European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T034614.20181109 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0346/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07007889.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 51/20 B65D 75/58 B65D 83/08 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verschluss eines Folienbeutels zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern | ||||||||
Name des Anmelders: | Dr. Schumacher GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Kimberly-Clark Worldwide, Inc. | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 862 396 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
Der Einspruch stützte sich auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit).
II. Mit Bescheid vom 17. August 2018 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung den Parteien mit, nach welcher der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung auf keiner erfinderischen Tätigkeit zu beruhen schien.
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Hilfsanträge 1 und 2 ein.
Am 9. November 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, bei welcher die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, insbesondere im Hinblick auf inter alia folgende, für die vorliegende Entscheidung relevante Aspekte:
- erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung im Hinblick auf die Lehre von Dokument D2 in Kombination mit der Lehre von Dokument D3;
- Zulassung ins Verfahren von Hilfsantrag 2; die Beschwerdeführerin machte Einwendungen nach Artikel 56 und 84, 123 (2) EPÜ sowie Artikel 13 VOBK geltend und beantragte die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung;
- erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 im Hinblick auf die Lehre von Dokument D2 in Kombination mit der Lehre von Dokument D3.
Hilfsantrag 1 und der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 3 wurden von der Beschwerdegegnerin nicht aufrechterhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Der Tenor der vorliegenden Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.
III. Die Parteien haben die folgenden Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 862 396.
Die Beschwerdegegnerin beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde (d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung - Hauptantrag),
oder, hilfsweise,
bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 als Hilfsantrag 2 eingereichten Anspruchssatzes.
IV. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren zitiert:
D2: US-6 585 131 B und
D3: WO-2004/060773 A.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet wie folgt:
"Verschluss eines Folienbeutels zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern, mit einem an dem Folienbeutel (12) befestigbaren und eine Entnahmeöffnung (16) aufweisenden Rahmen (20) und mit einem die Entnahmeöffnung (16) verschließenden Deckel (18), dadurch gekennzeichnet, dass die Entnahmeöffnung (16) mit einer Haut (22) luftdicht verschlossen ist, und dass in der Haut (22) eine Sollbruchstelle vorgesehen ist, die vom Benutzer durchstoßen werden kann und anschließend einen Entnahmeschlitz (24) bildet."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt (in Fettdruck die Änderungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags):
"Verschluss eines Folienbeutels zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern, mit einem an dem Folienbeutel (12) [deleted: befestigbaren]anschweißbaren und eine Entnahmeöffnung (16) aufweisenden Rahmen (20) und mit einem die Entnahmeöffnung (16) verschließenden Deckel (18), dadurch gekennzeichnet, dass die Entnahmeöffnung (16) mit einer Haut (22) luftdicht verschlossen ist, [deleted: und ]dass in der Haut (22) eine Sollbruchstelle vorgesehen ist, die vom Benutzer durchstoßen werden kann und anschließend einen Entnahmeschlitz (24) bildet und dass der Entnahmeschlitz (24) neben dem Hauptschlitz (26) mindestens einen Querschlitz (28, 30) umfasst, wobei sich der Querschlitz (28, 30) an einem Ende des Hauptschlitzes (26) im Wesentlichen quer zu diesem erstreckt."
VI. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag
Im Dokument D2 sei eine Sollbruchstelle offenbart, Spalte 9, Zeilen 41. Deshalb, gegenüber D2, das als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könne, sei das einzige Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags, dass der beanspruchte Verschluss eine luftdichte Sollbruchstelle, d.h. ohne Perforationen, enthalte. Die zu lösende Aufgabe sei somit, einen geeigneten Typ von Sollbruchstelle auszuwählen. Der Fachmann ziehe das Dokument D3 in Betracht, weil D3 einen Behälter aus einem flexiblen Material zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern wie in D2 betreffe. D3 offenbare die beanspruchte Lösung in Verbindung mit dem zu erwarteten Effekt, das Austrocknen von Feuchttüchern zu vermeiden. Deshalb denke der Fachmann sofort daran, die in D3 offenbarte Sollbruchstelle in den Verschluss von D2 aufzunehmen. Er sehe dafür keine technische Schwierigkeiten und gelange somit zum beanspruchten Gegenstand, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 2 sei spät eingereicht worden. Daher sei er nicht zuzulassen, inter alia weil der Gegenstand dessen Anspruchs 1 prima facie auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Wie von der Beschwerdegegnerin eingeräumt, könne das Ersetzen von "befestigbar" durch "anschweißbar" in Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Die in Anspruch 1 im Vergleich mit Anspruch 1 des Hauptantrags eingeführten folgenden Merkmale:
der Entnahmeschlitz umfasst neben dem Hauptschlitz mindestens einen Querschlitz, wobei sich der Querschlitz an einem Ende des Hauptschlitzes im Wesentlichen quer zu diesem erstreckt
seien in D2 offenbart. Deshalb könnten diese nicht als Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D2 betrachtet werden, so dass die gegen den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags angegebenen Gründe mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch gegen den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gölten.
VII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag
Das Dokument D2 betreffe keinen Folienbeutel und offenbare die folgenden Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht:
- die Entnahmeöffnung ist luftdicht verschlossen, und
- eine Sollbruchstelle ist in der Haut der
Entnahmeöffnung vorgesehen,
- die vom Benutzer durchstoßen werden kann und
anschließend einen Entnahmeschlitz bildet.
Die dadurch zu lösende Aufgabe könne formuliert werden, einen Verschluss zu schaffen, der die Feuchttücher während Lagerung und Transport zuverlässig versiegelt, siehe Streitpatent, Absatz 5. Der Fachmann ziehe das Dokument D3 in Betracht nicht, weil D3 eine andere Gattung als die beanspruchte betreffe, insbesondere keinen Verschluss eines Folienbeutels mit einem harten Rahmen. Ferner offenbare D3 keinen Entnahmeschlitz wie beansprucht, sondern einen Entnahmepunkt, und ein mit zwei Schichten vorgesehener Verschluss wie in D3 sei für den Fachmann zu teuer. Aus diesen Gründen verwerfe der Fachmann die Offenbarung vom Dokument D3 für den Verschluss des Dokuments D2 als ungeeignet.
Selbst wenn er D3 trotzdem berücksichtigte, nähme er die dort offenbarte doppelschichtige Konstruktion auf. Dadurch gelange er nicht zum beanspruchten Gegenstand, weil Anspruch 1 eine einzige Haut/Schicht enthalte. Dies sei der gesamten Offenbarung des Streitpatents zu entnehmen. Der Fachleser schließe solche doppelschichtige Konstruktion von Anspruch 1 auch aus, weil sie zu einem unerwünschten Entnahmepunkt und zu einem teueren Verschluss führe.
Der Fachmann gelange somit nicht zum beanspruchten Gegenstand, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 2 sei zuzulassen, insbesondere weil der Gegenstand dessen Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die in Anspruch 1 im Vergleich mit Anspruch 1 des Hauptantrags eingeführten folgenden Merkmale:
der Entnahmeschlitz umfasst neben dem Hauptschlitz mindestens einen Querschlitz, wobei sich der Querschlitz an einem Ende des Hauptschlitzes im Wesentlichen quer zu diesem erstreckt
seien in D2 nicht offenbart und als Unterscheidungsmerkmale zu betrachten. Durch diese Merkmale sei ein Winkel zwischen dem Hauptschlitz und dem mindestens einen Querschlitz vorhanden, und der mindestens eine Querschlitz erstrecke sich auf beiden Seiten des Hauptschlitzes.
Eine Synergie der Effekte von diesen Unterscheidungsmerkmalen mit den Effekten von den mit Anspruch 1 des Hauptantrags diskutierten Unterscheidungsmalen sei nicht vorhanden.
Die dadurch zu lösende Teilaufgabe könne darin gesehen werden, eine Klappenwirkung zu schaffen, so dass die Reibung bei der Entnahme von Feuchttüchern reduziert werde.
Gestellt vor der Aufgabe finde der Fachmann im verfügbaren Stand der Technik die beanspruchte Lösung nicht, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag (Patent wie erteilt)
Die Beschwerdeführerin erhebt den Einwand, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe, und zwar ausgehend von Dokument D2 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von Dokument D3.
1.1 Offenbarung von D2
1.1.1 Die im Dokument D2 offenbarte Lehre liegt auf dem gleichen technischen Gebiet wie der von Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Gegenstand, nämlich ein Verschluss eines Folienbeutels von Hygiene-Feuchttüchern (Anspruch 1).
Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass D2 keinen Folienbeutel betreffe, kann die Kammer sich nicht anschließen. Vielmehr, wie während der mündlichen Verhandlung diskutiert, offenbart D2, Spalte 9, Zeilen 21-22, einen Folienbeutel ("film container", Figur 3) mit einem Verschluss.
Deshalb teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass D2 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden kann.
1.1.2 Dokument D2 (Spalte 5, Zeile 16-47; Spalte 8, Zeilen 51-58; Spalte 9, Zeilen 17-51; Figur 3) offenbart einen Verschluss eines Folienbeutels zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern ("wet wipe dispenser" 10), mit einem an dem Folienbeutel ("film container") befestigbaren und eine Entnahmeöffnung ("flexible orifice" 20) aufweisenden Rahmen ("rigid port" 12) und mit einem die Entnahmeöffnung 20 verschließenden Deckel ("hingedly attached top").
D2 offenbart weiter, dass die Entnahmeöffnung 20 mit einer Haut ("rubber-like sheet" 22) vorgesehen ist.
1.2 Unterscheidungsmerkmale
1.2.1 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass D2 die folgenden Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht offenbart:
- die Entnahmeöffnung ist luftdicht verschlossen, und
- eine Sollbruchstelle ist in der Haut der Entnahmeöffnung vorgesehen,
- die vom Benutzer durchstoßen werden kann und anschließend einen Entnahmeschlitz bildet.
1.2.2 Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin, ist in D2, Spalte 9, Zeilen 41-43, nicht eindeutig offenbart, dass die Entnahmeschlitz ("slit" 40) als eine Sollbruchstelle gebildet ist, die vom Benutzer durchstoßen wird. Wie in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, Seiten 3-4, "Neuheit", sind andere Auslegungen dieser Passage für den Fachmann entnehmbar, und zwar, dass die Entnahmeöffnung ("orifice" 20) als Ganzes mit Hilfe einer weiteren Siegelplatte versiegelt sein könnte. Deshalb kann sich die Kammer dem Argument der Beschwerdeführerin nicht anschließen, dass das einzige Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D2 der Typ von Sollbruchstelle wäre, d.h. eine luftdichte Sollbruchstelle ohne Perforationen. Aus diesem Grund kann die Kammer auch der von der Beschwerdeführerin daraus formulierten Aufgabe, einen geeigneten Typ von Sollbruchstelle auszuwählen, nicht beipflichten.
1.3 Zu lösende Aufgabe
Im Lichte der mit den Unterscheidungsmerkmalen verbundenen Effekte kann die technische objektive Aufgabe vielmehr darin gesehen werden, einen Verschluss zu schaffen, der die Feuchttücher während Lagerung und Transport zuverlässig versiegelt, siehe Streitpatent, Absatz 5 (angefochtene Entscheidung, Seite 4, "Erfinderische Tätigkeit").
1.4 Betrachtung von D3
1.4.1 Da D3, siehe Seite 5, Zeilen 18-30, auf einem eng verwandten Gebiet von Anspruch 1 und D2 liegt, nämlich betreffend den Verschluss eines Behälters aus einem flexiblen Material zum Verpacken von Hygiene-Feuchttüchern, zöge der Fachmann zweifellos dessen Offenbarung in Betracht. Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerin ist die Kammer deshalb davon überzeugt, dass der Fachmann trotz struktureller Unterschiede an eine Kombination der Lehren von D2 und D3 dächte.
1.4.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert weiter, dass der Fachmann D3 nicht berücksichtige, weil D3 keinen Entnahmeschlitz offenbare, sondern einen Entnahmepunkt im Lichte der Schlitze 172, 182. Dabei setze sich die Haut beim Verschluss nach D3 aus zwei Schichten zusammen, wobei in jeder Schicht ein Entnahmeschlitz vorgesehen sei und die beiden Entnahmeschlitze orthogonal zueinander angeordnet seien, siehe z.B. Figuren 1 und 2. Der so gebildete Entnahmepunkt erhöhe den Reibungswiderstand bei der Entnahme des Feuchttuches mit der Folge, dass die Feuchttücher beim Entnehmen reißen könnten, insbesondere im Falle empfindlicher Feuchttücher. Ferner sei ein mit zwei Schichten vorgesehener Verschluss, wie in D3, für den Fachmann zu teuer. Aus diesen Gründen verwerfe der Fachmann die Offenbarung vom Dokument D3 für den Verschluss des Dokuments D2 als ungeeignet.
1.4.3 Dieser Argumentation zur generellen Ungeeignetheit der D3 kann sich die Kammer aus den unter Punkt 1.4.1 oben angegebenen Gründen nicht anschließen.
Ferner ist in jeder Schicht des Verschlusses von D3 ein einziger Entnahmeschlitz angeordnet, so dass der Fachmann sofort dadurch eine Ähnlichkeit mit der Schicht des Verschlusses von D2 auch mit einem einzigen Entnahmeschlitz erkennte.
Für die Kammer ist der angeblich hohe Preis des aus dem Dokument D3 mit zwei Schichten bekannten Verschlusses kein triftiger Grund, den Fachmann von den dort offenbarten technischen Lösungen abzuhalten. Insbesondere, wie auch während der mündlichen Verhandlung diskutiert, hat die Beschwerdegegnerin keine technischen Schwierigkeiten bezüglich der Einführung einer zweiten Schicht in den Verschluss von D2 geltend machen können.
1.5 Beanspruchte Lösung - naheliegend
1.5.1 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin, dass D3 die beanspruchte Lösung für Feuchttücher offenbart. In der Tat offenbart D3 einen Verschluss, wobei die Entnahmeöffnung für jede Schicht ("...two or more layers with these, or related, characerictics and/or configurations...") luftdicht verschlossen ist ("...does not allow a fluid to pass therethrough..."), und eine Sollbruchstelle in der Haut der Entnahmeöffnung vorgesehen ist ("...weakened segments...", "...weakened line of material..."), die vom Benutzer durchstoßen werden kann und anschließend einen Entnahmeschlitz bildet ("...until first broken."), siehe "slit" 86, "frangible seal" 82, Seite 10, Zeilen 1-9, Seite 11, Zeilen 17-25, Figuren 1, 1A, 1B, 6 und 7 und Ansprüche 8-9.
1.5.2 Gestellt vor die o.g. Aufgabe dächte der Fachmann sofort an die offenbarte Lösung von D3, insbesondere die von Figur 7 (Seite 10, Zeilen 4-6; "...weakened line of material...does not allow a fluid to pass..."), weil es zu seinem allgemeinen technischen Fachwissen gehört, dass solche geschlossenen, luftdichten Verschlüsse besser sind, um das Austrocknen von Feuchttüchern während Transport und Lagerung zu vermeiden, siehe D3, Seite 1, Zeilen 15-17, im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung, Seite 4, letzter vollständiger Absatz, und Seite 5, zweiter vollständiger Absatz. Dieses allgemeine Fachwissen, das im Bescheid der Kammer, Punkt 4.1.4, erwähnt worden war, wurde von der Beschwerdegegnerin anschließend weder kommentiert noch bestritten.
Die Kammer ist nicht überzeugt, dass der Fachmann die Aufnahme der gesamten doppelschichtige Konstruktion von D3 in D2 berücksichtigte, weil in dem aus D2 bekannten Verschluss ein Deckel vorhanden ist, der schon als zweiter Schicht angesehen werden könnte. Er betrachtete somit nur eine Schicht des Verschlusses von D3, so dass er bei der Übernahme der Merkmale der Entnahmeöffnung aus der D3 in die Schicht des Verschlusses von D2 zum beanspruchten Gegenstand gelangte, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Sollte der Fachmann trotzdem die doppelschichtige Konstruktion aus der D3 in den Verschluss von D2 aufnehmen, so wäre er dabei nicht, wie schon unter Punkt 1.4.3 oben erwähnt, mit technischen Schwierigkeiten konfrontiert, die ihn an der Ausführung hinderten.
Ein solcher doppelschichtiger Verschluss ist im Übrigen in Anspruch 1 des Streitpatents nicht ausgeschlossen, so dass er auch in diesem Fall zum beanspruchten Gegenstand gelangte, ohne erfinderisch tätig zu werden.
1.5.3 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass im Streitpatent nur von einer Schicht die Rede sei. Es seien niemals weitere Schichten, d.h. mehr als eine, erwähnt. Ferner macht die Beschwerdegegnerin die gleichen Argumente geltend, wie unter Punkt 1.4.2 oben angegeben, bezüglich der Einführung von zwei Schichten in den Verschluss von D2 auch für die Übernahme von zwei Schichten in den Verschluss des Anspruchs 1, nämlich, dass zwei Schichten wie in D3 zu einem Entnahmepunkt mit hoher Reibung bei der Entnahme der Feuchttücher führten und zu teuer wären. Deshalb werde von dem fachkundige Leser eine zweite Schicht in Anspruch 1 ausgeschlossen.
Dieser Argumentation kann sich die Kammer aus den folgenden von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründen nicht anschließen.
Es ist in Anspruch 1 nicht angegeben, dass dem beanspruchten Verschluss nur eine einzige Haut angeordnet ist. Ferner ist es nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund Anspruch 1 als durch die Beschreibung bzw. die Ausführungsbeispiele beschränkt angesehen werden sollte. Die unter Punkt 1.4.3 oben angegebenen Argumente gelten fort. Insbesondere hielte der angeblich hohe Preis des aus dem Dokument D3 mit zwei Schichten bekannten Verschlusses den Fachmann nicht davon ab, den Verschluss des Streitpatents damit zu lesen. Schließlich hat die Beschwerdegegnerin keine technischen Schwierigkeiten bezüglich der Einführung einer zweiten Schicht in den beanspruchten Verschluss überzeugend geltend machen können. Deshalb sind weitere Schichten in Anspruch 1 nicht ausgeschlossen.
1.6 Im Lichte der oben angegebenen Gründen gelangte der Fachmann ausgehend von D2 in Kombination mit der Lehre von D3, im Lichte seines allgemeinen technischen Fachwissens, zum beanspruchten Gegenstand, ohne dafür erfinderisch tätig zu werden (Artikel 56 EPÜ).
2. Hilfsantrag 2
2.1 Hilfsantrag 2 wurde mit dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 8. Oktober 2018 eingereicht, d.h. nach Einreichung der Beschwerdeerwiderung sowie der Ladung zur mündlichen Verhandlung.
Im Bezug auf die Zulassung des spät eingereichten Hilfsantrags 2 erhebt die Beschwerdeführerin den gleichen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit wie gegen Anspruch 1 des Hauptantrags, nämlich ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von Dokument D3. Sie argumentiert, dass Hilfsantrag 2 im Lichte dieses Einwands als prima facie nicht gewährbar zu erachten sei.
Während der mündlichen Verhandlung diskutierten die Parteien diesen Einwand vollumfänglich in Fortsetzung der früheren stattgefundenen Diskussion zu Anspruch 1 des Hauptantrags. Da am Ende der Diskussion die Kammer zum Ergebnis gekommen ist, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht, erübrigt sich eine Diskussion und Entscheidung über die in Artikeln 13 (1) und (3) VOBK angegebenen Kriterien für die im Ermessen der Kammer stehende Zulassung dieses Antrags ins Verfahren.
Dies gilt gleichermaßen für die anderen von der Beschwerdeführerin gegen Hilfsantrag 2 erhobenen Einwände nach Artikel 84 und 123 (2) EPÜ sowie auch für den Antrag der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
2.2 Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1
2.3 Ersetzen von "befestigbar" durch "anschweißbar" (siehe Punkt V oben)
Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin nach der Diskussion bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des nicht aufrechterhaltenen Hilfsantrags 1 eingeräumt, dass das Ersetzen von "befestigbar" durch "anschweißbar" keine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Damit ist die Kammer einverstanden, insbesondere inter alia im Lichte der Offenbarung des Dokuments D3, Seite 11, Zeilen 26-31, über das Fachwissen des Fachmanns auf diesem technischen Gebiet.
2.4 Für die anderen folgenden Merkmale, die in Anspruch 1 im Vergleich mit Anspruch 1 des Hauptantrags eingeführt wurden (siehe Punkt V oben):
der Entnahmeschlitz umfasst neben dem Hauptschlitz mindestens einen Querschlitz, wobei sich der Querschlitz an einem Ende des Hauptschlitzes im Wesentlichen quer zu diesem erstreckt
teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdeführerin, dass diese in D2, Figuren 2, 11 bis 14, offenbart sind (siehe auch Einspruchsgründe, Punkt 32). In der Tat umfasst der in D2 offenbarte Entnahmeschlitz 40 neben dem Hauptschlitz ("curved portions" 44, 48, "a" bis "h", siehe z.B. Figur 11) mindestens einen Querschlitz ("non-curved portions" 60, siehe Spalte 6, Zeilen 18-38, sowie Figur 11), wobei sich der Querschlitz 60 an einem Ende des Hauptschlitzes 44, 48, "a" bis "h" im Wesentlichen quer zu diesem erstreckt.
Deshalb können sie nicht als Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D2 betrachtet werden, so dass die oben gegen den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags angeführten Gründe mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch gegen den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gelten (Artikel 56 EPÜ).
2.4.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass die in D2, Figuren 2, 11 bis 14, gezeichneten Schlitze 40 allgemein wellenförmig seien und deren Endabschnitten ("non-curved portions" 60) bloß eine Verlängerung der wellenförmigen Schlitze ("curved portions" 44, 48, "a" bis "h") darstellten. Laut der Beschwerdegegnerin könnten diese offenbarten Endabschnitte 60 nicht als ein Querschlitz wie beansprucht angesehen werden, weil zwischen den Endabschnitten 60 und dem Hauptschlitz 44, 48, "a" bis "h" kein Winkel vorhanden sei, d.h. die Verbindung sei rund und das Ende des Hauptschlitzes 44, 48, "a" bis "h" sei nicht feststellbar, und die Endabschnitte 60 erstreckten sich nur auf einer Seite des Hauptschlitzes 44, 48, "a" bis "h", d.h. nicht auf beiden Seiten. Diese Auslegung der in Anspruch 1 einführten Merkmale, insbesondere der Ausdrücke "Querschlitz" und "Hauptschlitz", dahin, dass sie implizit die Merkmale "Winkel" und "Erstreckung auf beiden Seiten des Hauptschlitzes" enthalten, sei eindeutig dem Streitpatent zu entnehmen, z.B. Figuren 2, 4 und 5.
2.4.2 Diese Argumentation der Beschwerdegegnerin überzeugt nicht, weil es keinen Grund dafür gibt, Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 als durch die Beschreibung bzw. die Ausführungsbeispiele oder die Figuren beschränkt anzusehen.
Die Konfiguration mit einem Querschlitz bloß auf einer Seite des Hauptschlitzes wie in D2 ist somit auch umfasst. Wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, ist die von der Beschwerdegegnerin angeblich in Anspruch 1 beschränkte Konfiguration mit den beiden Seiten des Hauptschlitzes erst im abhängigen Anspruch 8 des Hilfsantrags 2 angegeben (Anspruch 9 des Patents in der erteilten Fassung).
Dies gilt auch für den angeblich in Anspruch 1 impliziten Winkel. Diesbezüglich ist übrigens im Streitpatent nichts erwähnt. Ferner, wie auch von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ist in D2 eine Hauptrichtung für den Hauptschlitz explizit offenbart, siehe z.B. Figuren 13-14 ("longitudinal axis" 62). Diese Hauptrichtung trifft den Querschlitz mit einem Winkel. Deshalb sollte Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 mit einem Winkel, der Behauptung der Beschwerdegegnerin folgend, ausgelegt werden, wäre dieser auch nicht als Unterscheidungsmerkmal anzusehen, weil er auch in D2 offenbart ist.
Schließlich wird es angemerkt, dass die Beschwerdegegnerin keine Nachweise für ihre Behauptungen vorgebracht hat, dass der Fachmann auf diesem technischen Gebiet die in Anspruch 1 enthaltenen Ausdrücke "Querschlitz" und "Hauptschlitz" nur so verstünde, d.h. implizit mit Winkel und Erstreckung auf beiden Seiten des Hauptschlitzes.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.