T 0501/14 () of 15.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T050114.20190515
Datum der Entscheidung: 15 Mai 2019
Aktenzeichen: T 0501/14
Anmeldenummer: 05790091.2
IPC-Klasse: H02K 1/18
H02K 1/27
H02K 15/00
H02K 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Generator/Elektromotor, insbesondere für die Verwendung an Windkraftanlagen, Seilzuganlagen oder hydraulischen Anlagen
Name des Anmelders: WINDFIN B.V.
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (ja)
Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 792 381 zurückgewiesen worden ist.

Die Einspruchsabteilung war unter anderem zu dem Schluss gelangt, dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe, da das strittige Merkmal "durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte ... unterteilt" zumindest implizit offenbart sei.

II. In einer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass aller Voraussicht nach und in Abkehr von der Auffassung der Einspruchsabteilung, der Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegenstehe, da die ursprüngliche Offenbarung, wonach der Rotor und der Stator in Axialrichtung in einzelne Sektoren in Segmente unterteilt seien, entfernt worden und durch etwas anderes ersetzt worden sei, nämlich durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte abschließend, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 15. April 2019, aufrecht zu erhalten.

V. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Mai 2019 vor der Kammer statt.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet:

"Generator/Elektromotor, insbesondere für die Verwendung an Windkraftanlagen, Seilzuganlagen oder hydraulischen Anlagen, umfassend ein Lager, einen am Lager festliegenden Ringstator (3), einen gegenüber dem Stator (3) umlaufenden Rotor (2), und mit dem Rotor (2) verbundene Betätigungsmittel, Permanentmagnete und Wicklungen, die jeweils an gegenüberliegenden Flachen [sic] des Stators (3) und des Rotors (2) angeordnet sind; wobei der Rotor (2) und der Stator (3) durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte in einzelne Sektoren (4, 5) unterteilt sind, die aneinander anliegend angeordnet sind; wobei jeder Sektor (4) des Sektors (3) eine Wicklung (6) umfasst, wobei die Wicklungen (6) als Einzelwicklungen in der Form von Zahnspulen ausgeführt sind; und wobei jeder Sektor (5) des Rotors (2) mindestens einen Permanentmagneten (7) umfasst;

dadurch gekennzeichnet dass

jeder Sektor (4, 5) verschiebbar ist um einen einzelnen Sektor (4, 5) in Axialrichtung einzubringen oder auszuziehen, und dass der mindestens eine Permanentmagnet (7) und die Wicklung (6) jeweils an einer Basis angeordnet sind, die mit einem schwalbenschwanzförmigen Profil versehen ist, das in einem Fenster des Statorenrings/Rotorenrings eingreift; und der Rotor ein Rotorring (2) ist und einem [sic] Rohrring (9) aufweist."

VII. Im unabhängigen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag neben einigen sprachlichen Korrekturen das Merkmal "in Axialrichtung verlaufende Schnitte" ersetzt durch "in Axialrichtung verlaufende radialgerichtete Schnitte".

VIII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die ursprünglich offenbarte Unterteilung in Axialrichtung erfordere Schnitte senkrecht zur Axialrichtung und nicht in Axialrichtung.

Das strittige Merkmal "in Axialrichtung verlaufende Schnitte" des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei den ursprünglich eingereichten Unterlagen weder im Beschreibungstext noch ausgehend von den Figuren zu entnehmen. Die Figur 1 zeige die Axialrichtung lediglich als Punkt. Die in der Figur 1 gezeigten Begrenzungslinien verliefen zudem allesamt durch den in Figur 1 eingezeichneten Mittelpunkt, d.h. durch die Achse des Generators/Elektromotors. Das strittige Anspruchsmerkmal sei jedoch nicht entsprechend eingeschränkt, sodass auch Schnitte geschützt seien, welche nicht durch den Mittelpunkt verliefen.

Die im Hilfsantrag 1 durchgeführten Änderungen seien prima facie nicht geeignet, die gegen den Hauptantrag vorgebrachten Einwände zu überwinden.

IX. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Begriff Sektor sei im Bereich der elektrischen Maschinen ein Fachbegriff und stets als Kreissektor zu verstehen, wie sich beispielsweise aus E3, Spalte 4, Zeile 24 ergebe. Daraus folge, dass Kreissektoren für den Rotor und den Stator ursprünglich offenbart gewesen seien. Kreissektoren seien bekanntermaßen durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte unterteilt.

Zudem führe die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Interpretation des strittigen Merkmals "in Axialrichtung in Sektoren unterteilt" zu einem nicht oder schlecht funktionierenden Generator/Elektromotor.

Die durchgeführte Änderung stelle folglich keinen Verstoß gegen Artikel 100 c) EPÜ dar.

Die im Hilfsantrag 1 durchgeführte Einschränkung diene dazu, die Sektoren präziser zu definieren und den von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwand zu überwinden, die anspruchsgemäßen Schnitte würden nicht durch den Mittelpunkt des Rotors bzw. des Stators verlaufen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ist daher zulässig.

2. Hauptantrag (Artikel 100 c) EPÜ)

Der erteilte Anspruch 1 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Im erteilten Anspruch befindet sich das Merkmal, dass "der Rotor (2) und der Stator (3) durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte in einzelne Sektoren (4, 5) unterteilt sind."

Dieses Merkmal dürfte durch Änderung insbesondere aus dem im ursprünglichen Anspruch 1 offenbarten und beanspruchten Merkmal hervorgegangen sein, dass "der Rotor (2) und der Stator (3) in Axialrichtung in einzelne Sektoren in Segmente (4, 5) unterteilt sind". Das ursprünglich offenbarte Merkmal ist im erteilten Anspruch 1 folglich ersetzt worden.

Die von der Beschwerdegegnerin behauptete ausschließlich denkbare Lesweise von Sektoren als Kreissektoren überzeugen die Kammer nicht.

Im Bereich elektrischer Maschinen gibt es keine ausschließliche Bedeutung eines Sektors als Kreissektor bzw. Kreisringsektor. Zwar sind die Sektoren gemäß Dokument E3 zweifelsfrei Kreissektoren. Dies ergibt sich jedoch in E3 nicht aus der Tatsache, dass Sektoren im Bereich elektrischer Maschinen stets als Kreissektoren aufzufassen sind, sondern durch explizite Definition in E3 in Spalte 4, Zeilen 22 bis 25, wonach "diese Segmente ... durch eine Unterteilung eines Kreises in Umfangsrichtung in eine Vielzahl von Kreissektoren entstanden sind.". Die von der Beschwerdegegnerin herangezogene Stelle in E3 ist somit ungeeignet um nachzuweisen, dass Sektoren im Bereich der elektrischen Maschinen stets Kreissektoren sind.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, eine elektrische Maschine mit in Axialrichtung unterteilten Sektoren würde nicht oder schlecht funktionieren, überzeugt die Kammer ebenso wenig.

Die Art der elektrischen Maschine ist in Anspruch 1 nicht definiert. Daher spricht insbesondere in Abwesenheit sonstiger widersprüchlicher Merkmale der in Anspruch 1 beanspruchten elektrischen Maschine nichts gegen eine Unterteilung der elektrischen Maschine in Axialrichtung.

Sogar wenn der Argumentation der Beschwerdegegnerin gefolgt würde, bedeutet dies nicht, dass das Merkmal, wonach die Sektoren in Axialrichtung unterteilt sind, einfach weggelassen werden dürfte.

Zur Beantwortung der Frage, ob der Anspruch 1 gegen Artikel 100 c) EPÜ verstößt, kommt es auch nicht darauf an, ob der Fachmann der Ansicht ist, der ursprünglich offenbarte Gegenstand würde nicht gut genug funktionieren, sondern lediglich darauf, ob die durchgeführte Änderung durch den Fachmann den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig entnommen werden kann.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die ursprüngliche Formulierung betrifft eine Unterteilung der Sektoren in Axialrichtung (vgl. Anspruch 1 sowie Seite 2, 3. Absatz der Beschreibung). Nach der Änderung ist eine Unterteilung durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte definiert, d.h. eine Unterteilung der Sektoren in Umfangsrichtung, also senkrecht zur ursprünglich beschriebenen Axialrichtung. Eine derartige Unterteilung sagt nichts mehr darüber aus, ob die Sektoren in Axialrichtung unterteilt sind. Die ursprüngliche Offenbarung (die Sektoren sind in Axialrichtung unterteilt) ist daher entfernt und durch etwas anderes (die Sektoren werden durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte unterteilt) ersetzt worden.

Die ursprünglich eingereichte Fassung offenbart explizit eine Unterteilung der Sektoren in Axialrichtung. An keiner Stelle offenbart die ursprünglich eingereichte Fassung einen Generator/Elektromotor ohne Unterteilung der Sektoren in Axialrichtung. Daher geht bereits das Entfernen des auf die Unterteilung in Axialrichtung gerichteten Merkmals über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Die Kammer ist folglich zu der Auffassung gelangt, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

3. Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 (Artikel 13 (1) VOBK)

Der Hilfsantrag 1 ist nur einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht worden. Seine Zulassung ins Verfahren liegt daher nach Artikel 13(1) VOBK im Ermessen der Kammer.

Die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzugefügte Einschränkung, dass die in Axialrichtung verlaufenden Schnitte "radialgerichtet" sind, dient augenscheinlich dazu, den Einwand der Beschwerdeführerin zu überwinden, dass die in Axialrichtung verlaufenden Schnitte gemäß Hauptantrag nicht durch den Mittelpunkt des Rotors oder Stators verlaufen müssen.

Die Einwände unter Artikel 100 c) EPÜ gegen den Hauptantrag waren nicht überraschend, da sie schon im Einspruchsverfahren vorgetragen worden waren.

Die im Hilfsantrag 1 durchgeführte Änderung überwindet zudem prima facie die Einwände gegen den Hauptantrag nicht, da auch im Hilfsantrag 1 das Merkmal fehlt, dass die Sektoren in Axialrichtung unterteilt sind. Zudem wird weiterhin der nicht offenbarte Zusatz, dass die Sektoren durch in Axialrichtung verlaufende Schnitte unterteilt werden beansprucht. Der Zusatz "radialgerichtet" ändert an der fehlenden Offenbarung einer solchen Sektorenunterteilung nichts. Daher ist der Hilfsantrag 1 prima facie nicht gewährbar.

Die Kammer übte folglich ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den Hilfsantrag 1 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

4. Schlussfolgerung

Da kein gewährbarer Antrag der Beschwerdegegnerin vorliegt, gibt die Kammer dem Antrag der Beschwerdeführerin statt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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