T 0162/14 () of 4.6.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T016214.20190604
Datum der Entscheidung: 04 Juni 2019
Aktenzeichen: T 0162/14
Anmeldenummer: 06026516.2
IPC-Klasse: A61K 8/02
A61K 8/27
A61K 8/29
A61Q 17/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lichtschutzzubereitung mit Mikropigmenten
Name des Anmelders: STADA ARZNEIMITTEL AG
Name des Einsprechenden: Beiersdorf AG
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 808 156 widerrufen worden war.

II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang u.a. wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit unter Artikel 100(a) EPÜ angegriffen worden.

III. Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 lautet wie folgt:

"1. Verwendung von Mikropigmenten einer Primär-Teilchengröße von 20 nm bis 200 nm zur Erzielung eines UV-A-Bilanzwertes von mindestens 15 in Lichtschutzformulierungen, die frei von organischen Filtersubstanzen sind."

IV. In ihrer Begründung verwies die Einspruchsabteilung u.a. auf die Druckschriften

(1) EP-A-1 586 306 und

(2) Gerd Kindl, Licht und Haut, Kapitel 5.3.2.2 Titandioxid und 5.3.2.3 Zinkoxid, 4. Auflage, Govi-Verlag 1998.

Sie stellte fest, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche neu gegenüber den zitierten Druckschriften sei. Ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe darin bestanden, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, in welchem ein Mindestwert der UV-A-Bilanz von 15 in Sonnenschutzformulierungen ohne Beimengung organischer Filtersubstanzen erzielt werde. Eine Anregung, Mikropigmente mit der beanspruchten Teilchengröße auszuwählen, habe der Fachmann in Druckschrift (2) gefunden, welche diese Teilchengrößen für die Anwendung in Lichtschutzformulierungen als üblich lehrt. Der verspätet vorgebrachte Einspruchsgrund unter Artikel 100a) in Verbindung mit den Artikeln 52(2)a) und 53 c) EPÜ wurde mangels Relevanz unter Hinweis auf Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen.

V. In ihrer Beschwerdebegründung trug die Beschwerde­führerin ihre Argumente zur erfinderischen Tätigkeit vor. Insbesondere stellten die Beispiele der Druckschrift (1) lediglich spezifische Ausführungsformen der Lehre der Druckschrift (1) dar, aus denen der Fachmann nur entnehme, dass die dort beschriebenen spezifischen Zubereitungen eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 aufweisen. Er könne den Beispielen jedoch nicht die allgemeine Lehre entnehmen, dass mit einer Kombination von UV-Filtern, welche nur anorganische Mikropigmente enthält, zielgerichtet eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 erreicht werden kann. Selbst zur Bereitstellung einer alternativen Lösung hätte der Fachmann, ausgehend von der Lehre der Druckschrift (1), lediglich weitere Kombinationen von Filtern im Hinblick auf ein ausgewogenes Verhältnis von UV-A- und UV-B-Filtern in Betracht gezogen. Er hätte jedoch keine Veranlassung gehabt, die Partikelgrößen der anorganischen Pigmente zu verändern und den Bereich von 20 nm bis 200 nm auszuwählen, um zielgerichtet eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 zu erreichen.

VI. Die Beschwerdegegnerin wiederholte ihren Einwand zur fehlenden Neuheit und beantragte die Zulassung des Einspruchsgrundes unter Artikel 100a) in Verbindung mit den Artikeln 52(2)a) und 53 c) EPÜ in das Verfahren vor der Kammer. Der beanspruchte Gegenstand habe ausgehend von der Druckschrift (1) nahegelegen, da der Fachmann im Bereich der Lichtschutzformulierungen üblicherweise anorganische Pigmente mit Primär-Partikelgrößen im beanspruchten Bereich verwendet hätte. Daher beruhe der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 4. Juni 2019 wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit und Ausnahmen von der Patentierbarkeit (Artikel 53 c) EPÜ und Artikel 54 EPÜ)

2.1 In der angefochtenen Entscheidung wurde der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 als neu angesehen. Der verspätet vorgebrachte Einspruchsgrund unter Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 52(2) a) und in Verbindung mit Artikel 53 c) EPÜ wurde nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen. 2.2 Die Beschwerdegegnerin hat auch während des Beschwerdeverfahrens die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatentes mit den im wesentlichen gleichen Argumenten, wie vor der Einspruchsabteilung, in Zweifel gezogen und hat beantragt, den von der Einspruchsabteilung unter Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassenen Einspruchsgrund in das Verfahren vor der Kammer zuzulassen. 2.3 Da die Kammer zu einer negativen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gelangt (siehe Paragraph 3. infra), wird auf detaillierte Ausführungen zu diesen Einwänden der Beschwerdegegnerin verzichtet.| |

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Das Streitpatent betrifft die Verwendung von Mikropigmenten zur Erzielung eines UV-A-Bilanzwertes von mindestens 15 in Lichtschutzformulierungen, die frei von organischen Filtersubstanzen sind. Ein derartiges Verfahren ist bereits in der Druckschrift (1) offenbart. Sowohl die Einspruchsabteilung, als auch beide Parteien sind von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Die Kammer ist damit einverstanden.

3.2 Druckschrift (1) offenbart Lichtschutzformulierungen, die eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 aufweisen (siehe Anspruch 1). Entsprechend der Lehre der Druckschrift (1) wird diese UV-A-Bilanz durch Kombination üblicher UV-Filtersubstanzen erreicht. Vorteilhafte Formulierungen im Sinne der Druckschrift (1) erhält man auch durch Kombinationen von Filtersubstanzen, die ausschließlich pigmentäre anorganische UV-Filter enthalten (siehe Seite 6, Zeilen 57 bis 58). In den Beispielen in Paragraph [0129] werden Lichtschutzformulierungen in Form von Emulsionen beschrieben, die als Filtersubstanzen nur Zinkoxid und Titandioxid enthalten und frei sind von organischen Filtersubstanzen (siehe Paragraph [0129] Beispiele 1 bis 3). Da diese Beispiele spezifische Ausführungsformen der Erfindung gemäß Anspruch 1 der Druckschrift (1) darstellen, weisen diese Formulierungen die im Anspruch festgelegte UV-A-Bilanz von mehr als 15 auf. Dies war zwischen den Parteien unstrittig.

3.3 Ausgehend von der Druckschrift (1) bestand die technische Aufgabe darin, ein Verfahren zur Herstellung alternativer Lichtschutzformulierungen mit einem UV-A-Bilanzwert von mehr als 15 bereitzustellen.

3.4 Als Lösung bietet das Streitpatent die Verwendung gemäß Anspruch 1 an, wobei zur Herstellung von Lichtschutzformulierungen Mikropigmente verwendet werden, welche durch eine Primär-Teilchengröße von 20 nm bis 200 nm gekennzeichnet sind.

3.5 Der Erfolg der streitpatentgemäß angebotenen Lösung ist aus den Beispielen des Streitpatentes erkennbar. Dies war zwischen den Parteien unstrittig.

3.6 Es bleibt daher zu untersuchen, ob es im Stand der Technik nahegelegen hat, als Alternative zu den in Druckschrift (1) angegebenen Filtersubstanzen auch Mikropigmente mit einer Primärteilchengröße von 20 nm bis 200 nm als Filtersubstanzen einzusetzen, um eine Lichtschutzformulierung mit einem UV-A-Bilanzwert von mehr als 15 zu erzielen.

3.7 In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin u.a. auf die Druckschrift (2).

Druckschrift (2) betrifft Untersuchungen zur Wirkungsweise von Sonnenschutzmitteln, insbesondere von UV-Filtersubstanzen. Für die Anwendung in Sonnenschutzmitteln werden Mikropigmente wie Titanoxid und Zinkoxid als UV-Filter genannt, die eine Partikelgröße zwischen 20 nm und 100 nm aufweisen (siehe Druckschrift (2), Seite 162, rechte Spalte, Zeilen 7 bis 23; Seite 166, rechte Spalte unten bis Seite 167, linke Spalte, Zeilen 1 bis 8; Seite 171, linke Spalte, Zeilen 4 bis 6). Somit zeigt die Druckschrift (2), dass die Verwendung von anorganischen Pigmenten mit Primär-Teilchengrößen im beanspruchten Bereich bei Lichtschutzformulierungen gebräuchlich war.

Daher war es für den Fachmann ausgehend von der Druckschrift (1) naheliegend, zur Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung alternativer Lichtschutzformulierungen mit einem UV-A-Bilanzwert von mehr als 15 den Bereich der Primär-Teilchengrößen zu wählen, der durch die Druckschrift (2) nahegelegt ist. Er wäre somit zum beanspruchten Gegenstand gelangt, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

3.8 Die Beschwerdeführerin sah die Lösung jedoch als nicht naheliegend an:

3.8.1 Sie trug vor, dass der Fachmann die Lehre der Druckschrift (2) nicht zur Lösung der technischen Aufgabe herangezogen hätte, da diese Druckschrift keinen Hinweis auf die zu erreichende UV-A-Bilanz enthalte.

Indessen ist festzustellen, dass es nicht die Aufgabe war, eine UV-A-Bilanz von 15 zu erreichen, denn dieses Merkmal ist bereits im nächstliegenden Stand der Technik verwirklicht. Bei der Aufgabenstellung der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung alternativer Lichtschutzformulierungen benötigt der Fachmann daher keinen Hinweis darauf, wie er eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 erreicht. Es genügt, wenn im Stand der Technik weitere in diesem Fachgebiet übliche Alternativen offenbart sind. Diese Argumentation der Beschwerdeführerin kann daher nicht durchgreifen.

3.8.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die Beispiele 1 bis 3 des Paragraph [0129] in Druckschrift (1) dem beanspruchten Gegenstand zwar strukturell am nächsten kämen, dennoch lehre die Druckschrift (1) nicht, dass eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 durch eine Kombination von ausschließlich anorganischen Mikropigmenten bewerkstelligt werden könne, sondern dass eine Kombination mit verschiedenen organischen UV-Filtern dazu nötig sei.

Indessen ist festzustellen, dass der Fachmann die Ausführungsbeispiele einer Druckschrift als individuelle Ausführungsformen der Lehre der Druckschrift erkennt. Die Druckschrift (1) lehrt sogar explizit, dass solche Formulierungen vorteilhaft sind, die ausschließlich anorganische Pigmente als UV-Filtersubstanzen enthalten (siehe Druckschrift (1), Seite 6, Zeilen 57 bis 58). Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann zur Lösung der technischen Aufgabe nur eine Kombination mit weiteren organischen UV-Filtersubstanzen in Betracht gezogen hätte, kann daher nicht durchgreifen.

3.8.3 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Fachmann keine Veranlassung gehabt habe, zur Lösung der in Paragraph 3.3 supra genannten technischen Aufgabe die Primär-Teilchengröße der anorganischen Mikropigmente zu verändern. Darüber hinaus gebe es im Stand der Technik keinen Hinweis darauf, zielgerichtet die Primär-Teilchengrößen im Bereich von 20 nm bis 200 nm auszuwählen, um eine Lichtschutzformulierung mit einem UV-A-Bilanzwert von mehr als 15 zu erhalten.

3.8.4 Indessen ist festzustellen, dass die Druckschrift (1) keine Beschränkung hinsichtlich der Teilchengrößen der als Filtersubstanzen verwendeten anorganischen Pigmente enthält. Deshalb sind alle in diesem technischen Gebiet üblichen Teilchengrößen für die als Filtersubstanzen verwendeten Pigmente von der Lehre der Druckschrift (1) mit umfasst. Wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, existieren keine Vergleichsbeispiele, die belegen könnten, dass bei Verwendung von anorganischen Mikropigmenten mit Primär-Teilchengrößen oberhalb von 200 nm und unterhalb von 20 nm eine UV-A-Bilanz von mehr als 15 nicht erreicht werden kann. Da somit ein Nachweis fehlt, dass die im Streitpatent gewählten Primär-Teilchengrößen kritisch sind, konnte der Fachmann aus den in diesem technischen Gebiet gebräuchlichen Teilchengrößen beliebig auswählen, also auch Teilchengrößen von 20 nm bis 200 nm. Daher kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.

3.9 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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