T 0391/14 () of 19.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T039114.20180719
Datum der Entscheidung: 19 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0391/14
Anmeldenummer: 08832467.8
IPC-Klasse: A61L 15/46
A61L 15/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BIORESORBIERBARER GELATINEVLIESSTOFF
Name des Anmelders: Carl Freudenberg KG
Name des Einsprechenden: Schill + Seilacher GmbH
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
Schlagwörter: Hauptantrag - Zulassung neuer Einspruchsgründe - nein
Ausreichend Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. Dezember 2013, mit welcher das Europäische Patent Nr. 2 190 490 in geänderter Fassung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als Hilfsantrag 1 gestellten Antrags (eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 4. Oktober 2013) aufrecht erhalten worden war.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß damaligem Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:

"1. Rotationsspinnverfahren zur Herstellung eines Vliesstoffs, umfassend Fasern aus einem Faserrohmaterial, welches Gelatine aufweist, wobei die Fasern ausschließlich aus Gelatine oder Derivaten der Gelatine gefertigt sind, wobei die Fasern mit einem antimikrobiell wirksamen Stoff und/oder einem Antibiotikum ausgerüstet sind, wobei das Faserrohmaterial in ein Behältnis gegeben wird, wobei das Behältnis in Rotation versetzt wird und wobei das fluidisierte Faserrohmaterial durch Zentripetalkräfte aus dem Behältnis in Form von Fasern ausgetragen wird, dadurch gekennzeichnet, dass der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum homogen in der Faser verteilt ist."

II. In ihrer Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung u.a. auf die Druckschriften

(1) DE 10 2005 048 939 A,

(2) WO 02/43743 A,

(3) US 2004/0001880,

(5) CN 1 270 240 A (als Maschinenübersetzung in Englisch)

(6) WO 00/67694,

sowie auf die mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 eingereichten Vergleichsversuche, bezeichnet als Dokument (8).

III. In ihrer Begründung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass die verspätet vorgebrachten Einwände der fehlenden Neuheit und der unzulässigen Erweiterung im Sinne des Artikels 100 c) EPÜ prima facie nicht relevant seien und folglich nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen wurden. Der Gegenstand des damaligen ersten Hilfsantrages sei ausführbar im Sinne des Artikels 83 EPÜ, weshalb der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreife. Ausgehend von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe es nicht nahegelegen, ein Rotationsspinnverfahren zur Herstellung von Vliesstoffen einzusetzen, die eine gleichmäßige Abgabe eines antimikrobiell wirksamen Stoffes oder eines Antibiotikums über einen längeren Zeitraum dadurch gewährleisteten, dass der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum homogen in der Faser verteilt ist.

IV. In ihrer Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdeführerin ihre Einwände in Bezug auf Artikel 100 b) und c) EPÜ. Sie bemängelte die Neuheit des beanspruchten Verfahrens in Bezug auf die Druckschrift (6), sowie die neu eingereichte Druckschrift

(12) CN 196 1974 A (als (12a) in Form einer Übersetzung in Englisch).

Ausgehend von den Druckschriften (1), (5) oder (12) als nächstliegendem Stand der Technik betreffe das Streitpatent lediglich ein bereits durch den Stand der Technik nahegelegtes alternatives Verfahren.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Einspruchsgründe betreffend die unzulässige Erweiterung unter Artikel 100 c) EPÜ, sowie die fehlende Neuheit unter Artikel 100 a) EPÜ nicht in das Verfahren vor der Kammer zuzulassen. Sie brachte ihre Gegenargumente zur Ausführbarkeit, sowie zur erfinderischen Tätigkeit vor. Zusammen mit ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung reichte sie die Hilfsanträge I bis IV ein.

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 190 490.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis IV, alle Hilfsanträge wie eingereicht mit Schriftsatz vom 20. August 2014.

Weiterhin beantragte sie, das verspätete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in das Verfahren vor der Kammer zuzulassen, insbesondere die neuen Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 EPÜ), der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ, sowie die Druckschriften (7) und (12).

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 19. Juli 2018 wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verspätete Einspruchsgründe

2.1 In ihrer Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin Einwände in Bezug auf eine unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ), sowie der fehlenden Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ) gegenüber der Druckschrift (6) und der neu eingereichten Druckschrift (12) vorgetragen. Die Einwände der unzulässigen Erweiterung und der fehlenden Neuheit gegenüber Druckschrift (6) wurden bereits während des Einspruchsverfahrens vorgetragen.

2.2 Die Einspruchsabteilung hatte in der damaligen mündlichen Verhandlung festgestellt, dass beide Einwände nicht innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemacht worden waren und damit verspätet seien. Nach einer Diskussion der Relevanz der jeweiligen Einspruchsgründe entschied die Einspruchsabteilung, dass diese Einwände prima facie nicht relevant seien und folglich unter Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen werden. Damit sind sie zunächst auch nicht Bestandteil des Beschwerdeverfahrens.

2.3 Im Beschwerdeverfahren hatte die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass die Einspruchsabteilung bei der Diskussion der verspätet vorgetragenen Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit unter Artikel 100 a) EPÜ und der unzulässigen Änderungen unter Artikel 100 c) EPÜ bei genauer Prüfung der Relevanz zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, nämlich dass die Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit und der unzulässigen Erweiterung durchgreifen. Sie hatte jedoch nicht vorgetragen, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Artikel 114(2) EPÜ nicht korrekt ausgeübt habe. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie den Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ nicht aufrechterhalte.

2.4 Der Neuheitseinwand der Beschwerdeführerin ist daher nicht darauf gerichtet, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, sondern er greift deren Entscheidung in sachlicher Weise an. Damit stellt der Einwand lediglich einen weiteren Versuch dar, die neuen Einspruchsgründe verspätet in das Beschwerdeverfahren einzuführen.

2.5 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann ein neuer Einspruchsgrund nur mit Zustimmung der Patentinhaberin in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. (siehe G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Punkt 18 der Entscheidungsgründe). Die Patentinhaberin hat hierzu ausdrücklich ihre Zustimmung verweigert.

2.6 Aus diesen Gründen werden die Einwände der unzulässigen Erweiterung im Sinne des Artikels 100 c) EPÜ und der fehlenden Neuheit von der Kammer nicht untersucht.

Hauptantrag

3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

3.1 Die Beschwerdeführerin hatte im schriftlichen Beschwerdeverfahren gerügt, dass die Ansprüche gemäß Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllten. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat sie diesen Einwand ausdrücklich nicht mehr weiter verfolgt.

3.2 Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, diesen Einwand zu untersuchen, zumal die vorgenommenen Änderungen lediglich in einer Kombination erteilter Ansprüche bestanden.

4. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

4.1 Die Beschwerdeführerin hatte gerügt, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht ausführbar sei. Insbesondere sei im Streitpatent kein Weg zur Ausführung angegeben. Darüber hinaus sei der Anspruch sehr breit abgefasst und der Fachmann könne das Verfahren nicht im gesamten Schutzbereich ausführen. Der Fachmann wisse daher nicht, wann er innerhalb, bzw. außerhalb des Schutzbereiches der Ansprüche arbeite.

4.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes betrifft ein Rotationsspinnverfahren zur Herstellung eines Vliesstoffs, der Gelatinefasern umfasst, wobei in den Fasern ein antimikrobiell wirksamer Stoff und/oder ein Antibiotikum homogen verteilt ist. Dabei wird gemäß Anspruch 1 das Faserrohmaterial in ein Behältnis gegeben, das Behältnis in Rotation versetzt und das fluidisierte Faserrohmaterial durch Zentripetalkräfte aus dem Behältnis in Form von Fasern ausgetragen.

Aus seinem Fachwissen weiß der Fachmann, dass er bereits dem Faserrohmaterial einen antimikrobiell wirksamen Stoff und/oder ein Antibiotikum zusetzen muss, um eine homogene Verteilung des Wirkstoffs in der im Rotationsspinnverfahren ausgetragenen Faser zu erreichen. Dies ist auch aus den Ausführungsbeispielen 1 und 2 des Streitpatentes ersichtlich. Die gewünschte Dicke der Faser kann beispielsweise durch Einstellen der Viskosität des fluidisierten Faserrohmaterials oder durch die Rotationsgeschwindigkeit beim Verspinnen erzielt werden.

4.3 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass das Streitpatent nur die Herstellung von Fasern betreffe, nicht jedoch die Herstellung eines Vliesstoffes.

Indessen ist festzustellen, dass der Fachmann weiß, dass beim Rotationsspinnverfahren zunächst Fasern ausgetragen werden, die, wie hier im Falle von Gelatine, noch klebrig sind. Die Herstellung eines Vliesstoffes geschieht bei der Abscheidung der hergestellten Fasern, oder wenn diese überlappen und schließlich zu einem Vliesstoff vernetzen. Das Argument der Beschwerdeführerin kann somit nicht durchgreifen.

4.4 Die Beschwerdeführerin brachte weiter vor, dass das Streitpatent ebenfalls das Verspinnen des Faserrohmaterials in Anwesenheit eines elektrischen Feldes beschreibe und folglich auch ein Elektrospinnverfahren umfasse. Der Fachmann wisse jedoch, dass beim Elektrospinnverfahren eine Entmischung des Faserrohmaterials auftrete, so dass eine Faser resultiere, in welcher der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum nicht homogen verteilt sei, sondern auf der Oberfläche der Faser abgeschieden werde.

Indessen ist festzustellen, dass das Streitpatent eine Potentialdifferenz zwischen dem Behältnis, aus dem das Faserrohmaterial versponnen wird, und der Ablageeinrichtung vorsieht, um elektrostatisch aufgeladene Vliesstoffe zu erhalten. Dies entspricht jedoch nicht einem Elektrospinnverfahren, bei welchem ein hohes elektrisches Feld eingesetzt wird, um eine höhere Austrittsgeschwindigkeit des Faserrohmaterials mit geringeren resultierenden Faserdicken zu erreichen. Daher kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.

4.5 Die Beschwerdeführerin rügte, dass das Streitpatent in den Ausführungsbeispielen nur Vliesstoffe mit Gelatinefasern zeige, während die offene Formulierung von Anspruch 1 auch die Anwesenheit von anderen Fasern erlaube. Daher könne der Anspruch nicht in seiner gesamten Breite ausgeführt werden.

Indessen hat die Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass die Herstellung eines Vliesstoffes mit Fasern auf Basis von Gelatine und zusätzlichen weiteren Fasern nicht möglich ist. Die Verwendung von weiteren Fasern liegt jedoch in der üblichen Routine des Fachmanns, dem ein gewisses Maß an Versuchen zuzumuten ist. Damit kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.

4.6 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass auch die Oberflächenbeschichtung einer Faser eine homogene Verteilung darstelle. Der Fachmann wisse daher nicht, wann er innerhalb, bzw. außerhalb des Schutzbereiches der Ansprüche arbeite.

Indessen ist festzustellen, dass das Merkmal des Anspruchs 1, wonach der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum homogen in der Faser verteilt ist, dem Fachmann eine klare Unterscheidung von solchen Fasern erlaubt, bei welchen der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum auf der Faser verteilt ist. Darüber hinaus ist die Frage, ob der Fachmann weiß, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereiches arbeitet, keine Frage der ausreichenden Offenbarung, sondern vielmehr eine Angelegenheit des Artikels 84 EPÜ. Damit kann auch dieses Argument nicht durchgreifen.

4.7 Aufgrund der vorstehend genannten Überlegungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausführbar ist. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ greift daher nicht durch.

5. Zulassung der Druckschrift (12) Die Beschwerdeführerin hatte zusammen mit ihrer Beschwerdeschrift die Druckschrift (12) eingereicht. Diese Druckschrift stelle ihrer Auffassung nach eine neuheitsschädliche Offenbarung dar und sei möglicherweise in der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit der nächstliegende Stand der Technik. Die Beschwerdegegnerin hatte beantragt, diese Druckschrift nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Da die Kammer den Einwand der fehlenden Neuheit nicht untersucht (siehe Punkt 2.6 supra) wird die Relevanz der Druckschrift (12) nur im Hinblick auf ihre Relevanz für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit untersucht. Druckschrift (12) offenbart ein Verfahren zur Herstellung einer Fasermembran mit Gelatine enthaltenden Fasern, welche mithilfe des Elektrospinnverfahrens hergestellt werden. Zur Herstellung der Fasern können auch antibiotisch wirksame Stoffe eingesetzt werden. Aus der Offenbarung der Druckschrift (12) ist jedoch prima facie nicht erkennbar, ob die antibiotischen Wirkstoffe homogen in den Fasern verteilt vorliegen. Da die im Einspruchsverfahren eingereichte Druckschrift (6) ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung von antibiotisch ausgerüsteten gelatinehaltigen Fasern mittels des Elektrospinnverfahrens offenbart, ist die Kammer der Auffassung, das der Offenbarungsgehalt der Druckschrift (12) nicht über denjenigen der Druckschrift (6) hinausgeht. Daher wird die Druckschrift (12) unter Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Verfahren vor der Kammer zugelassen. | |

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 richtet sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Vliesstoffes, wobei die Herstellung durch ein Rotationsspinnverfahren erfolgt. Ein ähnliches Verfahren ist bereits in Druckschrift (1) beschrieben. Die Beschwerdeführerin zog als möglichen nächstliegenden Stand der Technik auch die Druckschrift (5) heran.

6.1.1 Druckschrift (1) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Fasern aus Gelatine durch das Rotationsspinnverfahren (siehe Druckschrift (1), Anspruch 21 und Paragraph [0027]). Die Fasern lassen sich im Hinblick auf ihre Gewebestruktur und ihre stoffliche Zusammensetzung gut modifizieren und können zu flächigen Faserstrukturen angeordnet werden, die sich als Wundverbände eignen (Ansprüche 23 und 27; Paragraph [0043]).

6.1.2 Druckschrift (5) offenbart ein blutstillendes medizinisches Fasermaterial auf Basis einer Mischung von Gelatine und Polyvinylpyrrolidon, welches durch ein Rotationsspinnverfahren hergestellt wird. Den Fasern kann Natriumalginat zugegeben werden (Ansprüche; Übersetzung Seite 39, Zeilen 4 bis 9 von unten).

6.1.3 In den beiden Druckschriften (1) und (5) fehlt die Information, dass ein antimikrobiell wirksamer Stoff und/oder ein Antibiotikum vorhanden ist, welcher homogen in der Faser verteilt ist. Da die Druckschrift (1) jedoch mehr zusätzliche technische Details enthält, die mit dem Gegenstand des Streitpatentes übereinstimmen, ist die Kammer der Auffassung, dass die Offenbarung der Druckschrift(1) dem Gegenstand des Streitpatentes näher kommt, als Druckschrift (5). Im Folgenden geht die Kammer daher nur von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus.

6.2 Nach Angabe der Beschwerdegegnerin bestand ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe des Streitpatentes darin, ein Verfahren zur Herstellung eines Vliesstoffes bereitzustellen, wobei der hergestellte Vliesstoff mit einem antimikrobiell wirksamen Stoff und/oder einem Antibiotikum ausgerüstet ist, welches über einen längeren Zeitraum gleichmäßig abgegeben wird.

6.3 Zur Lösung dieser Aufgabe bietet das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 an, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das Verfahren so durchgeführt wird, dass in der ausgetragenen Faser der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum homogen in der Faser verteilt ist.

6.4 Aus den im Einspruchsverfahren eingereichten Versuchen der Beschwerdegegnerin, bezeichnet als Dokument (8), geht hervor, dass ein nach dem beanspruchten Herstellungsverfahren hergestellter Vliesstoff den in den Fasern enthaltenen Wirkstoff langsam und gleichmäßig freisetzt, während man bei einem Vliesstoff, dessen Fasern durch Imprägnieren mit der gleichen Menge an Wirkstoff ausgerüstet waren, eine rasche Freisetzung des gesamten Wirkstoffs innerhalb kurzer Zeit beobachtete.

6.5 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffs über einen längeren Zeitraum nicht belegt sei, da die Freisetzungsrate auch durch den Vernetzungsgrad der Gelatine beeinflusst werde.

Indessen ist festzustellen, dass die Versuche in Dokument (8) die gleichen Gelatinerohstoffe verwenden und die Faserherstellung mit den gleichen Verfahrensparametern erfolgt. Daher sind die in den Versuchen beobachteten unterschiedlichen Freisetzungsraten auf die Verteilung des Wirkstoffes in oder auf den Fasern zurückzuführen. Das Argument der Beschwerdeführerin steht dazu nicht im Widerspruch, sondern bezieht sich auf die Auflösungsrate der Gelatinefasern, die durch den Vernetzungsgrad weiter modifiziert werden kann. Daher kann das Argument der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen.

Die Kammer kommt daher zu der Auffassung, dass in dem mit dem Verfahren des Anspruchs hergestellten Vliesstoff der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum tatsächlich homogen in der Faser verteilt ist und die in Paragraph 6.2 supra genannte technische Aufgabe erfolgreich gelöst wurde.

6.6 Es bleibt daher zu untersuchen, ob die gemäß Streitpatent angebotene Lösung im Stand der Technik nahegelegt war.

6.7 In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf die Druckschriften (2), (3) und (6).

6.7.1 Die Druckschriften (2) und (3) offenbaren antimikrobielle Materialien, die durch Inkubation eines polymeren Materials mit einer Silber-enthaltenden Lösung erhalten werden (siehe Druckschriften (2) und (3), Anspruch 1, Druckschrift (2), Seite 5, Zeile 22). Die Liste der möglichen Materialien offenbart auch Gelatine (Druckschrift (2), Anspruch 10; Druckschrift (3), Anspruch 3). Druckschrift (3) offenbart, dass die antimikrobiell ausgerüsteten Materialien eine hohe Konzentration an Silber über einen längeren Zeitraum gewährleisten (Paragraph [0044] bis [0045]).

Die Druckschriften (2) und (3) betreffen jedoch nicht ein Verfahren zur Herstellung eines Vliesstoffes durch ein Rotationsspinnverfahren. Auch eine homogene Verteilung des antimikrobiellen Stoffes, hier Silberionen, in den aus dem Verfahren resultierenden Fasern ist nicht angeregt, sondern die beiden Druckschriften beschreiben eine Imprägnierung der Fasern. Daher kann die Lehre der Druckschriften (2) und (3) nicht zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe beitragen.

6.7.2 Druckschrift (6) betrifft Fasergebilde, die eine rasche Abgabe definierter Mengen an aktiven Wirkstoffen auf nassen Oberflächen (Mund oder Wundoberfläche) gewährleisten (Seite 4, Zeilen 11 bis 18). Die Herstellung des Fasergebildes erfolgt durch ein Elektrospinnverfahren, wobei das Faserrohmaterial in Gegenwart eines aktiven Wirkstoffes in in einem starken elektrischen Feld zu Fasern versponnen werden kann (siehe Ansprüche 1, 6, und 9). Die Liste von möglichen aktiven Wirkstoffen nennt auch Antibiotika (siehe Seite 23, Zeile 26).

Das Ziel der Druckschrift (6) ist jedoch eine rasche Auflösung des Fasergebildes unter Freisetzung einer definierten Menge an Wirkstoff, wohingegen im Streitpatent eine gleichmäßige Wirkstoffabgabe über einen längeren Zeitraum gewünscht ist. Druckschrift (6) gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Wirkstoff homogen in den Fasern des Fasergebildes vorliegt. Folglich kann auch diese Druckschrift dem Fachmann keinen Hinweis auf die Lösung der in Paragraph 6.2 supra definierten technischen Aufgabe liefern.

6.7.3 Da die Druckschriften (2), (3) und (6) dem Fachmann keine Hinweise auf die Lösung der technischen Aufgabe geben, war es für den Fachmann nicht naheliegend, ausgehend von der Druckschrift (1) ein Rotationsspinnverfahren zur Herstellung eines Vliesstoffes aus Gelatine bereitzustellen, in welchem das Verfahren so durchgeführt wird, dass in der ausgetragenen Faser der antimikrobiell wirksame Stoff und/oder das Antibiotikum homogen in der Faser verteilt ist.

7. Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer daher zu der Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 15, sowie der Ansprüche 16 und 17, betreffend die Verwendung des mit dem Verfahren nach Anspruch 1 hergestellten Vliesstoffes, wird von derjenigen des Anspruchs 1 getragen.

8. Da der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin gewährbar ist, ist über die nachrangigen Hilfsanträge nicht zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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