European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T021814.20190508 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Mai 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0218/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04009349.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | H05B 37/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Steuerbare Lichtanlage mit zweitem Kommunikationsprotokoll und Geräte hierfür | ||||||||
Name des Anmelders: | OSRAM GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Helvar Oy Ab | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 7 (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 480 496 widerrufen worden ist.
II. Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Hauptantrags und des zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Hilfsantrags 1 nicht neu im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ sei sowie dass die übrigen Hilfsanträge die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllten.
III. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 25. Januar 2019 hatte die Kammer dargelegt, dass nach ihrer Meinung keiner der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Anträge dem Erfordernis der Neuheit entsprach und aufgrund dessen keine Notwendigkeit bestand, das Erfordernis der Klarheit im Detail zu prüfen.
IV. Mit Schreiben vom 21. März 2019 reichte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) geänderte Hilfsanträge ein.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) reichte mit Schreiben vom 8. April 2019 Argumente gegen die Klarheit sämtlicher Anträge der Beschwerdeführerin ein.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, und zwar auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdeschrift, hilfsweise des 1. Hilfsantrags, eingereicht am 21. März 2019, oder des 2. Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder eines des 3. bis 7. Hilfsantrags, eingereicht am 21. März 2019.
VII. Die Beschwerdegegnerin beantragte abschließend, die Beschwerde zurückzuweisen und den 2. bis 7. Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 8. Mai 2019 statt.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Elektronisches Vorschaltgerät (1) für eine Lampe (2), bei dem der Betrieb der Lampe (2) durch digitale Ansteuerung des Vorschaltgeräts (1) mit einem Kommunikationsprotokoll über einen Steueranschluss (41) gesteuert werden kann, wobei das Vorschaltgerät (1) zur digitalen Ansteuerung zwecks Austausch weiterer Informationen mit wenigstens einem zusätzlichen Kommunikationsprotokoll über den Steueranschluss (41) ausgelegt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Kommunikationsprotokolle während des Betriebs zeitverschachtelt eintreten."
X. Sämtliche unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 7 enthalten ebenfalls den Ausdruck "zeitverschachtelt".
XI. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
In Absatz [0013] des Patents sei der Ausdruck "zeitverschachtelt" näher erläutert. Zwar sei dort offenbart, dass das erste Kommunikationsprotokoll und das zweite Kommunikationsprotokoll zeitgleich versendet werden könnten. Der Ausdruck "zeitgleich" werde in Absatz [0013] jedoch weiter dahingehend relativiert, dass das Versenden in irgendeiner Weise zeitverschachtelt, also mit Wechsel nach bestimmten Bitzahlen oder bestimmten Befehlszahlen erfolge. Ferner würden gemäß Absatz [0013] die Signale bedarfsabhängig ohne fest vorgegebene Reihenfolge befehlsweise abgewechselt. Hieraus ergebe sich, dass gemäß dem Patent zeitgleich als zeitverschachtelt zu verstehen sei. Auf dem Fachgebiet der Bussysteme sei eine zeitverschachtelte Übertragung ein feststehender Fachbegriff, so dass für den Fachmann der Anspruchswortlaut klar sei. Ausgehend von dem erteilten Ausdruck "alternativ" sei durch den Ausdruck "zeitverschachtelt" lediglich die im Ausdruck "alternativ" begründete Unklarheit korrigiert worden. In Anlehnung an die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 sei daher die Klarheit des Ausdrucks "zeitverschachtelt" nicht mehr zu prüfen.
Weiterhin verstehe der Fachmann, dass lediglich durch die Umschaltung von dem ersten Kommunikationsprotokoll auf das zweite Kommunikationsprotokoll noch keine Zeitverschachtelung erfolge. Es sei erforderlich, dass mindestens einmal von dem zweiten Kommunikationsprotokoll auf das erste Kommunikationsprotokoll zurück gewechselt werde. Die Tatsache, dass gemäß Anspruch 1 die zeitverschachtelte Abfolge von Kommunikationsprotokollen im Betrieb erfolge, sei gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 nicht mehr anfechtbar, da die zugehörigen Merkmale bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten waren. Es folge daraus, dass das Vorschaltgerät entsprechend ausgelegt sein müsse. Insgesamt sei der Wortlaut des Anspruchs 1 klar.
XII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Auch unter Berücksichtigung des Absatzes [0013] des Patents sei für den Fachmann der Ausdruck "zeitverschachtelt" unklar. Einerseits sei nicht klar, wie oft zwischen den Protokollen gewechselt werden müsse, um das Anspruchsmerkmal "zeitverschachtelt" zu erfüllen. Ferner betreffe der Ausdruck "zeitverschachtelt" lediglich den Betrieb der beanspruchten Vorrichtung und schränke diese folglich nicht ein. Es sei daher nicht klar, ob ein Produkt, welches potentiell im Betrieb das strittige Merkmal erfülle, das Patent verletze, sofern dieses sich im nicht betriebenen Zustand befinde. Das beanspruchte Vorschaltgerät enthalte keinerlei einschränkende Merkmale dahingehend, den Betrieb zu beeinflussen. Der Betrieb werde gemäß dem Patent von einem Steuergerät vorgegeben, welches nicht Gegenstand des Anspruchs 1 sei. Folglich erfülle der Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit
1.1 Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ist folglich zulässig.
1.2 (Nicht)Zulassung der Hilfsanträge 2 bis 7
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Hilfsanträge 2 bis 7 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Eine Entscheidung über die Frage der Zulassung der Hilfsanträge 2 bis 7 kann jedoch dahinstehen, da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass keiner der Anträge der Beschwerdeführerin die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt (siehe unten zur mangelnden Klarheit).
2. Mangelnde Klarheit Artikel 84 EPÜ
2.1 Hauptantrag
Der Ausdruck "zeitverschachtelt" in Anspruch 1 des Hauptantrags ist unklar. Folglich erfüllt der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Das betroffene Merkmal des Anspruchs 1 lautet:
"dadurch gekennzeichnet, dass die Kommunikationsprotokolle während des Betriebs zeitverschachtelt eintreten."
Der Ausdruck "zeitverschachtelt" bezieht sich folglich auf das Eintreten eines Kommunikationsprotokolls und eines zusätzlichen Kommunikationsprotokolls an einem Steueranschluss des elektronischen Vorschaltgeräts während dessen Betriebs.
Hierbei ist bereits unklar, wie eine Abfolge des Kommunikationsprotokolls und des zusätzlichen Kommunikationsprotokolls ausgestaltet sein muss, um unter das entsprechende Anspruchsmerkmal zu fallen.
"Zeitverschachtelt" mag zwar für den Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, ein feststehender Fachbegriff sein. Dies gilt jedoch nur in einem fest vorgegebenen technischen Kontext, wie beispielsweise einem Wechsel der Protokolle nach einer fest vorgegebenen Bitzahl. Ein derartiger Kontext fehlt im Gegenstand des Anspruchs 1. In Anspruch 1 sind auch die Kommunikationsprotokolle nicht definiert, sodass der Anspruch auch implizit keinerlei Informationen über die vorzunehmende Zeitverschachtelung enthält.
Die Eignung des Vorschaltgeräts für zwei unterschiedliche Kommunikationsprotokolle ergibt sich entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin auch nicht aus dem strittigen Merkmal, da sie bereits durch das darüberstehende Merkmal definiert wird, wonach "das Vorschaltgerät (1) zur digitalen Ansteuerung ... mit wenigstens einem zusätzlichen Kommunikationsprotokoll ... ausgelegt ist".
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin auch nicht zu, dass die Änderung des erteilten Ausdrucks "alternativ" in "zeitverschachtelt" lediglich eine Klarstellung darstellt, da "alternativ" unklarer als "zeitverschachtelt" sei und folglich in Anlehnung an die in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 entwickelten Grundsätze die Klarheit des Ausdrucks "zeitverschachtelt" nicht mehr zu überprüfen wäre.
Einerseits wurde die besagte Änderung aufgrund eines Verstoßes des Ausdrucks "alternativ" gegen Artikel 100 c) EPÜ durchgeführt und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, um die Klarheit herzustellen. Das Argument, die mangelnde Klarheit sei bereits im Ausdruck "alternativ" begründet gewesen und insofern nicht mehr zu prüfen, greift folglich nicht durch.
Zudem ist eine vermeintliche Unklarheit des Ausdrucks "alternativ" abgesehen von der Tatsache, dass sie von der Beschwerdeführerin als Rechtfertigung dafür benutzt wird, den Ausdruck "zeitverschachtelt" nicht mehr auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ hin zu prüfen, weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Kammer hat daher keine Veranlassung, die angebliche Unklarheit des Ausdrucks "alternativ" mit jener des Ausdrucks "zeitverschachtelt" zu vergleichen.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
2.2 Hilfsanträge 1 bis 7
Für die auf das elektronische Vorschaltgerät gerichteten unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 sowie die auf die Lichtanlage gerichteten unabhängigen Ansprüche 7, 6 bzw. 4 der Hilfsanträge 4 bis 7 gilt das oben Gesagte entsprechend, da in sämtlichen dieser Ansprüche der Ausdruck "zeitverschachtelt" im selben Kontext enthalten ist.
Somit erfüllt auch keiner der unabhängigen Vorrichtungsansprüche der Hilfsanträge 1 bis 7 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
3. Schlussfolgerung
Da kein gewährbarer Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt, gibt die Kammer dem Antrag der Beschwerdegegnerin statt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.