T 0375/14 () of 29.11.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T037514.20171129
Datum der Entscheidung: 29 November 2017
Aktenzeichen: T 0375/14
Anmeldenummer: 02726228.6
IPC-Klasse: C08G 18/10
C08G 18/42
C08G 18/76
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ZELLIGE POLYISOCYANAT-POLYADDITIONSPRODUKTE
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Huntsman International LLC
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 80
European Patent Convention R 139
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - (nein)
Berichtigung von Mängeln - sofort erkennbar, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte (nein)
Anträge mit der Beschwerdebegründung eingereicht - berücksichtigt
Erweiterung des Schutzumfangs
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 379 568 widerrufen wurde. Der Entscheidung lagen ein Hauptantrag und sieben Hilfsanträge zu Grunde.

II. Anspruch 1 des Patents lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten durch Umsetzung von (a) Isocyanaten mit (b) gegenüber Isocyanaten reaktiven Verbindungen sowie (d) Wasser, dadurch gekennzeichnet, daß man als (b) einen Polyester mit 2 Hydroxylgruppen einsetzt basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methyl-propan-1,3-diol."

III. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, betreffen den Hauptantrag und die Hilfsanträge 2, 3 und 7. Sie können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag unterscheide sich von der erteilten Fassung des Streitpatents lediglich dadurch, dass eine Passage aus der Beschreibung, die im Erteilungsverfahren durchgestrichen worden sei, wieder aufgenommen worden sei. Dieser Antrag, der als Reaktion auf neue Argumente der Einsprechenden hinsichtlich mangelnder Ausführbarkeit der Erfindung eingereicht worden sei, erfülle die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ und sei ins Verfahren zuzulassen. Die Auslegung des Begriffes "basierend auf" im erteilten Anspruch 1 sei aber durch das Entfernen dieser Passage aus der Beschreibung beeinflusst worden. Somit sei es nicht zweifelsfrei erwiesen, dass die in der genannten Passage beschriebenen bevorzugten Ausführungsformen unter den Schutzbereich des Streitpatent fallen würden. Der Hauptantrag erfülle somit nicht die Kriterien des Artikels 123(3) EPÜ. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definiere, dass der Polyester mit 2 Hydroxylgruppen auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit einem Gemisch (i) enthaltend 0 bis 90 Gew.-% Butan-1,4-diol, Pentan-1,5-diol und/oder Hexan-1,6-diol und 10 bis 100 Gew.-% 2-Methyl-propan-1,3-diol basiere. Somit erfülle dieser Antrag, der ins Verfahren zugelassen worden sei, auch nicht die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ. Der Hilfsantrag 3, d.h. die Zurückweisung des Einspruchs, sei ins Verfahren zugelassen worden. Die Ausführbarkeit der Erfindung gemäß der erteilten Fassung sei gegeben, aber ausgehend von D4 (DE 3614038 A1) als nächstliegendem Stand der Technik fehle es an einer erfinderischen Tätigkeit. Es sei für den Fachmann im Hinblick auf D1 (US 4,639,471), das sich wie D4 mit der Herstellung von Polyurethanen auf Basis von Polyesterpolyolen mit einer verbesserten Hydrolysestabilität und einer verbesserten Kälteflexibilität bei niedriger Temperatur befasse, naheliegend gewesen, 2-Methyl-butan-1,4-diol durch 2-Methyl-propan-1,3-diol zu ersetzen, womit er ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelange. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheide sich vom Anspruch 1 des Patents wie erteilt dadurch, dass die mit dem Verfahren erhältlichen zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte durch eine Glastemperatur kleiner -33°C, eine Zugfestigkeit nach DIN 53571 von >= 3,5 N/mm**(2), eine Dehnung nach DIN 53571 von >= 300 % und eine Weiterreißfestigkeit nach DIN 53515 von >= 13 N/mm definiert seien. Diese Eigenschaften seien nur das Ergebnis des naheliegenden Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, womit der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde. Mit der Beschwerdebegründung (Schreiben vom 22. April 2014) reichte die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag und einen 1., 2. und 4. Hilfsantrag ein. Der Hauptantrag entsprach dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag. Der 3. Hilfsantrag war die Zurückweisung des Einspruchs, entsprechend dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 3. Der 4. Hilfsantrag entsprach dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 7. Die geänderten Textpassagen des Streitpatents, die für die vorliegende Entscheidung von Relevanz sind, sind wie folgt dargelegt:

Hauptantrag

Gegenüber dem Patent wie erteilt unterschied sich der Hauptantrag lediglich dadurch, dass der folgende Text ,,Besonders bevorzugt setzt man als (b) einen Polyester mit 2 Hydroxylgruppen basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsaure mit einem Gemisch (i) enthaltend 0 bis 90, bevorzugt 0 bis 70, besonders bevorzugt 0 bis 60 Gew.-% Butan-1,4-diol, Pentan-1,5-diol und/oder Hexan-1,6-diol, bevorzugt Butan-1,4-diol, und 10 bis 100, bevorzugt 30 bis 100, besonders bevorzugt 40 bis 100 Gew.-% 2-Methylpropan-1,3-diol ein, wobei sich die Gewichtsangaben auf das Gesamtgewicht des Gemisches (i) beziehen,, nach Absatz [0009] der Beschreibung eingefügt wurde.

1., 2. und 4. Hilfsantrag

Gegenüber dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung wurde im Anspruch 1 des 1., 2. und 4. Hilfsantrags die Textstelle "mit 2-Methyl-propan-1,3-diol" durch "mit einem Gemisch (i) enthaltend 0 bis 90 Gew.-% Butan-1,4-diol, Pentan-1,5-diol und/oder Hexan-1,6-diol und 10 bis 100 Gew.-% 2-Methylpropan-1,3-diol, wobei sich die Gewichtsangaben auf das Gesamtgewicht des Gemisches (i) beziehen" (1. Hilfsantrag), bzw. "mit einem Gemisch (i) enthaltend 0 bis 60 Gew.-% Butan-1,4-diol, Pentan-1,5-diol und/oder Hexan-1,6-diol und 40 bis 100 Gew.-% 2-Methylpropan-1,3-diol, wobei sich die Gewichtsangaben auf das Gesamtgewicht des Gemisches (i) beziehen" (2. Hilfsantrag), bzw. "2-Methylpropan-1,3-diol und die zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte eine Glastemperatur kleiner -33°C, eine Zugfestigkeit nach DIN 53571 von >= 3,5 N/mm**(2), eine Dehnung nach DIN 53571 von >= 300 % und eine Weiterreißfestigkeit nach DIN 53515 von >= 13 N/mm aufweisen" (4. Hilfsantrag) ersetzt. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass die Präposition "mit" bevor "2-Methylpropan-1,3-diol", die im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags irrtümlich vergessen worden sei, mitzulesen sei.

V. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Es sei im Hinblick auf die Beispiele des Streitpatents unmittelbar ersichtlich, dass 2-Methylpropan-1,3-diol nicht als einziges Diol im beanspruchten Verfahren anzuwenden sei. Somit führe die in die Beschreibung eingefügte Passage, die versehentlich beim Anpassen der Beschreibung vor der Erteilung des Streitpatents durchgestrichen worden sei, zu keiner Änderung des Schutzumfangs des Streitpatents. Diese Änderung, die als Berechtigung gemäß Regel 139 EPÜ anzusehen sei, stelle lediglich eine Klarstellung der Bedeutung von "basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methyl-propan-1,3-diol", wie es aus dem Streitpatent als Ganzen betrachtet ohnehin zu entnehmen sei. Diese Klarstellung führe zu einer besseren (sic) Ausführbarkeit der Erfindung und sei somit durch einen Einspruchsgrund veranlasst worden. Diese Änderung der Beschreibung erfülle daher die Bedingungen der Regel 80 EPÜ.

b) Die Einreichung der 1. und 2. Hilfsanträge sei eine unmittelbare Reaktion auf die Auslegung des Wortlauts ,,basierend" durch die Einsprechende in einem späten Stadion des Einspruchsverfahrens und den damit verbundenen Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit. Die Einreichung des 2. Hilfsantrags sei außerdem eine Reaktion auf die Ansicht der Einspruchsabteilung, dass die von der Patentinhaberin eingereichten Hilfsanträge in dem Bestreben, diesen Einspruchsgrund zu begegnen, gegen die Bestimmungen des Artikels 123(3) EPÜ verstoßen würden. Die 1. und 2. Hilfsanträge seien daher zuzulassen und würden die Bedingungen der Regel 80 EPÜ erfüllen. Den Antrag, die Angelegenheit an die 1. Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Basis der 1. und 2. Hilfsanträge zurückzuverweisen werde nicht weiter verfolgt. Aus dem Streitpatent sei nicht zu entnehmen, dass 2-Methylpropan-1,3-diol das einzige Diol für die Herstellung des Polyesters mit 2 Hydroxylgruppen sei. Vielmehr sei aus den Beispielen des Streitpatents und aus der Angabe der im Streitpatent erzielten technischen Effekte zu entnehmen, dass die Menge an 2-Methyl-propan-1,3-diol 50 Gew.-% oder weniger betragen könne. Daher könne der Wortlaut ,,basierend auf" nur als "umfassend" gelesen werden. Die Änderungen im Anspruch 1 der 1. und 2. Hilfsanträge würden daher eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstands darstellen, womit diese die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ erfüllen würden.

c) Die Auswahl von D4 als Ausgangspunkt für die beanspruchte Erfindung sei fragwürdig, weil dieser Stand der Technik andere Polyurethane betreffe, die zur Herstellung von Schuhsohlen oder starren Karosserieteilen beschrieben seien. Für die Herstellung der erfindungsgemäßen schwingungs- und stoßdämpfenden Elemente sei aber ein ganz anderes Eigenschaftsprofil verlangt. Die im Streitpatent erhaltene Kälteflexibilität betreffe einen anderen Effekt als in D4. Sie sei darüber hinaus in D4 als "tief" bezeichnet, was im deutschen Sprachgebrauch das Gegenteil von "hoch" bedeute, womit D4 nicht auf das im Streitpatent erwünschte Eigenschaftsprofil hindeute. Ferner sei die im Streitpatent verwendete Chemie, nämlich die der mikrozelligen Polyurethanen, eine andere als in D4. Dokument D1, das auf einen ähnlichen Zweck wie die Erfindung gerichtet sei, nämlich auf die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung eines Polymers, das neben guten mechanischen Eigenschaften gleichzeitig eine gute Hydrolysebeständigkeit und hohe Kälteflexibilität aufweise, stelle somit den nächstliegenden Stand der Technik dar. Wenn D4 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werde, liege dem Gegenstand des Anspruchs 1 auf jeden Fall die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten bereitzustellen. D1 lehre, dass der Gehalt an 1,9-Nonandiol mindestens 40 Gew.-% ausmachen müsse, um eine gute Hydrolysestabilität zu erhalten. Ferner sei aus D1 zu entnehmen, dass 1,9-Nonandiol und 3-Methyl-propan-1,5-diol gemeinsam zu verwenden seien, wenn sowohl Hydrolysebeständigkeit, als auch Kälteflexibilität bei gleichzeitig guten mechanischen Eigenschaften des Produkts erhalten wolle. Somit weise D1 von der vorliegenden Erfindung weg. Der Fachmann könne daher, ausgehend von D4, durch D1 nicht veranlasst worden sein, 2-Methylbutan-1,4-diol durch 2-Methylpropan-1,3-diol zu ersetzen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 (Patent wie erteilt) sei somit erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

d) Das im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags definierte Eigenschaftsprofil der durch das Verfahren erhältlichen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte stelle eine einschränkende Definition des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags dar, d.h. die zusätzlichen definierten Eigenschaften der erhältlichen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte würden kein zwangsläufiges Resultat des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des erteilten Patents darstellen. Es sei aber nicht ersichtlich, wie die Verwendung von 2-Methylpropan-1,3-diol zu Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten mit diesem Eigenschaftsprofil führen solle. Das beanspruchte Verfahren sei weder durch das Dokument D1, noch durch die Kombination von D1 mit D4, nahegelegt worden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 4 erfülle somit die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ.

VI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Für den Hauptantrag versuche die Beschwerdeführerin durch die Änderung der Beschreibung die Bedeutung des Anspruchs 1 des Streitpatents klar zu stellen. Die mangelnde Klarheit stelle aber keinen Einspruchsgrund dar, womit der Hauptantrag gegen Regel 80 EPÜ verstoße.

b) Vor und während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung habe die Beschwerdeführerin genügend Gelegenheiten gehabt, Anträge einzureichen, um auf die Auslegung des Wortlauts ,,basierend" zu reagieren. Die 1. und 2. Hilfsanträge seien daher nicht ins Verfahren zuzulassen. Darüber hinaus würden diese Hilfsanträge gegen die Bestimmungen der Regel 80 EPÜ verstoßen. Da der Wortlaut "basierend auf" im erteilten Anspruch 1 auf eine Mehrzahl der 2-Methylpropan-1,3-diol Einheiten in der Diolkomponente des Polyesters hindeute, sei der Gegenstand des Streitpatents mit der Definition eines Gehalts an 2-Methylpropan-1,3-diol von nur 10 oder 40 Gew.-% in der Diolkomponente des Polyesters erweitert worden. Die Hilfsanträge 1 und 2 würden daher die Bestimmungen des Artikels 123(3) EPÜ nicht erfüllen.

c) Dokument D4, das die gleiche Aufgabe wie das Streitpatent verfolge, bilde den nächstliegenden Stand der Technik. Von diesem unterscheide sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags lediglich dadurch, dass ein anderes verzweigtes Diol, nämlich 2-Methylpropan-1,3-diol, anstelle von 2-Methyl-1,4-butandiol für die Herstellung des Polyesters verwendet worden sei. Die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik durch das beanspruchte Verfahren gelöste Aufgabe sei die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens, welches ein anderes verzweigtes Diol verwende. Das Dokument D1, welches die Herstellung von Polyester-Polyurethanen mit ausgezeichneter Hydrolysebeständigkeit und ausgezeichneter Kälteflexibilität beschreibe, lehre die Verwendung von verzweigten Diolen, zu denen das in D1 bevorzugte 2-Methylpropan-1,3-diol gehöre. Die Auswahl von 2-Methylpropan-1,3-diol, um ein alternatives Diol zur Herstellung von Polyester-Polyurethanen mit den selben Eigenschaften wie in D4 bereitzustellen, sei daher im Hinblick auf D1 als naheliegend zu betrachten. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags sei daher nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

d) Die im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags definierten Eigenschaften würden zur erfinderischen Tätigkeit nicht beitragen. Sie würden nur das Produkt definieren, das erhalten werde, wenn das Verfahren gemäß Anspruch 1 durchgeführt werde. Darüber hinaus seien die physikalischen Eigenschaften der Produkte, die in D4 und im Streitpatent erhalten werden, identisch, wie durch die Beispiele 1 und 2 von D4 gezeigt sei. Das Verfahren gemäß Anspruchs 1 des 4. Hilfsantrags sei daher aus den gleichen Gründen wie für Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags ausgeführt nicht erfinderisch.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines des ersten bis vierten Hilfsantrags, wobei der Hauptantrag sowie der erste, zweite und vierte Hilfsantrag mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden und der dritte Hilfsantrag auf die Zurückweisung des Einspruchs gerichtet ist.

VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Die Fassung des Streitpatents gemäß dem Hauptantrag unterscheidet sich von der erteilten Fassung lediglich dadurch, dass eine Definition des bevorzugten Polyesters mit 2 Hydroxylgruppen nach Absatz [0009] eingefügte wurde (siehe Punkt IV oben). Die Einfügung in die Beschreibung dieser Textstelle, die laut Beschwerdeführerin aus Versehen beim Prüfungsverfahren durchgestrichen worden sei, dient, ihrer Ansicht nach, lediglich der Klarstellung der Bedeutung von "basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol", welche Bedeutung nach Meinung der Beschwerdeführerin ohnehin aus dem Streitpatent zu entnehmen ist. Durch die im Hauptantrag enthaltene Änderung bleibt nach Meinung der Beschwerdeführerin der Schutzumfang des Streitpatents aber unverändert.

1.1 Regel 80 EPÜ sieht im Wesentlichen vor, dass die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen des europäischen Patents geändert werden können, soweit die Änderungen durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst sind. Aus der Erklärung der Beschwerdeführerin ist daher zu entnehmen, dass die im Hauptantrag durchgeführte Änderung keine Einspruchsgrund begegnen soll, und diese einzig und allein auf die Beseitigung eines Fehlers in der Beschreibung des Patents in der erteilten Fassung abzielt. Daraus folgt, dass die im Hauptantrag enthaltende Änderung die Bestimmungen der Regel 80 EPÜ nicht erfüllt.

1.2 Die Beschwerdeführerin machte ferner geltend, dass diese Änderung eine Berichtigung nach Regel 139 EPÜ ist. Gemäß Regel 139 EPÜ können sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim EPA eingereichten Unterlagen auf Antrag berichtigt werden. Betrifft der Antrag auf Berichtigung jedoch die Beschreibung, die Patentansprüche oder die Zeichnungen, so muss die Berichtigung derart offensichtlich sein, dass sofort erkennbar ist, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Ungeachtet dessen, ob keine Zweifel bestehen können, dass die Beschreibung in ihrer erteilten Fassung eine Unrichtigkeit enthält (siehe G 3/89, ABl EPA 1993, 117; Punkt 5 der Stellungnahme), wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass nichts anderes als das Behalten dieser Passage der ursprünglichen Beschreibung ohne jegliche Änderung beabsichtigt sein konnte, da zu mindestens eine Einschränkung der Mengen an 2-Methylpropan-1,3-diol und an den zusätzlichen Diolen für den Fachleser ebenfalls denkbar wären. Folglich sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach Regel 139 EPÜ ebenfalls nicht erfüllt.

1.3 Die in die Beschreibung eingeführte Änderung ist daher nicht zulässig und der Hauptantrag dadurch somit nicht gewährbar.

1. und 2. Hilfsanträge

2. Die Zulassung von Anträgen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, liegt in der Befugnis der Kammer (Artikel 12(4) VOBK), die die relevanten Faktoren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls prüfen und abwägen muss. Die Kammer stellt fest, dass die Auslegung des Wortlauts ,,basierend", nach Angabe der Beschwerdegegnerin, erst zwei Monate vor der Verhandlung von der Einsprechenden (Brief vom 13. September 2013) thematisiert wurde, wodurch unter anderem ein neuer Hauptantrag und ein Hilfsantrag 2 von der Patentinhaberin eingereicht wurden, die ins Verfahren zugelassen, aber nicht als gewährbar auf Grund der Bestimmungen des Artikels 123(3) EPÜ erachtet wurden.

2.1 Der vorliegende 1. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hilfsantrag 2, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag, nur dadurch, dass die Beschreibung an den Anspruch 1 angepasst wurde. Der vorliegende 2. Hilfsantrag unterscheidet sich vom vorliegenden 1. Hilfsantrag dadurch, dass die Mindestmenge an 2-Methylpropan-1,3-Diol von 10 auf 40 Gew.-% heraufgesetzt wurde. Das Ziel dieser Änderung im 2. Hilfsantrag kann als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, wonach die Definition einer Mindestmenge an 2-Methylpropan-1,3-diol von 10 Gew.-% im Anspruch 1 gegen die Bestimmungen des Artikels 123(3) EPÜ verstieß (siehe Punkt 2.3.4.2 der Entscheidungsgründe), gewertet werden. Darüber hinaus, werden mit diesen Anträgen keine neuen Fragen aufgeworfen, sondern den vor der Einspruchsabteilung von der Beschwerdeführerin verfolgten Ansatz weiter geführt.

2.2 Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihre gemäß Artikel 12(4) VOBK zukommende Befugnis dahingehend auszuüben, die 1. und 2. Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.

Regel 80 EPÜ

3. Im Schreiben der Einsprechenden vom 13. September 2013 wurde argumentiert, dass es kein Beispiel im Streitpatent für ein Polyester mit 2 Hydroxylgruppen basierend ausschließlich auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsaure mit 2-Methylpropan-1,3-diol gebe, so dass der Fachmann nicht in der Lage sei, die Erfindung auszuführen. Ungeachtet dessen, ob dieser Einwand zu überzeugen vermag, und die im Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 enthaltenen Änderungen einen solchen Einwand ausräumen könnten, hat die Kammer keine Zweifel, dass die Änderungen gemäß den 1. und 2. Hilfsanträgen einen Versuch der Beschwerführerin darstellen, diesem Einwand der mangelnden Ausführbarkeit zu begegnen, womit sie durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst wurden und folglich die Bestimmungen der Regel 80 EPÜ erfüllen.

Artikel 123(3) EPÜ - 1. und 2. Hilfsantrag

4. Nach Artikel 123 (3) EPÜ darf das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass der Schutzbereich erweitert wird. Bei der Beurteilung, ob die nach der Erteilung vorgenommenen Änderungen die Bestimmungen des Artikels 123 (3) EPÜ verletzen, ist im vorliegenden Fall daher die Frage zu untersuchen, ob alle Verfahren gemäß dem geänderten Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags unter den Schutzbereich des erteilten europäischen Patentes fallen.

4.1 Maßgebend für die Ermittlung des Schutzbereichs des strittigen Patents ist die Bedeutung des Wortlauts ,,basierend auf". Der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass ,,basierend auf" mit ,,umfassend" gleichgestellt werden soll, kann sich die Kammer nicht anschließen. ,,Basierend auf" stellt ein Synonym für "beruhend auf", ,,sich gründet auf" oder ,,sich stützt auf" dar. Im Kontext des Anspruchs 1 vom Streitpatent bringt daher der Wortlaut ,,basierend auf" zum Ausdruck, dass die Struktur des Polyesters mit 2 Hydroxylgruppen (b) auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol beruht, d.h. das Kondensationsprodukt mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol einen wesentlichen Teil der Struktur des Poylesters mit 2 Hydroxylgruppen darstellt. Der Wortlaut ,,umfassend" hat eine andere Bedeutung, nämlich, dass diese Struktur enthalten ist, d.h. zu einem unbestimmten Grad vorhanden ist, und nicht mehr einen wesentlichen Teil des Polyesters mit 2 Hydroxylgruppen bilden muss.

4.2 Ferner ist festzustellen, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 sowohl des erteilten Patents als auch der 1. und 2. Hilfsanträge den Wortlaut ,,basierend auf" enthalten, so dass eine Auslegung dessen sowohl für das Patent in der erteilten Form, wie für die geänderte Fassung gemäß den 1. und 2. Hilfsanträgen zu gelten hat. Daraus folgt, dass das Kondensationsprodukt, das einen wesentlichen Teil der Struktur des Poylesters mit 2 Hydroxylgruppen (b) ausmacht, im Anspruch 1 des Streitpatents spezifischer als im Anspruch 1 der 1. und 2. Hilfsanträge definiert ist. Anders formuliert, wird mit dem geänderten Anspruch 1 gemäß der 1. und 2. Hilfsanträge eine gegenüber der Definition im erteilten Anspruch 1 breitere Gruppe von Polyestern mit 2 Hydroxylgruppen definiert. Im Lichte der Beschreibung des erteilten Patents ist ferner nicht ersichtlich, dass es im Streitpatent beabsichtigt war, einen Polyester mit 2 Hydroxylgruppen einzusetzen, der auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit einem Diolgemisch enthaltend nur 10 oder 40 Gew.-% 2-Methylpropan-1,3-diol basiert. Der in den Beispielen des Streitpatents beschriebene Polyester mit 2 Hydroxylgruppen besteht aus (durch die Kammer hervorgehoben) 2-Methylpropan-1,3-diol, Butan-1,4-diol in einem 50 % : 50 % Molverhältnis (und deshalb auch 50 % : 50 % Gewichtsverhältnis) und einer Dicarbonsäure. Die Beispiele des Streitpatents können daher nicht darauf hindeuten, dass Schutz für ein Verfahren unter Verwendung eines Polyesters mit 2 Hydroxylgruppen, der als wesentlichen Teil seiner Struktur das Kondensationsprodukt mindestens einer Dicarbonsäure und eines Diols, das nur 10 oder 40 Gew.-% 2-Methyl-propan-1,3-diol enthalten kann, begehrt wird.

4.3 Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass der geänderte Anspruch 1 des 1. und 2. Hilfsantrags zu einer Erweiterung des Patentschutzes führt, womit dieser geänderte Anspruch gegen Artikel 123(3) EPÜ verstößt. Die 1. und 2. Hilfsanträge sind daher nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik

5. Aufgabe der vorliegenden Erfindung war gemäß Absatz [0008] des Streitpatents die Entwicklung von zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten, bevorzugt zelligen Polyurethanelastomeren, bevorzugt solche mit einer Dichte von 200 bis 750, besonders bevorzugt 300 bis 600 kg/m**(3) zu entwickeln, die eine verbesserte Hydrolysebeständigkeit bei gleichzeitig verbesserter Kälteflexibilität und sehr gute statische und dynamische Eigenschaften aufweisen. Die zelligen Polyurethanelastomere sollten insbesondere als Dämpfungselemente, beispielsweise im Automobilbau, verwendet werden können.

5.1 D4, das in den Gründen der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdegegnerin als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, betrifft unter anderem ein Verfahren zur Herstellung von zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten durch Umsetzung von (a) Polyisocyanaten mit (b) Polyesterpolyolen sowie (d) Wasser, wobei die erhaltenen Produkte gute mechanische Eigenschaften und eine gute Hydrolysestabilität besitzen (Seiten 9 und 10, Beispiele 6a und 6b; Seite 4, Zeilen 45-59; Seite 3, Zeilen 33-35 und 53-60; Seite 7, Zeilen 8-10). Die Beispiele 6a und 6b beschreiben insbesondere die Herstellung von zelligen Polyurethan-Elastomeren in Form von Schuhsohlen. Die in diesen Beispielen verwendeten Polyesterpolyolen werden durch Polymerisation einer Mischung aus 100 Gew.-Teilen Adipinsäure, 31,1 Gew.-Teilen Ethandiol und 26,1 Gew.-Teilen 2-Methylbutandiol-1,4 für Beispiel 6a und durch Polymerisation einer Mischung aus 100 Gew.-Teilen Adipinsäure, 34,2 Gew.-Teilen Butandiol und 39,5 Gew.-Teilen 2-Methylbutandiol-1,4 für Beispiel 6b erhalten (Polyesterpolyolen gemäß den Beispielen 1 und 2 werden verwendet). Im Hinblick auf die in D4 angegebene niedrige Dichte für Schuhsohlen von 0,4 bis 0,64 g/cm**(3) (Seite 8, Zeilen 23-24) stellen die in den Beispielen 6a und 6b erhaltenen Schuhsohlen aus zelligen Polyurethan-Elastomeren für den Fachmann Dämpfungselemente in breitesten Sinn dar. Wie es aus der Tabelle 2, Seite 10 von D4 zu entnehmen ist, weisen diese Produkte günstige Eigenschaften bezüglich "Dauerbiegeverhalten nach 30000 Belastungscyclen", "Dauerbiegeverhalten bei -30°C nach 30000 Belastungscyclen", Dehnung, Weiterreißfestigkeit und Reißfestigkeit.

5.2 Den Angaben von D4 nach (Seite 9, Zeilen 64-66 und Seite 10, Tabelle 2) zeichnen sich die in den Beispielen 6a und 6b erhaltenen Formteile durch hervorragende mechanische Eigenschaften, insbesondere durch eine "tiefe Kälteflexibilität" und eine sehr gute Hydrolysestabilität aus. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass der Wortlaut "tiefe Kälteflexibilität" das Gegenteil einer hohen Kälteflexibilität bedeuten solle, kann sich die Kammer nicht anschließen. Die Wortwahl "tiefe Kälteflexibilität", die zwar unglücklich sein mag, kann dennoch unmissverständlich im Kontext von D4 nur als Versuch verstanden werden, eine Flexibilität bei tiefer Kälte zum Ausdruck zu bringen. Dem Fachmann ist es insbesondere wohl bekannt, dass Temperaturen unterhalb der Glastemperatur des zelligen Polyurethanelastomers zum Verlust der elastischen Eigenschaften dieses Produkts führen (siehe Absatz [0004] des Streitpatents), so dass ein elastisches Verhalten bei Kälte (zum Beispiel bei -30°C wie in den Beispielen 6a und 6b von D4 getestet wurde) für eine Schuhsohle vorteilhaft ist. Infolgedessen kann der Wortlaut "tiefe Kälteflexibilität", der auf Seite 9, Zeilen 65-66 eine hervorragende mechanische Eigenschaft bezeichnen soll, nur auf die Fähigkeit des zelligen Polyurethanelastomers, bei tiefen Temperaturen flexibel zu bleiben, hindeuten. Somit entnimmt der Fachmann aus D4, dass die in den Beispielen 6a und 6b erhaltenen zelligen Polyurethan-Elastomeren nicht nur eine gute Hydrolysestabilität und günstige statische Eigenschaften aufweisen, sondern ebenfalls bei -30°C im Dauerbiegeverhaltentest flexibel sind.

5.3 Die Beschwerdeführerin wandte ein, dass es sich im Test gemäß D4 zur Bestimmung des "Dauerbiegenverhalten bei -30°C nach 30000 Belastungscyclen", um eine andere Art der Kälteflexibilität als im Streitpatent handele. Dabei sei die Schuhsohle in D4 durch ein einmaliges Biegen bei -30°C nach 30000 Abrollen der Schuhsohle getestet, zum Beispiel, um die Flexibilität eines Schuhs, der an Bord eines Flugzeugs im eingecheckten Gepäck der Kälte ausgesetzt wurde, zu simulieren. Diese von der Beschwerdeführerin am Tag der Verhandlung zum ersten mal vorgetragene Bedeutung der in D4 gemeinten Kälteflexibilität ist weder glaubhaft im Hinblick auf einen wortorientierten Sinn der Bezeichnung des verwendeten Tests, noch durch einen Beweis belegt worden. Festzustellen ist, dass die in D4 beschriebene Kälteflexibilität durch ein Dauerbiegeverhalten bei -30°C getestet wurde. Das Wort "Dauerbiegverhalten" wird in D4 nicht weiter erläutert, aber das "Dauerbiegeverhalten nach 30000 Belastungscyclen" und das Dauerbiegeverhalten bei -30°C nach 30000 Belastungscyclen", die in der Tabelle 2 als "in Ordnung" bewertet werden, können nur darauf hindeuten, dass die Schuhsohle dauerhaft gebogen wird, nämlich 30000 mal, sowohl bei -30°C, als bei normaler Temperatur, was zumindest im Hinblick auf die Bewertung "in Ordnung" in der Tabelle 2 auf eine Flexibilität der getesteten Polyurethanelastomeren bei -30°C hinweist und somit auf eine Glastemperatur, die unterhalb von -30°C liegen muss. Da die im Sinne des Streitpatents gesuchte Kälteflexibilität auch eine genügend tiefe Glastemperatur der Polyurethanelastomeren voraussetzt, stellt das Dokument D4 einen erfolgversprechenden Stand der Technik ebenfalls bezüglich dieser zu erhaltenden Eigenschaft dar.

5.4 In Kenntnis des oben dargestellten Eigenschaftsprofils der zelligen Polyurethan-Elastomeren, die in den Beispielen 6a und 6b erhaltenen werden, hätte der Fachmann, der den im Punkt 5 oben dargestellten Zweck anstrebt, und Dämpfungselemente im breitesten Sinn bereitstellen wollte, die beispielsweise aber nicht notwendigerweise im Automobilbau angewendet werden, ausreichende Gründe gehabt, die in D4 beschriebenen zelligen Polyurethanelastomere als Ausgangspunkt für seine Erfindung zu nehmen. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von denen in D4 beschriebenen lediglich dadurch, dass der eingesetzte Polyester mit 2 Hydroxylgruppen auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol basiert.

5.4.1 Mit dem Argument, dass der Fachmann D4 nicht heran gezogen hätte, weil sich die Beispiele von D4 auf Schuhsohlen beziehen würden, die ein ganz anderes Anforderungsprofil zu erfüllen hätten als die im Fokus der vorliegenden Erfindung stehenden schwingungs- und stoßdämpfenden Elemente für den Automobilbereich, wird von der Beschwerdeführerin übersehen, dass das Ziel des Streitpatents in der Bereitstellung von Dämpfungselementen im allgemeinen liegt, und nicht in der Bereisstellung von spezifischeren Anwendungen davon. Dass D4 die Verwendung dieser Produkte als Dämpfungselemente im Automobilbau nicht offenbart, stellt keinen Grund dar, einen anderen Stand der Technik als D4 als Ausgang für die vorliegende Erfindung zu nehmen, da das Streitpatent nicht nur auf diese bestimmte Anwendung abzielt, sondern auf Produkte, die ein entsprechendes Eigenschaftsprofil besitzen.

5.4.2 Das weitere Argument, dass D4 den nächstliegender Stand der Technik nicht darstellen könne, weil das Streitpatent eine völlig andere Chemie als in diesem Stand der Technik betreffe, nämlich mikrozellige Polyurethane, die ausschließlich mit Wasser als Treibmittel erhalten werden, kann in Abwesenheit von entsprechenden einschränkenden Merkmalen in den Ansprüchen des Streitpatents ebenfalls nicht stichhaltig sein. Festzustellen ist, dass die Herstellung von mikrozelligen Polyurethanen nur eine bevorzugte Ausführungsform der beanspruchten Erfindung darstellt (Absätze [0001] und [0019]), während der Anspruch 1 allgemeiner definiert wird und, wie Anspruch 2 sogar zeigt, die Verwendung eines weiteren Treibmittels zulässt.

5.4.3 D1, das von der Beschwerdeführerin als nächstliegender Stand der Technik angesehen wurde, betrifft die Herstellung von Polyesterpolyurethanen, die gute Hydrolysebeständigkeit, Flexibilität bei niedrigen Temperaturen und gute mechanische Eigenschaften haben (Spalte 1, Zeilen 56-59; Spalte 2, Zeilen 25-28; Spalten 5 und 6, Beispiele 1 bis 9). Die für die Herstellung der Polyesterpolyurethane verwendeten Polyesterpolyole werden durch Umsetzung einer Dicarbonsäure mit einem Gemisch aus 1,9-Nonanediol und einem verzweigten Diol, der unter anderem 2-Methyl-propan-1,3-diol, 3-Methyl-propan-1,5-diol oder Neopentylglykol sein kann (Anspruch 1, Beispiele 1 bis 9). Die Herstellung von zelligen Polyesterpolyurethanen wird nur allgemein in der Spalte 4, Zeilen 23-23 impliziert, wobei die Verwendung von Wasser als Treibmittel nicht erwähnt wird. Daraus folgt, das die in D1 offenbarten Verfahren zur Herstellung von zelligen Polyesterpolyurethanen weder auf Grund des Eigenschaftsprofils der erhaltenen Produkte, noch auf Grund struktureller Ähnlichkeiten, dem erfindungsgemäßen Verfahren näher kommen als D4.

5.5 Zusammenfassend, ist festzustellen, dass D4 angesichts der breiten Definition des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und des breit definierten erfindungsgemäßen Zwecks für den Fachmann einen sinnvollen und realistischen Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Erfindung darstellt, womit D4 als ein möglicher nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist. Da die Kammer zur Schlussfolgerung kommt, dass, ausgehend von D4, keine erfinderische Tätigkeit vorliegt, ist eine weitere Analyse dieses Punkts nicht notwendig.

Aufgabe und Lösung

6. Ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Gegenstand des Anspruchs 1, im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten bereitzustellen. Die Formulierung der Aufgabe durch die Beschwerdegegnerin, nämlich die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens, welches ein anderes verzweigtes Diol, bzw. ein anderes Diol verwendet, ist insofern nicht zulässig, als sie teilweise die im Streitpatent vorgeschlagene Lösung vorwegnimmt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA, 8. Auflage, 2016, I.D.4.3.1). Zur Lösung der gestellten Aufgabe schlägt der Anspruch 1 des Streitpatents ein Verfahren vor, welches sich vom Verfahren aus D4 lediglich dadurch unterscheidet, dass der eingesetzte Polyester mit 2 Hydroxylgruppen auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol basiert (siehe Punkt 5.4 oben).

7. Dass die von Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe durch das patentgemäße Verfahren erfolgreich gelöst wird, wird durch die Beispiele 1 und 2 des Streitpatents gezeigt, und von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

Naheliegen

8. Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt ist. Hierzu zog die Beschwerdegegnerin die Druckschrift D1 heran.

8.1 Aus D1 ist für den Fachmann zu entnehmen, dass die in D1 für die Herstellung der Polyesterpolyolkomponente verwendeten verzweigten Diole zu einer Flexibilität des Materials bei tiefen Temperaturen führen, während die Hydrolysestabilität von der Anzahl an Estergruppen in der Polyesterpolyolkomponente gesteuert wird (Spalte 1, Zeilen 36-49; Spalte 2, Zeilen 37-45). Diese verzweigten Diole haben die im Anspruch 1 angegebene Formel HO-(CH2)n-CR**(1)R**(2)-(CH2)n-OH in der R**(1) eine Methyl- oder Ethylgruppe bedeutet, R**(2) ein Wasserstoffatom, eine Methyl-, Ethyl-, Hydroxymethyl- oder Hydroxyethylgruppe und n eine ganze Zahl im Wert von 1 bis 5 darstellt. Solche Diole sind insbesondere 2-Methylpropan-1,3-diol und 3-Methylpropan-1,5-diol (Tabelle auf Spalte 5 und Spalte 6, Beispiele).

8.2 Der Fachmann, der vor der Aufgabe steht, ein Verfahren zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten bereitzustellen, wird nach alternativen Ausgangsprodukten streben und daher D1, das Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte mit einem ähnlichen Eigenschaftsprofil wie in D4 beschreibt (siehe oben Punkte 5.4.3 und 5.1 bis 5.3), in Betracht ziehen. Angesichts der in D1 enthaltenen Lehre über die Wirkung der in D1 beschriebenen verzweigten Diole, deren Gruppe das in D4 verwendete 2-Methylbutan-1,4-diol einschließt (entsprechend in D1 ein Verbindung der Formel (I) mit R**(1) = Methyl, R**(2) = H, n = 1 und 2), liegt es für den Fachmann auf der Hand, das in den Beispielen 6a und 6b von D4 für die Herstellung des Polyesterpolyols verwendete 2-Methylbutan-1,4-diol durch ein in D1 verwendetes Diol wie zum Beispiel 2-Methylpropan-1,3-diol, zu ersetzen.

8.3 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass D1 dem Fachmann eine spezifische und konkrete Anregung bietet, die unter Punkt 6 festgelegte patentgemäße Aufgabe durch die Verwendung von 2-Methylpropan-1,3-diol an der Stelle von 2-Methylbutan-1,4-diol zu lösen, wodurch er zum anspruchsgemäßen Verfahren gelangt.

8.4 Aus den folgenden Gründen können die weiteren Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit die Kammer nicht überzeugen.

8.4.1 Das Argument, D1 weise von der vorliegenden Erfindung weg, weil dieses Dokument lehre, dass 1,9-Nonandiol in einer Menge von 40 bis 95 Gew.-% des Diolgemisches zu verwenden sei, um eine ausreichende Hydrolysestabilität zu gewährleisten, hält die Kammer für nicht stichhaltig. Die in D4 beschriebenen zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten weisen eine gute Hydrolysestabilität auf, obwohl sie ein anderes Diol als 1,9-Nonandiol für die Herstellung des Polyesterpolyols verwenden. Ferner lehrt D1 wie im Punkt 8.1 ausgeführt, dass die Hydrolysestabilität von der Anzahl an Estergruppen in der Polyesterpolyol-komponente abhängig ist, während die Flexibilität des Materials bei tiefen Temperaturen auf das verwendete verzweigte Diol zurückzuführen ist. Aus diesem Grund wird der Fachmann auf die Suche nach einem Verfahren zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten (deren Hydrolysestabilität nicht unbedingt verbessert werden soll), nicht notwendigerweise 40 bis 95 Gew.-% 1,9-Nonandiol bezogen auf die Diolkomponente verwenden.

8.4.2 Die Beschwerführerin argumentierte auch, dass der Fachmann aus D1 entnehme, dass eine verbesserte Hydrolysebeständigkeit und Kälteflexibilität bei gleichzeitig guten mechanischen Eigenschaften nur erhalten werde, wenn 1,9-Nonandiol und 3-Methyl-propan-1,5-diol gemeinsam verwendet werden, mit der Folge, dass das anspruchsgemäße Verfahren nicht nahegelegen habe. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Das Naheliegen einer Maßnahme hängt von dem Ziel, das der Fachmann verfolgt, ab. Im vorliegenden Fall möchte er lediglich ein Verfahren zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten bereitstellen. Für diesen Zweck, d.h., wenn das bestmögliche Eigenschaftsprofil für das hergestellte Produkt hinsichtlich Hydrolysebeständigkeit und Kälteflexibilität nicht erhalten werden muss, ist jedes in D1 empfohlene Diol für ihn geeignet. Zur Frage der Verwendung von 1,9-Nonandiol wird auf Punkt 8.4.1 oben verwiesen.

8.5 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

9. Der 3. Hilfsantrag der Beschwerdeführerin ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52(1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

10. Der Anspruch 1 gemäß dem 4. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 des 3. Hilfsantrag dadurch, dass die durch das Verfahren erhaltenen zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte eine Glastemperatur kleiner -33°C, eine Zugfestigkeit nach DIN 53571 von >= 3,5 N/mm**(2), eine Dehnung nach DIN 53571 von >= 300 % und eine Weiterreißfestigkeit nach DIN 53515 von >= 13 N/mm aufweisen.

10.1 Es wurde nicht vorgebracht, dass eine solche geänderte Definition des Gegenstands des patentgemäßen Verfahrens eine Auswirkung auf die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zu formulierende objektive Aufgabe hat, nämlich die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von weiteren zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten. Die Kammer sieht daher keinen Grund, die Aufgabe, die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik durch das beanspruchte Verfahren als erfolgreich gelöst gilt, für den 4. Hilfsantrag anders als für den 3. Hilfsantrag zu formulieren.

10.2 Aus den Absätzen [0008] und [0009] des Streitpatents ist zu entnehmen, dass die Aufgabe der Herstellung von zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten mit einer Dichte von 200 bis 750 Kg/m**(3), die eine verbesserte Kälteflexibilität und sehr gute statische und dynamische Eigenschaften im Sinne des Streitpatents aufweisen, dadurch gelöst wird, dass man einen Polyester mit 2 Hydroxylgruppen basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol einsetzt.

Wie im Absatz [0087] gezeigt ist, werden im Streitpatent, entsprechend den zusätzlichen Merkmalen im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags, die Kälteflexibilität, bzw. die statisch-mechanischen Eigenschaften der erhaltenen zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte durch die Glastemperatur, bzw. Zugfestigkeit nach DIN 53571, Dehnung nach DIN 53571 und Weiterreißfestigkeit nach DIN 53515 zum Ausdruck gebracht. Dass ein Polyester mit 2 Hydroxylgruppen basierend auf der Kondensation mindestens einer Dicarbonsäure mit 2-Methylpropan-1,3-diol zu einem solchen Eigenschaftsprofil der zelligen Polyisocyanat-Polyadditionsprodukten führt, wird durch die Beispiele 1 und 2 des Streitpatents bestätigt, in denen ein Poly(2-methylpropan-1,3-diol (0,5 mol) butan-1,4-diol (0,5 mol)-adipat (1 mol)) als Polyesterpolyol verwendet wird. Anders formuliert, die Änderungen im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags, stellen lediglich eine quantitative Definition der durch die Verwendung eines Polyesterpolyols gemäß Anspruch 1 erzielten Wirkungen dar.

Nachdem die im Anspruch 1 definierten Wertebereiche für Zugfestigkeit, Dehnung und Weiterreißfestigkeit der PU-Elastomeren übliche und weniger ambitionierte Werte darlegen, als die, die in den Vergleichsbeispielen erhalten werden, und nicht vorgebracht wurde, dass deren Auswahl zielgerichtet oder kritisch ist, müssen diese von der Kammer als rein willkürlich betrachtet werden. Das gleiche gilt für die Auswahl einer Glastemperatur kleiner - 33°C.

10.3 Wie in Punkt 8.3 oben dargelegt, ist die Herstellung eines Polyesterpolyols mit der chemischen Zusammensetzung gemäß den Beispielen 1 und 2 des Streitpatentsfür den Fachmann nahegelegt, um die unter Punkt 10.1 festgelegte patentgemäße Aufgabe zu lösen. Die Kammer hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass weitere Maßnahmen, die über das handwerkliche Können des Fachmanns hinausgehen, notwendig sind, um zellige Polyisocyanat-Polyadditionsprodukte zu erhalten, die das im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags definierte Eigenschaftsprofil besitzen, wenn ein solches Polyesterpolyol verwendet wird. Ein solches Vorbringen wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht gemacht und ein Hinweis darauf ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat somit nicht zeigen können, dass die im Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags hinzugefügten Merkmale die Bewertung des Naheliegens der patentgemäßen Lösung ändern, und somit den Einwand ausräumen können, dass es dem Gegenstand des Streitpatents an einer erfinderischer Tätigkeit mangelt.

10.4 Die Kammer hat somit keinen Grund, das Verfahren gemäß Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags, ausgehend aus D4 als nächstliegendem Stand der Technik, im Hinblick auf die Lehre von D1 und das handwerkliche Können des Fachmannes als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen.

10.5 Der 4. Hilfsantrag ist daher ebenfalls nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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