T 0173/14 () of 15.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T017314.20180615
Datum der Entscheidung: 15 Juni 2018
Aktenzeichen: T 0173/14
Anmeldenummer: 10177605.2
IPC-Klasse: B25J 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Industrieroboter mit einem Gewichtsausgleichssystem
Name des Anmelders: KUKA Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: ABB AB
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Mit der Beschwerdebegründung neu eingereichter Einspruchsgrund - zugelassen (nein)
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
G 0001/95
G 0007/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch zurückgewiesen wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die im Artikel 100 a) EPÜ angegebenen Gründe mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 54(1) und 56 EPÜ).

II. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents auf keiner erfinderischen Tätigkeit zu beruhen schien.

Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2018 reichte die Beschwerdegegnerin Hilfsanträge 1 bis 4 ein.

Am 15. Juni 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Die Beschwerdegegnerin nahm alle gestellten Anträge außer Hilfsantrag 2 zurück, und die Beschwerdeführerin erklärte, bezogen auf den einzigen Hilfsantrag 2 keine weiteren Einwände als die diskutierten Einwände gegen dessen Zulassung ins Verfahren und mangelnde erfinderische Tätigkeit zu erheben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nummer 2 301 727.

Die Beschwerdegegnerin beantragte

die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz datiert auf den 14. Mai 2018 eingereichten Hilfsantrages 2 (= neuer Hauptantrag).

IV. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden relevanten Dokumente des Einspruchsverfahrens zitiert:

A2: EP-B-0 819 041; und

A3: "Directive 97/23/EC of the European Parliament and

of the Council of 29 May 1997 on the approximation of the laws of the Member States concerning pressure equipment", OJ L 181, 9.7.1997, p.1.

Die folgenden Dokumente wurden für das erste Mal im Beschwerdeverfahren eingereicht:

A5: "KUKA - Robots - KR 1000 1300 titan PA, KR 1000

L950 titan PA - Specification", von KUKA Roboter GmbH, 15. Januar 2009, 62 Seiten; und

A6: Affidavit vom Herrn Jakob Weström vom

26. März 2014, 6 Seiten.

Da die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärte, gegen die Berücksichtigung der Dokumente A5 und A6 keine Einwände zu haben, wurden A5 und A6 ins Verfahren zugelassen (Artikel 12 (1) und 12 (4) VOBK), wie dies bereits im Ladungsbescheid angekündigt war (dort Punkt 4).

V. Anspruch 1 des einzigen Antrags lautet wie folgt:

"Industrieroboter, aufweisend einen für eine Traglast größer als 80 kg ausgelegten Roboterarm (2) mit mehreren Achsen (4, 9, 10) und mit einem auf Gas basierenden Gewichtsausgleichssystem (12) für wenigstens eine der Achsen (9), wobei das Gewichtsausgleichsystem (12) als Bauteile wenigstens einen Druckspeicher (14, 15) und wenigstens einen mit dem Druckspeicher (14, 15) in Wirkverbindung stehenden Druckzylinder (13) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die mit Druck beaufschlagten Bauteile (13-15) des Gewichtsausgleichssystems (12) jeweils ein Volumen von kleiner als 1 Liter und einen Maximaldruck von weniger als 1000 bar aufweisen und das Gewichtsausgleichssystem (12) als Bauteile wenigstens zwei Druckspeicher (14, 15) aufweist, die mit einem einzigen Druckzylinder (13) in Wirkverbindung stehen."

VI. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen, wobei die Diskussion der Argumente im Einzelnen im Rahmen der Entscheidungsgründe erfolgt:

Neuer Einspruchsgrund: Artikel 100 b) EPÜ

Da das Streitpatent keine klare Definition von einer großen Traglast enthalte, wisse der Fachmann entgegen der Maßgabe von Artikel 83 EPÜ nicht, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeite.

Nicht-Zulassung des einzigen Antrags

Der von der Beschwerdegegnerin erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung ohne Substanziierung eingereichte Antrag solle nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Erfinderische Tätigkeit

Unabhängig davon, ob A2 oder A5 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werde, mangele es dem Gegenstand von Anspruch 1 unter weiterer Berücksichtigung der Lehre der A3 und dem allgemeinen Fachwissen an einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen, wobei die Diskussion der Argumente im Einzelnen im Rahmen der Entscheidungsgründe erfolgt:

Neuer Einspruchsgrund: Artikel 100 b) EPÜ

Der Berücksichtigung des neuen Einspruchsgrundes werde widersprochen.

Zulassung des einzigen Antrags

Der Antrag sei eingereicht worden, sobald es eine Veranlassung für dessen Einreichung gegeben habe, und sei für die Beschwerdeführerin nicht überraschend.

Erfinderische Tätigkeit

Der Fachmann, der die Lehren der A2 bzw. der A5 mit der der A3 und seinem Fachwissen kombinierte, gelangte nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.

Entscheidungsgründe

1. Neuer Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ

Da die Beschwerdegegnerin ausdrücklich der Prüfung des von der Beschwerdeführerin erstmals mit der Beschwerdebegründung und damit nachträglich erhobenen neuen Einspruchsgrundes widersprach, wird dieser im Verfahren nicht berücksichtigt (G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, Punkt 18 der Gründe; G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Punkt 3 des Leitsatzes 3; siehe auch G 1/95, ABl. EPA 1996, 615 und G 7/95, ABl. EPA 1996, 626 sowie Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.D.3.4).

2. Zulassung des Antrags

2.1 Der Antrag der Beschwerdegegnerin wurde mit Schriftsatz vom 14. Mai 2018 nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereicht. Dessen Zulassung ins Verfahren ist somit dem Ermessen der Kammer unterworfen gemäß Artikel 13 (3) VOBK.

2.2 Die Beschwerdeführerin ist der Zulassung des Antrags ins Verfahren entgegengetreten. Sie vertritt die Meinung, dass der Antrag sogar erst als im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt zu betrachten wäre, da die Beschwerdegegnerin diesen zuvor nicht substantiiert hätte. Jedenfalls hätte er bereits im Einspruchsverfahren oder spätestens zusammen mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht werden können bzw. sollen. Dies führe zu einer schwierigen Situation für die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Vorbereitung.

2.3 Den Argumenten kann die Kammer sich aus den folgenden Gründen nicht anschließen.

Die in Anspruch 1 des Antrags eingeführten Änderungen gegenüber dem bis zur mündlichen Verhandlung diskutierten Anspruch 1 des erteilten Streitpatents betreffen auf der einen Seite die Definition der großen Traglast ("größer als 80 kg", basiert auf Anspruch 2 des erteilten Streitpatents) und auf der anderen Seite die Bauteile des Gewichtsausgleichssystems ("wenigstens zwei Druckspeicher" und "wenigstens ein Druckzylinder", basiert auf Ansprüche 3 und 4 des erteilten Streitpatents).

Wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, stammen die Änderungen somit zweifellos aus den abhängigen Ansprüchen 2, 3 und 4 des Streitpatents. Deshalb sind die Erfordernisse der Artikel 83, 84, 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt bzw. nicht zu erörtern. Als einziger zu diskutierender Einwand verbleibt damit die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands, wie auch von der Beschwerdeführerin bestätigt.

Die Definition der großen Traglast stand immer im Kern der Diskussion bezüglich erfinderischer Tätigkeit (siehe angefochtene Entscheidung, Punkte B.2 und B.3.1(i); Ladungsbescheid der Kammer, Punkte, 6.1 und 7.1). Deshalb ist die Kammer der Meinung, dass eine Präzisierung des Begriffs "große Traglast" bzw. eine diesbezüglich Beschränkung des Anspruchs 1 keine Überraschung für die Beschwerdeführerin darstellen kann.

Ferner, im Hinblick auf eine Diskussion bezüglich der neu in Anspruch 1 eingeführten Merkmale der Bauteile des Gewichtsausgleichssystems, werden keine anderen Dokumente in Betracht gezogen, als die, die bereits zuvor diskutiert wurden, insbesondere A2, A3 und A5 (siehe z.B. Einspruchsgründe vom 22. Mai 2012, Gründe gegen Ansprüche 2, 3, 4 und 5). Der Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit gründet sich somit auf dieselben Dokumente und sogar denselben nächstliegenden Stand der Technik (A2 bzw. A5). Deshalb teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerdeführerin für die über erfinderische Tätigkeit erforderliche Diskussion durch den neuen Antrag nicht überrascht wurde bzw. auf dessen Diskussion nicht zusätzlich vorbereitet sein musste.

Aus den oben angegebenen Gründen werfen die in Anspruch 1 eingeführten Änderungen des spät eingereichten Antrags keine Fragen auf, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

Der Antrag der Beschwerdegegnerin wird somit zugelassen (Artikel 13 (3) VOBK).

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe, und zwar ausgehend von entweder A2 oder A5 als nächstliegendem Stand der Technik.

Die Kammer teilt die Meinung der Parteien, dass in der Tat beide Dokumente A2 und A5 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden können, weil jedes einen Industrieroboter mit einem auf Gas basierenden Gewichtsausgleichssystem betrifft.

3.1 Ausgehend aus A2

3.1.1 A2 (Spalte 1, Zeilen 41-52, Spalte 2, Zeile 38 bis Spalte 3, Zeile 51, Ansprüche 1 und 11 und Figuren) offenbart einen Industrieroboter (1), aufweisend einen für eine Traglast von mehr als 25 kg ausgelegten Roboterarm mit mehreren Achsen (5, 10, 16, 20) und mit einem auf Gas basierenden Gewichtsausgleichssystem ("Massenausgleich" 23) für die Schwingenachsen (10). Das Gewichtsausgleichssystem (23) von A2 weist einen Druckspeicher (26) und einen mit dem Druckspeicher (26) in Wirkverbindung stehenden Hydraulikdruckzylinder (24) auf.

3.1.2 Deshalb sind die folgenden Merkmale a), b) und c) des Anspruchs 1 als Unterscheidungsmerkmale gegenüber A2 zu erachten:

a) für eine Traglast größer als 80 kg;

b) die mit Druck beaufschlagten Bauteile des

Gewichtsausgleichssystems jeweils ein Volumen von kleiner als 1 Liter und einen Maximaldruck von weniger als 1000 bar aufweisen; und

c) das Gewichtsausgleichssystem als Bauteile

wenigstens zwei Druckspeicher aufweist, die mit einem einzigen Druckzylinder in Wirkverbindung stehen.

3.1.3 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass das Merkmal a) bezüglich der Traglast in A2 offenbart sei. Der in Anspruch 1 beanspruchte Bereich von einer Traglast größer als 80 kg, d.h. ohne eine obere Grenze, überlappe den aus A2 bekannten Bereich von "Traglasten von mehr als 25 kg", d.h. auch ohne eine obere Grenze (siehe Spalte 1, Zeilen 50-51) weitgehend, so dass er als offenbart anzusehen sei.

Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen. Eine explizit Offenbarung von einer Traglast über 80 kg ist unstreitig in A2 nicht zu finden. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, ist es A2, Spalte 1, Zeilen 41-52, zu entnehmen, dass eine Traglast von weniger als 25 kg für einen Industrieroboter als niedrig einzustufen ist, weil in diesem Fall kein Gewichtsausgleichssystem erforderlich ist. Erst ab einer Traglast von mehr als 25 kg scheint somit ein Gewichtsausgleichssystem erforderlich einzubauen. Eine solche Traglast ist jedoch bloß als eine mittlere Traglast zu betrachten, insbesondere im Vergleich mit der mehr als drei Mal höheren, beanspruchten Traglast von mehr als 80 kg. Es ist in der Tat A2 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass der dort offenbarte Industrieroboter für solche höheren Traglasten von mehr als 80 kg vorgesehen bzw. konzipiert ist. In diesem Sinne vermerkt die Kammer, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, die Einführung eines Sicherheitsblocks für ein Gewichtsausgleichsystem in A2 (siehe Spalte 3, Zeile 58) nicht zwangsläufig bedeutet, dass dessen Bauteile unter die Richtlinie A3 fallen, d.h. für hohe Traglasten vorgesehen ist. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass ein Sicherheitsblock prinzipiell verwendet wird, um einen Industrieroboter sicher betreiben zu können.

3.1.4 Die Beschwerdeführerin vertritt weiter die Meinung, dass, obwohl A2 die Merkmale b) bezüglich des Volumens und des Maximaldrucks nicht explizit offenbare, der Fachmann jedoch bei der Dimensionierung eines Roboters gemäß der Offenbarung von A2 unvermeidlich zum beanspruchten Roboter gelange. Die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale bezüglich des Volumens und des Maximaldrucks (Merkmale b)) seien daher implizit in A2 offenbart, was A6 nachweise.

Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen. In A6 wurden Werte für mehrere Parameter ausgewählt wie z.B. für a3, m3, L3, a2, m2, L2, a0, b0, c0, D, d..., die zweifellos einen Einfluss auf die gerechneten Ergebnisse (Volumen und Druck) haben. Der im Affidavit A6 für die Auswahl dieser Werte angegebene Grund, dass sie realistisch und üblich seien, wird lediglich behauptet, aber nicht nachgewiesen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum diese willkürlich ausgewählten Werte, bzw. Wertekombinationen auch bei A2 zur Anwendung kämen. Deshalb ist es für die Kammer nicht überzeugend, dass die dadurch gerechneten Volumina und Maximaldrücke in A2 implizit offenbart sind. Da weitere Nachweise bezüglich der impliziten Offenbarung der Merkmale b) in A2 von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt wurden, kann das Argument der Beschwerdeführerin bloß als eine unbewiesene Behauptung betrachtet werden.

Die Kammer merkt an, dass, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, die Merkmale b) des Anspruchs 1 bezüglich des Volumens und des Maximaldrucks als kein zu erreichendes Ergebnis anzusehen sind, wie es seitens der Beschwerdeführerin argumentiert wurde. In der Tat sind dadurch klare strukturelle Merkmale definiert, die zweifellos durch entsprechende Baumaßnahmen realisierbar sind.

3.1.5 Nicht bestritten von der Beschwerdeführerin ist, dass die Merkmale c) des Anspruch 1 bezüglich des Vorhandenseins von zwei Druckspeichern, die mit einem einzigen Druckzylinder in Wirkverbindung stehen, in A2 nicht offenbart sind.

3.1.6 Im Lichte von den durch die oben genannten Unterscheidungsmerkmale a), b) und c) erreichten Effekten, kann die objektive zu lösende technische Aufgabe darin gesehen werden, die Dimensionierung der Bauteile des Industrieroboters von A2 an die beanspruchte Traglast anzupassen, so dass er kostengünstiger für seine Verwendung konzipiert wird (Streitpatent, Absatz 7).

3.1.7 Gestellt vor die angegebene Aufgabe, findet der Fachmann weder in den verfügbaren Dokumenten noch in seinem allgemeinen Fachwissen die beanspruchte Lösung, d.h. die Kombination von den Merkmalen a), b) und c).

In A5, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, sind die Merkmale a) und c) unstreitig offenbart, siehe die vorgesehenen Traglasten ("payload") von 1000 kg oder 750 kg auf Seite 6 (siehe auch Figur 2-4 auf Seite 16) und das Gewichtsausgleichssystem ("counterbalancing system 3") auf der Figur 1-2 auf Seite 6, welche zwei Druckspeicher und einen Druckzylinder aufweist (siehe auch Seite 7, "...system consists of 2 diaphragm accumulators and a cylinder...").

Es ist jedoch in A5 explizit offenbart, Seite 40, Abschnitt "Counterbalancing system", dass für solche Traglasten der Fachmann die gültige Richtlinie, d.h. A3, in Betracht ziehen bzw. anwenden müsste. In A3 werden explizit eine untere Grenze für das Volumen von 1 Liter sowie auch eine untere Grenze für den Maximaldruck von 1.000 bar genannt (siehe Seiten 11-13 und 16, Artikel 3 Nr. 1.1.(a), Gruppe 2, Artikel 3 Nr. 3 und Artikel 9 Nr. 2.2. sowie Anlagen I und II). Deshalb teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die Druckspeicher und der Druckzylinder von A5 unter die Richtlinie A3 fallen, d.h. deren Volumina bzw. Maximaldrücke oberhalb dieser offenbarten unteren Grenzen liegen. Wie von der Beschwerdegegnerin erklärt, hat die Richtlinie A3 als Ziel, eine hohe Sicherheit bei der Verwendung von unter Druck stehenden Geräten, bzw. Behältern zu erreichen bzw. ein Auseinanderbrechen dieser Geräte, bzw. Behälter zu vermeiden. Aus diesem Grund gilt, dass der Fachmann, falls er den Industrieroboter von A2 für Traglasten von mehr als 80 kg anwendete und dafür die Offenbarung von A5 in Betracht zöge, aus Sicherheitsgründen nicht auf solche Druckspeicher und Druckzylinder verzichtete, die die in der Richtlinie A3 angegebenen Bedingungen erfüllen. Er hätte dazu schon keine Anregung. Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin gäbe der Fachmann bei solchen hohen Traglasten solche Sicherheitsmassnahmen nicht aus Gründen einer bloßen Kostenreduzierung auf. Der Fachmann wählte somit die Bauteile des aus A2 bekannten Industrieroboters so aus, dass deren Dimensionierungen unter die in A3 offenbarten Bedingungen fielen.

Daher gelangte er zum beanspruchten Gegenstand nicht, ohne erfinderisch tätig zu werden.

3.1.8 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin vorgetragenen, dass, da der in Anspruch 1 für die Traglast angegebene Bereich keine obere Grenze enthalte, Anspruch 1 auch Industrieroboter umfasse, die Gewichtsausgleichssysteme aufweisen, die für hohe Traglasten, wie z.B. die von A5, d.h. zehn Male die beanspruchte untere Grenze von 80 kg, vorzusehen seien. Das Streitpatent offenbare jedoch keine solchen für hohe Traglasten vorgesehenen Gewichtsausgleichssysteme, und die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale, insbesondere das kleine Volumen und der niedrige Maximaldruck (Merkmale b)), könnten auch nicht zu einem dafür geeigneten Gewichtsausgleichssystem führen. Aus diesem Grund vertritt die Beschwerdeführerin die Meinung, dass die oben genannte Aufgabe über den ganzen beanspruchten Bereich nicht gelöst sei, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 als nicht erfinderisch anzusehen sei.

Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen. Wie während der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, ist in Anspruch 1 explizit angegeben, dass das Gewichtsausgleichssystem wenigstens zwei Druckspeicher aufweist, die mit einem einzigen Druckzylinder in Wirkverbindung stehen. Der Fachmann wird diese Lösung im Hinblick auf die vorgesehene Traglast multiplizieren und die Anzahl von Druckspeichern und entsprechenden Druckzylindern gegebenenfalls mit Hilfe seines Fachwissens ohne technische Schwierigkeiten auswählen bzw. anpassen. Deshalb ist die Aufgabe über den gesamten beanspruchten Bereich, d.h. auch für (sehr) hohe Traglasten, gelöst.

3.2 Ausgehend aus A5

3.2.1 A5 (Abschnitte 1, 2.1, 2.2, 2.4 und 2.5) offenbart einen Industrieroboter ("robot", z.B. "KR 1000 1300 titan PA"), aufweisend einen für eine Traglast von mehr als 800 Kg (Figur 2-4 auf Seite 16) ausgelegten Roboterarm mit mehreren Achsen ("Basic data" auf Seite 9, "Number of axes: 6") und mit einem auf Gas basierenden Gewichtsausgleichssystem (Seite 7, "counterbalancing system" 3) für die Schwingenachsen (Seite 7, "...to minimize the moments generated about axis 2..."; Figure 2-1 auf Seite 13). Wie schon unter Punkt 3.1.7 oben erwähnt, weist das Gewichtsausgleichssystem (3) von A5 zwei Druckspeicher ("diaphragm accumulators") und einen Hydraulikdruckzylinder ("cylinder") auf (Seiten 6 und 7).

3.2.2 Deshalb sind die folgenden Merkmale b) des Anspruchs 1 unstreitig als Unterscheidungsmerkmale gegenüber A5 von den Parteien zu erachten:

b) die mit Druck beaufschlagten Bauteile des

Gewichtsausgleichssystems jeweils ein Volumen von kleiner als 1 Liter und einen Maximaldruck von weniger als 1000 bar aufweisen.

3.2.3 Im Lichte von den durch die Unterscheidungsmerkmale b) erreichten Effekten, kann die objektive zu lösende technische Aufgabe darin gesehen werden, die Dimensionierung der Bauteile des Industrieroboters von A5 an die beanspruchte Traglast anzupassen, so dass er kostengünstiger für seine Verwendung konzipiert wird (Streitpatent, Absatz 7).

3.2.4 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass der Fachmann berücksichtigte, dass die beanspruchte Traglast von 80 kg viel geringer als die in A5 offenbarte Traglast von z.B. 800 kg sei. Gestellt vor die oben genannte Aufgabe dächte er deshalb sofort unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Fachkenntnis und -praxis daran, kleinere Volumina bzw. Maximaldrücke für die Bauteile des Gewichtsausgleichssystems zu verwenden, weil sich die damit verbundenen Kosten dadurch reduzieren ließen. Um nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie A3 zu fallen und die dort vorgesehenen Zwänge zu vermeiden, die auch mit Kosten verbunden wären, wählte er im Lichte der in A3 angegebenen Grenzen die Werte für die Volumina und die Maximaldrücke aus, d.h. Volumina von unter 1 Liter sowie Maximaldrücke von unter 1.000 bar (siehe Punkt 3.1.7 oben). Dadurch gelangte er automatisch zu den beanspruchten Bereichen.

3.2.5 Dieser Meinung kann die Kammer sich nicht anschließen.

Wie schon unter Punkt 3.1.7 oben angegeben, fallen die Druckspeicher und der Druckzylinder von A5 zweifellos unter die Richtlinie A3. Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass, falls der Fachmann den Industrieroboter von A5 auch für kleinere Traglasten, d.h. bis zum 80 kg vorsähe bzw. anwendete, er aus Sicherheitsgründen nicht auf solche Druckspeicher und Druckzylinder verzichtete, die die in der Richtlinie A3 angegebenen Bedingungen erfüllen. Er hätte dazu keine Veranlassung bzw. Anregung. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es für den Fachmann wegen Kostenreduzierung naheliegend sei, Druckspeicher und Druckzylinder in Industrierobotern außerhalb der Richtlinie A3 auszuwählen, wird durch keinen Nachweis unterstützt und ist als eine bloße unbewiesene Behauptung zu betrachten.

In diesem Sinne merkt die Kammer an, dass, wie schon unter Punkt 3.1.4 oben erörtert, die Werte im Affidavit A6 für mehrere Parameter willkürlich ausgewählt wurden, die zweifellos einen Einfluss auf die gerechneten Ergebnisse (Volumen und Druck) haben. Der im Affidavit A6 für die Auswahl dieser Werte angegebene Grund, dass sie realistisch und üblich seien bzw. wie im Streitpatent gemacht werde, wird lediglich behauptet, nicht aber näher belegt. Deshalb kann A6 für die Kammer nicht als solcher Nachweis gelten.

Aus diesen Gründen gelangte der Fachmann ausgehend von A5 zu dem beanspruchten Gegenstand nicht, ohne erfinderisch tätig zu werden.

3.3 Im Lichte der oben angegebenen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

4. Weitere Einwände gegen die Patentierbarkeit von Anspruch 1 und den Unteransprüchen hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht offenkundig.

5. Anpassung der Beschreibung

Die Beschwerdeführerin erhob keine Einwände gegen die von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung an den Antrag angepasste, eingereichte Beschreibung. Die Kammer hat ihrerseits diesbezüglich ebenfalls keine Bedenken.| |

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche

1 - 6 eingereicht als Hilfsantrag 2 mit dem

auf den 14. Mai 2018 datierten

Schriftsatz

Beschreibung

Seiten 2 und 3 eingereicht während der mündlichen

Verhandlung

Seite 4 der Patentschrift

Figuren

1 und 2 der Patentschrift.

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