European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T008214.20210805 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 August 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0082/14 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08715905.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02P 9/00 F03D 7/02 F03D 9/00 H02J 3/18 H02J 3/38 H02J 9/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage bei Überspannungen im Netz | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Gamesa Renewable Energy Service GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Enercon GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag 1 (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (nein) Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hilfsanträge 3 und 4 (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 135 349 (im Folgenden "Streitpatent") zu widerrufen.
II. Die ursprüngliche Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mehrfach ihre Gesellschaftsform durch Umwandlung geändert und zudem einmal umfirmiert. Die Registerumschreibung ist jeweils antragsgemäß erfolgt.
III. In der angefochtenen Entscheidung wurden u. a. folgende Dokumentenreferenzen verwendet, an denen festgehalten wird:
E2: EP 1 386 078 B1
E3: US 2007/0052244 A1
E4: EP 1 752 660 A1
E5: Bedienungsanleitung des Spannungsreglers REG-D, A. Eberle GmbH, Ausgabe vom 8.9.2006
IV. Die angefochtene Entscheidung behandelte die Anträge der Patentinhaberin, den Einspruch zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung gemäß den damaligen Hilfsanträgen 1 bis 4 aufrechtzuerhalten, wobei
- Hilfsanträge 1 und 2 mit Eingabe vom 24. September 2013 eingereicht wurden;
- Hilfsantrag 3 in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde; und
- Hilfsantrag 4 mit Eingabe vom 24. September 2013 als "Hilfsantrag 3" eingereicht wurde.
Im Wesentlichen wurde Folgendes entschieden:
a) Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags genügten den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
b) Der Hauptantrag genüge den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ nicht, weil der Fachmann nicht in die Lage versetzt werde, die in Anspruch 1 enthaltenen Erfindungsvarianten auszuführen, wonach "überwacht wird, ob [...] ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei [...] eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist".
c) Gleiches gelte für den Hilfsantrag 1.
d) Hilfsantrag 2 genüge den Erfordernissen der Artikel 83, 123 (2) und 123 (3) EPÜ.
e) Ansprüche 1 und 9 gemäß Hilfsantrag 2 seien neu gegenüber Dokument E2 und gegenüber Dokument E3, Artikel 54 (2) EPÜ.
f) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei gegenüber einer Kombination der Dokumente E2 und E4 nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Anspruch 1 unterscheide sich von E2 dadurch, dass überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde, wobei eine erste Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist. Diese zeitabhängige Vorgabe habe den technischen Effekt, dass bei Überschreiten der vorgegebene Spannung nicht sofort abgeschaltet werden muss, sondern Komponenten der Windkraftanlage langer am Netz bleiben können. Instabilitäten im Netz durch sofortiges Abschalten würden dadurch vermieden. Die zu lösende Aufgabe könne darin gesehen werden, Instabilität im Netz zu vermeiden. Dokument E4 behandele dieses Problem (Spalte 1, Zeilen 20 - 23: "disconnecting wind turbines from the power grid in case of over-voltage .. may contribute additional instability to the power grid"). E4, Absatz 3 lehre den Fachmann, dass diese Netzinstabilität dadurch verhindert wird, dass vom Netzbetreiber Grenzen für die Spannungsfestigkeit der Windkraftanlage vorgegeben werden. Die Komponenten der Anlage müssten daher so konstruiert sein, dass sie dauerhaft 110% Überspannung aushalten und für 1 Sekunde 115% bzw. für 100 ms 120% (E4, Spalte 1, Zeilen 30 - 35). Dokument E4 offenbare also eine zeitabhängige Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten zur Lösung des genannten Problems. Es sei daher für den Fachmann naheliegend, eine solche zeitabhängige Grenzfunktion auch im Verfahren zum Betreiben einer Windkraftanlage aus E2 vorzusehen, um die Windkraftanlage länger am Netz lassen zu können und Instabilität durch frühes Abschalten zu vermeiden.
g) Hilfsantrag 3 sei prima facie nicht geeignet, den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu beheben.
h) Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei nicht klar, Artikel 84 EPÜ.
V. Mit der Beschwerdebegründung vom 8. April 2014 reichte die Beschwerdeführerin Hilfsanträge 1 bis 4 ein. Die Hilfsanträge 1 bis 3 entsprechen den mit Eingabe vom 24. September 2013 eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 3 (der Hilfsantrag 3 vom 24. September 2013 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zu Hilfsantrag 4). Die Beschwerdeführerin machte im Wesentlichen geltend, dass das Streitpatent (Hauptantrag) und die Hilfsanträge die Erfordernisse der Artikel 83, 54, 56 und 84 EPÜ erfüllen.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage (15-19) mit einem von einem Rotor (25-29) angetriebenen elektrischen Generator (30) zum Abgeben elektrischer Leistung an ein elektrisches Netz (31), das eine Netzspannung vorsieht, wobei bei Vorherrschen einer Überspannung im Netz (31) Blindleistung von der Windenergieanlage (15-19) in das Netz (31) eingespeist wird, um eine Spannung zu senken,
dadurch gekennzeichnet, dass überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde und/oder ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei eine erste Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) und/oder eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist."
In Anbetracht der Feststellungen zu dem unabhängigen Anspruch 1 braucht der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 9 des Streitpatents hier nicht wiederholt zu werden. Das gleiche gilt sinngemäß für die Hilfsanträge.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt geändert wurde:
"dadurch gekennzeichnet, dass überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde, wobei eine erste Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist und/oder ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei [deleted: eine erste Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) und/oder] eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt geändert wurde:
"dadurch gekennzeichnet, dass überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde [deleted: und/oder][deleted: ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist], wobei eine erste Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) [deleted: und/oder][deleted: eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) ]vorgesehen ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass der kennzeichnende Teil wie folgt geändert wurde:
"dadurch gekennzeichnet, dass überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde [deleted: und/oder][deleted: ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist], wobei eine erste Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) [deleted: und/oder][deleted: eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t)] und eine zweite Grenzfunktion (42) von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen [deleted: ist]sind, wobei die Windenergieanlage (15-19) in dem Spannungsbereich unterhalb der zweiten Grenzfunktion (42) und oberhalb der ersten Grenzfunktion (41) betrieben wird, sofern keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 3 zum einen dadurch, dass der Oberbegriff am Ende wie folgt geändert wurde:
"... um eine Spannung, die zwischen einem Verknüpfungspunkt der Windenergieanlage an das Netz und einer Windenergieanlage vorliegt, zu senken ...",
und zum anderen dadurch, dass das kennzeichnende Teil am Ende wie folgt geändert wurde:
"... sofern durch wenigstens eine elektrische Komponente (34, 51) der Windenergieanlage (15-19) keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden.".
VII. In der Beschwerdeerwiderung erhob die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) im Wesentlichen folgende Einwände:
Hauptantrag, sowie Hilfsanträge 1 und 2
- mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 100 b) bzw. 83 EPÜ,
- mangelnde Neuheit gegenüber Dokument E2, Artikel 54 EPÜ,
- mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ, gegenüber Dokument E2, ggf. in Kombination mit Dokument E4,
- mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ, gegenüber Dokument E2 in Kombination mit Dokument E5;
Hilfsanträge 3 und 4
- mangelnde Klarheit, Artikel 84 EPÜ.
VIII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 26. Februar 2020 legte die Kammer ihre vorläufige Stellungnahme zu der Beschwerde dar und wies unter anderem darauf hin, dass das Beschwerdeverfahren durch die ohne Beschränkung der Verfügungsbefugnis der seinerzeitigen Beschwerdeführerin erfolgte Insolvenzeröffnung mit Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 1 Satz 1 der deutschen Insolvenzordnung) nicht unterbrochen worden sei.
IX. Nach mehreren Vertagungen fand die mündliche Verhandlung am 5. August 2021 mit dem Einverständnis der Beteiligten als Videokonferenz statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung aufrecht zu erhalten gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
X. Soweit für die Feststellungen in dieser Entscheidung relevant, lässt sich das Vorbringen der Parteien wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Ausführbarkeit, Artikel 100 b) EPÜ
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehe.
Bezüglich der in Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Variante, wonach "überwacht wird, ob [...] ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei [...] eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist" trug die Beschwerdeführerin vor, der Fachmann könne über die Kenntnis der elektrischen Größen der Windenergieanlage bzw. der Kenngrößen der Komponenten der Windenergieanlage rechnerisch anhand der Spannungskurve der Figur 5 der Patentschrift eine sich hieraus ergebende Stromkurve und damit einen Wirk- und auch einen Blindstrom errechnen. Die Bestimmung einer Grenzfunktion von Blindstromsollwerten aus einer Grenzfunktion von Spannungssollwerten sei dem Fachmann ohne weiteres zumutbar.
Der beanspruchte Gegenstand umfasse auch das Vorliegen von eingeschwungenen (stationären und quasi-stationären) Vorgängen, also solchen Vorgängen, bei denen eine periodische Veränderung der Spannung anzunehmen sei, und bei denen die Anwendbarkeit der Formel DeltaV=I*(R+jX) unbestritten sei. Bereits aus diesem Grund sei dem Fachmann ein Weg zur Ausführung des beanspruchten Gegenstands eindeutig aufgezeigt worden. Aber auch im transienten, nichtperiodischen Fall könne der Fachmann, selbst wenn ihm die Kenntnis mancher elektrischer Größen fehlen sollte, dennoch eine Abschätzung dahingehend vornehmen, dass er die oben erwähnte Variante umsetzen könne. Beispielsweise könnten auch nichtperiodische Verläufe durch eine Reihenentwicklung periodischer Funktionen ohne weiteres (insbesondere ohne weiteren Informationsbedarf) näherungsweise dargestellt werden.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei der Fachmann sich bewusst, dass bei einer Bestimmung von Blindstromwerten aus Spannungswerten der Fig. 5 ein sich mit zunehmender Frequenz erhöhender Blindwiderstand (Reaktanz X) als Quotient von Spannung und Strom bemerkbar machen wird. Dies führe dazu, dass das Verhältnis Spannung zu Blindstrom bei zunehmender Frequenz kleiner und das Verhältnis Spannung zu Wirkstrom größer werde. Sollten zur Berechnung konkreter Werte Informationen fehlen, sei dem Fachmann beispielsweise zuzumuten, zunächst eine Grobabschätzung vorzunehmen und diese dann empirisch nachzujustieren. Somit könne der Fachmann das Verhalten der Reaktanz X ohne großen Aufwand - der ohnehin bei der Frage der Ausführbarkeit unbeachtlich sei - berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin trug zudem vor, im Text der Beschreibung des Streitpatents finde der Fachmann eine ausdrückliche Anleitung für die Verwendung von Grenzfunktionen (vgl. Patentschrift: Abs. [0012]). Weitere Details fänden sich in der Beschreibung und zwar bezugnehmend auf die Fig. 5 und 7 (vgl. Patentschrift: Abs. [0044 ], [0047]). In Fig. 7 seien durchaus Blindstromsollwerte in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt (vgl. Patentschrift: Abs. [0047]). So sei ein erster Sollwert 81 in einem ersten Zeitraum vier dargestellte Blindstromeinheiten geringer als ein weiterer Sollwert 81 in fünf Folgezeiträumen, in denen er konstant bleibe. Die Grenzfunktion der Blindstromsollwerte entspreche hier demnach einer Stufenfunktion (Heaviside-Funktion).
Die Beschwerdegegnerin brachte hiergegen vor, dass eine Überwachung eines abgegebenen Blindstroms in dem Streitpatent grundsätzlich nicht beschrieben sei. Die Figur 7 des Streitpatents stelle eine Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) nicht dar. Zudem sei es nicht möglich, eine Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit aus einer Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) zu kalkulieren. Das Patent enthalte keine Angaben dazu, wie dies geschehen könnte. In der transienten Situation eines Überspannungsfalls im Netz sei die Berechnung DeltaV = I * (R + jX), die auf einer periodischen sinusförmigen Situation beruht, nicht anwendbar.
Hilfsantrag 1 - Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ
Die Parteien nahmen im Hinblick auf Hilfsantrag 1 auf ihr Vorbringen zur Ausführbarkeit des Hauptantrags Bezug.
Hilfsantrag 2 - Anspruch 1, Neuheit, Artikel 54 EPÜ
Die Beschwerdeführerin trug vor, dass Dokument E2 die Merkmale des Anspruchs 1 nicht offenbare, wonach überwacht wird, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde, und eine erste Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit vorgesehen ist.
Die Beschwerdegegnerin brachte hiergegen vor, dass eine zeitabhängige Überwachung jeder physikalischen Regelung inhärent sei. Zudem trug sie vor, dass das beanspruchte Merkmal einer "Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit" die Möglichkeit eines einzigen, zeitunabhängigen Spannungssollwerts umfasse.
Die Beschwerdegegnerin machte zudem geltend, dass dem Fachmann bekannt sei, dass Netzbetreiber von Windenergieanlagen verlangten, dass sie für bestimmte Zeiträume bestimmte Überspannungsgrenzen aushalten müssten, bevor sie sich vom Netz trennten. Eine solche Anforderung sei als Stand der Technik im Dokument E4 dargelegt, das in den Absätzen [0002] und [0003] eine zeitabhängige Spannungsgrenzfunktion in Textform beschreibe. Für den Fachmann, der das Dokument E2 betrachtet, sei implizit, dass die Windenergieanlage in der Lage sein müsse, diese Anforderungen zu erfüllen, und daher mit einer zeitabhängigen Spannungsgrenzfunktion ausgestattet sein müsse, um dies zu überwachen.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass nach dem Dokument E2 bei einer Überspannung, jedenfalls einer Spannung über Umax, ein Blindstrom mit dem Zweck eingespeist werde, die Spannung zu senken. Es sei daher von Interesse, ob dadurch eine Spannungssenkung tatsächlich erreicht werden konnte. Die Blindstromeinspeisung werde fortgesetzt, solange die Spannung noch oberhalb von Umax sei. Das sei eine Überwachung, ob die Spannung gesenkt wurde. Gelinge es nicht, die Spannung zu senken, und überschreite die Spannung zeitabhängige Grenzwerte, die vom Netzbetreiber vorgegeben werden, müsse reagiert werden. Es sei dem Fachmann aus dem allgemeinen Fachwissen bekannt, dass Netzbetreiber zeitabhängige Grenzwerte für die von einer Windenergieanlage auszuhaltende Überspannungen anfordern, um Netzinstabilitäten und Schäden an der Windkraftanlage zu vermeiden. Dies sei aus Figur 2 des Streitpatents zu entnehmen und werde in Dokument E4, Absatz [0003] bestätigt. Es liege somit nahe, für die Spannungsüberwachung zeitabhängige Grenzwerte vorzusehen.
Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von dem Dokument E2 dadurch unterscheide, dass überwacht werde, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde, wobei eine erste Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist. Diese Merkmale würden miteinander zusammen hängen und seien zusammen zu bewerten. Sie lösten die technische Aufgabe, die Komponenten der Windenergieanlage zu schützen sowie eine spätere Trennung vom Netz zu erreichen. Das Dokument E2 offenbare keine Spannungsüberwachung, insbesondere keine zeitliche Spannungsüberwachung. Das Dokument E4 offenbare zwar vom Netzbetreiber festgelegte Spannungsgrenzwerte, aber nicht die Überprüfung der Einhaltung dieser Grenzwerte mittels einer Spannungsgrenzfunktion. Dokument E4 offenbare eine andere Lösung, bei der ein Strompfad parallel zu einer Transformatorspule geschaltet wird, wenn die Spannung einen vorgegebenen Grenzwert überschreitet.
Hilfsantrag 3 - Klarheit, Artikel 84 EPÜ
Die Beschwerdegegnerin trug vor, Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sei unklar, weil dem Anspruch nicht zu entnehmen sei, wie das Merkmal zu verstehen sei, wonach keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden. Es sei unklar, welche Schalthandlungen gemeint seien. Ein Anspruch solle bereits von sich heraus klar sein. Die Beschreibung könne keine Klarheit herstellen. Anspruch 1 beanspruche weiterhin, Blindleistung von der Windenergieanlage in das Netz einzuspeisen. Dazu sei unter anderem ein Umrichter/Generator 79 vorgesehen, was in der schematischen Darstellung einer Regelungsvorrichtung einer Windenergieanlage gemäß Figur 6 eingezeichnet sei. Ein solcher Umrichter speise Strom durch stetige Schalthandlungen entsprechender Halbleiterschalter ein. Wenn Blindleistung gemäß Anspruch 1 eingespeist werde, sei anzunehmen, dass die entsprechenden Halbleiterschalter schalten, und zwar so, dass auch ein Strom fließt. Entsprechend schalteten sie auch unter Last.
Die Beschwerdeführerin trug vor, dass zwischen der Grenzfunktion 41 und der Grenzfunktion 42 die Windenergieanlage am Netz verbleiben könne, es dürften jedoch keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden. Diese könnten nämlich zu einer Beschädigung von Komponenten der Windenergieanlage führen. Die Beschwerdeführerin wies auf Spalte 12, Zeilen 34 bis 40, der Patentschrift hin, die angebe, dass ein Signal der Betriebsführung verhindert, dass Komponenten, die direkt von der Spannungserhöhung betroffen sind, und die nicht für den Betrieb bei einer höheren Spannung ausgelegt sind, Schaltvorgänge ausführen, die zu einer Beschädigung der betreffenden Komponente führen könnten. Das Merkmal, wonach keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden, sei vor dem Hintergrund des konkreten Ausführungsbeispiels der Figur 3 verständlich. Um zu erläutern, welche der verschiedenen Schalthandlungen in der Windenergieanlage mit Anspruch 1 gemeint seien und welche nicht, bezog sich die Beschwerdeführerin ausführlich auf die Einzelheiten in der Beschreibung, insbesondere Spalte 10, Zeilen 14 bis 34 und Spalte 6, Zeile 55 bis Spalte 7, Zeile 11.
Die Beschwerdeführerin trug in der mündlichen Verhandlung zudem vor, dass zu unterscheiden sei zwischen Trennung der Windenergieanlage vom Netz und Schalthandlungen in der Windenergieanlage durch Schaltung der Komponenten der Anlage. Solche Komponenten seien zum Beispiel der Azimutantrieb, der Pitchantrieb und das Hydrauliksystem, die für den Betrieb benötigt wurden und die der Überspannung ausgesetzt seien.
Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass im Patent von solchen Komponenten nicht die Rede sei. Außerdem seien diese Komponenten nicht der Überspannung im Netz ausgesetzt.
Hilfsantrag 4 - Klarheit, Artikel 84 EPÜ
Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die Änderungen gemäß Hilfsantrag 4 aus dem erteilten Unteranspruch 7 stammten. Daher sei die Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Ausführbarkeit, Artikel 100 b) EPÜ
1.1 Die Kammer ist aus den folgenden Gründen zu dem Schluss gekommen, dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegensteht.
1.2 Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung enthält eine Variante, wonach "überwacht wird, ob [...] ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei [...] eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist".
1.3 Eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) ist zwar in Absatz [0012] der Beschreibung erwähnt, jedoch ist nicht weiter angegeben, wie eine Grenzfunktion von Blindstromsollwerten auszuführen ist. Zudem ist kein entsprechendes Ausführungsbeispiel angegeben (Regel 42 (1)e) EPÜ). Es stellt sich somit die Frage, ob der Fachmann in die Lage versetzt wird, eine Grenzfunktion von Blindstromsollwerten zu bestimmen, die für die Überwachung geeignet ist, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist.
1.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann über die Kenntnis der elektrischen Größen der Windenergieanlage bzw. der Kenngrößen der Komponenten der Windenergieanlage anhand der Spannungskurve der Figur 5 der Patentschrift eine sich hieraus ergebende Stromkurve und damit einen Wirk- und auch einen Blindstrom errechnen könne, wurde in der angefochtenen Entscheidung schon behandelt. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest (Seite 7, dritter Absatz), dass die in Figur 5 abgebildete Grenzfunktion für die Spannung für transiente Vorgänge gilt, die sich in einem Zeitfenster von einigen 100 Millisekunden abspielen. Bei solchen schnellen Änderungen seien die Stromverläufe nicht mehr sinusförmig. Die Formel in komplexer Rechnung DeltaV = I * (R + jX) lasse sich daher nicht korrekt anwenden. Auch das Verhalten der Reaktanzen X der Bauteile in der Windkraftanlage sei für diesen Fall nur sehr aufwändig messbar. Ebenso wenig gelte die Spannungsstatik aus Figur 4 für diesen transienten Fall.
1.5 Die Argumentation der Einspruchsabteilung ist zutreffend. Aus der Patentschrift (Spalte 11, Zeilen 36 bis 41) geht eindeutig hervor, dass die in Figur 5 genormt dargestellte Spannungsfunktion DeltaU eine überlagerte nichtperiodische Spannungsspitze ist. Es ist nicht offenbart, wie diese nichtperiodische Spannungsfunktion in eine entsprechende Blindstrom-Grenzfunktion umzuwandeln wäre. Die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin sind nicht überzeugend. Vielmehr überzeugen die Argumente der Beschwerdegegnerin, dass in der transienten Situation eines Überspannungsfalls im Netz die Berechnung DeltaV = I * (R + jX), die auf einer periodischen sinusförmigen Situation beruht, nicht anwendbar wäre. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Fachmann Kenntnis von allen notwendigen elektrischen Größen hätte, um eine entsprechende Blindstromkurve zu errechnen, weil die nach Anspruch 1 vorherrschenden Überspannungen irgendwo im elektrischen Netz erzeugt werden, dessen elektrische Größen dem Fachmann nicht ohne weiteres bekannt sind.
1.6 Auch die Argumente der Beschwerdeführerin, wonach nichtperiodische Verläufe durch eine Reihenentwicklung periodischer Funktionen ohne weiteres näherungsweise dargestellt werden, sind nicht überzeugend. Selbst wenn dies in der mathematischen Theorie möglich ist, wird nicht offengelegt, wie dies im Falle nicht spezifizierter, nicht periodischer Spannungsspitzen geschehen soll.
1.7 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, wonach Figur 7 des Streitpatents Blindstromsollwerte in Abhängigkeit von der Zeit darstellt, überzeugt die Kammer nicht. Aus dem Absatz [0047] ist zu entnehmen, dass bei der ersten Blindstromistwertkurve 82 die Einregelung ausreichend ist, um ausreichend schnell einen ausreichend hohen Blindstrom einzuspeisen, und dass bei der zweiten Blindstromistwertkurve 83 die Einregelung zu langsam ist. Der Blindstromsollwert 81 wird nicht dazu verwendet, um zwischen einer ausreichend schnellen, und einer zu langsamen Einregelung zu unterscheiden. Dementsprechend wird der Blindstromsollwert 81 nicht im Sinne des Anspruchs 1 verwendet, um zu überwachen, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist. Somit stellt der Blindstromsollwert 81 keine Grenzfunktion dar, sondern eine anzustrebende Eingangsgröße.
1.8 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass die Offenbarung des Patents nicht hinreichend klar und vollständig ist, um den Fachmann in die Lage zu versetzen, eine Grenzfunktion von Blindstromsollwerten zu bestimmen, die zum Überwachen, ob ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, geeignet ist. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen.
2. Hilfsantrag 1 - Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ
2.1 Bei dem Hilfsantrag 1 sind die Merkmale bezüglich Überwachung und Grenzfunktionen lediglich neu geordnet, wobei die Variante bestehen bleibt, wonach "überwacht wird, ob [...] ein Blindstrom abgegeben wird, der größer oder gleich einem vorgebbaren Blindstromsollwert ist, wobei eine zweite Grenzfunktion von vorgegebenen induktiven Blindstromsollwerten in Abhängigkeit der Zeit (t) vorgesehen ist".
2.2 Daher erfüllt der Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht, und zwar aus denselben Gründen, die oben für den Hauptantrag in Bezug auf Artikel 100 b) EPÜ dargelegt wurden.
3. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
3.1 Das Dokument E2 kann als der nächstliegende Stand der Technik für die Beurteilung, ob der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, angesehen werden. Dies wurde auch von den Parteien nicht bestritten.
3.2 Dokument E2 offenbart ein Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage, bei dem die Netzspannung gemessen wird und bei einer Überspannung der Phasenwinkel des eingespeisten Wechselstroms derart anhand einer Kennlinie verändert wird, dass induktiver Blindstrom eingespeist wird, um die Spannung zu senken (siehe Absätze [0018] bis [0022] und Figur 3). Eine Überwachung der Spannungssenkung ist jedoch wie von der Beschwerdeführerin zutreffend dargelegt - in Dokument E2 nicht klar und eindeutig offenbart. Insbesondere wird nicht überwacht, ob innerhalb einer vorgebbaren Zeit die Spannung auf einen vorgebbaren Sollwert gesenkt wurde, und eine Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit ist nicht vorgesehen.
3.3 Diese Spannungsüberwachung auf Basis einer zeitabhängigen Vorgabe hat den technischen Effekt, dass die Windenergieanlage im Falle einer Überspannung nicht sofort, sondern etwas später vom Netz getrennt wird. Dadurch werden Instabilitäten im Netz durch sofortiges Abschalten vermieden. Die Kammer stimmt mit der Einspruchsabteilung überein, dass die zu lösende Aufgabe in der Vermeidung von Netzinstabilitäten gesehen werden kann.
3.4 Die Beschwerdegegnerin hat zutreffend dargelegt, dass es zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehört, dass Netzbetreiber zeitweilige Überspannungen festlegen, die eine Windenergieanlage aushalten muss, ohne diese vom Netz zu trennen. Dies wird durch die Abbildung 2 des Streitpatents belegt, die Anforderungen von Netzbetreibern an die Fähigkeiten von Windenergieanlagen in verschiedenen Länder zeigt. Zudem wird dies durch die Angaben in Dokument E4, Absatz [0003], bestätigt. Dort wird erläutert, dass die Netzbetreiber in der Regel Mindesttoleranzen für Überspannungen anfordern, denen Windkraftanlagen standhalten müssen, bevor sie vom Netz getrennt werden dürfen, um die Gefahr von Netzinstabilitäten und Schäden an Windkraftanlagen zu vermeiden.
3.5 Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass es für den Fachmann ausgehend vom Dokument E2 und in Kenntnis der Tatsache, dass Netzbetreiber zu dem Zweck zeitbezogenen Überspannungsfestigkeitsanforderungen stellen, naheliegend ist, zur Vermeidung von Netzinstabilitäten die Anordnung von E2 so anzupassen, dass die Einhaltung der Anforderungen durch eine Grenzfunktion von vorgegebenen Spannungssollwerten in Abhängigkeit der Zeit überwacht wird.
3.6 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird daher durch Dokument E2 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 die Voraussetzung des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt.
4. Hilfsantrag 3 - Klarheit, Artikel 84 EPÜ
4.1 Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 heißt es, dass "die Windenergieanlage (15-19) in dem Spannungsbereich unterhalb der zweiten Grenzfunktion (42) und oberhalb der ersten Grenzfunktion (41) betrieben wird, sofern keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden". Die Beschwerdegegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach Anspruch 1 anzunehmen sei, dass dann, wenn Blindleistung gemäß Anspruch 1 eingespeist werde, die entsprechenden Halbleiterschalter schalten, und zwar so, dass auch ein Strom fließt. Entsprechend schalten sie auch unter Last, so dass das weitere Merkmal, wonach keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden, unklar ist.
4.2 Nach ständiger Rechtsprechung müssen Patentansprüche für einen Fachmann in sich deutlich sein, so dass er nicht den Inhalt der Beschreibung hinzuziehen muss (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, II.A.3.1, erster Absatz).
4.3 Die Beschwerdeführerin bezieht sich in ihrem Vorbringen ausführlich auf die Beschreibung, um zu erläutern, welche der verschiedenen Schalthandlungen in der Windenergieanlage mit Anspruch 1 gemeint seien und welche nicht. Dies zeigt, dass es notwendig ist, die Beschreibung heranzuziehen, um das Merkmal, dass keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden, zu verstehen. Ohne Bezugnahme auf die Beschreibung bleibt im Anspruch 1 selbst völlig unklar, welche Schalthandlungen gemeint sein könnten.
4.4 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
5. Hilfsantrag 4 - Klarheit, Artikel 84 EPÜ
5.1 Bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, können die Ansprüche des Patents nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden, sofern - und dann auch nur soweit - diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt (G0003/14).
5.2 Im Anspruch 7 des Streitpatents in der erteilten Fassung hieß es, dass "wenigstens eine elektrische Komponente (34, 50, 51) der Windenergieanlage (15-19) und/oder eines Windparks (10) bei einer vorgebbaren Übersprechspannung einer Überspannung des Netzes (31) keine Schalthandlungen durchführt und/oder Schalthandlungen einstellt, ...".
5.3 Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 heißt es demgegenüber, dass "die Windenergieanlage (15-19) in dem Spannungsbereich unterhalb der zweiten Grenzfunktion (42) und oberhalb der ersten Grenzfunktion (41) betrieben wird, sofern durch wenigstens eine elektrische Komponente (34, 51) der Windenergieanlage (15-19) keine Schalthandlungen unter Last vorgenommen werden".
5.4 Der beanspruchte Gegenstand wurde damit umformuliert und geändert. Unter anderem wurde das Merkmal bezüglich "keine Schalthandlungen", in "keine Schalthandlungen unter Last" geändert. Somit ist mindestens zu prüfen, ob das geänderte Merkmal "keine Schalthandlungen unter Last" im Sinne von Artikel 84 EPÜ klar ist.
5.5 Aus den oben dargelegten Erwägungen bezüglich Hilfsantrag 3, ist das zu verneinen. Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 selbst bleibt völlig unklar, was mit "Schalthandlungen unter Last" gemeint sein könnte.
5.6 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
6. Schlussfolgerung
Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, war dem Antrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.