European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T011514.20170720 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Juli 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0115/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08000201.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07C 37/20 C07C 37/84 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kristallisationsverfahren zur Herstellung von Bisphenol A | ||||||||
Name des Anmelders: | Covestro Deutschland AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SABIC Global Technologies B.V. | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 944 284 zurückgewiesen wurde. Anspruch 1 des Streitpatentes lautete:
"Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A mit einer Reinheit von mehr als 99,7%, bei dem
a) Phenol und Aceton in Gegenwart eines sauren Katalysators zu einem Bisphenol A enthaltenden Produktgemisch umgesetzt werden, und anschließend
b) aus diesem Bisphenol A enthaltenden Produktgemisch ein Bisphenol A-Phenol-Addukt durch Kristallisation und anschließende Filtration und Wäsche abgetrennt wird,
c) aus dem so erhaltenen BPA-Phenol-Adduktkristallen das Phenol ganz oder teilweise abgetrennt wird
wobei die Kristallisation in Schritt b) in Form einer kontinuierlichen Suspensionskristallisation durchgeführt wird und dabei wenigstens drei Kristallisationsvorrichtungen, enthaltend ein Kristallisationsgefäß, einen Wärmeaustauscher und eine Umwälzpumpe, verwendet werden, die derart geschaltet sind, dass das Produktgemisch zunächst in zwei parallel geschalteten Kristallisationsvorrichtungen auf eine Temperatur zwischen 50 und 70°C und anschließend in einer dritten Kristallisationsvorrichtung, die seriell zu den zwei ersten Kristallisationsvorrichtungen nachgeschaltet ist, auf eine Temperatur zwischen 40 und 50°C abgekühlt wird, wobei die Gesamtverweilzeit des Produktgemisches in der Kristallisation über alle Kristallisationsvorrichtungen gesehen mehr als 4 h beträgt."
II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Ausführbarkeit, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Druckschriften herangezogen:
(1') US 2007/0004941 und
(6) WO-A-01/74749.
III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des Streitpatentes ausführbar, gegenüber der Druckschrift (1') neu und ausgehend von dieser Druckschrift als nächstliegendem Stand der Technik auch erfinderisch sei.
IV. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass ausgehend von der Druckschrift (1') als nächstliegendem Stand der Technik der Gegenstand des Streitpatentes nicht erfinderisch sei. Diese Druckschrift offenbare ein Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A enthaltend alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1, außer dass der erste Kristaller nicht aus zwei parallel geschalteten Kristallisationsvorrichtungen bestehe. Wenn die Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines Verfahrens gesehen werden könne, bei dem ohne Unterbrechung des Verfahrens einen Kristaller gereinigt werden könne, sei die Lösung naheliegend, weil die Druckschrift (6) bereits lehre, dass Kristaller für Bisphenol A parallel betrieben werden könnten und zwei parallele Kristaller zu Reinigungszwecken abwechselnd außer Betrieb genommen werden könnten.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) trug vor, dass das beanspruchte Verfahren erfinderisch sei. Ausgehend von der Druckschrift (1') sei die Aufgabe die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Bisphenol A in hoher Reinheit, bei dem man ohne Unterbrechung des Verfahrens einen Kristaller reinigen könne. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 20. Juli 2017 stattfand, argumentierte die Beschwerdegegnerin nicht mehr wie vor der ersten Instanz, dass die Aufgabe auch darin bestehe, die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Reinigungsvorgängen zu verlängern und verwies dementsprechend auch nicht mehr auf die (Vergleichs)beispiele der Patentschrift. Weiter trug die Beschwerdegegnerin vor, eine Kombination mit der Lehre der Druckschrift (6) führe nicht zur beanspruchten Lösung, da die beiden Kristaller in dieser Druckschrift nicht parallel im Sinne des Streitpatentes betrieben worden seien.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A mit einer Reinheit von 99,7%, worin die Kristallisation des intermediären Bisphenol A-Phenol-Adduktes (BPA-Addukt) multistufig durchgeführt wird.
2.2 Die Kammer erachtet, im Einklang mit der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung, die Druckschrift (1') als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
2.3 Beispiel 2 der Druckschrift (1') beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A mit einer Reinheit von 99,9%, bei dem Phenol und Aceton in Gegenwart eines sulfonsauren Ionenaustauscherharzes und von Mercaptopropionsäure als Cokatalysator reagiert werden. Aus dem Reaktionsprodukt wird BPA-Addukt in zwei Schritten bei 54°C bzw. 41°C bei einer gesamten Verweilzeit von 8 Stunden kontinuierlich kristallisiert, wobei die Kühlung der Suspension und Abfuhr der Kristallisationswärme mittels Wärmeaustauscher erfolgt. Das Phenol wird vom BPA-Addukt thermisch abgetrennt.
2.4 Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Streitpatent, gemäß den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, die Aufgabe zugrunde, die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Bisphenol A in hoher Reinheit, bei dem ohne Unterbrechung des Verfahrens einen Kristaller gereinigt werden kann.
2.5 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das Bisphenol A enthaltende Produktgemisch zunächst in zwei parallel geschalteten Kristallisationsvorrichtungen gespeist wird.
2.6 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen.
2.6.1 Der Fachmann, der ausgehend von der Druckschrift (1') ein Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A in hoher Reinheit anstrebt, bei dem man ohne Unterbrechung des Verfahrens einen Kristaller reinigen kann, wird von der Druckschrift (6) angesprochen, welche auf das Problem der Verkrustung und Reinigung eines Kristallers in einem Verfahren zur Herstellung von Bisphenol A ausgerichtet ist (siehe Ansprüche 1 und 5). Die Druckschrift (6) lehrt (siehe Seite 7, Zeilen 1 bis 5 und Fig. 2), die Verwendung zweier parallel geschalteter Kristaller, die abwechselnd außer Betrieb genommen werden können, um gereinigt zu werden.
2.6.2 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass der Stand der Technik dem Fachmann eine spezifische und konkrete Anregung bietet, die unter Punkt 2.4 festgelegte patentgemäße Aufgabe durch den Ersatz der ersten Kristaller der Druckschrift (1') mit zwei parallel geschalteten Kristaller der Druckschrift (6) zu lösen, wodurch er zum anspruchsgemäßen Verfahren gelangt. Folglich führt die Anregung der Druckschrift (6) in Kombination mit der Lehre der Druckschrift (1') den Fachmann zum streitgegenständlichen Verfahren, ohne dass er erfinderisch Tätig werden müsste.
2.7 Aus den folgenden Gründen kann das Vorbringen der Beschwerdegegnerin zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit die Kammer nicht überzeugen.
2.7.1 So hat die Beschwerdegegnerin eingewandt, dass die beiden Kristaller in der Druckschrift (6) nicht parallel im Sinne des Streitpatentes betrieben worden seien, da sie zwei unterschiedliche Zuflüsse 22 und 23 und zwei Abflüsse 26 und 27 hätten. Die Zuflüsse würden nicht zwangsläufig dem selben Reaktor entstammen und die Abflüsse würden nicht zwangsläufig zur selben weiteren Verarbeitungsstufe weitergeleitet. Darüber hinaus seien die beiden Kristaller durch eine Leitung 28 verbunden.
Die Kammer hält diese Argumente für nicht stichhaltig, da im Verfahren nach dem Streitpatent die zwei parallel geschalteten Kristaller auch jeweils mit einem eigenen Zufluss beschickt werden (siehe Fig. 1 des Streitpatentes). Die Zuflüsse 22 und 23 gemäß Druckschrift (6) entstammen ebenso wie nach dem Streitpatent der gleichen Reaktionszone, wie man der Kombination der Fig. 1 und 2 der Druckschrift (6) entnehmen kann, worin Fig. 2 die Struktur einer Ausführungsform des Kristallers 14 der Fig. 1 in mehr Detail zeigt (siehe Seite 4, Zeilen 2 bis 7). In Fig. 1 wird der Kristaller 14 von der Reaktionszone 12 gespeist.
Ob die Abflüsse 26 und 27 zur selben Verarbeitungsstufe weitergeleitet werden, ist der Fig. 2 nicht zu entnehmen. Dieser Schritt wird jedoch schon in der nächstliegenden Druckschrift (1') offenbart, da der Reaktionsprodukt aus der ersten Kristallisationsstufe direkt in die zweite Kristallisationsstufe gespeist wird.
Dass die beiden Kristaller gemäß Druckschrift (6) durch eine Leitung 28 verbunden sind, spielt für die erfinderische Tätigkeit keine Rolle, da eine solche Leitung nicht vom vorliegenden Anspruch 1 ausgeschlossen ist und in der Druckschrift (6) ohnehin nur als optionales Merkmal beschrieben wird (siehe Seite 7, Zeilen 5 bis 6).
2.8 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch ist, kann die Frage der Ausführbarkeit der Erfindung dahinstehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Patent wird widerrufen.