T 0266/14 () of 2.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T026614.20180702
Datum der Entscheidung: 02 Juli 2018
Aktenzeichen: T 0266/14
Anmeldenummer: 06002599.6
IPC-Klasse: A46B 9/06
A46B 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zahnbürste und Verfahren zur Herstellung einer solchen Zahnbürste
Name des Anmelders: Trisa Holding AG
Name des Einsprechenden: G.B.Boucherie N.V.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 106(1)
European Patent Convention Art 106(2)
European Patent Convention Art 19(2)
European Patent Convention R 111(1)
European Patent Convention R 111(2)
European Patent Convention R 113(1)
European Patent Convention R 140
European Patent Convention R 103(1)(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 11
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Zulässigkeit der Beschwerde - beschwerdefähige Entscheidung Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - entspricht der Billigkeit wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels Wesentlicher Verfahrensmangel - (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - wesentlicher Mangel im Verfahren vor der ersten Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0012/91
T 0390/86
T 0225/96
T 0837/01
T 1088/11
T 2076/11
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0466/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2013 verkündete und am 16. Dezember 2013 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent EP 1 661 487 aufgrund eines Einspruchs widerrufen wurde. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

II. Am 15. Juni 2011 beschloss die Einspruchsabteilung in ihrer ursprünglichen Besetzung mit drei Mitgliedern, die Einspruchsabteilung durch einen rechtskundigen Prüfer zu erweitern. Daraufhin wurde Frau Doris Thums als rechtskundige Prüferin benannt.

III. Der Name der rechtskundigen Prüferin wurde sowohl im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2013 als auch in der schriftlichen Entscheidung (Formular 2339 und Formular 2331 vom 16. Dezember 2013) bei der namentlichen Benennung der Mitglieder der Einspruchsabteilung aufgeführt. Gleichwohl unterzeichnete die rechtskundige Prüferin die schriftliche Entscheidung nicht. Das dafür vorgesehene Unterschriftsfeld im internen Formular F 2339 ist leer.

IV. Die Kammer hat die benannte rechtskundige Prüferin, schriftlich aufgefordert mitzuteilen, ob sie an der mündlichen Verhandlung in dem Einspruchsverfahren und an der Abfassung der schriftlichen Entscheidung betreffend das verfahrensgegenständliche Patent mitgewirkt hat. Daraufhin hat die rechtskundige Prüferin schriftlich geantwortet, dass sie an der mündlichen Verhandlung mitgewirkt habe, ihr die Entscheidung aber nicht zugeleitet worden sei.

V. Die Kammer hat mit Schreiben vom 20. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass die unterbliebene Mitwirkung der rechtskundigen Prüferin an der schriftlichen Abfassung der Entscheidung einen Verfahrensfehler darstellt, der zu einer Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung führen kann.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat ihren ursprünglich eingereichten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung daraufhin zurückgenommen und zuletzt schriftlich beantragt,

die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Europäische Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung übermittelten Hauptantrags,

hilfsweise

auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung übermittelten Hilfsanträge 1 bis 25 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig.

Bei dem angegriffenen Beschluss, den die Einspruchsabteilung gemäß Regel 111 (1) Satz 1 EPÜ am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet hat, handelt es sich Artikel 106 (1),(2) EPÜ entsprechend um eine verfahrensabschließende, beschwerdefähige Entscheidung. Eine Entscheidung wird bereits mit ihrer Verkündung existent (vgl. G 12/91, OJ 1994, 285, Gründe Nr. 2, T 837/01, Gründe Nr. 1), d.h. schon vor deren schriftlicher Abfassung bzw. Unterzeichnung durch die Mitglieder des Spruchkörpers. Etwaige Mängel bei der schriftlichen Abfassung der Entscheidung, wie z.B. eine fehlende Unterzeichnung, berühren den verfahrensabschließenden Charakter der Entscheidung daher nicht.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Es liegt ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor, weil die schriftlich abgefasste Entscheidung der rechtskundigen Prüferin weder zugeleitet worden ist noch von dieser unterzeichnet wurde.

2.1 Die Einspruchsabteilung in der ursprünglichen Besetzung hat die Erweiterung der Abteilung durch einen rechtskundigen Prüfer am 15. Juni 2011 beschlossen. Diese Entscheidung ist ausweislich des Akteninhalts nicht revidiert worden (zu einer etwaigen Revidierung näher: T 1088/11, Gründe Nr. 5).

Aufgrund dieser gemäß Artikel 19 (2) Satz 5 EPÜ erfolgten Erweiterung der Einspruchsabteilung musste die zuständige rechtskundige Prüferin an der mündlichen Verhandlung, an den zu treffenden Entscheidungen und an deren schriftlicher Abfassung mitwirken.

Sowohl aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung als auch aus der von der rechtskundigen Prüferin übermittelten Auskunft ergibt sich, dass diese tatsächlich an der mündlichen Verhandlung mitgewirkt hat. Die schriftlich abgefasste Entscheidung ist der rechtskundigen Prüferin indes nach eigenem Bekunden nicht zugeleitet worden. Zudem fehlt auch auf dem internen Beschlussformular (Formular F 2339) in der Rubrik "Rechtskundiges Mitglied" die Unterschrift.

2.2 Die fehlende Unterschrift stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, denn nach Regel 111 (1) und (2) EPÜ sind verkündete Entscheidungen, die angefochten werden können, später schriftlich zu begründen und gemäß Regel 113 (1) EPÜ mit der Unterschrift und dem/den Namen des/der zuständigen Bediensteten zu versehen. Dabei ist die schriftliche Entscheidung von den Mitgliedern zu unterzeichnen, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (siehe z.B. T 2076/11, Gründe Nr. 1; T 390/86, OJ 1989, 30, Gründe Nr. 7 und 8).

2.3 Die Rechtsfolge der fehlenden Unterzeichnung durch ein zuständiges Mitglied hängt nach der Rechtsprechung der Kammern davon ab, ob eine Unterzeichnung nur versehentlich vergessen worden ist, oder ob eine Mitwirkung an der schriftlichen Entscheidung gar nicht oder durch ein falsches Mitglied erfolgte.

Wenn die Unterschrift lediglich durch ein Versehen vergessen wurde, obwohl das Mitglied tatsächlich an der schriftlichen Abfassung der Entscheidung mitgewirkt hat, kann die Entscheidung nach der Rechtsprechung der Kammern durch Nachholung der Unterschrift gemäß Regel 140 EPÜ von der Einspruchsabteilung berichtigt werden (siehe z.B. T 837/01, Gründe Nr. 3; T 225/96, Gründe Nr. 2).

Hat das zuständige Mitglied die Entscheidung demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - weder unterzeichnet noch an der Abfassung der Entscheidung mitgewirkt, so liegt ein unheilbarer Verfahrensfehler vor (siehe z.B. T 225/96, Gründe Nr. 2).

2.4 Da keine besonderen Gründe gegen eine Zurückverweisung sprechen, verweist die Kammer die Angelegenheit aufgrund der vorstehend dargelegten Mängel gemäß Artikel 11 VOBK an die Einspruchsabteilung zurück.

3. Da die Beschwerde wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers begründet ist, entspricht zudem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ der Billigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

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