheben seien.

4.4 Die Beschwerdeführerin hat jedoch ohne Angabe von weiteren Gründen diese Handlung, nämlich die Beschränkung auf "organische Feinstteilchen", erstmals durch Vorlage des Hilfsantrages 4 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nachgeholt.

4.5 Da diese Handlung in jedem Falle schon zu Beginn des Prüfungsverfahrens angezeigt und auch angefordert war, ist eine erstmalige Vorlage am Ende des Beschwerdeverfahrens in jedem Fall verspätet. Daher übt die Kammer ihr Ermessen pflichtgemäß dahingehend aus, den verspätet eingereichten Hilfsantrag 4 nicht in das Verfahren vor der Kammer zuzulassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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