T 0056/14 () of 23.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T005614.20180423
Datum der Entscheidung: 23 April 2018
Aktenzeichen: T 0056/14
Anmeldenummer: 06754314.0
IPC-Klasse: B05D 5/08
C23C 22/12
B32B 15/01
F16C 33/12
F16C 33/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: GLEITLAGERVERBUNDWERKSTOFF
Name des Anmelders: KS Gleitlager GmbH
Name des Einsprechenden: Federal-Mogul Wiesbaden GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch zurückgewiesen wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf den im Artikel 100 a) EPÜ angegebenen Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

II. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents auf keiner erfinderischen Tätigkeit zu beruhen schien.

Mit ihrem Schriftsatz vom 15. Februar 2018 reichte die Beschwerdegegnerin Hilfsantrag 1 ein.

Am 23. April 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Insbesondere wurde die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ durch den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) und des Hilfsantrags 1 im Hinblick auf die Lehre des Dokuments E4 (oder E1, jeweils als nächstliegender Stand der Technik) in Verbindung mit der Lehre eines der Dokumente E2 und E3, unter weiterer Berücksichtigung der Lehren der Dokumente E6, D7, D8 und D9 diskutiert.

Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte

die Zurückweisung der Beschwerde (d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung - Hauptantrag) oder,

hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 15. Februar 2018 als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatzes.

IV. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden relevanten Dokumente zitiert:

E1: DE 103 60 818 A1;

E2: EP 0 059 273 A1;

E3: EP 0 399 425 B1;

E4: DE 103 55 547 A1;

E6: De Rosa, H. et al., "Structural properties of AlSn thin films deposited by magnetron sputtering", Journal of Material Science Letters 20, 2001, 1365-1367;

D7: EP 0 304 109 A2;

D8: Deutsche Norm DIN ISO 4383 "Verbundwerkstoffe für dünnwandige Gleitlager", Februar 2001, 9 Seiten;

D9: Klaus Mollenhauer, "Handbuch - Dieselmotoren", 2.,

korrigierte und neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2002, ISBN 978-3-662-07710-8, Seiten 390-391.

*Die erst im Beschwerdeverfahren mit dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2018 eingereichten Dokumente D8 und D9 wurden als Nachweis des Fachwissens des Fachmanns vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents ins Verfahren zugelassen. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) lautet wie folgt:

"Gleitlagerverbundwerkstoff zur Herstellung von Gleitlagerelementen, insbesondere Gleitlagerbuchsen und Gleitlagerschalen für motorische Anwendungen, mit einer Trägerschicht aus Stahl und einer darauf aufgebrachten Lagermetallschicht auf Kupferbasis, insbesondere Kupfer-Zinn oder Kupfer-Zink-Basis, und mit einer auf die Lagermetallschicht aufgesputterten Laufschicht auf Aluminiumbasis, wobei die Laufschicht von einer Aluminium-Zinn-Legierung mit 20-30 Gew.-% Sn gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf die aufgesputterte Laufschicht eine zusätzliche Einlaufschicht aufgebracht ist, die eine auf der Oberfläche der Laufschicht ausgebildete Zink-Phosphat-Schicht einer Dicke von 1-5 mym ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt (in Fettdruck die Änderungen im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags):

"Gleitlagerverbundwerkstoff zur Herstellung von Gleitlagerelementen, insbesondere Gleitlagerbuchsen und Gleitlagerschalen für motorische Anwendungen, mit einer Trägerschicht aus Stahl und einer darauf aufgebrachten Lagermetallschicht auf Kupferbasis, insbesondere Kupfer-Zinn oder Kupfer Zink-Basis, und mit einer auf die Lagermetallschicht aufgesputterten Laufschicht auf Aluminiumbasis, wobei die Laufschicht von einer Aluminium-Zinn-Legierung mit 20-30 Gew.-% Sn gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Aluminium-Zinn-Legierung die Zusammensetzung AlSn(23-27)Cu(2,3-2,8), aufweist und dass auf die aufgesputterte Laufschicht eine zusätzliche Einlaufschicht aufgebracht ist, die eine auf der Oberfläche der Laufschicht ausgebildete Zink-Phosphat-Schicht einer Dicke von 1-5 mym ist."

VI. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

Ausgehend von entweder E1 oder E4 als nächstliegendem Stand der Technik seien die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 als Unterscheidungsmerkmale zu betrachten. Im Lichte der dadurch erreichten technischen Effekte könne die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, das Einlaufverhalten von den aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffen zu verbessern.

Die Unterscheidungsmerkmale sowie die damit verbundenen Vorteile seien in E2 oder E3 offenbart.

Es gebe auf dem technischen Gebiet kein Vorurteil, eine wie in E2 oder E3 offenbarte Zink-Phosphat-Schicht auf eine aus E1 oder E4 bekannte Aluminium-Laufschicht mit hohem Zinn-Anteil aufzubringen. Ein solches von der Beschwerdegegnerin behauptetes Vorurteil werde durch kein Dokument nachgewiesen, auch nicht von D7. E6 sei es zu entnehmen, dass es keine Rolle spiele, ob die Zinn enthaltende Aluminium-Laufschicht gesputtert oder aufplattiert werde. In der E2 sowie der E3 seien Hinweise angegeben, nach welchen die darin als Einlaufschichten offenbarten Zink-Phosphat-Schichten für die Beschichtung von Schichten aus u.a. Aluminiumlegierungen geeignet seien. Gestellt vor die o.g. Aufgabe denke der Fachmann somit sofort daran, die Einlaufschicht von E2 oder E3 auf die Gleitlagerverbundwerkstoffe von E1 oder E4 aufzubringen. Dadurch gelange er zum beanspruchten Gegenstand ohne erfinderische Tätigkeit.

Hilfsantrag 1

E4 offenbare die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 eingeführte Zusammensetzung der aufgesputterten Laufschicht. Deshalb beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit aus den für Anspruch 1 des Hauptantrags angegebenen gleichen Gründen, ausgehend von E4 als nächstliegendem Stand der Technik.

VII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag

Die Merkmale des kennzeichnenden Teiles des Anspruchs 1 seien aus dem nächstliegenden Stand der Technik E1 oder E4 nicht bekannt.

Der Fachmann habe keine Anregung, E1 oder E4 zu verändern, weil die darin offenbarten Gleitlagerverbundwerkstoffe seit langem mit großem Erfolg eingesetzt werden. Insbesondere seien die Härten von den aus E1 oder E4 bekannten aufgesputterten Laufschichten auf Aluminiumbasis mit 20 bis 30 Gew.-% Zinn keinesfalls als schwach zu betrachten. Der Fachmann verzichte somit auf weitergehende Einlaufschichten. Die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe sei schon gelöst.

Der Fachmann wisse, dass eine Zink-Phosphat-Schicht auf einer Aluminium-Schicht mit hohem Zinn-Anteil nicht hafte. D7 stelle einen Nachweis bezüglich dieses Vorurteils dar. Dieses Fachwissen wie in D7 dargestellt halte den Fachmann ab, die Lehre von E2 oder E3 mit der von E1 oder E4 zu kombinieren. Er probiere deshalb eine solche Konfiguration schon gar nicht.

Die aus E1 oder E4 mit hohem Zinn-Anteil bekannte Aluminium-Laufschicht und die aus E2 oder E3 bekannte Zink-Phosphat-Einlaufschicht entsprächen jeweils äußersten Schichten von Gleitlagerverbundwerkstoffen. Der Fachmann denke somit daran nicht, eine auf die andere aufzubringen.

Wie es D8 und D9 zu entnehmen sei, sei die AlSn20Cu-Legierung eine der wichtigsten Legierungen auf dem vorliegenden technischen Gebiet. Dies stelle einen Nachweis dar, dass die in E2 und E3 mit niedrigem Zinn-Anteil offenbarten Aluminium-Legierungen für die Lagerschicht bewusst gewählt werden.

Der Fachmann bleibe beim niedrigen Zinn-Anteil für die Aluminium-Lagerschicht mit einer darauf aufgebrachten Zink-Phosphat Einlaufschicht, wie in E2 bzw. E3 offenbart, und mache keinen Sprung auf eine Lagerschicht mit so einem hohen Zinn-Anteil wie in E1 bzw. E4.

Der Fachmann komme nicht zwingend zum beanspruchten Gegenstand, weil er andere bekannten Lösungen zur Verfügung habe.

Daher denke der Fachmann nicht daran, zu versuchen, die in E2 oder E3 offenbarte Zink-Phosphat-Schicht auf die aus E1 oder E4 bekannten Aluminium-Schichten mit hohem Zinn-Anteil aufzubringen.

Falls er dennoch an die Kombination der Lehre von E2 oder E3 mit den Gleitlagerverbundwerkstoffen von E1 oder E4 dächte, nähme er die in E2 oder E3 offenbarte Einlaufschicht zusammen mit der Aluminium-Lagerschicht mit niedrigem Zinn-Anteil, weil er wisse, dass die zwei Schichten zusammen ermöglichen, die erwünschten Effekten zu erreichen. Er bringe sie auf die aus E1 oder E4 bekannte, äußerste Aluminium-Schicht mit hohem Zinn-Anteil auf. Dadurch gelange er nicht zum beanspruchten Gegenstand.

Hilfsantrag 1

Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ausgewählte Zusammensetzung für die aufgesputterte Laufschicht sei noch weiter entfernt von den Zusammensetzungen der Gleitschichten mit niedrigem Zinn-Anteil von E2 bzw. E3. Der Fachmann sei noch weniger geneigt, die Kombination der Lehre von E2 oder E3 mit den aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffen durchzuführen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Laut der Beschwerdeführerin beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit ausgehend von entweder E1 oder E4 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von entweder E2 oder E3.

1.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass entweder E1 oder E4 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden können, weil Anspruch 1 jeweils Gleitlagerverbundwerkstoffe zur Herstellung von Gleitlagerelemente für motorische Anwendungen betrifft, siehe E1, Absatz 1 und E4, Absatz 11. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

1.3 Die Kammer teilt die von den Parteien unstreitige Auffassung, dass E1 sowie E4 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbaren, siehe z.B. Ansprüche 1 der E1 und E4 (Beschwerdebegründung, Punkt 2.1; der Beschwerdeerwiderung beigefügter Schriftsatz der Beschwerdegegnerin aus dem Einspruchsverfahren vom 7. November 2012, Seite 2, Absatz 2, und Seite 5, Absatz 1; angefochtene Entscheidung, Punkt 12.1 der Gründe).

Die Merkmale des kennzeichnenden Teiles des Anspruchs 1 sind somit unstreitig aus E1 oder E4 nicht bekannt (Beschwerdebegründung, Punkt 2.2; der Beschwerdeerwiderung beigefügter Schriftsatz der Beschwerdegegnerin aus dem Einspruchsverfahren vom 7. November 2012, Seite 2, Absatz 2; angefochtene Entscheidung, Punkt 12.2 der Gründe).

1.4 Ferner teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass im Lichte der mit den Unterscheidungsmerkmalen verbundenen Effekte die objektive zu lösende Aufgabe formuliert werden kann, das Einlaufverhalten von den aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffen zu verbessern (siehe Streitpatent, Absatz 6; Beschwerdebegründung, Punkt 2.3).

In der Tat, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht (Beschwerdebegründung, Punkt 2.2, vorletzter und letzter Absätze) und im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung (Gründe 12.1 und 12.4) und zur Meinung der Beschwerdegegnerin, braucht die Aufgabe für ihre Formulierung im nächstliegenden Stand der Technik nicht erwähnt zu sein.

Ferner, im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerin, genügt es nicht, dass die in E1 oder E4 offenbarten Gleitlagerverbundwerkstoffe zu guten Ergebnissen führen bzw. seit langem mit großem Erfolg eingesetzt worden sind, um eine Motivation für den Fachmann, sie weiter zu entwickeln bzw. zu verändern, zu verneinen. Gestellt vor die angegebene Aufgabe ist der Fachmann gemäß dem Aufgabe-Lösung-Ansatz ständig auf der Suche nach einer entsprechenden Lösung.

1.5 Wie es während der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, ist es auch zwischen den Parteien unstreitig, dass E2 sowie E3 Gleitlagerverbundwerkstoffe offenbaren, in welchen eine zusätzliche Einlaufschicht auf eine Aluminium-Legierungsschicht des Typs z.B. AlSn6Cu aufgebracht ist, die eine auf der Oberfläche der Aluminium-Lagerlegierungsschicht ausgebildete Zink-Phosphat-Schicht einer Dicke von 2-8 mym ist (E2, Seite 2, Zeilen 7-19, und Seite 3, Zeilen 1-20, sowie Ansprüche; E3, Spalte 1, Zeilen 3-11, und Spalte 2, Zeile 4, bis Spalte 3, Zeile 18, sowie Ansprüche; siehe auch Beschwerdebegründung, Punkte 2.4 und 2.5; den der Beschwerdeerwiderung beigefügte Schriftsatz vom 7. November 2012, der die Seiten 3 und 4 überbrückende Absatz; angefochtene Entscheidung, Punkt 12.3 der Gründe).

Deshalb sind die Merkmale des kennzeichnenden Teiles des Anspruchs 1 aus E2 oder E3 bekannt.

Damit sind auch Vorteile bezüglich des Einlaufverfahrens bzw. der oben angegebenen Aufgabe offenbart (E2, Seite 3, Zeilen 6-15; E3, Spalte 3, Zeilen 11-18).

1.6 Wie von der Beschwerdegegnerin ausdrücklich bestritten, bleibt somit zu erwägen, ob der Fachmann die Lehre von entweder E2 oder E3 mit den Gleitlagerverbundwerkstoffen von entweder E1 oder E4 tatsächlich kombinierte, oder er dies bloß tun könnte ("could-would-approach").

1.7 Aus den unten angegebenen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann die offenbarte Lösung von entweder E2 oder E3 in die Gleitlagerverbundwerkstoffe von entweder E1 oder E4 einführte, so dass er zum beanspruchten Gegenstand ohne erfinderische Tätigkeit gelangte.

1.7.1 Zwar offenbart D7 auf der einen Seite, dass Zink-Phosphat sich nicht auf Zinn (100 Gew.-%) abscheidet, jedoch offenbart auch D7 auf der anderen Seite, dass Zink-Phosphat auf eine Legierungsschicht des Typs AlSn6Cu, d.h. eine Aluminiumlegierung mit 6 Gew.-% Sn, abscheidet (Anspruch 1). Deshalb, stellt D7 kein Vorurteil gegen Abscheidung von Zink-Phosphat auf eine Aluminium-Legierungsschicht, deren Zusammensetzung Sn enthält, dar, ganz im Gegenteil. D7 hielte somit den Fachmann nicht ab, die Lehre von E2 oder E3 mit der von E1 oder E4 zu kombinieren.

1.7.2 Ferner wird angemerkt, dass E3, Spalte 2, Zeilen 22-23 und 54-57, explizit offenbart, dass das Verfahren zum Aufbringen einer 2 bis 8 mym dicken Zink-Phosphat-Schicht für die Beschichtung aller Schichten aus u.a. Aluminiumlegierungen geeignet ist. Die Lehre von E3 ist somit nicht auf eine bestimmte Aluminium-Zinn-Legierung beschränkt.

In einer ähnlichen Weise offenbart E2, Seite 3, Zeilen 6-15, dass die Zink-Phosphat-Schicht aufgrund ihrer sehr guten Anpassungsfähigkeit besonders bei den harten und verschleißfesten Aluminium-Gleitlagerlegierungen von Vorteil ist, d.h. auch nicht bloß auf eine bestimmte Aluminiumzusammensetzung beschränkt. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, gehören die aufgesputterten Laufschichten auf Aluminiumbasis mit 20-30 Gew.-% Sn von den aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffen zu solchen harten Aluminium-Gleitlagerlegierungen (Beschwerdeerwiderung, Seiten 2 und 3).

Für beide Druckschriften E2 und E3 ist AlSn6Cu als erfindungsgemäßes Beispiel genannt, d.h. eine Aluminiumlegierung mit Zinngehalt.

1.7.3 Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, ist es im Lichte von E6, Seite 1365, rechte Spalte, dritter Absatz, dem Fachmann bekannt, dass großflächige Zinnausscheidungen bei einer gesputterten Schicht nicht zu erwarten sind, insbesondere nicht im Vergleich mit einer aufplattierten Schicht mit einem entsprechenden Zinngehalt. Er dächte somit sofort daran, dass die von E2 und E3 offenbarte Lehre von einer Zink-Phosphat-Beschichtung auf eine aufplattierte Schicht aus Aluminiumlegierung auch auf einer, wie in E1 und E4 offenbart, gesputterten Schicht funktionierte bzw. metallurgisch haftete (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 2.7, Seiten 9 und 10). Für die Erwägung der Kombination der Lehre von entweder E2 oder E3 mit der von entweder E1 oder E4, spielt deshalb keine Rolle, wie die Aluminiumlegierungsschicht aufgebracht wird (gesputtert oder aufplattiert).

1.7.4 Schließlich wird von der Kammer angemerkt, wie auch von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass eine Auswahl aus naheliegenden Lösungen bzw. Alternativen, keine erfinderische Tätigkeit für die ausgewählte Lösung begründen kann (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, I.D.9.18.7 und I.D.9.18.9). Dass z.B. Beschichtungen aus Polymer bekannt sind, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, spielt für die erfinderische Tätigkeit von der beanspruchten Einlaufschicht keine Rolle.

1.8 Aus den oben angegebenen Gründen, dächte der Fachmann sofort daran, die aus entweder E2 oder E3 bekannte Lösung in dem Gleitlagerverbundwerkstoff von entweder E1 oder E4 zu probieren. Dadurch gelangte er ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand (Artikel 56 EPÜ).

1.9 Während der mündlichen Verhandlung erläuterte die Beschwerdegegnerin die Historie der Entwicklung von Gleitlagerverbundwerkstoffen für motorische Anwendungen.

Die erste Generation bestehe aus einer Trägerschicht aus Stahl mit einer darauf aufgebrachten Schicht aus einer AlSn20-Legierung, d.h. ohne Einlaufschicht.

Die zweite Generation entspreche den Gleitlagerverbundwerkstoffen, die in E2 (oder E3) offenbart sind. Sie enthalten eine Einlaufschicht, die auf eine aus Aluminium-Silizium-, Aluminium-Zink- bzw. Aluminium-Zinn-Legierung, die letztere mit niedrigem Zinn-Anteil (AlSn6Cu), bestehende Lagerschicht aufgebracht wird.

Die später entwickelten Gleitlagerverbundwerkstoffe gemäß den Offenbarungen von E1 bzw. E4 enthalten eine Gleitschicht aus einer mit hohem Zinn-Anteil Aluminium-Zinn-Legierung, die auf eine aus Bronze oder Messing bestehende Lagerschicht aufgebracht wird.

Laut der Beschwerdegegnerin habe der Fachmann keine Anregung, weitere Schicht auf die äußerste Schicht von E1 oder E4 aufzubringen, weil die Eigenschaften der Gleitlagerverbundwerkstoffe von E1 oder E4 bezüglich Belastbarkeit und Verschleißwiderstand ausreichend seien, siehe z.B. E1, Absatz 7 und E4, Absätze 13, 15 und 20. Die von der Beschwerdeführerin angegebene Aufgabe sei dadurch schon gelöst.

Ferner sei es klar für den Fachmann, dass die Gleitschicht aus einer in E1 oder E4 offenbarten Aluminium-Zinn-Legierung mit hohem Zinn-Anteil und die Einlaufschicht von E2 oder E3 zwei äußersten Schichten von Gleitlagerverbundwerkstoffen entsprechen, so dass er nicht daran denke, eine auf die andere aufzubringen.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert weiter, dass D8 und D9 die wichtigsten Legierungen auf dem vorliegenden technischen Gebiet von Gleitlagerverbundwerkstoffen mit einer Trägerschicht aus Stahl und einer Lagermetallschicht auf Kupferbasis, und mit einer aufgesputterten Laufschicht auf Aluminiumbasis offenbaren. Unter diesen zähle die AlSn20Cu-Legierung, siehe D8, Seite 6, Tabelle 3 und D9, Seite 391. Dies sei ein Nachweis, dass solche bekannten, üblichen Legierungen mit hohem Zinn-Gehalt in E2 und E3 nicht erwünscht bzw. mit Absicht ausgelassen seien. Es sei dann klar, dass die in E2 und E3 offenbarten Lagerschicht-Legierungen (insbesondere Aluminium-Zinn-Legierungen mit niedrigem Zinn-Anteil wie z.B. AlSn6Cu) bewusst gewählt seien.

Insbesondere wisse der Fachmann, dass eine Zink-Phosphat-Schicht auf einer Schicht, die aus einer mit hohem Zinn-Anteil enthaltenen Aluminium-Zinn-Legierungszusammensetzung bestehe, wie z.B. eine AlSn20-Schicht, nicht hafte. Er probiere deshalb eine solche Konfiguration nicht.

Es sei auf dem technischen Gebiet der Metallurgie dem Fachmann bekannt, dass erwünschte Eigenschaften einer Legierung bloß bei bestimmten Anteilgrenzen der einzelnen Elemente erreicht werden können, wie z.B. in Stählen, wobei einen Chrom-Anteil bloß über einen bestimmten Prozentsatz die Korrosion verbessere (Edelstahl). Deshalb bleibe der Fachmann im vorliegenden Fall einer aufgebrachten Zink-Phosphat-Einlaufschicht bei dem niedrigen Zinn-Anteil für die Aluminium-Lagerschicht gemäß der Offenbarung von E2 oder E3. So einen Sprung auf eine Lagerschicht mit einem hohen Zinn-Anteil wie in E1 bzw. E4 mache er nicht.

Aus diesen Gründen denke der Fachmann nicht daran, die Lehre von E2 oder E3 auf die aus E1 oder E4 bekannten Aluminium-Schichte mit hohem Zinn-Anteil zu versuchen.

Falls er dennoch an die Kombination der Lehre von E2 oder E3 mit den Gleitlagerverbundwerkstoffen von E1 oder E4 dächte, nähme er die Einlaufschicht zusammen mit der Aluminium-Lagerschicht mit niedrigem Zinn-Anteil von E2 bzw. E3, weil er wisse, dass die zwei Schichten zusammen zu den erwünschten Effekten führten. Er brächte sie auf die äußerste Aluminium-Laufschicht mit hohem Zinn-Anteil von E1 oder E4 auf. Dadurch gelangte er nicht zum beanspruchten Gegenstand.

1.10 Dieser Auffassung kann die Kammer sich aus den oben angegebenen Gründen nicht anschließen.

Insbesondere wie unter Punkt 1.4 oben angegeben, ist der Fachmann ständig auf der Suche nach einer Verbesserung der Eigenschaften von bekannten Produkten. Gestellt vor die angegebene Aufgabe, gäbe er sich somit nicht mit den Gleitlagerverbundwerkstoffen von E1 bzw. E4 zufrieden und täte bzw. versuchte nichts weiteres. Ganz im Gegenteil suchte er entweder im seinem Fachwissen oder im verfügbaren Stand der Technik nach einer Lösung. Im vorliegenden Fall stieße er zweifellos auf die Druckschriften E2 und E3, die auf dem gleichen technischen Gebiet wie dies von E1 und E4 liegen.

Ferner, wie auch unter Punkt 1.7.2 oben ausgeführt, ist die Kammer der Auffassung, dass es genügend Hinweise in E2 oder E3 selbst gibt, welchen der Fachmann sofort entnähme, dass die in E2 oder E3 offenbarte Lehre nicht auf die konkret in diesen Schriften genannten Legierungen der Lager-Schicht beschränkt ist. Der Umstand, dass die Legierung Al20SnCu auf dem vorliegenden Gebiet vor der Einreichung von E2 oder E3 dem Fachmann bekannt und üblich war, wie es in der Tat D8 und D9 zu entnehmen ist, kann die in E2 oder E3 selbst erwähnten Hinweise nicht außer Acht lassen bzw. verdrängen.

Schließlich hat die Beschwerdegegnerin im ganzen Beschwerdeverfahren, auch nicht während der mündlichen Verhandlung, obschon explizit dazu aufgefordert, keinen Nachweis eingereicht, um ihre von der Beschwerdeführerin bestrittene Behauptung zu stützen, nach welcher es zum Fachwissen des Fachmanns gehöre, dass eine Zink-Phosphat-Schicht auf einer Schicht, die aus einer mit hohem Zinn-Anteil enthaltenen Aluminium-Zinn-Legierung besteht, wie z.B. eine AlSn20-Schicht, nicht haftet (siehe auch in diesem Zusammenhang die Diskussion bezüglich D7 unter Punkt 1.7.1 oben). Deshalb, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, kann die Kammer kein Vorurteil sehen, das den Fachmann abhielte, es mindestens zu versuchen, die Einlaufschicht von E2 oder E3 auf die äußerste Gleitschicht mit - sogar viel - höherem Zinn-Anteil von E1 oder E4 aufzubringen.

Die Kammer teilt die von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vorgetragene Auffassung, dass, gestellt vor die o.g. Aufgabe bezüglich einer Verbesserung des Einlaufverhaltens der aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffe, der Fachmann zuerst die äußerste Schicht im Lichte der Lehre von den verfügbaren Dokumenten anpasste, d.h. nicht gleichzeitig mehrere Schichten auf ein Mal änderte bzw. auf die Gleitlagerverbundwerkstoffe von E1 oder E4 aufbrächte.

2. Hilfsantrag 1

2.1 Die Zulassung des mit dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2018 eingereichten Hilfsantrags 1 wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Kammer sah auch keinen Grund, Hilfsantrag 1 ins Verfahren nicht zuzulassen.

2.2 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 argumentiert, dass die mit einem sehr hohen Zinn-Anteil - AlSn(23-37)Cu(1,3-2,8) - ausgewählte Zusammensetzung für die aufgesputterte Laufschicht noch weiter entfernt von den Zusammensetzungen der Aluminium-Lagerschichten mit niedrigem Zinn-Anteil von E2 oder E3 sei, so dass der Fachmann noch weniger geneigt sei, die Kombination der Lehre von E2 oder E3 mit den aus E1 oder E4 bekannten Gleitlagerverbundwerkstoffen durchzuführen.

2.3 Dieser Auffassung kann die Kammer sich nicht anschließen. In der Tat, wie von der Beschwerdeführerin auch während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, ist die ausgewählte Zusammensetzung für die aufgesputterte Laufschicht aus E4 bekannt, siehe Anspruch 7. Deshalb gilt die unter Punkt 1 oben gegen Anspruch 1 des Hauptantrags angegebene Argumentation mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E4 mutatis mutandis gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht somit auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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