T 0221/14 () of 19.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T022114.20180919
Datum der Entscheidung: 19 September 2018
Aktenzeichen: T 0221/14
Anmeldenummer: 07115862.0
IPC-Klasse: B65B 69/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betreiben einer Verpackungsentleerstation
Name des Anmelders: Hecht Anlagenbau GmbH
Name des Einsprechenden: Extract Technology Limited
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung über die Zurückweisung ihres Einspruchs gegen das Patent Nr. 1 918 209 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und begründet.

II. Mit dem Einspruch war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 c) EPÜ (unzulässige Änderung) angegriffen worden. Letzterer Einspruchsgrund wurde fallengelassen und von der Einspruchsabteilung auch nicht weiterbehandelt.

III. Die Einspruchsabteilung befand, dass ersterer Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung nicht entgegenstünde.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte

die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), und hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 des Patents in erteilter Fassung (Hilfsantrag).

Beide Parteien beantragten überdies hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Die Kammer lud die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 24. September 2018 und teilte ihnen das Ergebnis ihrer vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.

VI. Auf die Mitteilung der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 3. September 2018, dass sie am Verhandlungstermin nicht teilnehmen werde, hob die Kammer am 19. September 2018 den Verhandlungstermin auf und entschied im schriftlichen Verfahren.

VII. Das ihre jeweiligen Anträge stützende Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen im Zusammenhang mit dem Ladungsbescheid der Kammer diskutiert.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung allein wesentlichen unabhängigen Ansprüche 1 und 6 gemäß dem Patent in erteilter Fassung lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Betreiben einer Verpackungsentleerstation, welche eine Aufgabestation (2), in der ein Entleerungsschritt einer Verpackung durchgeführt wird, einen Einlass (5) in die Aufgabestation (2), über den eine zu entleerende Verpackung in die Aufgabestation (2) eingeschleust wird und einen Produktauslass (10), durch den ein entleerter Inhalt der Verpackung abgeführt wird, aufweist,

wobei des Verfahren durch folgende Verfahrensschritte gekennzeichnet ist:

(a) Umgeben des Einlasses (5) mit einer Endlos-Schlauchfolie (6), deren den Einlass (5) umgebendes Ende verschlossen wird;

(b) Einbringen mindestens einer zu entleerenden Verpackung durch den Einlass (5), wobei die verschlossene Endlos-Schlauchfolie (6) mit in die Aufgabestation (2) gezogen wird und die mindestens eine Verpackung umgibt;

(c) Verschließen der Endlos-Schlauchfolie (6) hinter der von der Endlos-Schlauchfolie (6) umgebenen mindestens einen Verpackung,

(d) Entleeren der mindestens einen Verpackung in der Aufgabestation;

(e) Ausschleusen der mindestens einen Verpackung".

"6. Verfahren zum Betreiben einer Verpackungsentleerstation, welche eine Aufgabestation (2), in der ein Entleerungsschritt einer Verpackung durchgeführt wird, einen Einlass in die Aufgabestation (2), über den die zu entleerende Verpackung in die Aufgabestation (2) eingeschleust wird, einen Auslass (9) aus der Aufgabestation (2), über den die entleerte Verpackung ausgeschleust wird, und einen Produktauslass (10), durch den ein entleerter Inhalt der Verpackungen abgeführt wird, aufweist,

wobei das Verfahren durch folgende Verfahrensschritte gekennzeichnet ist:

(a) Umgeben des Einlasses (5) mit einer Endlos-Schlauchfolie (6), deren den Einlass (5) umgebendes Ende verschlossen wird,

(b) Verbinden eines die zu entleerende Verpackung enthaltenden Behälters (14) mit der verschlossenen den Einlass umgebenden Endlos-Schlauchfolie (6), ohne das verschlossene Ende zu öffnen,

(c) Öffnen des verschlossenen Endes der Endlos-Schlauchfolie (6),

(d) Einführen der zu entleerenden Verpackung aus dem Behälter in die Aufgabestation,

(e) Zweimaliges Verschließen der Endlos-Schlauchfolie (6) zwischen dem Einlass und dem Behälter (14),

(f) Durchtrennen der Endlos-Schlauchfolie (6) zwischen den zwei Verschlussstellen".

Entscheidungsgründe

1. Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren unter Aufhebung des zunächst angesetzten Verhandlungstermins.

Gemäß ständiger Rechtsprechung wird die Erklärung einer Partei, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt hatte (hier der Beschwerdeführerin), nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, als Rücknahme ihres Hilfsantrags behandelt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, III.C.2.3.1). Im Hinblick auf das Ergebnis der Entscheidung ist der Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin auf mündliche Verhandlung ohnehin obsolet. Die Kammer konnte somit den anberaumten Verhandlungstermin aufheben und unter Wahrung des rechtlichen Gehörs beider Parteien im schriftlichen Verfahren entscheiden.

2. Ansprüche 1 und 6 - erfinderische Tätigkeit, Artikel 52 und 56 EPÜ

2.1 Im Ladungsbescheid führte die Kammer aus, dass und warum die Gegenstände von Ansprüchen 1 und 6 des Patents in erteilter Fassung eine erfinderische Tätigkeit aufweisen (dort unter Nrn 3. und 4. und nachstehend wiedergegeben):

2.2 Unstreitig betreffend den Anspruch 1 des Patents sind die Wahl des nächstliegenden Standes der Technik (D5), die Unterscheidungsmerkmale (Verfahrensschritte (a) bis (c)) sowie die daraus abzuleitende objektive technische Aufgabe (Alternative zur Vorgehensweise nach D5).

Zur Lösung dieser Aufgabe führt die Beschwerdeführerin die Lehre der D8 an.

Im aus D8 bekannten Verfahren wird das Prinzip einer "sausage machine" mittels einer Endlos-Schlauchfolie ausschließlich beim, bzw. zum Ausbringen der Verpackung aus der Aufgabestation angewandt.

Der Fachmann erhält also aus D8 keinen Hinweis, das o.g. Prinzip umzukehren und zum Einbringen von zu entleerenden Verpackungen in die Aufgabestation von D5 zu verwenden. Einen Beleg für das Vorliegen eines solchen Hinweises im vorgelegten Stand der Technik oder im allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns ist im vorliegenden Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht zu finden. Somit könnte der Fachmann mangels Vorbilds, bzw. Anregung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Unstreitig betreffend den Anspruch 6 des Patents sind die Wahl des nächstliegenden Standes der Technik (D7), die Unterscheidungsmerkmale (Verfahrensschritte (a) bis (c)) und die daraus abzuleitende objektive technische Aufgabe (Alternative zur Vorgehensweise nach D7).

Zur Lösung dieser Aufgabe führt die Beschwerdeführerin die Lehren der D2, D8, D5 und D17 an.

Im aus D7 bekannten Verfahren wird das Prinzip der Umhüllung einer Verpackung mittels einer Endlos-Schlauchfolie ausschließlich beim, bzw. zum Ausbringen der Verpackung aus der Aufgabestation angewandt.

Der Fachmann erhält also aus D7 keinen Hinweis, das o.g. Prinzip umzukehren und zum Einbringen von zu entleerenden Verpackungen in die Aufgabestation von D7 zu verwenden. Einen Beleg für das Vorliegen eines solchen Hinweises im vorgelegten Stand der Technik, siehe insbesondere D2, D5, D7, D8, D17, oder im allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns ist im vorliegenden Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht zu finden. Somit könnte der Fachmann mangels Vorbilds, bzw. Anregung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 6 gelangen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Auch ergibt sich bei Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheidung T 192/82 (ABl. EPA 1984, 415) kein anderes Ergebnis. In Punkt I. des Leitsatzes dieser Entscheidung heißt es: "Ist ein Erzeugnis als Kombinationsprodukt oder Gemisch aus Komponenten mit bestimmten Funktionen bekannt, so können sowohl die Erzeugung und Anwendung einer verbesserten, neuen Komponente für denselben Zweck an sich als auch das diese Komponente enthaltende verbesserte Erzeugnis patentierbar sein. Gehört dabei die betreffende Komponente mit ihren relevanten Eigenschaften jedoch zum Stand der Technik, so ist ihre Verwendung in dem Erzeugnis wegen ihrer vorhersehbaren günstigen Wirkung naheliegend. ("Analoger Ersatz")".

Vorliegend scheitert die Anwendbarkeit dieser Entscheidung auf den nun zur Entscheidung stehenden Sachverhalt bereits daran, dass vorliegend die Verfahrensschritte (a) bis (c) des Anspruchs 6 zusammen "mit deren relevanten Eigenschaften" aus dem Stand der Technik gerade nicht bekannt sind.

In Übereinstimmung mit der Meinung der Einspruchsabteilung, siehe Punkte II.4.3 und II.4.4 der angefochtenen Entscheidung, und mit der Argumentation der Beschwerdegegnerin unter Punkt 2 ihrer Beschwerdeerwiderung erachtet die Kammer, dass das Verfahren gemäß Anspruch 6 eine erfinderische Tätigkeit aufweist.

2.3 Die Beschwerdeführerin hat hierzu im Rahmen des ihr gewährten rechtlichen Gehörs keine Stellung genommen, bzw. dieser nicht widersprochen.

2.4 Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an ihrer im Ladungsbescheid geäußerten Auffassung fest und erachtet, dass die Gegenstände von Ansprüchen 1 und 6 des Patents in erteilter Fassung eine erfinderische Tätigkeit aufweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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