T 0327/14 (Explosionsschutz/COOPER) of 27.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T032714.20181127
Datum der Entscheidung: 27 November 2018
Aktenzeichen: T 0327/14
Anmeldenummer: 04819652.1
IPC-Klasse: G05B 19/042
H02H 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EIGENSICHERE DATENÜBERTRAGUNGSEINRICHTUNG
Name des Anmelders: Cooper Crouse-Hinds GmbH
Name des Einsprechenden: R. Stahl Schaltgeräte GmbH
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der gegen das europäische Patent Nr. 1 695 158 eingelegte Einspruch war auf jeden der in Artikel 100 a), b) und c) EPÜ genannten Einspruchsgründe gestützt.

II. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent allein aus dem Grund, dass das Patent die in dem mit Schreiben vom 3. September 2013 eingereichten Anspruch 1 definierte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).

III. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

IV. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Die Kammer nahm in einer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung vorläufig Stellung insbesondere zur deutlichen und vollständigen Offenbarung der beanspruchten Erfindung.

VI. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 27. November 2018 statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der mit Schreiben von 3. September 2013 eingereichten Ansprüche 1 bis 15.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

VII. Anspruch 1 in der am 3. September 2013 eingereichten Fassung lautet:

"Datenübertragungseinrichtung (5) mit wenigstens einem Slave (26) aufweisend ein Buskopplungsmodul (15), ein I/O-Signalanpassungsmodul, ein Netzversorgungsmodul (27);

eine [sic] Datenadaptionseinrichtung (6), welche Datenadaptionseinrichtung (6) mit zumindest einem Prozessleitrechner (2) verbunden ist,

eine [sic] der Datenadaptionseinrichtung (6) zugeordnete Speiseeinrichtung (8) und

mehrere [sic] Datenverteileinrichtungen (7), die jeweils mit zumindest einem Feldgerät (4, 17, 18) verbunden sind,

wobei die Datenübertragungseinrichtung zwischen dem Prozessleitrechner (2) und mit diesem über ein Bussystem (3) verbundenen Feldgerät [sic] (4) verschaltet ist, wobei Prozessleitrechner (2) und Feldgeräte (4) Teile eines Prozessleitsystems (1) sind und die Datenübertragungseinrichtung (5) eigensicher ist, wobei die Speiseeinrichtung (8) über eine explosionsgeschützte Leitung mit der Datenverteileinrichtung (7) verbunden ist, wobei die Datenverteileinrichtung (7) oder mit der Datenverteileinrichtung verbundene Feldgeräte (4, 17, 18) eine Barriereeinrichtung (10, 11) zur Begrenzung der eingespeisten Energie aufweisen,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Datenübertragungseinrichtung (5) mit dem Slave (26) im Ex-Bereich (29) angeordnet ist und die Datenadaptionseinrichtung (6) und wenigstens die eine ihr zugeordnete Speiseeinrichtung (8) explosionsgeschützt ausgebildet sind, wobei die Datenverteileinrichtungen (7) zur eigensicheren (ex-i) Signalanpassung ausgebildet sind."

Entscheidungsgründe

1. Das Patent betrifft eine Datenübertragungseinrichtung zur Verwendung in der Prozessleittechnik.

Es war zum Prioritätszeitpunkt des Patents allgemein bekannt, industrielle Prozesse mittels eines Prozessleitsystems zu steuern. Dabei werden Feldgeräte, die auf den Prozess einwirken (Aktoren) bzw. den Zustand des Prozesses erfassen (Sensoren), im Betriebsbereich des Prozesses angeordnet, so dass sie in direkter Beziehung mit dem Prozess stehen. Die Feldgeräte stehen, typischerweise über einen Datenbus, mit einem Prozessleitrechner in Verbindung, damit dieser Messdaten von den Feldgeräten empfangen und auswerten sowie Steueranweisungen an die Feldgeräte ausgeben kann. Die Feldgeräte müssen normalerweise auch mit elektrischer Energie versorgt werden; hierzu sind geeignete Speiseeinrichtungen vorgesehen. Beim Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen ist zwingend sicherzustellen, dass von den eingesetzten Feldgeräten, den Verbindungen zur Datenübertragung sowie den Speiseeinrichtungen keine Explosionsgefahr ausgeht. Insbesondere muss dabei sichergestellt sein, dass jedes Feldgerät, jede Verbindung und jede Speiseeinrichtung auch im Fehlerfall nicht zu einer Zündquelle werden kann, durch die eine Explosion herbeigeführt wird. Der Zündschutz in explosionsgefährdeten Bereichen war bereits vor dem Prioritätstag des Patents Gegenstand umfangreicher Normungsarbeiten.

2. Vor diesem Hintergrund schlägt das Patent eine Datenübertragungseinrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vor. Die Datenübertragungseinrichtung ist dabei zwischen einem Prozessleitrechner und mit diesem über ein Bussystem verbundenen Feldgeräten verschaltet, wobei Prozessleitrechner und Feldgeräte Teile eines Prozessleitsystems sind, das anhand der Fig. 1 beschrieben wird:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Datenverarbeitungseinrichtung 5 umfasst den im rechten unteren Bereich der Fig. 1 als Slave 26 bezeichneten Block mit einem Buskopplungsmodul 15, einem I/O-Signalanpassungsmodul 16 und einem Netzversorgungsmodul 27, eine Datenadaptionseinrichtung 6, eine dieser zugeordnete Speiseeinrichtung 8, sowie eine Leitung 9 und mehrere über diese Leitung 9 mit der Speiseeinrichtung 8 verbundene Datenverteilein­richtungen 7. Feldgeräte 4 sind über eine jeweilige Verbindung 13 mit einer Datenverteileinrichtung 7 verbunden. Im Absatz [0009] der Patentschrift ist offenbart, dass die Datenadaptionseinrichtung 6 und die ihr zugeordnete Speiseeinrichtung 8 explosionsgeschützt ausgebildet sind, wobei dieses Merkmal auch im erteilten und im vorliegenden Anspruch 1 vorhanden ist. Weiterhin ist gemäß dem Absatz [0009] auch die Leitung 9 explosionsgeschützt ausgeführt. Auch dieses Merkmal ist sowohl im erteilten als auch im vorliegenden Anspruch 1 vorhanden. Weiterhin ist in einigen der Datenverteileinrichtungen 7 jeweils eine Barriereeinrichtung 10 (Fig. 3) vorgesehen, wodurch eingespeiste Energie begrenzt wird (vgl. Spalte 6, Zeilen 14 bis 20 sowie Absatz [0044] und Fig. 3); dadurch werden die Verbindungen zwischen diesen Datenverteileinrichtungen 7 und den jeweiligen Feldgeräten 4 eigensicher ausgebildet.

Das Patent offenbart somit eine Datenübertragungseinrichtung, deren Komponenten teilweise in der Zündschutzart "explosionsgeschützt" ausgeführt sind und bei dem die Verbindungen zwischen einigen der Datenverteileinrichtungen und den jeweiligen Feldgeräten in der Zündschutzart "eigensicher" ausgeführt ist.

3. Der Anspruch 1, wie auch Anspruch 1 in der erteilten Fassung, umfasst das weitere Merkmal, wonach die Datenübertragungseinrichtung eigensicher ist.

3.1 Die Einspruchsabteilung hat den Widerruf des Patents sinngemäß damit begründet, dass aufgrund dieses Merkmals jede einzelne Komponente der beanspruchten Datenübertragungseinrichtung für sich genommen zwingend eigensicher ausgebildet sein und daher über eine geeignete Strombegrenzung verfügen muss. Eine Datenübertragungseinrichtung, bei der alle Komponenten mit einer geeigneten Strombegrenzung ausgebildet sind, ist im Patent jedoch nicht offenbart. Vielmehr sind die Datenadaptionseinrichtung 6, die Speiseeinrichtung 8 sowie die Leitung 9 nur explosionsgeschützt, jedoch nicht eigensicher ausgebildet. Auch ergibt sich aus dem Patent nicht, wie mit einer durchgängig eigensicher ausgeführten Datenübertragungseinrichtung die in Absatz [0010] genannte Vielzahl von 40 oder mehr anzuschließenden Feldgeräten erreicht werden kann.

3.2 Die Beschwerdegegnerin hat zusätzlich vorgetragen, bei einer als eigensicher bezeichneten Datenübertragungs­einrichtung müsse es möglich sein, jede Komponente auch ohne Abschaltung der Speisespannung auszuwechseln, ohne dass dadurch eine Explosionsgefahr herbeigeführt werde. Diese Möglichkeit bestehe bei der im Streitpatent offenbarten Datenübertragungseinrichtung augenscheinlich nicht.

3.3 Diese Gründe halten der Überprüfung durch die Kammer nicht stand. Durch den Begriff "eigensicher" wird, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend vorgetragen hat, zunächst eine genormte Zündschutzart bezeichnet. In der entsprechenden Norm sind auch Hinweise zur Ausgestaltung von Stromkreisen oder elektrischen Verbindungen von Geräten gegeben, damit die in den Stromkreisen gespeicherte elektrische Energie auch im Fehlerfall unterhalb eines bestimmten, zum Zünden einer explosionsgefährdeten Atmosphäre notwendigen Mindestwertes bleibt. Über diese allgemeinen Hinweise hinaus ist dem Begriff "eigensicher" jedoch keine konkrete Bedeutung beizumessen: Wie die Beschwerde­gegnerin vorgetragen hat, wird die Anforderung an eine eigensichere Ausführung eines Geräts auch durch den Grad der Explosionsgefahr eines Bereichs bestimmt. Der Bezeichnung einer Datenübertragungseinrichtung als eigensicher kommt daher keine feststehende Bedeutung im gesamten Fachgebiet zu. Das fragliche Merkmal muss vielmehr im konkreten Kontext seiner Verwendung im Patent ausgelegt werden.

3.4 Die von der Einspruchsabteilung vertretene Auffassung, dass in jedem Stromkreis für jede Komponente der Datenübertragungseinrichtung eine Strombegrenzung zwingend vorgesehen werden muss, steht im Widerspruch zur Beschreibung und zum Anspruch 1, insbesondere zu der Angabe, dass die Datenadaptionseinrichtung 6, die Leitung 9 und die Speiseeinrichtung 8 explosionsgeschützt ausgeführt sind. Es ist aus der Patentschrift auch nicht erkennbar, dass eine solche Auslegung beabsichtigt ist. Die Auslegung der Einspruchsabteilung kommt daher nicht in Betracht.

Bei der Auslegung ist zunächst der genannte Kontext des Anspruchs 1 zu berücksichtigen, der explizit auch explosionsgeschützte Komponenten vorsieht, ferner Absatz [0048] der Beschreibung ("Durch die Verlagerung der eigensicheren Signalanpassung auf Datenverteileinrichtung und/oder Feldgeräte ist es erfindungsgemäß möglich, die Speisegeräte pro Stromkreis erheblich höher zu belasten. Dadurch sind statt beispielsweise vier Sensoren pro Stromkreis vierzig bis fünfzig oder mehr Sensoren pro Stromkreis anschließbar. Durch die Verbindung von mehreren Speiseeinrichtungen mit einer Datenadaptionseinrichtung erhöht sich die Anzahl der Sensoren pro Datenadaptions­einrichtung nochmals um ein Vielfaches."). Vor diesem Hintergrund kann das betreffenden Merkmal dahingehend ausgelegt werden, dass Teile der Datenübertragungs­einrichtung eigensicher ausgeführt sein müssen. Die Figuren 1 und 3 stützen diese Auslegung und offenbaren eine Datenübertragungseinrichtung, welche in diesem Sinn eigensicher ist, da insbesondere ein Teil der Feldgeräte über eigensichere Verbindungen mit den jeweiligen Datenverteileinrichtungen verbunden ist.

Folglich ist bei sachgerechter Auslegung des Merkmals, wonach die Datenübertragungseinrichtung eigensicher ist, die beanspruchte Datenübertragungseinrichtung deutlich und vollständig im Sinne der Artikel 83 und 100 b) EPÜ offenbart.

3.5 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht damit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

4. Zurückverweisung

Die weiteren Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und c) EPÜ sind im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren noch nicht geprüft worden. Daher verweist die Kammer die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurück. Weiterhin ist zu untersuchen, ob infolge der im Einspruchsverfahren im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen, wobei unter anderem das Merkmal "wobei die Datenverteileinrichtungen (7) zur eigensicheren (ex-i) Signalanpassung ausgebildet sind" im kennzeichnenden Teil hinzugefügt wurde, das Merkmal "oder mit der Datenverteileinrichtung verbundene Feldgeräte (4, 17, 18)" im Oberbegriff noch richtig ist. Auch werden infolge der Änderungen die Datenverteileinrichtungen im Anspruch abwechselnd im Plural und im Singular benannt; die Richtigkeit ist hier ebenfalls zu überprüfen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der mit Schreiben vom 3. September 2013 eingereichten Ansprüche 1 bis 15 an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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