European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T025214.20180711 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juli 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0252/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03787613.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01J 3/46 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR ANALYSE VON FARBABWEICHUNGEN VON BILDERN MIT EINEM BILDSENSOR | ||||||||
Name des Anmelders: | Koenig & Bauer AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | DE LA RUE INTERNATIONAL LIMITED | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Hauptantrag: ja) Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein) Zulassung von Anträgen (Hilfsanträge: nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtete ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1525442 (Anmeldenummer 03787613.3) widerrufen worden war.
Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ), unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.
II. Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde u.a. auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: "Color Indexing", M. J. Swain et al.; International Journal of Computer Vision, 7:1, 1991, Seiten 11 bis 32; und
D8: "Opponent Color Processing Based on Neural Models", M. Bollmann et al., Proceedings "Advances in Structural and Syntactical Pattern Recognition", 6th International Workshop, SSPR (Leipzig, 1996), Springer, 1996, Seiten 198 bis 207.
III. In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung in Bezug auf das Patent in der erteilten Fassung die Auffassung, dass
- weder der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ noch der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung entgegenstünden,
- der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem von der Beschwerdegegnerin genannten Stand der Technik, insbesondere gegenüber der Druckschrift D1, neu sei, jedoch
- der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf Druckschrift D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Druckschrift D8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ).
IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.
V. In ihrer Erwiderung auf eine der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügte Mitteilung der Kammer reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Mai 2018 zwei Anspruchssätze als Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 ein.
VI. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 11. Juli 2018 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents
- mit den erteilten Unterlagen (Hauptantrag), hilfsweise
- mit den Ansprüchen 1 - 8, eingereicht mit Schreiben vom 30. Mai 2018, und der Beschreibung und den Zeichnungen wie erteilt (Hilfsantrag 1), oder
- mit den Ansprüchen 1 - 7, eingereicht mit Schreiben vom 30. Mai 2018, und der Beschreibung und den Zeichnungen wie erteilt (Hilfsantrag 2).
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VII. Der Wortlaut des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"Verfahren zur Analyse von Farbabweichungen von Druckbildern mit einem Bildsensor, wobei das vom Bildsensor empfangene Bildsignal pixelweise analysiert wird, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:
- aus Farbkanälen (01; 02; 03) wird für jeden Farbkanal (01; 02; 03) ein Bildsensorsignal erzeugt;
- Verknüpfung des Bildsensorsignals eines ersten Farbkanals (01) mit dem Bildsensorsignal eines zweiten Farbkanals (02) mittels einer ersten Berechnungsvorschrift (04) wodurch ein Ausgangssignal (12) eines ersten Gegenfarbkanals (07) generiert wird, sowie Verknüpfung des Bildsensorsignals eines dritten Farbkanals (03) mit den Bildsensorsignalen des ersten (01) und des zweiten Farbkanals (02) mittels einer zweiten Berechnungsvorschrift (06) wodurch ein Ausgangssignal (13) eines zweiten Gegenfarbkanals (08) generiert wird;
- der erste Farbkanal (07) entspricht dem Rot/Grün rezeptiven Feld des menschlichen Auges;
- der zweite Farbkanal (08) entspricht dem Blau/ Gelb rezeptiven Feld des menschlichen Auges;
- die erste Berechnungsvorschrift (04) sieht eine gewichtete Differenzbildung des Bildsensorsignals des zweiten Farbkanals (02) vom Bildsensorsignal des ersten Farbkanals (01) vor;
- die zweite Berechnungsvorschrift (06) sieht eine Verknüpfung des Minimums der Bildsensorsignale des ersten Farbkanals (01) und des zweiten Farbkanals (02) mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals (03) vor;
- jedes Bildsensorsignal wird vor der Verknüpfung mittels der Berechnungsvorschriften (04; 06) einer nichtlinearen Transformation (09) unterzogen und nach der nichtlinearen Transformation (09) mit einem Koeffizienten (11) gewichtet, so dass eine reine Intensitatsänderung [sic] des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale (12; 13) der Gegenfarbkanäle (07; 08) liegert [sic];
- Klassifikation (23) der Ausgangssignale (12; 13) der Gegenfarbkanäle (07; 08), wobei in einem Inspektionsmodus (18) die durch ein Inspektionsbild (22) erzeugten Ausgangssignale (12; 13) der beiden Gegenfarbkanäle (07; 08) pixelweise mit Referenzdatenwerten (19'; 19") eines Referenzdatenspeichers verghichen [sic] werden, wodurch entschieden wird, ob der Bildinhalt des untersuchten Pixel einer bestimmten Klasse entspricht."
Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass die Ausdrücke "Intensitatsänderung" und "liegert" im vorletzten Absatz und der Ausdruck "verghichen" im letzten Absatz des Anspruchs durch die Ausdrücke "Intensitätsänderung", "verglichen" und "liefert" ersetzt wurden, und dass der folgende Absatz zwischen dem vorletzten und dem letzten Absatz hinzugefügt wurde:
" - wobei in zumindest einem Gegenfarbkanal (07; 08) zumindest ein Signal mittels eines Gauss-Tiefpassfilters gefiltert wird,".
Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass der folgende Absatz am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
" - wobei das Verfahren einen Lernmodus (17) und einen Inspektionsmodus (18) aufweist, wobei im Lernmodus (17) die durch zumindest ein Referenzbild (21) erzeugten Referenzdatenwerte (19'; 19") der beiden Gegenfarbkanäle (07; 08) in einem Referenzdatenspeicher gespeichert werden, und wobei im Inspektionsmodus (18) die durch ein Inspektionsbild (22) erzeugten Ausgangssignale (12; 13) der beiden Gegenfarbkanäle (07; 08) pixelweise mit den Referenzdatenwerten (19'; 19") des Referenzdatenspeichers verglichen werden".
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 (2) EPÜ 1973)
2.1 Die Druckschrift D1 offenbart die Identifizierung von Gegenständen durch Analyse ihrer Farbe, wobei die Analyse auf die Erstellung von Farb-Histogrammen der Gegenstände und deren Vergleich mit in einer Datenbank gespeicherten Farb-Histogrammen von Modellen basiert (vgl. Druckschrift D1, Zusammenfassung). Dabei werden die von einem Bildsensor pixelweise erzeugten Farb-Bildsensorsignale ("r", "g" und "b" in der Terminologie der Druckschrift D1) einer Verknüpfung mittels folgender Berechungsvorschriften unterzogen (vgl. den die Seiten 15 und 16 überbrückenden Absatz):
rg = r - g
by = 2 * b - r - g
wb = r + g + b,
wobei die Werte "rg" und "by" dem Farb-System des menschlichen Auges entsprechen (Seite 16, linke Spalte, zweiter Satz nach der mathematischen Formel), d.h. den Rot/Grün- und den Blau/Gelb-rezeptiven Feldern des menschliches Auges, und der Wert "wb" die Intensität darstellt (Seite 16, linke Spalte, dritter Satz nach der mathematischen Formel).
Die Druckschrift D1 offenbart auch die Verwendung eines Farbkonstanz-Algorithmus bei der Auswertung der Farb-Bildsignale (siehe Seite 19, rechte Spalte, zweiter Absatz), und in der Druckschrift wird folgende Normalisierung der Farb-Bildsignale als Farbkonstanz-Algorithmus verwendet (Seite 20, linke Spalte, zweiter Absatz):
r' = r (r + g + b)
g' = g (r + g + b)
b' = b (r + g + b).
2.2 Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zur Analyse von Farbabweichungen von Druckbildern gerichtet. Bei der Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Verfahrens ist die Einspruchsabteilung davon ausgegangen, dass
- die drei Farb-Bildsensorsignale ("r", "g" und "b") der Druckschrift D1 Farbkanäle im Sinne des Anspruchs 1 und die transformierten Signale ("rg", "by" und "wb") Ausgangsignale von Gegenfarbkanälen im Sinne des Anspruchs 1 darstellen;
- das transformierte Signal "rg = r - g" der Druckschrift D1 eine Verknüpfung des Bildsensorsignals ("r") eines ersten Farbkanals mit dem Bildsensorsignal ("g") eines zweiten Farbkanals mittels einer ersten Berechnungsvorschrift darstellt, wobei die erste Berechnungsvorschrift eine Differenzbildung ("r - g") des Bildsensorsignals ("g") des zweiten Farbkanals vom Bildsensorsignal ("r") des ersten Farbkanals vorsieht;
- das transformierte Signal "by = 2 * b - r - g" der Druckschrift D1 eine Verknüpfung des Bildsensorsignals ("b") eines dritten Farbkanals mit den Bildsensorsignalen ("r" und "g") des ersten und des zweiten Farbkanals mittels einer zweiten Berechnungsvorschrift darstellt; und
- in der Druckschrift D1 jedes Bildsensorsignal vor der Transformation einer Normalisierung unterzogen wird (vgl. Nr. 2.1 oben), die der beanspruchten nichtlinearen Transformation entspricht.
Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung die Auffassung vertreten, dass sich das beanspruchte Verfahren von dem in der Druckschrift D1 offenbarten Verfahren nur dadurch unterscheidet, dass
a) in dem zweiten Gegenfarbkanal nicht die Bildsensorsignale der drei Farbkanäle miteinander (vgl. Druckschrift D1, "2 * b - r - g") verknüpft werden, sondern nur das Minimum der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals ("r" und "g") mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals ("b"), und
b) die Bildsensorsignale nach der nichtlinearen Transformation mit einem Koeffizienten gewichtet werden, sodass eine reine Intensitätsänderung des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle liefert, wobei die Differenzbildung der ersten Berechungsvorschrift eine gewichtete Differenzbildung darstellt.
2.3 Der Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach sich das beanspruchte Verfahren von dem Verfahren der Druckschrift D1 nur durch die oben aufgelisteten Merkmale a) und b) unterscheidet, hat die Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens nur insofern widersprochen, als dass sie während der mündlichen Verhandlung darlegte, dass die in der Druckschrift D1 erläuterte Normalisierung nur einen Sonderfall der nichtlinearen Transformation darstelle, und dass die Normalisierung in der Druckschrift D1 von der Verknüpfung losgelöst offenbart sei und zusätzlich die Verwendung von 3-dimensionalen Histogrammen ausschließe (Seite 20, linke Spalte, dritter Satz nach der mathematische Transformation). Außerdem sei der Anspruch 1 auf die Identifikation von Druckfehlern mittels einer Analyse von Farbabweichungen und damit mittels einer präzisen Analyse von Farbtönen gerichtet, während die Druckschrift D1 nur auf eine schnellere Erkennung und Identifikation von Mustern bzw. Objekten (Druckschrift D1, Zusammenfassung) mittels einer einer Farbkonstanz untergeordneten Farbauswertung gerichtet sei (Druckschrift D1, Seite 19, rechte Spalte, zweiter Absatz). Der Fachmann habe daher eine solche Normalisierung für die Bildung der Gegenkanäle nicht in Betracht gezogen.
Diesen Argumenten vermag die Kammer nicht zu folgen. Die in der Druckschrift D1 offenbarte Farbanalyse erzielt zwar eine Identifikation bzw. Erkennung von Gegenständen, sie beinhaltet aber einen Vergleich von Farb-Histogrammen der Gegenstände mit Farb-Histogrammen von Modellen und damit eine Analyse von Abweichungen der Farbe der Gegenstände von der Farbe der Modelle. Ferner wird die Normalisierung der Farb-Signale in der Druckschrift D1 nicht losgelöst von der Verknüpfung der Farbsignale offenbart, sondern - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - als ein wesentlicher Schritt, der der in der Druckschrift D1 offenbarten Farbanalyse vorausgeht, um die Farbkonstanz zu gewährleisten (siehe Seite 13, rechte Spalte, zweiter Absatz, vorletzter Satz; Seite 14, rechte Spalte, Zeilen 17 bis 19 und letzter Satz; und Seite 19, rechte Spalte, zweiter Absatz). Es ist auch anzumerken, dass keines der Merkmale des Anspruchs 1 eine solche Farbkonstanz ausschließt. Insbesondere ist Anspruch 1 nicht auf ein Verfahren mit einer konstanten Beleuchtungsintensität eingeschränkt, bei dem - wie von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - eine Gewährleistung der Farbkonstanz im Sinne der Druckschrift D1 überflüssig und damit zwecklos sei.
Außerdem stellt die Normalisierung in der Druckschrift D1 eine nichtlineare Transformation dar, und Anspruch 1 schließt nicht aus, dass die beanspruchte nichtlineare Transformation durch eine solche Normalisierung verwirklicht wird. Im Gegenteil, wie in der Druckschrift D1 erläutert (siehe Seite 20, linke Spalte, dritter Absatz nach der mathematische Formel) gewährleistet eine solche Normalisierung, dass die normalisierten Signale unverändert gegenüber Veränderungen in der Beleuchtungsintensität bleiben, sodass mit der in der Druckschrift D1 offenbarten Normalisierung bereits die im Anspruch 1 angegebene Wirkung erreicht wird, wonach eine reine Intensitätsänderung des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle liefert. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 ("jedes Bildsensorsignal wird vor der Verknüpfung mittels der Berechnungsvorschriften (04; 06) einer nichtlinearen Transformation (09) unterzogen und nach der nichtlinearen Transformation (09) mit einem Koeffizienten (11) gewichtet, so dass eine reine Intensitatsänderung [sic] des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale (12; 13) der Gegenfarbkanäle (07; 08) liegert [sic]") - wie während der mündlichen Verhandlung erläutert - offen lässt, ob die beanspruchte Wirkung, d.h. "eine reine Intensitätsänderung [...] [die] keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale [liefert]", der nichtlinearen Transformation oder der Gewichtung mit Koeffizienten oder einem Zusammenwirken von beiden zuzuschreiben ist. Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, wonach die genannte Wirkung der Gewichtung mit Koeffizienten und nicht der nichtlinearen Transformation zuzuschreiben sei, da laut der Patentschrift durch die nichtlineare Transformation "dem digitalen Charakter der elektronisch erzeugten Aufnahmen Rechnung getragen" werde (Beschreibung, Spalte 5, Zeilen 4 bis 9; siehe auch Spalte 3, Zeilen 38 bis 43) und durch die Gewichtung mit Koeffizienten erreicht werde, dass eine reine Intensitätsänderung des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu dem Ausgangssignal liefere (Spalte 5, Zeilen 9 bis 14), kann die Kammer auch nicht überzeugen, weil der Anspruch 1 nicht auf eine nichtlineare Transformation mit einer solchen Funktion beschränkt ist und er auch nicht ausschließt, dass die oben genannte, in dem Anspruch angegebene Wirkung bereits durch die nichtlineare Transformation erzielt wird.
2.4 Der Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach das oben erwähnte Merkmal a) ein Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Verfahrens gegenüber der Druckschrift D1 darstelle, hat die Beschwerdegegnerin mit dem Argument widersprochen, dass in dem zweiten Gegenfarbkanal des beanspruchten Verfahrens auch alle drei Bildsensorsignale - wie in der Druckschrift D1 - verknüpft würden, weil das Merkmal des Anspruchs 1, wonach die erste Berechnungsvorschrift eine Verknüpfung des Minimums der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals vorsehe, eine Verknüpfung aller drei Bildsensorsignale darstelle.
Anspruch 1 erfordert aber eine "Verknüpfung" des Bildsensorsignals des dritten Farbkanals mit den Bildsensorsignalen des ersten und des zweiten Farbkanals "mittels einer zweiten Berechnungsvorschrift" (Anspruch 1, zweiter Unterabsatz), wobei "die zweite Berechnungsvorschrift [...] eine Verknüpfung des Minimums" der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals vorsieht (Anspruch 1, sechster Unterabsatz). Die Kammer ist der Auffassung, dass die Merkmale des sechsten Unterabsatzes des Anspruchs 1 eine Spezifizierung bzw. Konkretisierung der Merkmale des zweiten Unterabsatzes des Anspruchs 1 darstellen. Auch wenn eine Verknüpfung eines dritten variablen Parameters mit dem Minimum zweier variabler Parameter als eine im mathematischen Sinne zu verstehende Verknüpfung der zwei variablen Parameter mit dem dritten variablen Parameter betrachtet werden kann, wird in der zweiten Berechnungsvorschrift nur das Minimum der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals einen Beitrag liefern, sodass das Ergebnis der Verknüpfung - anders als in der entsprechenden Verknüpfung der Druckschrift D1, d.h. "2 * b - r - g" - nur von dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals und dem Minimum der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals abhängt.
Somit ist das oben erwähnte Merkmal a) nach Auffassung der Kammer in der Druckschrift D1 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.
2.5 Während des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin auch geltend gemacht, dass die erste und die zweite der in der Druckschrift D1 offenbarten Verknüpfungen (d.h. "r - g" und "2 * b - r - g") eine Gewichtung mit Koeffizienten voraussetzten ("1" für "r" und "g", und "2" für "b"), die der im Anspruch 1 definierten Gewichtung entspreche, sodass das oben erwähnten Unterscheidungsmerkmal "b)" gegenüber der Druckschrift D1 nicht neu sei.
Diesem Argument der Beschwerdegegnerin kann aber nicht gefolgt werden, weil die Koeffizienten der Signale in den Verknüpfungen "r - g" und "2 * b - r - g" Koeffizienten der Verknüpfungen darstellen, und nicht Koeffizienten einer Gewichtung, die gemäß Anspruch 1 vor der Verknüpfung stattfindet. Außerdem würde eine Identifizierung der Koeffizienten in den Verknüpfungen "r - g" und "2 * b - r - g" mit Koeffizienten einer Gewichtung im Sinne des Anspruchs 1 eine zusätzliche, in der Druckschrift D1 nicht offenbarte Gewichtung erfordern, die der Tatsache Rechnung trägt, dass die zweite Berechnungsvorschrift von den Bildsensorsignalen des ersten und des zweiten Farbkanals nur das Minimum mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbsignals verknüpft.
2.6 Aus den obigen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Verfahren des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift D1 ist, wobei unter Berücksichtigung der oben dargelegten Überlegungen (siehe insbesondere Nr. 2.3, dritter Absatz) das beanspruchte Verfahren sich von dem Verfahren der Druckschrift D1 nur dadurch unterscheidet, dass
A) in der zweiten Berechnungsvorschrift nicht die Bildsensorsignale der drei Farbkanäle miteinander verknüpft werden, sondern nur das Minimum der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals verknüpft wird, und
B) die Bildsensorsignale nach der nichtlinearen Transformation derselben mit einem Koeffizienten gewichtet werden, und zwar so, dass die Wirkung der nichtlinearen Transformation, wonach eine reine Intensitätsänderung des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle liefert, beibehalten wird.
Es ist hier anzumerken, dass das beanspruchte Merkmal, wonach die Differenzbildung der ersten Berechnungsvorschrift eine gewichtete Differenzbildung ist, eine direkte Folge der beanspruchten Gewichtung mit Koeffizienten ist.
2.7 Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift D1 ist. Mangelnde Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber anderen Dokumenten des Stands der Technik wurde nicht geltend gemacht.
3. Hauptantrag - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973)
3.1 Die beanspruchte Erfindung ist darauf gerichtet (Patentschrift, Absätze [0001], [0002] und [0009] bis [0018]), die Analyse von Farbabweichungen von Bildern mittels einer Simulation bzw. einer Modellierung der menschlichen Farbwahrnehmung - wie z.B. aus der in der Patentschrift zitierten Druckschrift D1 bereits bekannt, vgl. Absatz [0007] und [0018] der Patentschrift - zu verbessern (Patentschrift, Absatz [0019] und [0026]).
Es ist unbestritten, dass die Druckschrift D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die durch die Unterscheidungsmerkmale A) und B) gegenüber der Druckschrift D1 erzielte technische Wirkung und damit die daraus abzuleitende objektive Aufgabe besteht darin, die Analyse von Farbabweichungen von Bildern zu verbessern. Dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach die objektiv gelöste Aufgabe lediglich darin bestünde, ein alternatives Verfahren zur Verfügung zu stellen, kann nicht gefolgt werden, u.a. weil - wie von der Beschwerdegegnerin unter Verweis auf die in der Druckschrift D8 (vgl. Fig. 4.2, und Seite 203, letzter Absatz) erläuterten Ergebnisse von Vergleichsversuchen auch vorgebracht - das Unterscheidungsmerkmal A) für sich allein bereits zu einer verbesserten Simulation bzw. Modellierung der menschlichen Farbwahrnehmung und damit zu einer effizienteren Analyse von Farbabweichungen von Bildern führt.
3.2 Die Druckschrift D8 ist darauf gerichtet, die Simulation bzw. Modellierung der menschlichen Farbwahrnehmung bei der Bildverarbeitung von Farbbildern zu verbessern (siehe Zusammenfassung, zusammen mit Abschnitt 2 und Fig. 4.2), und die Druckschrift D8 offenbart ein Farbanalysesystem, das auch auf der Verknüpfung von drei Farbkanälen zu zwei Gegenfarbkanälen basiert, wobei die zwei Gegenfarbkanäle das Rot/Grün- und das Blau/Gelb-rezeptive Feld des menschliches Auges modellieren (siehe Abschnitt 3, erster und zweiter Absatz, i.V.m. Fig. 2.1 und Seite 203, zweiter Absatz).
Die Druckschrift D8 weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bildung des zweiten Gegenfarbkanals, d.h. des Gegenfarbkanals "b+y" (entsprechend dem Gegenfarbkanal "by = 2 * b - r - g" in der Druckschrift D1), auf der Basis nur des Minimums von "r" und "g" statt aufgrund der Basis einer Kombination von "r" und "g" (Fig. 3.2 und Seite 200, dritter Absatz) zu einer verbesserten wahrnehmungsbezogenen Analyse führt (Seite 203, zweiter Absatz). Des Weiteren lehrt die Druckschrift D8, die Bildsensorsignale anzupassen, und zwar durch die Verwendung von Faltungskernen ("convolution kernels", siehe Seite 200, letzter Absatz i.V.m. Fig. 3.1 und 3.2, und den mathematischen Formeln (3.1) und (3.2)).
Der von der Druckschrift D1 ausgehende Fachmann würde zur Lösung der gestellten Aufgabe die Lehre der Druckschrift D8 in Betracht ziehen und anwenden, um diese Aufgabe zu lösen. Dementsprechend kann dem Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Druckschrift D1 eine vollständige Lehre zur Analyse von Farbabweichungen bereits offenbare, sodass für den Fachmann keine Veranlassung bestünde, die Lehre der Druckschrift D1 abzuändern, nicht gefolgt werden.
Der Lehre der Druckschrift D8 entsprechend würde der Fachmann das Verfahren der Druckschrift D1 so anpassen, dass in der zweiten Berechnungsvorschrift des Verfahrens nur das Minimum der Bildsensorsignale des ersten und des zweiten Farbkanals mit dem Bildsensorsignal des dritten Farbkanals verknüpft wird. Außerdem würde der Fachmann die Bildsensorsignale nach der in der Druckschrift D1 offenbarten nichtlinearen Transformation mit den in der Druckschrift D8 offenbarten Faltungskernen so anpassen, dass die Signale mit den in der Druckschrift D8 offenbarten Gauss-Koeffizienten (siehe die Koeffizienten wk,l**(center) und wk,l**(surr.) in der mathematischen Formel (3.2)) einer Gauss-Verteilung (Wcenter(x,y) und Wsurr.(x,y) in der mathematischen Formel (3.1)) multipliziert werden. Da die Signale jeweils mit unterschiedlichen Gauss-Koeffizienten multipliziert werden, werden sie - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - einer Gewichtung mit Koeffizienten im Sinne des Anspruchs 1 unterzogen.
Außerdem werden die Gauss-Koeffizienten in der Druckschrift D8 so ausgewählt, dass bei Weißlichtbeleuchtung von der Modellierung kein Beitrag geleistet wird (Druckschrift D8, Seite 200, letzter Absatz). Diese Eigenschaft der Gauss-Koeffizienten gewährleistet, dass die Wirkung der in der Druckschrift D1 offenbarten nichtlinearen Transformation, wonach eine reine Intensitätsänderung des Ausgangsbilds keinen Beitrag zu einem der Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle liefert, beibehalten wird.
3.3 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass die Normalisierung in der Druckschrift D1 und die Gewichtung mit Gauss-Koeffizienten in der Druckschrift D8 jeweils eine Kompensation von Intensitätsschwankungen bewirke, und dass bei einer Kombination beider Druckschriften der Fachmann mit dem Problem konfrontiert sei, welche Folgen eine solche doppelte Kompensation von Intensitätsschwankungen hätte bzw. wie sie umzusetzen wären. Diesem Argument vermag die Kammer nicht zu folgen, weil die in der Druckschrift D8 offenbarte Gewichtung mit Gauss-Koeffizienten - wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung ausgeführt - dem Weißanteil des Beleuchtungslichts Rechnung trägt, und nicht irgendwelchen Intensitätsschwankungen, sodass die beanspruchte Kompensation von Intensitätsschwankungen in der Kombination der Druckschriften D1 und D8 nur durch die Normalisierung in der Druckschrift D1 durchgeführt wird.
3.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die oben aufgeführten Unterscheidungsmerkmale "A)" und "B)" keinen erfinderischen Beitrag gegenüber dem aus Druckschrift D1 bekannten Verfahren unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift D8 liefern. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
4. Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung (Artikel 13 (1) VOBK)
4.1 Während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung wurden die drei Hilfsanträge, die früher im schriftlichen Verfahren eingereicht worden waren, zurückgenommen, nachdem die Einspruchsabteilung erklärt hatte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung - d.h. der Anspruch gemäß dem damaligen und jetzigen Hauptantrag - nicht erfinderisch sei, und es sich bei dem ersten Hilfsantrag lediglich um eine Klarstellung handele (vgl. 6.1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 15. November 2013). Der dritte dieser Hilfsanträge wurde dann als (einziger) Hilfsantrag mit der Beschwerdebegründung wieder eingereicht.
In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung hat die Kammer ausgeführt, dass es fraglich sei, ob der mit der Beschwerdebegründung wieder vorgelegte Hilfsantrag gemäß Artikel 12 (4) VOBK zulässig, insbesondere in der Beschwerdebegründung ausreichend substantiiert sei (Artikel 12 (2) VOBK).
In Reaktion auf diese Mitteilung der Kammer reichte die Beschwerdeführerin die vorliegenden Hilfsanträge 1 und 2 ein, wobei der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 einer Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit den Merkmalen des erteilten abhängigen Anspruchs 4 und der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 einer Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit den Merkmalen der erteilten abhängigen Ansprüche 4 und 5 entsprechen.
Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die Hilfsanträge 1 und 2 als Reaktion auf den Ladungsbescheid eingereicht worden seien, und dass die Merkmale der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 lediglich aus den erteilten Ansprüchen stammten, sodass damit kein neuer Sachverhalt in das Verfahren eingeführt werde. Sie machte geltend, dass bereits aus diesen Gründen die Hilfsanträge 1 und 2 zulässig seien.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Hilfsanträge 1 und 2 nicht ins Verfahren zuzulassen. Zur Stützung dieses Antrags führte sie aus, dass die Hilfsanträge 1 und 2 viel früher hätten vorgebracht werden können, dass die Einspruchsabteilung weder zu den zurückgezogenen Hilfsanträgen noch zu den neu eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2 Stellung bezogen habe, dass es keine Rechtfertigung für die späte Einreichung der Hilfsanträge 1 und 2 gebe, und dass die neuen Hilfsanträge 1 und 2 die Einwände gegenüber dem Hauptantrag, insbesondere den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, prima facie nicht ausräumen könnten.
4.2 Nach Artikel 13 (1) VOBK, erster Satz, steht es im Ermessen der Kammer, die nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 zuzulassen und zu berücksichtigen.
Die Kammer weist zunächst darauf hin, dass die Tatsache, dass Anspruch 1 gemäß den geltenden Hilfsanträgen 1 und 2 lediglich auf eine Kombination von erteilten Ansprüchen zurückgeht, und dass diese Hilfsanträge als Reaktion auf den Ladungsbescheid, mit dem die Kammer sowohl die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als auch die Zulässigkeit des damals geltenden Hilfsantrags in Frage gestellt hat, eingereicht wurden, für sich genommen - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht automatisch die Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2 rechtfertigt. Dies gilt insbesondere für den Hilfsantrag 1, da der Anspruch 1 gemäß diesem Hilfsantrag im Wesentlichen dem Anspruch 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag entspricht, mit der Ausnahme, dass eines der Merkmale des Anspruchs breiter gefasst ist (vgl. die Definition "wobei in zumindest einem Gegenfarbkanal (07; 08) zumindest ein Signal mittels eines Gauss-Tiefpassfilters gefiltert wird" im Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hilfsantrag 1 mit der Definition "Filterung der Ausgangssignale (12; 13) der Gegenfarbkanäle (07; 08) mittels Gauss-Tiefpassfilter (16)" im Anspruch 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag). Wie oben (unter Nr. 4.1. zweiter Absatz) ausgeführt, hat die Kammer im Ladungsbescheid Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des seinerzeit geltenden Hilfsantrags geäußert.
Bei der Ausübung des Ermessens über die Zulassung verspätet vorgebrachter Anträge wird entsprechend ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern neben den unter Artikel 13 (1) VOBK, zweiter Absatz, ausdrücklich genannten Kriterien auch das Kriterium berücksichtigt, ob die neu eingereichten Anträge unmittelbar ersichtlich gewährbar sind, insbesondere ob sie bestehende Einwände prima facie eindeutig beheben, ohne dabei neue einzuführen (siehe z.B. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" EPA, 8. Auflage 2016, Abschnitt IV.E.4.2.5, erster Absatz).
4.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Wesentlichen dadurch, dass "in zumindest einem Gegenfarbkanal (07; 08) zumindest ein Signal mittels eines Gauss-Tiefpassfilters gefiltert wird". Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass in der Druckschrift D8 die Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle ebenfalls gefiltert werden, nicht aber mit einem Gauss-Tiefpassfilter, sondern mit einer Tangens-Hyperbolicus-Funktion (Druckschrift D8, Seite 201, erster Absatz, mathematische Formel (3.3), und Fig. 3.2), und dass bereits aus diesem Grund das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Kammer kann dieser Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen, weil Anspruch 1 - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - nur die Filterung "zumindest ein[es] Signal[s]" "in zumindest einem Gegenfarbkanal" erfordert, und der Anspruch offen lässt, ob das zu filternde Signal dem Ausgangssignal eines Gegenfarbkanals oder einem anderen Signal des Gegenfarbkanals entspricht. Außerdem werden in der Druckschrift D8 die Signale in den Gegenfarbkanälen, wie bereits oben unter Nr. 3.2 dargelegt, mit den Koeffizienten wk,l**(center) und wk,l**(surr.) gewichtet, die Komponenten einer Gauss-Funktion (siehe die Funktionen Wcenter(x,y) und Wsurr.(x,y) in der mathematischen Formel (3.1)) sind und daher - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - einen Gauss-Tiefpassfilter darstellen (vgl. Fig. 3.1 und Seite 200, letzter Absatz). Dem weiteren Argument der Beschwerdeführerin, wonach die Signale, die in der Druckschrift D8 mit Gauss-Koeffizienten gewichtet werden, keine Signale der Gegenfarbkanäle darstellen, sodass bei der Druckschrift D8 nur die Farbkanäle - und nicht die Gegenfarbkanäle - einer Gauss-Filterung unterzogen werden, kann auch nicht gefolgt werden, weil Anspruch 1 (siehe die Definition: "der erste Gegenfarbkanal (07) entspricht dem Rot/Grün rezeptiven Feld des menschliches Auges" und die Definition: "der zweite Gegenfarbkanal (08) entspricht dem Blau/Gelb rezeptiven Feld des menschliches Auges") offen lässt, ob die Gegenfarbkanäle nur die Ausgangssignale umfassen, oder - wie dies zum Beispiel in der Beschreibung der Patentschrift der Fall zu sein scheint (siehe Rahmen "07" und "08" in Fig. 1, die sowohl die nichtlinearen Transformationen "T" als auch die Gewichtung mit Koeffizienten "K1" bis "K4" umfassen und jeweils entsprechend der Bezugszeichenliste in Spalte 6 der Beschreibung die Gegenfarbkanäle Rot/Grün und Blau/Gelb darstellen) - auch die Signale, die der Gewichtung mit den Koeffizienten unterzogen werden.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass der geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 prima facie nicht den bestehenden Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausräumt. Unter diesen Umständen übt die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, den Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
4.2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Merkmale des letzten Absatzes, in dem ein Lernmodus und ein Inspektionsmodus definiert werden.
Der Inspektionsmodus wird in dem letzten Absatz des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 dadurch definiert, dass die durch ein Inspektionsbild erzeugten Ausgangssignale der beiden Gegenfarbkanäle pixelweise mit den Referenzdatenwerten eines Referenzdatenspeichers verglichen werden. Alle diese Merkmale werden aber bereits in dem vorangehenden Absatz des Anspruchs 1 und dementsprechend auch in dem letzten Absatz des erteilten Anspruchs 1 definiert, und der - zutreffenden - Feststellung der Einspruchsabteilung, wonach keines dieser Merkmale Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Druckschrift D1 darstelle, hat die Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens nicht widersprochen.
Außerdem werden die Referenzdatenwerte, mit denen in der Druckschrift D1 die durch ein Inspektionsbild erzeugten Ausgangssignale der Gegenfarbkanäle verglichen werden, durch Histogramme dargestellt, die mit Referenzobjekten erzeugt werden (siehe Fig. 1 bis 19 auf Seiten 29 bis 32 und die entsprechende Beschreibung). Die Erzeugung der entsprechenden Referenzdatenwerte stellt einen Lernmodus im Sinne des beanspruchten Verfahrens dar. Ferner ist es in der Druckschrift D1 - wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - implizit, oder für den Fachmann zumindest naheliegend, die Referenzdatenwerte der Referenzobjekte in derselben Weise zu erzeugen wie die durch ein Inspektionsbild erzeugten Ausgangssignale, d.h. auch als Ausgangssignale der beiden Gegenfarbkanäle.
Die Druckschrift D8 umfasst ebenfalls - wie auch von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht - einen Lernmodus ("primary learning" bzw. "training phase", siehe Seite 204, letzter Absatz), in dem Referenzdaten erstellt werden (siehe Seite 199, letzter Absatz: "NAVIS [...] learns the objects in its visual field [...]."), und einen Inspektionsmodus ("the recognition stage", siehe den Seiten 204 und 205 überbrückenden Absatz), in dem die durch ein Inspektionsbild erzeugten Ausgangssignale der beiden Gegenfarbkanäle pixelweise mit den Referenzdaten verglichen werden.
Daraus folgt, dass auch der geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 prima facie nicht den bestehende Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausräumt. Unter diesen Umständen übt die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, den Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
5. Da der Hauptantrag nicht gewährbar ist und die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zugelassen wurden, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.