T 0041/14 () of 18.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T004114.20181018
Datum der Entscheidung: 18 October 2018
Aktenzeichen: T 0041/14
Anmeldenummer: 10000025.6
IPC-Klasse: G07F 1/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Umlenkvorrichtung
Name des Anmelders: Novomatic AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 10 000 025.6 wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit und mangelnder Klarheit zurückzuweisen.

II. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte zunächst, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent auf Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1, 2, 2a oder 3 zu erteilen. Der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1, 2, und 3 lagen der angefochtenen Entscheidung zugrunde. Hilfsantrag 2a wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

III. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zog die Beschwerdeführerin alle Hilfsanträge zurück. Es bleibt daher der Hauptantrag als einziger Antrag.

IV. Es wird auf die folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: DE 42 24 029 A1;

D4: US 3791574.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1-12 des Hauptantrages (bezeichnet "Neue Patentansprüche"), eingereicht mit Schreiben vom 20. Juni 2012;

Beschreibung:

Seiten 3-5 in der ursprünglich eingereichten Fassung;

Seiten 1, 1a, 2, 6, eingereicht mit Schreiben vom 25. Oktober 2011;

Zeichnungen: Blätter 1/4-4/4 eingereicht mit Schreiben vom 24. Mai 2013.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrags lautet wie folgt:

Umlenkvorrichtung (1) insbesondere für Münzen oder für Münzersatz zur Führung, Umlenkung und/oder zur Änderung der Position oder der Lage der Münzen oder des Münzersatzes insbesondere innerhalb eines Automaten, wobei die Umlenkvorrichtung (1) aus zwei beabstandet sich gegenüberliegenden im Wesentlichen flachen Grundblechen (2, 3) besteht, die mittels Abstandshaltern (10, 18) eine Bahn für die Münzen oder für den Münzersatz bilden, wobei die Abstandshalter (10) in Öffnungen (11) der Grundbleche (2, 3) eingreifen und damit die Grundbleche (2, 3) relativ zueinander fixieren, wobei die genannten Grundbleche (2, 3) jeweils einen ebenen ersten Bereich (4, 5) im Einwurfbereich der Umlenkvorrichtung, einen zweiten ebenen Bereich (6, 7) im Auswurfbereich der Umlenkvorrichtung sowie einen gekrümmten Bereich (8, 9) aufweisen, durch den die genannten ersten und zweiten Bereiche (4, 5; 6, 7) miteinander verbunden sind, und eine Einlaufebene der Münzen gegenüber einer Auslaufebene der Münzen geneigt ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Einwurfbereich eine erste Münzkanalbreite aufweist, die größer ist als eine zweite Münzkanalbreite des Auswurfbereichs, wobei der vorgenannte gekrümmte Bereich (8, 9) zwischen dem Einwurfbereich und dem Auswurfbereich die Münzkanalbreite von der genannten ersten Münzkanalbreite auf die zweite Münzkanalbreite graduell verjüngt.

VII. In der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 2.1) sah die Prüfungsabteilung das Ausführungsbeispiel nach Figur 14 des D1 als nächstliegender Stand der Technik an. Der Münzkanal D-D der Figur 14 sei eine Münzumlenkvorrichtung und weise (i) einen ersten, oberen, ebenen Bereich größerer Breite, (ii) einen zweiten, unteren, ebenen Bereich kleinerer Breite und (iii) dazwischen einen gekrümmten Bereich, in dem die Breite sich in Bewegungsrichtung der Münzen verkleinere, der den ersten und zweiten Bereich derart verbinde, dass die Einlaufebene des ersten Bereichs gegenüber der Auslaufebene des zweiten Bereichs geneigt sei, auf.

Der Unterschied zwischen dem beanspruchtem Gegenstand und dem Münzkanal der Figur 14 liege in den Einzelheiten der Bauweise des Münzkanals, die die Merkmale der Zeilen 3-12 des Anspruchs 1 aufweise. Die für den Fachmann zulösende Aufgabe sei daher, wie man eine Münzumlenkvorrichtung mit der Gestalt des Münzkanals D-D der Figur 14 baut.

Die Bauweise gemäß Anspruch 1 sei aus D1 bekannt, denn D1 offenbare eine solche Münzumlenkvorrichtung im Ausführungsbeispiel nach den Figuren 3 und 4. Der Fachmann würde somit die Bauweise nach Figur 4 in naheliegender Weise in Erwagung ziehen, um einen Münzkanal mit der Gestalt des Münzkanals D-D der Figur 14 herzustellen.

VIII. Die Beschwerdeführerin argumentierte hauptsächlich, dass das Ausführungsbeispiel gemäß der Figuren 3-5 von D1 den nächstliegenden Stand der Technik besser darstelle, und dass der Fachmann ausgehend von diesem Ausführungsbeispiel auf den beanspruchten Gegenstand nicht ohne erfinderisches Zutun gelangen würde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Nächstliegender Stand der Technik

2.1 Die Kammer teilt die Auffassung der Prüfungsabteilung, dass das Ausführungsbeispiel nach Figur 14 des D1 den nächstliegenden Stand der Technik gegenüber der beanspruchten Erfindung darstelle, nicht.

Grundsätzlich ist als nächstliegender Stand der Technik ein Gegenstand anzusehen, der zum gleichen Zweck mit der beanspruchten Erfindung entwickelt wurde und die wichtigsten technischen Merkmale mit der beanspruchten Erfindung gemein hat.

2.2 Die Kammer bemerkt, dass im Absatz [0003] der veröffentlichten Anmeldung folgendes zu lesen ist: "So kann beispielweise bei einem Einwurf eine schräge Position der Münze günstig sein, wobei bei einem anderen Element des Automaten, wie beispielweise eine Münzprüfungsstation, eine eher senkrechte Position der Münze günstig ist. Die Münzen werden in dem Automaten befördert und umgelenkt, wozu Umlenkvorrichtungen vorgesehen sind." (Zeilen 21-28)

Im Absatz [0030] ist folgendes zu lesen: "Mit anderen Worten ausgedrückt weist die Umlenkvorrichtung einen abgerundeten Bereicht im Münzkanal auf, wodurch die Gefahr einer Verklemmung der Münzen im Münzkanal vermindert wird, beispielweise bei einem zeitlich rasch aufeinander folgenden Einwerfen von Münzen." (Zeilen 30-35)

Außerdem wird im Anspruch 1 definiert, dass "...die genannte Grundbleche...jeweils einen ebenen ersten Bereich... im Einwurfbereich der Umlenkvorrichtung...aufweisen".

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die beanspruchte Umlenkvorrichtung für den Münzeinwurfbereich des Automaten bestimmt ist, d. h. sie dient der Münzumlenkung zwischen dem Münzeinwurf an dem Automaten und der Übergabe der Münze an ein anderes Element des Automaten (z.B. eine Münzprüfungsstation).

2.3 Der Münzkanal D-D der Figur 14 des D1 wird als Teil des Münzdurchlaufadapters (8) bezeichnet. Dieser Münzdurchlaufadapter dient der Weiterleitung bzw. Verteilung der aus dem Münzdurchlaufprüfer austretenden Münzen (Spalte 6, Zeilen 63-68). Wie in der Figur 2 zu sehen ist, liegt der Münzdurchlaufadapter (8) weit vom Münzeinwurfbereich (Münzeinlauf) des Automaten entfernt.

Außerdem besteht der Münzdurchlaufadapter und somit auch das Münzkanal D-D aus einem Kunststoffspritzgussteil (Spalte 6, Zeilen 64-65).

2.4 Nach der Auffassung der Kammer ist daher das Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4 von D1 als Ausgangspunkt mehr geeignet. Wie aus den Figuren 2, 3 und 4 zu sehen ist, dient die dargestellte Umlenkvorrichtung der Münzumlenkung zwischen dem Münzeinwurf an dem Automaten und der Übergabe der Münze an ein anderes Element des Automaten (z.B. einen Münzprüfer - siehe Figur 2). Außerdem weist die Umlenkvorrichtung der Figuren 3 und 4 die gleiche Bauweise wie die beanspruchte Umlenkvorrichtung (siehe folgender Punkt) auf. Sie wurde somit zum gleichen Zweck entwickelt und hat die wichtigsten technischen Merkmale mit der beanspruchten Erfindung gemein.

2.5 Das Ausführungsbeispiel gemäß der Figuren 3 und 4 von D1 wird somit als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Es offenbart die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1:

Eine Umlenkvorrichtung zur Führung, Umlenkung und/oder zur Änderung der Position oder der Lage der Münzen oder des Münzersatzes (Spalte 4, Zeilen 35-66; Spalte 5, Zeilen 9-21, Figuren 1-5) welche aus zwei beabstandet sich gegenüberliegenden im Wesentlichen flachen Grundblechen besteht, die mittels Abstandshaltern eine Bahn für die Münzen oder für den Münzersatz bilden, wobei die Abstandshalter in Öffnungen der Grundbleche eingreifen und damit die Grundbleche relativ zueinander fixieren (Figuren 1-3), wobei die genannten Grundbleche jeweils einen ebenen ersten Bereich (3) im Einwurfbereich der Umlenkvorrichtung, einen zweiten ebenen Bereich (3'') im Auswurfbereich der Umlenkvorrichtung sowie einen gekrümmten Bereich (3') aufweisen, durch den die genannten ersten und zweiten Bereiche miteinander verbunden sind, und eine Einlaufebene der Münzen gegenüber einer Auslaufebene der Münzen geneigt ist (Figuren 4 und 5).

D1 offenbart ebenfalls, dass der Einwurfbereich eine erste Münzkanalbreite und der Auswurfbereich eine zweite Münzkanalbreite aufweisen, wobei der vorgenannte gekrümmte Bereich den Einwurfbereich mit dem Auswurfbereich verbindet (siehe Figur 4).

3. Unterschied und Aufgabe

3.1 Die beanspruchte Umlenkvorrichtung unterscheidet sich von der Umlenkvorrichtung gemäß D1 dadurch, dass die erste Münzkanalbreite im Einwurfbereich größer als die zweite Münzkanalbreite im Auswurfbereichs ist und dass der gekrümmte Bereich zwischen dem Einwurfbereich und dem Auswurfbereich die Münzkanalbreite von der ersten Münzkanalbreite auf die zweiten Münzkanalbreite graduell verjüngt.

3.2 In D1 werden keine Angaben über die Breite des Münzkanals im Einwurf- und Auswurfbereich (3 und 3'' in Figur 4) gemacht. Der gekrümmte Bereich (3' in Figur 4) zwischen dem Einwurfbereich (3) und dem Auswurfbereich (3'') weist eine Münzkanalbreite auf, die aus einer Aufweitung gefolgt durch einer Verjüngung besteht. Aus der Figur 4 ist es zu sehen, dass der Münzkanal im Einwurfbereich (3) und im Auswurfbereich (3'') die gleiche oder beinahe gleiche Breite aufweist. Im gekrümmten Bereich (3') ist der Münzkanal breiter als in den beiden anderen Bereichen.

3.3 Die technische Wirkung der unterscheidenden Merkmale ist, dass das Risiko einer Verklemmung der Münzen bei einer Umlenkung vermindert wird. Dies gilt insbesondere in dem Fall eines zeitlich rasch aufeinander folgenden Einwerfens von Münzen, wo mehrere Münzen gleichzeitig oder schnell nacheinander den gekrümmten Bereich erreichen (siehe auch Absatz [0030], Zeilen 30-35 der Anmeldung).

3.4 Die zulösende technische Aufgabe ist daher, diese Wirkung in der Umlenkvorrichtung gemäß D1 zu erzielen.

4. Lösung und erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Umlenkvorrichtung gemäß Figuren 3-5 von D1 ist für ein Geldspielgerät bestimmt (Spalte 4, Zeilen 35-37). Der Nutzer wirft die Münzen durch einen Einwurfschlitz (2), der in einen der Dicke der dicksten Münzen angepassten Kanal mündet, ein. Der Kanal hat eine Höhe, die etwas größer als der Durchmesser der größten Münzen ist. Der Münzkanal im Einwurfbereich (3) ist somit den Dimensionen der Münzen angepasst, so dass Münzen, hochkant stehend, nur eine nach der anderen durch den Kanal laufen können (Spalte 4, Zeilen 40-50, Figuren 3 und 4).

Die Umlenkung der Münzen geschieht in dem gekrümmten Bereich (3'), wo die Münzen um eine vertikale Achse um 90° gedreht werden (Spalte 3, Zeilen 11-15 und 29-35 und Spalte 4, Zeilen 43-56).

4.2 Die Struktur des Einwurfschlitzes und des Münzkanals im Einwurfbereich hindert einen Nutzer daran, mehrere Münzen gleichzeitig oder zeitlich rasch aufeinander folgendem einzuwerfen. Um dies zu erreichen, müsste der Fachmann den Einwurfschlitz und den Münzkanal breiter gestalten.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann ausgehend von der Umlenkvorrichtung der Figur 4 von D1 eine solche Vorgehensweise nicht in Erwägung ziehen würde. Ziel der Umlenkvorrichtung in D1 ist, eine sichere Führung von Münzen unter Drehung um 90° um ihre Hochachse zu den in tieferen Bereichen eines Gehäuses angeordneten Münzprüfungseinrichtungen in einfacher, verkantungs- und verklemmungsfreier Weise zu ermöglichen (Spalte 3, Zeilen 29-34). Bei einer Verbreitung des Einwurfschlitzes (2) und des Einwurfkanals (3) könnten mehrere Münzen gleichzeitig am Anfang des gekrümmtes Bereichs antreffen. Da der Drehungswinkel im gekrümmten Bereich 90° ist, würde hierdurch das Verklemmungs- und Verkantungsrisiko der Münzen im gekrümmten Bereich stark zunehmen. Der Fachmann würde somit eine solche Maßnahme nicht unternehmen, da sie die vorgesehene Funktion der Vorrichtung behindern würde.

4.3 Das Dokument D4 beschreibt eine Vorrichtung, die bei Mautzahlautomaten verwendet werden kann. Der Nutzer kann einfach mehreren Münzen gleichzeitig in dem Einwurfbereich der Vorrichtung einwerfen (Spalte 1, Zeilen 5-23). Die Vorrichtung weist einen Münzkanal auf, der im Einwurfbereich breiter als im Auswurfbereich (des Kanals) ist (siehe z.B. Figuren 2 und 5).

Die Vorrichtung in D4 weist einen trichterförmigen, in Münzdurchlaufrichtung sich verengenden Münzkanal auf, und das Problem der Verklemmung der Münzen beim Einwerfen scheint somit gelöst zu sein. In der Vorrichtung gemäß D4 findet aber keine Umlenkung (Drehung) der Münzen statt und das Problem einer verklemmungs- und verkanntungsfreien Münzumlenkung kommt nicht in Betracht. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Fachmann den Gegenstand von D4 nicht in Erwägung ziehen würde, um die gegebene technische Aufgabe zu lösen.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht somit gegenüber dem ausgezogenen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

5. Die Beschreibung wurde den geänderten Ansprüchen angepasst (Artikel 84 EPÜ) und in ihr die Dokumente des Stands der Technik aufgenommen (Regel 42(1) b) EPÜ).

Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass die Anmeldung und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Ein europäisches Patent ist somit gemäß Artikel 97(1) EPÜ zu erteilen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1-12 des Hauptantrages (bezeichnet "Neue Patentansprüche"), eingereicht mit Schreiben vom 20. Juni 2012;

Beschreibung:

Seiten 3-5 in der ursprünglich eingereichten Fassung;

Seiten 1, 1a, 2, 6, eingereicht mit Schreiben vom 25. Oktober 2011;

Zeichnungen: Blätter 1/4-4/4 eingereicht mit Schreiben vom 24. Mai 2013.

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