T 0086/14 (Antennenmodul / CONTINENTAL) of 8.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T008614.20191108
Datum der Entscheidung: 08 November 2019
Aktenzeichen: T 0086/14
Anmeldenummer: 07010729.7
IPC-Klasse: H01Q 1/08
H01Q 1/32
H01Q 1/42
H01Q 21/28
H01Q 23/00
H01Q 1/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antennenmodul, insbesondere als zentrales Sende- und/oder Empfangsmodul für ein Fahrzeug, mit mehreren Antennen und mehreren Sende- und/oder Empfangseinrichtungen
Name des Anmelders: Continental Automotive GmbH
Name des Einsprechenden: Peiker acustic GmbH & Co. KG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der gegen das europäische Patent Nr. 1 903 632 eingelegte Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie 100 c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch als unbegründet zurück.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende Beschwerde ein. Sie trug in der Beschwerdebegründung vor, der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung stehe der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ entgegen, da aufgrund der Einfügung des Worts "entsprechenden" während des Erteilungsverfahrens der Gegenstand des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinausgehe.

III. In einer Mitteilung, die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erging, nahm die Kammer zur unzulässigen Erweiterung und auch zur erfinderischen Tätigkeit vorläufig Stellung.

IV. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) drei Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 ein.

V. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage eines der mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 eingereichten Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.

VI. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:

Antennenmodul, insbesondere als zentrales Sende- und/oder Empfangsmodul für ein Fahrzeug, mit mehreren Antennen (13, 19) und mehreren entsprechenden Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23), welche Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23) wenigstens teilweise in Form einer zentralen Transceiverbox (21) in das Antennenmodul integriert sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

das Antennenmodul einen oberen (1) und unteren Teil (5) mit jeweils mehreren Antennen (13, 19) aufweist, welche durch einen Bereich der Karosserie (3) eines Fahrzeugs getrennt sind und dass die Transceiverbox (21) in dem oberen (1) oder unteren Teil (5) integriert ist, so dass die Karosserie (3) als abschirmende Massefläche wirkt.

VII. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich demgegenüber, dass das Merkmal "... mehreren entsprechenden Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23), welche ..." durch

"... zumindest einem Teil der Sende- und /oder Empfangsbenachrichtigungen [sic] (23), welche zum Betreiben bzw. Ansteuern der einzelnen Antennen (17,19) notwendig sind, wobei ..."

ersetzt worden ist.

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

Antennenmodul, insbesondere als zentrales Sende-und/oder Empfangsmodul für ein Fahrzeug, mit mehreren Antennen (13, 19) und mehreren Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23), wobei die Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23) wenigstens teilweise in Form einer zentralen Transceiverbox (21) in das Antennenmodul integriert sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

das Antennenmodul einen oberen (1) und unteren Teil (5) mit jeweils mehreren Antennen (13, 19) aufweist, welche durch einen Bereich der Karosserie (3) eines Fahrzeugs getrennt sind, dass die Transceiverbox (21) in dem oberen (1) oder unteren Teil (5) integriert ist, so dass die Karosserie (3) als abschirmende Massefläche wirkt, und dass die Transceiverbox (21) die mehreren Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (23) vollständig umfasst, so dass keine zusätzliche Elektronik zur Ansteuerung der Antennen (13, 19) bzw. für den Übergang ins Basisband notwendig ist.

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich demgegenüber durch die Hinzufügung des Merkmals

"und dass das Antennenmodul im unteren Teil (5) eine untere Leiterplatte (17) aufweist, welche unterhalb der Transceiverbox (21) als zusätzliche Abschirmung dient."

Entscheidungsgründe

1. Das Streitpatent betrifft ein Antennenmodul für ein Fahrzeug.

2. An Fahrzeugen montierte Antennen dienen dazu, elektromagnetische Signale zu empfangen oder auszusenden und dadurch Funkdienste für den Fahrzeugnutzer bereitzustellen. Bekannte Funkdienste sind beispielsweise der Rundfunkempfang mittels einem Autoradio und die Mobilkommunikation. Auch die ferngesteuerte Bedienung einer Zentralschließanlage durch den Fahrzeugschlüssel oder der Empfang von GPS-Signalen zur Navigation waren bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents in handelsüblichen Fahrzeugen als Funkdienste vorgesehen.

3. Während der Installationsaufwand für eine einzelne Antenne, die einen einzelnen Funkdienst bereitstellt, übersichtlich ist, kann der Aufwand für Montage und Installation bei der Bereitstellung mehrerer Funkdienste wie Mobilfunk, GPS-Navigation oder Fahrzeugverriegelung beträchtlich sein, da für jeden Dienst eine geeignete Antenne an einer geeigneten Stelle des Fahrzeugs vorhanden sein muss und eine geeignete Verbindung von dort zu dem Endgerät des jeweiligen Funkdienstes eingerichtet werden muss.

4. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die Aufgabenstellung zugrunde, ein Antenennmodul zu schaffen, durch welches, wie in Absatz 9 der Patentschrift dargelegt, mehrere Dienste bereitgestellt werden, wobei der Verkabelungs- und Montageaufwand gering gehalten werden kann.

Anspruch 1 - Artikel 123(2) EPÜ

5. Der Begriff "entsprechenden" im Anspruch 1 in der erteilten Fassung wurde durch die Prüfungsabteilung mit dem Erlass der Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ den für die Erteilung zugrundegelegten Anmeldungsunterlagen eingefügt. In der Mitteilung wurde dazu bemerkt: Es wurde klargestellt, dass die Sende- und/oder Empfangseinrichtungen den Antennen zugeordnet sind.

6. Die durch den Begriff "entsprechenden" gegebene Zuordnung versteht der fachkundige Leser dahingehend, dass jeder Sende-/Empfangseinrichtung eine jeweilige Antenne zugeordnet ist.

7. Die Patentinhaberin argumentierte, durch den strittigen Begriff "entsprechenden" werde im Anspruch 1 des Streitpatents lediglich klargestellt, dass in dem Antennenmodul vorgesehene Sende-/Empfangseinrichtungen zu den Antennen des Moduls gehören und zu diesen passen. Eine so geartete Zugehörigkeit sei in den Absätzen 7, 11, 23 und 29 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung unmittelbar und eindeutig offenbart.

8. Eine Zuordnung von "entsprechenden" Sende- und/oder Empfangseinrichtungen zu Antennen ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht wörtlich offenbart.

9. Die Absätze 7, 11, 23, 24 und 29 der veröffentlichten Anmeldung (A-Schrift) lauten:

[0007] Erfindungsgemäß weist ein Antennenmodul mehreren Antennen und mehreren Sende- und/oder Empfangseinrichtungen auf, welche wenigstens teilweise in Form einer zentralen Transceiverbox in das Antennenmodul integriert sind. Das Antennenmodul, beispielsweise in Form einer Antennenkassette umfasst damit zumindest einen Teil der Empfangs- und/oder Sendeeinrichtungen, welche zum betreiben bzw. ansteuern der einzelnen Antennen notwendig sind. [sic]

[0011] In bevorzugter Ausgestaltung der Erfindung umfasst die Transceiverbox die mehreren Sende- und/oder Empfangseinrichtungen (sogenannten Transceiver) vollständig, so dass keine zusätzliche Elektronik zur Ansteuerung der Antennen bzw. für den Übergang ins Basisband notwendig ist.

[0023] Die Transceiverbox 21 bzw. dessen einzelne Sende- und/oder Empfangsbausteine bzw. Transceiverbausteine 23 stehen zudem mit den jeweiligen Außenantennen 13 über dem vorgenannten Durchbruch im Fahrzeugdach und entsprechende Durchkontaktierung der oberen Platine 15 in Verbindung. [sic]

[0024] Wie in Fig. 5 dargestellt, weist die Transceiverbox 21 einzelne Transceiverbausteine 23 auf, welche vorzugsweise in einer Leiterplatte an hierfür vorgesehenen Stellen eingelötet oder in entsprechende Steckplätze eingesteckt werden. Entsprechend ist es bereits bei der Herstellung des Antennenmoduls möglich, die Transceiverbox 21 je nach Ausrüstungsstand und Anforderungen des zukünftigen Verwendungszweckes entsprechend mit den hierfür notwendigen Transceiverbausteinen 23 auszurüsten, ohne die Grundstruktur der Transceiverbox und der sich darin befindlichen Leiterbahn bzw. dessen Layouts zu ändern.

[0029] Wie vorstehend erläutert, kann das erfindungsgemäße Antennenmodul zentral funkdienststrategisch in einem Fahrzeug positioniert werden. Das Antennenmodul enthält hierbei vorzugsweise alle notwendigen Antennen und Empfänger und sichert die Anbindung an das Steuergerät oder an die Endgeräte über den Fahrzeug-Bus oder per Funk.

10. Der fachkundige Leser entnimmt diesen Absätzen, dass Sende-/Empfangseinrichtungen in dem Antennenmodul vorhanden und einige davon oder alle "in Form einer zentralen Transceiverbox" angeordnet sind. Eine Zuordnung zwischen den mehreren Antennen des Antennenmoduls und den mehreren Sende-/Empfangseinrichtungen in der Art einer Entsprechung ist in diesen Passagen jedoch nicht offenbart und ergibt sich auch nicht implizit. Weiterhin entnimmt der Leser aus dem Absatz 23 keine qualitative Angabe einer Anpassung von Sende-/Empfangseinrichtungen an Antennen oder einer Zugehörigkeit anders als dass sie mit diesen in nicht näher spezifizierter Weise "in Verbindung stehen".

11. Folglich wird durch den im Prüfungsverfahren eingefügten Begriff ein Gegenstand definiert, der aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht unmittelbar und eindeutig hervorgeht.

12. Die Beschwerdegegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die in Frage stehende Änderung von der Prüfungsabteilung nur als Klarstellung vorgeschlagen worden ist. Für die Überprüfung des Erfordernisses des Artikels 123(2) EPÜ ist es unerheblich, auf welchem Wege eine Änderung zustande gekommen ist.

13. Greift im Erteilungsverfahren die Prüfungsabteilung in die Fassung der von ihr zu prüfenden Patentansprüche ein, indem sie ihrerseits Änderungen vorschlägt, so trägt trotzdem der Anmelder bzw. sein Vertreter die Verantwortung für die vorgelegte Fassung, indem er mit dem Einreichen der Übersetzungen der Ansprüche und der Zahlung der Gebühr gemäß Regel 71(5) EPÜ sein Einverständnis zu der ihm mitgeteilten Fassung gibt.

14. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.

Die Hilfsanträge

15. Die Hilfsanträge wurden in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung eingereicht.

16. Die Hilfsanträge räumen den Einwand gegen den Hauptantrag nicht aus, ohne dass nicht gleichzeitig neue Fragen zur Erweiterung des Schutzbereichs aufgrund der Streichung des Wortes "entsprechenden" (alle Hilfsanträge), zur Klarheit (Hilfsantrag 1: "... zum Betreiben ... notwendig...") und ob die Änderungen durch einen Einspruchsgrund veranlasst sind (Hilfsanträge 2 und 3: "... so dass keine zusätzliche Elektronik ... notwendig ist"), aufgeworfen werden.

17. Unter diesen Umständen wäre es angebracht gewesen, der Kammer Gelegenheit zu geben, frühzeitig, d.h. mit dem Erlass der Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, eine vorläufige Stellungnahme zu diesen Fragen abzugeben, und daher diese Anträge bereits vor dem Zeitpunkt, zu dem die Mitteilung der Kammer erging, vorzulegen.

18. Daher machte die Kammer von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK Gebrauch und ließ die Hilfsanträge nicht in das Verfahren zu.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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