T 0209/14 () of 27.10.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T020914.20171027
Datum der Entscheidung: 27 October 2017
Aktenzeichen: T 0209/14
Anmeldenummer: 05728954.8
IPC-Klasse: B41F 19/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Folienauftrag
Name des Anmelders: manroland sheetfed GmbH
Name des Einsprechenden: Heidelberger Druckmaschinen AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entschei­dung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 737 658 zurück­ge­wiesen worden ist.

II. Der Einspruch stützte sich auf die in Artikel 100 a) und b) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der unzureichenden Offen­barung, der fehlenden Neuheit, Artikel 54 EPÜ 1973 und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973.

III. Am 27. Oktober 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung die Beschwerde.

VI. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

E1: "Prindor: Neue Technologie der Folienprägung - heiß oder kalt?", "Deutscher Drucker", Bd.32, Nr. 14/15, Seite g15, 18. April 1996;

D2: "Der moderne Druck Handbuch der grafischen Techniken", Hammerich & Lesser Verlag GmbH, Hamburg, 1956, Seiten 452 bis 454.

VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents in der erteilten Fassung lauten wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Transfer von bildgebenden Schichten auf Druckbogen mit einem Auftragwerk (1), einem Be­schich­tungsmodul (2), einem Kleber und einer Trans­fer­folie (5), die von einer Trägerfolie und der bildgeben­den Schichten gebildet ist, wobei das Auftragwerk (1) zur bildmäßigen Beschichtung der Druckbogen mit dem Kle­ber eingerichtet ist und das Beschichtungsmodul (2) zum Übertragen der bildgebenden Schichten von der Trä­ger­folie auf den Druckbogen in einem Transferspalt (6) zwischen einem Gegendruckzy­linder (4) und einem Press­zylinder (3) eingierichtet [sic] ist, wobei die Träger­folie mit der beschichteten Seite in Anlage an dem Druck­bogen gemeinsam mit diesem durch den Transferspalt (6) führbar ist und dabei die bildgebenden Schichten bildmäßig auf den Druckbogen übertragbar sind, wobei als Auftragwerk (1) ein eine Druckplatte aufweisendes Offsetdruckwerk oder Flexodruckwerk oder Lackierwerk vorgesehen ist, wobei in dem Auftragwerk (1) ein Farb­werk (11) in Verbindung mit einem eine Druckplatte tra­genden Plattenzylinder (12) oder ein Dosiersystem (21) in Verbindung mit einem eine Hochdruckplatte tragenden Formzylinder (24) zur Erzeugung des bildgebenden Kle­ber­auftrages vorgesehen sind, und dass das Farbwerk (11) oder das Dosiersystem (21) zur Zufuhr des Klebers ausgeführt sind, dadurch gekennzeichnet, dass der kle­ber [sic] zur Unterstützung der optischen Wirkung des Schichtauftrages der Transferfolien (5) auf dem Druck­bogen die den Auftrag der bildgebenden Schicht bzw. der Metallisierungsschicht übernehmende Klebstoffschicht eine der bildgebenden Schicht entsprechende oder deren Färbung unterstützende Einfärbung aufweist, und dass als Beschichtungsmodul (4) ein Offsetdruckwerk oder ein Lackmodul verwendet wird."

"6. Verfahren zum Transfer von bildgebenden Schichten von einer eine Trägerfolie und die bildgebenden Schicht/-en aufweisenden Transferfolie (5) auf Druck­bogen in einer Bogen verarbeitenden Maschine wenigstens mit einem Auftragwerk (1) für eine bildmäßige Beschich­tung der Druckbogen mit einem Kleber und mit einem Be­schichtungsmodul (2) zum Übertragen der bildgebenden Schichten von der Transferfolie (5) auf den Druckbogen in einem Transferspalt (6) zwischen einem Gegendruckzy­linder (4) und einem Presszylinder (3), wobei die Trans­ferfolie (5) mit der beschichteten Seite in Anlage an dem Druckbogen gemeinsam mit diesem durch den Trans­ferspalt (6) geführt wird und dabei die bildgebenden Schichten bildmäßig auf den Druckbogen übertragen wer­den, wobei der Kleber in einem Auftragwerk (1) aufgetragen wird, das als ein eine Druckplatte aufweisendes Offsetdruck­werk oder Flexodruckwerk oder Lackierwerk vorgesehen ist, wobei in dem Auftragwerk (1) ein Farbwerk (11) in Verbindung mit einem eine Druckplatte tragenden Plat­ten­zylinder (12) oder ein Dosiersystem (21) in Verbin­dung mit einem eine Hochdruckplatte tragenden Formzy­lin­der (24) zur Erzeugung des bildgebenden Kleberauf­tra­ges vorgesehen sind, und dass der Kleber mittels des Farbwerks (11) oder des Dosiersystems (21) zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Kleber ein ein­gefärbter Kleber verwendet wird und dass der Kleber eine derartige Einfärbung aufweist, dass durch die Kle­berschicht eine Unterstützung der optischen Wirkung des Schichtauftrages der Transferfolien (5) auf dem Druck­bogen derart erreicht wird, derart [sic] dass die den Auftrag der bildgebenden Schicht bzw. der Metallisierungs­schicht übernehmende Kleberschicht eine die Glanz­wir­kung der bildgebenden Schich [sic] erhöhende oder Fehl­stellen in der bildgebenden Schicht bzw. Metallisie­rungs­schicht ausgleichende Einfärbung aufweist, und dass der [sic] bildgebende Schicht von der Transferfolie (5) mittels einer Pressbespannung oder Pressbeschichtung an dem Presszylinder (3) auf den Druckbogen übertragen wird."

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Druckschrift E1 beschreibe den nächstliegenden Stand der Technik der Kaltfolientechnik. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 unter­scheide sich davon dadurch, dass der Kleber einge­färbt sei, bzw. eine Fehlstellen in der bild­gebenden Schicht ausgleichende Einfärbung aufweise, um die op­tische Wirkung des Schichtauftrages der Transfer­folien auf dem Druckbogen zu unterstützen.

Die optische technische Wirkung dieser Unterschiede sei insbe­son­dere in Bezug auf das Ausgleichen von Fehl­stellen in der bild­gebenden Schicht im Absatz [0028] des Streit­patents offenbart: Anspruch 6 und das Streit­patent verwiesen explizit auf Fehlstellen und nicht auf durch aufstehende Papier­fasern verursachte Störstellen.

Die objektive Aufgabe sowohl im Hinblick auf Anspruch 1 als auch im Hinblick auf Anspruch 6 bestehe darin, Fehlstellen in der bildgebenden Schicht auszugleichen.

Das Bronzierverfahren sei ein unmittelbares Vorläufer­ver­fahren der in der Druckschrift E1 offenbarten Kaltfolientechnik. Der Fachmann für Kaltfolientechnik sei daher zwingend mit dem Bronzierverfahren vertraut.

Beim Bronzierverfahren (siehe Fachbuchauszug D2, Seite 453) sei es wegen der Bronzepartikel nicht möglich eine geschlossene Schicht aufzutragen, so dass sich das Problem von gegebenenfalls partikelgroßen Fehl­stellen ergebe. Die offenbarte der darüberliegenden Beschich­tung angepasste Einfärbung des Klebers verhin­dere in beiden Fällen (beim Kaltfolienpräge­verfahren (E1) und beim Bronzierverfahren (D2)), das "Durch­blit­zen" der weißen Farbe des Papiers durch die Fehl­stel­len, was bei einem transparenten Kleber zu befürchten wäre. Es sei für den Fachmann offensicht­lich, dass sich die hierzu bekannte Lösung der Druck­schrift D2 (Seite 453) auch für sich bei der Kaltfo­lien­tech­nik gegebe­nenfalls er­ge­benden kleineren Fehl­stellen eigne.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 ergebe sich daher in naheliegender Weise aus der Kombination der Druck­schrif­ten E1 und D2 und beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Kaltfolientechnik der Druckschrift E1 verwende eine durchgängige Metallfolie als bildgebende Schicht auf der Transferfolie. Im Gegensatz hierzu werde für das Bronzierverfahren Metallstaub (Bronzepartikel) verwen­det. Der Fachmann würde das Bronzierverfahren nicht in Betracht ziehen, um durch aufstehende Papierfasern ent­standene Stör­stel­len bei der Übertragung der durch­gän­gigen 5 µm dicken bildgebenden Metallfolie beheben zu wol­len. Die Metall­folie sei an solchen Stör­stel­len ledig­lich durchbrochen und dies könne nicht mit dem zwischen den Metallstaub­par­ti­keln des Bronzier­ver­fahrens entste­hen­den Deckungs­mangel verglichen werden.

Für den Fachmann ergebe sich aus dem Fachbuchauszug D2 zudem, dass die Unterdruckfarbe quasi Teil der Ober­fläche einer bronzierten Fläche sei. Dies stelle einen Unter­schied zur Erfindung dar, weil eine Färbung oder Tönung der Oberfläche - im Sinne der im Anspruch 1 angeführten "Unterstützung der optischen Wirkung des Schichtauftra­ges" gemäß Absatz [0028] des Streit­pa­tents - nicht mö­glich sei, da sich durch die sichtbaren Flächenanteile in der bronzierten Fläche ein hetero­ge­nes Aussehen ein­stellen würde. Gemäß Streitpatent könne eine Transferschicht aus aufgedampftem Aluminium wegen ihrer geringen Schichtdicke durch eine unterlegte Kleberschicht im Aussehen unterstützt werden, was beim Bronzieren nicht möglich sei. Der Fachbuchauszug D2 lehre weg von Bronze­pulver, welches nicht nur auf der Oberfläche auf­gebracht sei, weil die Bronzepulverparti­kel beim "Ersaufen" in der Vordruckfarbe nicht mehr das auftref­fende Licht voll glänzend reflektierten (Seite 454, Zeilen 13 bis 15).

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 ergebe sich nicht aus der Kombination der Druck­schrif­ten E1 und D2 und beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit

1.1 Der Fachzeitschriftenartikel E1 bildet den nächst­lie­genden Stand der Technik und stellt eine Art der Fo­lien­prägung vor, die als normales Offsetdruck­ver­fahren gehandhabt werden kann (linke Spalte, dritter Absatz, bis dritte Spalte, Zeile 6), und die von den Parteien als "Kaltfolientechnik" bezeichnet wurde.

1.2 Im Punkt 3.3 "Kombination von E1 mit D2" der Entscheidungsgründe der Ein­spruchs­entscheidung wurde von der Einspruchs­abteilung bereits festgestellt:

- "Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von demjenigen nach E1 dadurch, dass der Kleber eingefärbt ist, um die optische Wirkung des Schichtauftrages der Transferfolien auf dem Druck­bogen zu unterstützen"; und

- "Das Verfahren von Anspruch 6 unterscheidet sich von demjenigen nach E1 dadurch, dass ein einge­färb­ter Kleber verwendet wird, der eine die Glanzwir­kung der bildgebenden Schicht erhöhende oder Fehl­stellen in der bildgebenden Schicht ausgleichende Einfärbung aufweist".

Diese Feststellungen sind zwischen den Parteien unstrittig.

1.3 Das Streitpatent erklärt in den Absätzen [0026] bis [0028], was unter der Unterstützung der optischen Wirkung des Schichtauftrages der Transferfolien auf dem Druck­bogen zu verstehen ist. Im Absatz [0028] wird dabei der Ausgleich kleinster Fehlstellen mit aufgezählt.

Der Begriff "Fehlstelle" wird hier als ein lokalisier­ter Deckungsmangel der aufgetragenen Schicht ver­stan­den, wobei der unerwünschte optische Effekt einer Fehl­stelle ein "Durch­blit­zen" der Farbe des darunterlie­gen­den Papiers ist, sofern ein transparenter Kleber verwendet wurde.

1.4 Die entsprechende objektive Aufgabe sowohl im Hinblick auf Anspruch 1 als auch im Hinblick auf Anspruch 6 besteht daher darin, u.A. Fehlstel­len in der bildge­benden Schicht entgegen­zu­wirken.

1.5 Dass das Bronzierverfahren ein unmittelbares Vorläufer­ver­fahren der in der Druckschrift E1 offenbarten Kalt­folientechnik ist, und dass der Fachmann für Kaltfo­lien­technik daher zwingend mit dem Bronzierver­fahren ver­traut ist, wurde von den Parteien nicht bestritten.

1.6 Bei dem Bronzierver­fahren (siehe Fachbuchauszug D2, Seite 453) entsteht durch den Auftrag von Bronzepulver keine geschlossene Schicht, so dass sich ebenfalls das Problem von (gegebenenfalls partikelgroßen) Fehl­stellen ergibt. Die im Fachbuchauszug D2 hierzu offenbarte Lösung besteht darin, dass der Kleber eine der darüber­liegenden Beschich­tung angepasste Einfärbung hat. Eine derartige Einfärbung des Klebers hat eine aus­glei­chende optische Wirkung bei Fehl­stellen in der bildgebenden Schicht.

1.7 Die unerwünschte optische Wirkung der Fehlstellen ist unabhängig davon, wie der Schichtauftrag ge­stal­tet ist, bzw. ob dieser aus von einer Folie abgelösten Partikeln oder aus aufgetragenem Metallpulver besteht. Deshalb ist es für den Fachmann naheliegend, die von dem Bron­zierver­fahren her bekannte Lösung für das Problem der Fehlstellen auch bei in der Druck­schrift E1 offen­bar­ten Kalt­folientechnik anzu­wen­den.

Auch die Tatsache, dass in Absatz [0028] weitere mögli­che Wirkungen der Erfindung aufgezählt sind, kann keine erfinderische Tätigkeit begründen, wenn der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden, bereits beim Lösen des Problems der Fehlstellen zum Gegenstand der Ansprü­che 1 und 6 gelangt. Zudem sind einige dieser möglichen Wirkungen von der Dicke des Schichtauftrages abhängig, welche in den Ansprüchen 1 und 6 nicht festgelegt ist, so dass die entsprechenden Wirkungen nicht zwingend erreicht werden.

1.8 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 wird somit durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt und beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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