T 0045/14 () of 21.9.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T004514.20180921
Datum der Entscheidung: 21 September 2018
Aktenzeichen: T 0045/14
Anmeldenummer: 01956572.0
IPC-Klasse: G01F 23/284
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR BESTIMMUNG DES FÜLLSTANDES EINES FÜLLGUTS IN EINEM BEHÄLTER
Name des Anmelders: Endress+Hauser SE+Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01956572.0 zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung hatte die Zurückweisung insbesondere damit begründet, dass der Gegenstand des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments

D3: EP 0 922 942 A

nicht neu sei.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf Grundlage des Antrags vom 6. Juni 2013, d.h. des Antrags der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag.

III. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 zwar neu sei, aber ausgehend von dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 des Dokuments D3 und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens, wie es aus den Auszügen des Kapitels 10 des Fachbuchs

D4: Olver, A D et. al., "Microwave Horns and Feeds", IET, 1993, Seiten 338 - 341, und 364

ersichtlich sei, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Auf Anfrage der Beschwerdeführerin vom 7. August 2018 schickte die Kammer mit Mitteilung vom 13. August 2018 der Beschwerdeführerin das gesamte Kapitel 10 dieses Buches

D4': Olver, A D et. al., "Microwave Horns and Feeds", IET, 1993, Seiten 318 - 369

zu.

IV. Mit Schreiben vom 9. August 2018, eingegangen beim EPA am 13. August 2018, reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche und geänderte Beschreibungsseiten gemäß einem neuen Antrag ein und brachte Argumente zur Stützung ihrer Ansicht, dass eine erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 vorliege.

V. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 21. September 2018 statt.

Die Beschwerdeführerin reichte im Laufe der mündlichen Verhandlung geänderte Ansprüche und eine geänderte Beschreibung gemäß Hauptantrag "11:20" ein.

Sie beantragte gemäß ihrem Schlussantrag, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche: Nr. 1 - 6 gemäß Hauptantrag "11:20", eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2018.

Beschreibung: Seiten 1 - 9 gemäß Hauptantrag "11:20", eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2018.

Zeichnungen: Blatt 1/2 - 2/2 wie ursprünglich eingereicht.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag "11:20", eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 21. September 2018 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur Bestimmung des Füllstandes eines Füllguts in einem Behälter mit einer Signalerzeugungseinheit, die hochfrequente elektromagnetische Meßsignale erzeugt, mit einer Sende-/Empfangseinheit, die die Meßsignale über eine Hornantenne (1) in Richtung der Oberfläche des Füllguts aussendet und die die an der Oberfläche des Füllguts reflektierten Echosignale empfängt, wobei die Hornantenne (1) aus einem Wellenleiter (3) besteht, der sich in Abstrahlrichtung in einen Hohlraum (4) einer definierten Form aufweitet, und mit einer Auswerteeinheit, die anhand der Laufzeit der Meßsignale den Füllstand in dem Behälter ermittelt, und wobei ein dielektrisches Füllmaterial (5) vorgesehen ist, das den Wellenleiter (3) zumindest teilweise ausfüllt,

dadurch gekennzeichnet,

dass das dielektrische Füllmaterial (5) den aufgeweiteten Hohlraum (4) der Hornantenne (1) vollständig ausfüllt, so dass eine Ansatzbildung im Innenraum der Hornantenne (1) ausgeschlossen ist, und dass die Außenfläche (6) des dielektrischen Füllmaterials (5) als Linse geformt ist."

Entscheidungsgründe

1. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

1.1 Der geänderte Anspruch 1 basiert auf den ursprünglich eingerechten Ansprüchen 1 und 2 mit folgenden Änderungen, die durch die ursprünglich eingereichte Beschreibung und die ursprünglich eingereichten Figuren gestützt sind:

- im Anspruch wird die Antenne als Hornantenne bezeichnet (vgl. Seite 2, Zeilen 22 - 23),

- die erzeugten elektromagnetischen Meßsignale sind hochfrequente elektromagnetische Messsignale (vgl. Seite 3, Zeilen 25 - 26),

- das zumindest eine dielektrische Füllmaterial wurde auf ein dielektrisches Füllmaterial eingeschränkt, und dieses dielektrische Füllmaterial füllt den Hohlraum der Hornantenne vollständig aus (vgl. Seite 5, Zeilen 23 - 24 in Kombination mit Figur 1), und

- die Ausfüllung der Hornantenne ist derart, dass eine Ansatzbildung im Innenraum der Hornantenne ausgeschlossen ist (vgl. Seite 2, Zeilen 1 - 9).

1.2 Die Kammer hält daher den Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 durch die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt.

1.3 Die abhängigen Ansprüche entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3, 4, und 7 - 9. Die Merkmale dieser Ansprüche sind ursprünglich im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 offenbart oder so offenbart, dass sie sich auch auf das Ausführungsbeispiel der Figur 1 beziehen. Daher kann die Kammer in der Kombination der abhängigen Ansprüche mit dem Gegenstand des geänderten Anspruchs 1, der im Wesentlichen dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 entspricht, keine unzulässige Erweiterung erkennen.

1.4 Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind damit erfüllt.

2. Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

2.1 Nach Ansicht der Prüfungsabteilung offenbart Dokument D3, insbesondere dessen Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1, eine Vorrichtung zur Bestimmung des Füllstandes eines Füllguts in einem Behälter mit einer Signalerzeugungseinheit (der in Absatz [0032] genannte Mikrowellengenerator), die hochfrequente elektromagnetische Messsignale erzeuge, mit einer Sende-/Empfangseinheit, die die Messsignale über eine Hornantenne in Richtung der Oberfläche des Füllguts aussende, und die die an der Oberfläche des Füllguts reflektierten Echosignale empfange, wobei die Hornantenne aus einem Wellenleiter bestehe, der sich in Abstrahlrichtung in einen Hohlraum einer definierten Form aufweite (wie in Fig. 1 gezeigt), und mit einer Auswerteeinheit, die anhand der Laufzeit der Messsignale den Füllstand in dem Behälter ermittele (eine solche Auswerteeinheit müsse für die in Absatz [0029] von D3 definierten Messung selbstverständlich vorhanden sein), und wobei zumindest ein dielektrisches Füllmaterial (7, 8; vgl. Absätze [0037] - [0039]) vorgesehen sei, das den Wellenleiter (in dem sich die Elemente 7 und 8 befänden) zumindest teilweise ausfülle, wobei

das eine dielektrische Füllmaterial (vgl. Absatz [0055]) den aufgeweiteten Hohlraum (unterer Teil des Gehäuses 1 in Fig. 1) der Hornantenne vollständig ausfülle (vgl. Fig. 1), so dass eine Ansatzbildung im Innenraum der Hornantenne ausgeschlossen sei, wobei die Außenfläche des dielektrischen Füllmaterials als Linse geformt sei (der Konus gemäß D3 könne - wie jeder dielektrische Körper, der den Strahlengang der Mikrowellen in einer bestimmten Weise beeinflusse - als Linse angesehen werden).

2.2 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass es sich bei der in Figur 1 des Dokuments D3 gezeigten Antenne nicht um eine Hornantenne handeln könne, weil diese eine stabförmige Antenne 2a aufweise. Nur die Figur 2 des Dokuments D3 zeige eine Hornantenne.

2.3 Die Kammer ist der Ansicht, dass Figur 1 des

Dokuments D3 einen Wellenleiter mit einem Einsatz 8 zeigt, wobei sich der Wellenleiter in Abstrahlrichtung in einen Hohlraum aufweitet (vgl. das untere Ende des Gehäuses 1 in Figur 1). Dieser aufgeweitete Hohlraum ist durch einen Teil des dielektrischen Elements 2a vollständig ausgefüllt. Allerdings kann das spitz zulaufende Element, das aus dielektrischem Material besteht und als stabförmige Antenne 2a bezeichnet wird, nicht als Linse betrachtet werden. Für das dielektrische Element 2a ist auch die Funktion einer Stabantenne (vgl. Seite 4, Zeilen 43 - 44) und nicht die einer Linse offenbart. Für den Wellenleiter mit dem aufgeweiteten Hohlraum ist auch nicht die Funktion einer Hornantenne offenbart.

2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D3.

3. Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.1 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass das Ausführungsbeispiel mit Hornantenne gemäß Figur 2 des Dokuments D3 als nächstliegender Stand der Technik gesehen werden kann. Ausgehend von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1. Diese Merkmale bewirken eine stabile Hornantenne, die effektiv vor Ansatzbildung geschützt ist und die Fokussierung der elektromagnetischen Messsignale unterstützt (vgl. Seite 2, Zeilen 14 - 20 der ursprünglich eingereichten Beschreibung).

3.2 Ausgehend von dem Ausführungsbeispiel mit einer Hornantenne gemäß Figur 2 des Dokuments D3 stellt sich dem Fachmann somit die Aufgabe, die Hornantenne so zu verbessern, dass Ansatzbildung vermieden wird und die Fokussierung der elektromagnetischen Messsignale unterstützt wird.

3.3 Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann auch sein allgemeines Fachwissen zu Rate ziehen. Wie beispielsweise durch den von der Kammer in das Verfahren eingeführten Auszug eines Fachbuchs (Dokument D4') belegt, sind dem Fachmann Hornantennen und deren Bauweisen und Varianten geläufig. Hornantennen, die aus dielektrischen Materialien bestehen und mit einer Metallschicht überzogen sind, sind zwar allgemein bekannt (vgl. Figur 10.16 auf Seite 338). Es ist auch allgemeines Fachwissen, dass die dielektrische Füllung der Hornantenne zur besseren Fokussierung an der Außenfläche als Linse geformt sein kann (vgl. Figur 10.36 und Text auf Seite 364). Die dielektrische Füllung der Hornantenne wird jedoch üblicherweise nur dazu verwendet, um Mikrowellen in gewünschten Hybridmoden oder Multimoden abstrahlen und empfangen zu können, wobei dazu immer zwei verschiedene dielektrische Bereiche in der Hornantenne verwendet werden (vgl. Abschnitt 10.1 auf den Seiten 318-320). Diese Bereiche können durch verschiedene dielektrische Materialien erzeugt werden (vgl. Abschnitt 10.6.2). Der Auszug D4' gibt allerdings keinerlei Hinweise, wie Ansatzbildung vermieden werden kann. Der Fachmann wird daher dieses Fachwissen zur Lösung der oben genannten Aufgabe nicht heranziehen.

Der Fachmann wird auch nicht zu einer mit einem dielektrischen Füllmaterial vollständig ausgefüllten Hornantenne gelangen, wenn er beabsichtigt, Mikrowellen in Hybridmoden oder Multimoden zu erzeugen, um eine günstigere Abstrahlcharakteristik zu erhalten, denn die Erzeugung der Hybridmoden oder Multimoden erfordert entweder einen Luftspalt zwischen dielektrischem Füllmaterial und kegelförmigem, metallischem Antennenhorn oder zwei dielektrische Füllmaterialien in der Hornantenne. Daher würde der Fachmann auch mit dieser Aufgabenstellung nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

3.4 Auch keines der anderen im Prüfungsverfahren zitierten Dokumente schlägt zur Vermeidung von Ansatzbildung an einer Hornantenne das Ausfüllen der Hornantenne mit einem dielektrischen Füllmaterial vor.

3.5 Die Kammer kommt daher zum Schluss, das der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Die abhängigen Ansprüche 2 - 6 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und beruhen daher ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Die Beschreibung ist an die geänderten Ansprüche angepasst und der relevante Stand der Technik ist in der Beschreibung gewürdigt. Die Beschreibung erfüllt daher die Erfordernisse der Regel 27 (1) EPÜ 1973.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche: Nr. 1 - 6 gemäß Hauptantrag "11:20", eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2018.

Beschreibung: Seiten 1 - 9 gemäß Hauptantrag "11:20", eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2018.

Zeichnungen: Blatt 1/2 - 2/2 wie ursprünglich eingereicht.

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